Entscheidungsdatum: 11.04.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 19. Oktober 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung in zwei tateinheitlich zusammenfallenden Fällen zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Beanstandung der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
3. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Ausführungen, mit denen das Landgericht die Annahme der vollen Schuldfähigkeit des Angeklagten begründet hat, sind nicht rechtsfehlerfrei.
a) Das Landgericht ist, sachverständig beraten, davon ausgegangen, dass bei dem Angeklagten eine kombinierte Persönlichkeitsstörung aus dissozialer, narzisstischer Störung einerseits und emotional instabiler Persönlichkeit (Borderline) andererseits bestehe. Der Angeklagte lebe nach dem „Motto“ „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“, was unter anderem auch aus seinem Verhalten im Prozess (Behauptung einer „gefälschten Auskunft der Bezirksregierung“, „unfähigen/inkompetenten DNA-Sachverständigen“) hervorgegangen sei. Diese Persönlichkeitsstörung erreiche auch in ihrer Schwere einen Grad, der geeignet sei, die Voraussetzungen einer schweren anderen seelischen Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB zu erfüllen. Allerdings habe sich diese Persönlichkeitsstörung - wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt habe - nicht in der Tat niedergeschlagen. Gegen die Aufhebung oder Einschränkung der Steuerungsfähigkeit spreche ganz erheblich der Ablauf der Tat. Der Angeklagte habe aus Tätersicht logisch gehandelt und sei jederzeit in der Lage gewesen, auf äußere Impulse zu reagieren.
b) Diese Ausführungen der Strafkammer begegnen durchgreifenden Bedenken. Die Feststellung des Landgerichts, die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei uneingeschränkt vorhanden gewesen, ist nicht tragfähig belegt.
aa) Eine Persönlichkeitsstörung kann die Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit nur dann begründen, wenn sie, wie das Landgericht nicht verkannt hat, Symptome aufweist, die in ihrer Gesamtheit das Leben eines Angeklagten vergleichbar schwer und mit ähnlichen Folgen stören, belasten oder einengen wie eine krankhafte seelische Störung. Als Gründe für die Einstufung einer Persönlichkeitsstörung als „schwere andere seelische Abartigkeit“ kommen erhebliche Auffälligkeiten der affektiven Ansprechbarkeit bzw. der Affektregulation, der Einengung der Lebensführung bzw. Stereotypisierung des Verhaltens, die durchgängige oder wiederholte Beeinträchtigung der Beziehungsgestaltung und der psychosozialen Leistungsfähigkeit durch affektive Auffälligkeiten, Verhaltensprobleme sowie unflexible, unangepasste Denkstile, die durchgehende Störung des Selbstwertgefühls oder die deutliche Schwäche von Abwehr- und Realitätsprüfungsmechanismen in Betracht (Müller/Nedopil, Forensische Psychiatrie, 5. Aufl., S. 233; Konrad/Rasch, Forensische Psychiatrie, 4. Aufl., S. 381 f.). Handelt es sich, wie bei der hier diagnostizierten kombinierten Persönlichkeitsstörung, um ein eher unspezifisches Störungsbild, wird der Grad einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ regelmäßig erst dann erreicht, wenn der Täter aus einem mehr oder weniger unwiderstehlichen Zwang heraus gehandelt hat (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 11. Februar 2015 - 4 StR 498/14; NStZ-RR 2015, 137 mwN; Beschluss vom 27. Januar 2017 - 1 StR 532/16, NStZ-RR 2017, 176, 177).
bb) Den Urteilsgründen kann, auch in ihrer Gesamtheit, nicht entnommen werden, welche forensisch relevanten Symptome einer Persönlichkeitsstörung die Strafkammer ihrer Gesamtschau bei der Annahme einer schweren anderen seelischen Abartigkeit zu Grunde gelegt hat, und wie sich diese Auffälligkeiten bei der konkreten Tatausführung ausgewirkt haben. Hierauf kommt es jedoch entscheidend an; denn der Begriff der kombinierten Persönlichkeitsstörung aus dissozialer, narzisstischer Störung einerseits und emotional instabiler Persönlichkeit (Borderline) andererseits besagt für sich genommen wenig. Gerade bei Persönlichkeitsstörungen, die eine Vielzahl auch normalpsychologisch wirksamer Ausprägungen und Beeinträchtigungen des Verhaltens beschreiben und typisierend zusammenfassen, bedarf es einer näheren Beschreibung und Eingrenzung des psychischen Defekts (Senat, Beschluss vom 23. August 2000 - 2 StR 162/00, juris Rn. 4).
Mangels Darstellung, welche Auffälligkeiten der Persönlichkeit des Angeklagten in die Gesamtschau zur Annahme der „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ eingeflossen sind, ist dem Senat die Prüfung verwehrt, ob der Ablauf der Tat den uneingeschränkten Erhalt der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten belegt und den Rückschluss auf dessen intakte psychische Funktionen während der Tatbegehung ermöglicht.
c) Dieser Rechtsfehler bedingt die Aufhebung des Strafausspruchs. Der Schuldspruch wird dadurch nicht berührt; der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei fehlerfreier Würdigung zur Annahme von Schuldunfähigkeit gelangt wäre. Die Sache bedarf insoweit - naheliegender Weise unter Heranziehung eines anderen Sachverständigen - neuer Verhandlung und Entscheidung.
Schäfer |
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Krehl |
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Bartel |
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Schmidt |
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