Entscheidungsdatum: 22.10.2014
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 21. Juni 2013 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten H. N. wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und ihn vom Vorwurf der Tatbegehung in sechs weiteren Fällen freigesprochen. Den Angeklagten M. N. hat es wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn vom Vorwurf einer weiteren Tat freigesprochen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Angeklagte H. N. ist der Großonkel, der Angeklagte M. N. der Onkel der am 20. Oktober 1999 geborenen Nebenklägerin. Diese war bereits als Kind wegen der Trennung der Eltern erheblich psychisch belastet und verhaltensauffällig. Der Angeklagte H. N. unterstützte die Mutter der Nebenklägerin in der Trennungssituation, weshalb sich der Kontakt ab Juni 2007 verstärkte. Seit Ende des Jahres 2009 änderte sich diese Situation aus unbekannten Gründen dahin, dass nun der Angeklagte M. N. die Nebenklägerin und ihren Bruder beaufsichtigte. Vor diesem Hintergrund kam es im Zeitraum von Juni 2007 bis Februar 2011 zu einer Reihe von sexuellen Übergriffen durch die Angeklagten auf die Nebenklägerin.
Die erste Tat beging der Angeklagte H. N. im Zeitraum zwischen Juni und Dezember 2007, indem er das Kind veranlasste, seinen Penis anzufassen (Fall II.2.1 der Urteilsgründe). An einem Tag zwischen Juni 2007 und Ende 2009 versuchte er den vaginalen und analen Geschlechtsverkehr; jedoch gelang es ihm nicht einzudringen. Anschließend sah er gemeinsam mit dem Kind einen "Pornofilm" (Fall II.2.2). Einige Tage danach sah er erneut mit dem Kind diesen Film (Fall II.2.3). An einem anderen Tag im Zeitraum zwischen Juni und Dezember 2007 versuchte der Angeklagte H. N. erneut erfolglos den analen Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin (Fall II.2.4) und an einem weiteren Tag den vaginalen Geschlechtsverkehr (Fall II.2.5). Ferner forderte er die Nebenklägerin auf, an seinem Geschlechtsteil zu lutschen, was diese ablehnte (Fall II.2.6, wegen freiwilligen Rücktritts vom Versuch nicht abgeurteilt). Im Tatzeitraum veranlasste er das Kind in zwei Fällen jeweils während einer Autofahrt dazu, seinen Penis über der Bekleidung anzufassen (Fälle II.2.7 und II.2.8). Während eines Urlaubs in Griechenland im Sommer 2009 berührte er die Nebenklägerin an der Scheide (Fall II.2.9).
Der Angeklagte M. N. beging seine erste Tat an einem un- bekannten Tag zwischen Juni 2007 und dem 7. Februar 2011, jedenfalls aber nach der ersten Tat des Angeklagten H. N. . Dabei fasste er der Nebenklägerin in die Hose und manipulierte an ihrer Scheide (Fall II.2.10). In einem weiteren Fall manipulierte er ebenfalls an ihrer Scheide (Fall II.2.11). Am 5. Februar 2011 versuchte er den vaginalen Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin, konnte aber nicht eindringen (Fall II.2.12).
II.
Die Revisionen der Angeklagten gegen dieses Urteil sind unbegründet.
1. Die Feststellungen werden von der Beweiswürdigung des Landgerichts getragen. Die Einwände der Revisionen hiergegen greifen nicht durch.
Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Das Revisionsgericht hat auf Grund der Sachrüge nur zu prüfen, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder wenn sie gegen die Denkgesetze oder gegen gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Einen solchen Mangel weist das angefochtene Urteil nicht auf.
Die von einer Aussagepsychologin sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass die Nebenklägerin aussagetüchtig ist und glaubhaft über die Taten berichtet hat. Falschaussagen seien wegen der Qualität der Angaben auszuschließen, die originelle Details, Komplikationen im Handlungsverlauf, eigenpsychisches Erleben und deliktstypische Interaktionen, wie ein Schweigegebot der Angeklagten, enthalten. Ein Falschaussagemotiv sei nicht ersichtlich. Eine suggestive Beeinflussung der Nebenklägerin durch ihre Mutter, ihre Großmutter oder die Therapeutin sei auszuschließen, weil diese der Nebenklägerin lediglich die Möglichkeit gewährt hätten, sich zu offenbaren, ohne selbst im Einzelnen nachzufragen. Eine Übertragung von Erlebnissen der Nebenklägerin mit einer Person auf eine andere sei auszuschließen, weil die einzelnen Tatschilderungen eng mit den jeweiligen Lebensumständen der Angeklagten verknüpft gewesen seien.
Gegen diese Würdigung der Zeugenaussagen der Nebenklägerin ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Strafkammer hat auch nicht übersehen, dass die Nebenklägerin bereits vor Beginn des Tatzeitraums erheblich psychisch belastet war. Einen relevanten Einfluss dieser Beeinträchtigung auf die Aussagetüchtigkeit und das Aussageverhalten der Nebenklägerin hat das Landgericht ausgeschlossen. Wenn es danach die Glaubhaftigkeit der Tatschilderungen insbesondere damit begründet hat, dass die Qualität der Aussagen die Falschaussagekompetenz der Nebenklägerin überschreite, weist die Beweiswürdigung keinen Rechtsfehler auf.
2. Auch die rechtliche Würdigung des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten auf. Das gilt auch, soweit es auf das gemeinsame Anschauen eines "Pornofilms" durch den Angeklagten H. N. und die Nebenklägerin in den Fällen II.2.2 und II.2.3 jeweils § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB angewendet hat.
Pornographisch sind Darstellungen, die sexualbezogenes Geschehen vergröbernd und ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen zeigen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2010 - 3 StR 177/10, NStZ 2011, 455). Dies ist hier nicht lediglich mit der Bezeichnung als "Pornofilm" umschrieben worden. Die Eigenschaft des Films als pornographisch ist vielmehr durch die Feststellung, dass er "unterschiedliche sexuelle Handlungen mehrerer Personen, wie beispielsweise den oralen Geschlechtsverkehr, zeigte", hinreichend belegt.
Die Tathandlung des Einwirkens im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB setzt eine psychische Einflussnahme tiefergehender Art voraus (vgl. BGH aaO). Auch dies ist jedenfalls nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe anzunehmen. Das erste Anschauen des Videofilms erfolgte in Tateinheit mit und im Anschluss an den vergeblichen Versuch des Angeklagten H. N. , den vaginalen und analen Geschlechtsverkehr mit der damals achtjährigen Nebenklägerin zu vollziehen. In diesem Zusammenhang ist das Anschauen des Films als erhebliches Einwirken auf die Nebenklägerin zu bewerten. Hinsichtlich des weiteren Falls im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB konnte das Landgericht zwar nicht feststellen, dass diese Tat in unmittelbarem Zusammenhang mit weiteren sexuellen Handlungen begangen wurde. Jedoch war die erneute Tat im Sinne von § 176 Abs. 4 Nr. 4 StGB jedenfalls im weiteren Sinne in eine Serie von sexuellen Übergriffen mit Körperkontakt eingebettet. Sie erlangt hierdurch ebenfalls den Charakter einer erheblichen Einwirkung.
3. Schließlich weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler auf.
Das Landgericht hat aus dem zeitlichen und situativen Zusammenhang der Taten mit Verhaltensänderungen der Nebenklägerin darauf geschlossen, dass die Beeinträchtigung der psychisch vorgeschädigten Nebenklägerin jedenfalls auch durch die Sexualdelikte mitverursacht wurde. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
Das Landgericht durfte entgegen der Annahme der Revision des Angeklagten H. N. auch strafschärfend das Alter des Kindes berücksichtigen, weil es selbst gegen Ende des Tatzeitraums noch deutlich von der Schutzaltersgrenze entfernt lag. § 46 Abs. 3 StGB wurde dadurch nicht verletzt.
Soweit das Landgericht den Angeklagten zur Last gelegt hat, dass sie innerhalb eines längeren Zeitraums eine Mehrzahl von Taten zum Nachteil der Nebenklägerin begangen haben, ist auch dies rechtsfehlerfrei. In der Tatbegehung über einen langen Zeitraum lag eine gravierende Belastung des psychisch vorgeschädigten Opfers. Das ist - unabhängig von der Anzahl der Taten, die erst bei der Bildung der Gesamtstrafe von Bedeutung ist - eine rechtlich nicht zu beanstandende Erwägung.
Fischer |
RiBGH Prof. Dr. Schmitt |
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