Entscheidungsdatum: 29.06.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 29. Juni 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe und Munition unter Einbeziehung weiterer Strafen aus einer anderen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und fünf Monaten verurteilt. Außerdem hat es eine Einziehungs-, eine Verfalls- und eine Anrechnungsentscheidung (hinsichtlich erbrachter Arbeitsleistungen) getroffen. Das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat Erfolg.
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Der Generalbundesanwalt hat insoweit zutreffend ausgeführt:
„Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte ab November 2009 jeweils im Abstand von sechs bis acht Wochen mit Betäubungsmitteln beliefert wurde, wobei von vornherein der überwiegende Teil zum Weiterverkauf und eine Teilmenge zum Eigenverbrauch bestimmt war. In der Zeit bis Dezember 2010 erhielt der Angeklagte pro Lieferung ca. 10-20 Gramm Kokainzubereitung und bis Dezember 2011 jeweils 50 Gramm sowie in zwei Fällen im Juli 2011 und Dezember 2011 jeweils 200 Gramm Kokainzubereitung. Von den insgesamt gelieferten 610 Gramm Kokain hat der Angeklagte 430 Gramm in Kleinmengen zwischen einem und fünf Gramm veräußert und 30 Gramm selbst konsumiert; der Rest wurde im Dezember 2011 in seiner Wohnung sichergestellt. Die gesamte Wirkstoffmenge betrug 182,39 Gramm Cocainhydrochlorid, was dem 36,4fachen der nicht geringen Menge entspricht. Ab Anfang 2011 war der Angeklagte im Besitz einer Schusswaffe, die er gebrauchsbereit in seiner Wohnung in der Nähe der gelagerten Betäubungsmittel aufbewahrte, wo auch die Verkäufe an die Abnehmer des Angeklagten stattfanden.
Im Hinblick darauf, dass der Drogenvorrat nie ganz aufgebraucht wurde und der Angeklagte diesen immer wieder sukzessive aufgefüllt hat, ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte insgesamt nur eine Tat im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begangen habe. Dies begegnet jedoch rechtlichen Bedenken. Denn die Annahme einer einheitlichen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit setzt voraus, dass sämtliche Betäubungsmittel Gegenstand ein und desselben Güterumsatzes waren, etwa indem der Angeklagte sie gleichzeitig zum Zwecke gewinnbringender Weiterveräußerung erworben hätte (vgl. BGHSt 30, 28, 31; 43, 252, 261; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 27, 45; § 29 Bewertungseinheit 1 sowie die Nachweise bei Körner BtMG 6. Aufl. § 29 Rn. 847). Dies ist beim wiederholten Rauschgifterwerb zum Weiterverkauf in Kleinmengen grundsätzlich nicht der Fall. Die Strafkammer hat festgestellt, dass das verkaufte Kokain aus verschiedenen – insgesamt mindestens elf (UA S. 7, 12) – Erwerbsvorgängen stammt. Der bloße Umstand, dass bei jedem Neukauf noch Reste der vorangegangenen Lieferung vorhanden waren, die mit dem neuerworbenen Rauschgift vermischt wurden, verbindet nicht sämtliche Ankäufe zu einer einheitlichen Vorratsmenge (BGH, BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 20). Alleine der gleichzeitige Besitz mehrerer Drogenmengen verbindet die hierauf bezogenen Handlungen nicht zu einer Tat des unerlaubten Handeltreibens (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Februar 2008 – 2 StR 619/07, NStZ 2008, 470). Deshalb führt auch das wiederholte Auffüllen eines Betäubungsmittelvorrats nicht zur Verklammerung der Erwerbsakte zu einer Bewertungseinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2000 – 3 StR 162/00, NStZ 2000, 540 f.). Auf die Zahl der Einzelverkäufe kommt es hier nicht an (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2002 – 3 StR 491/01, NJW 2002, 1810 f.).“
Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Schuldspruch aber nicht bestehen bleiben. Denn es ist vorliegend nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte durch die Annahme nur einer rechtlichen Tat beschwert ist. Zwar liegt – unter Berücksichtigung der in jedem Einzelfall erworbenen Betäubungsmittelmengen und unter Abzug der von dem Angeklagten für den Eigenkonsum erworbenen Mengen – jedenfalls bei vier Erwerbsvorgängen ab Januar 2011 ein Handeltreiben mit nicht geringer Menge vor, bei dem der Angeklagte jeweils eine Schusswaffe mit sich geführt hat. Auch wenn damit § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in vier tatmehrheitlichen Fällen gegeben ist, lässt sich weder ausschließen, dass die Strafkammer in jedem dieser Einzelfälle anders als bei der jetzt abgeurteilten Tat, bei der sie unter anderem auch maßgeblich die Gesamtmenge der gehandelten Betäubungsmittel berücksichtigt hat, einen minder schweren Fall angenommen hätte, noch lässt sich davon ausgehen, dass sie in einem solchen Fall (auch in Anbetracht der weiteren Einzelstrafen für die anderen Taten) keine mildere (Gesamt-)Freiheitsstrafe verhängt hätte.
Eine Schuldspruchänderung durch den Senat kommt nicht in Betracht. Angesichts des Umstands, dass dem Urteil keine Feststellungen zu entnehmen sind, in welchem Umfang in den jeweiligen Erwerbsvorgängen Betäubungsmittelmengen enthalten sind, lässt sich eine zuverlässige rechtliche Einordnung jeder einzelnen Tat nicht vornehmen. Dies führt zur Aufhebung des gesamten Schuldspruchs, auch hinsichtlich des an sich fehlerfreien Schuldspruches wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz.
2. Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf die in der Antragsschrift geäußerten, zutreffenden Bedenken gegen die Verfallsentscheidung hin.
Fischer Appl Krehl
Eschelbach Zeng