Entscheidungsdatum: 11.05.2011
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 13. September 2010
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte im Fall II. 2. der Urteilsgründe der räuberischen Erpressung schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall II. 2. der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe sowie im Ausspruch über die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg hat; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung insoweit nicht stand, als das Landgericht den Angeklagten im Fall II. 2. der Urteilsgründe der schweren räuberischen Erpressung nach § 255 i.V.m. § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB für schuldig befunden hat.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte am 12. April 2010 eine Sparkasse, nachdem er für die Tatausführung unmittelbar zuvor aus der Auslage eines Drogeriemarktes eine Wasserpistole entnommen hatte. Die grellbunte Spielzeugpistole, die auch in ihrer Form einer echten Waffe nicht ähnelte, verbarg er in seiner Jackentasche. Nach Betreten der Sparkasse begab sich der Angeklagte zu dem Filialleiter und erklärte ihm, dass es sich um einen Banküberfall handele und er so schnell wie möglich so viel Geld wie möglich haben wolle. Zugleich deutete er an, mit einer Schusswaffe bewaffnet zu sein, indem er seine Hand in die Jackentasche steckte und mit der darin befindlichen Wasserpistole eine zielende Bewegung machte. Der Filialleiter, der den in der Jackentasche verborgenen Gegenstand nicht sehen konnte, aber befürchtete, dass es sich um eine echte Waffe handelte, ging mit ihm zum Kassenraum. Dort befanden sich zwei weitere Bankangestellte, die in dem Angeklagten den Täter wiedererkannten, der sie bei einem früheren Überfall im Vorjahr bereits mit einer echt aussehenden Pistole bedroht hatte. Sie sahen, dass der Angeklagte mit einem in seiner Jackentasche verborgenen Gegen- stand drohte, und gingen davon aus, dass er eine echte Schusswaffe mit sich führe. Daraufhin erhielt der Angeklagte Bargeld in Höhe von 2.490 € ausgehändigt.
b) Diese rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen lediglich einen Schuldspruch wegen - einfacher - räuberischer Erpressung (§ 255 i.V.m. § 249 Abs. 1 StGB). Ihnen ist zu entnehmen, dass der Angeklagte den Bankangestellten konkludent drohte, von einer Schusswaffe Gebrauch zu machen, falls sie sich seiner Forderung nach Herausgabe von Geld widersetzen sollten. Damit hat der Angeklagte die Voraussetzungen der räuberischen Erpressung erfüllt. Für die Tatbestandserfüllung ist unerheblich, ob der Täter die Ausführung seiner Drohung beabsichtigt oder ob sie für ihn überhaupt realisierbar ist, solange er nur will, dass die Bedrohten - wie hier - die Ausführung der Drohung für möglich halten (BGHSt 23, 294, 295 f.; BGH, NStZ 1997, 184).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts handelt es sich bei der von dem Angeklagten verwendeten Wasserpistole indes um kein "Werkzeug oder Mittel" im Sinne der Vorschrift des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB, um den Widerstand einer anderen Person durch Drohung mit Gewalt zu verhindern. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheiden als tatbestandsqualifizierende Drohungsmittel solche Gegenstände aus, bei denen die Drohungswirkung nicht auf dem objektiven Erscheinungsbild des Gegenstands selbst, sondern auf täuschenden Erklärungen des Täters beruht (vgl. BGHSt 38, 116, 118 f.; BGH, NStZ 1997, 184; NStZ 2007, 332, 333; Senat, NStZ 2011, 278; weitere Nachw. bei Fischer, StGB 58. Aufl., § 250 Rn. 10a). Danach haftet einem zur Drohung eingesetzten vorgeblich gefährlichen Gegenstand keine objektive Scheinwirkung an, wenn seine objektive Ungefährlichkeit schon nach dem äußeren Erscheinungsbild offenkundig auf der Hand liegt. Für diese Beurteilung kommt es allein auf die Sicht eines objektiven Betrachters und nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall das Tatopfer eine solche Beobachtung tatsächlich machen konnte oder ob der Täter dies durch sein täuschendes Vorgehen gerade vereitelte (vgl. BGH, aaO).
Ein solcher Fall lag hier vor. Wie auch das Landgericht im Ausgangspunkt noch zutreffend erkannt hat (UA S. 37), war die Wasserpistole nach ihrem äußeren Erscheinungsbild "nicht geeignet, den Anschein einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs zu erwecken, da sie nach Form und Farbe deutlich als Spielzeug zu klassifizieren gewesen wäre". Keine Bedeutung kommt demgegenüber für die objektive Betrachtung des vom Angeklagten eingesetzten Gegenstands den vom Landgericht insoweit für maßgeblich erachteten weiteren Umständen des Tatgeschehens zu, dass die Wasserpistole von den Geschädigten in ihrem Erscheinungsbild nicht wahrgenommen werden konnte und nur aufgrund ihrer verdeckten Verwendung den vom Angeklagten erstrebten Bedrohungseffekt entfaltete und dass die beiden Bankangestellten aufgrund des Wiedererkennens des Angeklagten aus ihrer Wahrnehmung der vermeintlich echten Waffe bei dem zuvor von ihm begangenen Überfall schlussfolgerten, dass der Angeklagte erneut mit einer echten Pistole drohen würde.
Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO abgeändert. Dies hat den Wegfall der insoweit verhängten Einzelstrafe zur Folge. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung durch die fehlerhafte rechtliche Würdigung beeinflusst worden sind. So erscheint es möglich, dass die Strafkammer von einem - hier unter dem Gesichtspunkt der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) bejahten - minder schweren Fall auch bei zutreffender Annahme einer (einfachen) räuberischen Erpressung ausgegangen wäre. Wegen der Aufhebung der Einzelstrafe im Fall II. 2. der Urteilsgründe hat auch die Gesamtstrafe keinen Bestand.
2. Auch der Ausspruch über die Maßregel hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da - anders als zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung - die formellen Voraussetzungen für deren Anordnung aufgrund der Änderung der Vorschrift des § 66 StGB durch das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBI I. S. 2300) nicht mehr vorliegen. Der Senat hat insoweit gemäß der in Art. 316e Abs. 2 EGStGB vorgesehenen Übergangsvorschrift das gegenüber dem bisherigen Recht mildere neue Gesetz zu Gunsten des Angeklagten anzuwenden (§ 354a StPO).
Nach der für den Angeklagten günstigeren, weil strengeren formellen Voraussetzung der Vorschrift des § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB nF muss der Täter wegen Straftaten der in Nr. 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zwei Mal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Zwar erfüllt die Verurteilung durch das Landgericht Kassel vom 8. November 1999 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren die genannte Voraussetzung, da der dort u.a. abgeurteilte sexuelle Missbrauch von Kindern in neun Fällen nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB nF taugliche Anlasstat sein kann. Es fehlt jedoch an der zweiten erforderlichen Vorverurteilung. Alle weiteren den Urteilsfeststellungen zu entnehmenden Vorstrafen - insbesondere die vom Landgericht im angefochtenen Urteil noch herangezogene Verurteilung durch das Landgericht Arnsberg vom 8. August 1990 u.a. wegen Diebstahls in vier Fällen - erfolgten wegen Delikten, die nach der Neufassung des Gesetzes keine tauglichen Anknüpfungstaten für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB mehr sein können.
Der Senat kann nicht gemäß § 354a i.V.m. § 354 Abs. 1 analog StPO in der Sache selbst entscheiden. Zwar kommt nach den Feststellungen in Betracht, dass die formellen Voraussetzungen für eine Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 3 StGB nF vorliegen können, da insoweit die frühere Verurteilung durch das Landgericht Kassel vom 8. November 1999 genügte. Eine Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dieser Vorschrift steht jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters. An einer solchen Ermessensentscheidung fehlt es hier, da das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten ausdrücklich auf die vorrangige Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB aF gestützt hat, nach der die Anordnung der Maßregel zwingend war. Das Revisionsgericht kann die fehlende Ermessensentscheidung nicht ersetzen; sie ist dem neuen Tatrichter vorbehalten (vgl. BGH, NStZ-RR 2004, 12).
Fischer Schmitt Berger
Eschelbach Ott