Entscheidungsdatum: 27.05.2014
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 20. September 2013 im Fall Il.1 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes und sexueller Nötigung, wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
I.
Die Verurteilung im Fall II.1 der Urteilsgründe wegen Geiselnahme hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lockte der Angeklagte die Nebenklägerin in seine Wohnung, verschloss die Tür und stieß sie auf ein Sofa. Als sie versuchte, zur Ausgangstür zu gelangen, hielt er sie zurück und verklebte ihr mit einem Klebeband den Mund. Er umfasste sodann mit seiner Hand den Hals des Tatopfers und drückte dabei so fest zu, dass sie kaum noch Luft bekam, während er ihr sagte "Entweder Du machst jetzt mit oder Danach entfernte er das Klebeband wieder und zwang sie, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen bzw. seine sexuellen Handlungen zu dulden.
2. Dieser Sachverhalt erfüllt unter Beachtung der vom Großen Senat des Bundesgerichtshofs für Strafsachen (Beschluss vom 22. November 1994 - GSSt 1/94, BGHSt 40, 350, 359) zur Auslegung des § 239b StGB im Zwei-Personen-Verhältnis aufgestellten Grundsätze nicht den Tatbestand der Geiselnahme. Wenn die qualifizierte Drohung - hier die mit dem Zudrücken des Halses einhergehende konkludente Drohung mit dem Tod - zugleich dazu dient, sich des Opfers zu bemächtigen und es in unmittelbarem Zusammenhang damit zu weitergehenden Handlungen zu nötigen, werden die abgenötigten Handlungen ausschließlich durch diese Drohung durchgesetzt, ohne dass der Bemächtigungssituation die in § 239b StGB vorausgesetzte eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. auch BGH, StraFo 2013, 389). Dass - wie die Kammer annimmt - bereits vor dieser Drohung eine durch die vorangegangenen Handlungen herbeigeführte stabile Bemächtigungslage bestanden hat, ist angesichts des gedrängten und ohne erkennbare Zwischenschritte aufeinanderfolgenden Tatablaufs nicht belegt.
3. Dies führt zur Aufhebung des Schuldspruchs insgesamt, auch soweit die tateinheitlich verwirklichten Sexualdelikte zum Nachteil des Tatopfers betroffen sind. Dies gibt dem neuen Tatrichter Gelegenheit zu prüfen, ob hinsichtlich der Verwendung des Klebebands gegebenenfalls die Voraussetzungen einer Verurteilung nach § 177 Abs. 3 Nrn. 1, 2 bzw. § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB gegeben sind.
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht, da lediglich ein Wertungsfehler des Landgerichts gegeben ist. Der neue Tatrichter ist allerdings nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen, soweit sie zu den bestehenden nicht in Widerspruch stehen.
II.
Die Aufhebung des Schuldspruchs im Fall der Urteilsgründe führt insoweit zum Wegfall des Strafausspruchs und entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.
Fischer Schmitt Krehl
Eschelbach Zeng