Entscheidungsdatum: 11.04.2013
1. Auf die Revision der Angeklagten P. M. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. April 2012, soweit es sie betrifft,
a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. 1-14, 19-23, 26-33, 35-131, 133-142, 147-160, 164-253, 255-267, 273-289, 295-303, 307-319, 322-393 und 397-472 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO aufgehoben,
b) in den Fällen II. 15-18, 24, 25, 34, 132, 143-146, 161-163, 254, 268-272, 290-294, 304-306, 320, 321, 394-396 und 473 der Urteilsgründe im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagte jeweils des Betruges schuldig ist, im Fall 132 in Tateinheit mit Urkundenfälschung.
Ihre weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
2. Auf die Revision des Angeklagten M. M. wird das vorgenannte Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Das Landgericht hat die Angeklagte P. M. wegen Untreue in 473 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten M. M. wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass bei der Angeklagten P. M. hinsichtlich eines Betrages von 21.505 € und bei dem Angeklagten M. M. hinsichtlich eines Betrages von 39.190 € Ansprüche des Verletzten der Anordnung des Verfalls entgegenstehen. Die Beschwerdeführer rügen die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel der Angeklagten P. M. hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel des Angeklagten M. M. hat in vollem Umfang Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen war die Angeklagte P. M. ab Mai 2009 als Sachbearbeiterin beim H. kreis im Fachbereich Soziale Dienste tätig. Dort war sie als persönliche Ansprechpartnerin für Langzeitarbeitslose eingesetzt und damit zuständig für die nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) zu gewährenden Leistungen zur Eingliederung in Arbeit. Sie hatte Eingliederungsvereinbarungen mit Leistungsberechtigten abzuschließen und in diesem Rahmen über die Teilnahme an Fördermaßnahmen zu entscheiden. Hierzu war die Angeklagte ermächtigt, über ein Budget von 5.000 € je Eingliederungsmaßnahme allein zu entscheiden. Sie konnte sowohl die Maßnahme als auch den ausführenden Träger frei bestimmen. Die Kostenbeträge für die Eingliederungsmaßnahmen, die von den persönlichen Ansprechpartnern bewilligt worden waren, wurden von ihnen nach Leistungserbringung und Rechnungsstellung in ein Datenverarbeitungsprogramm eingegeben und an die Maßnahmeträger per Überweisung ausgezahlt.
Die Angeklagte entschloss sich, zur Aufbesserung ihrer Einkünfte die ihr eingeräumten Entscheidungsbefugnisse auszunutzen. Auf ihren Vorschlag hin gründete ihr Ehemann, der Angeklagte M. M. , Anfang Juni 2009 ein Einzelunternehmen unter dem Namen „B. I. H. “ (BIH), für das er unter seiner Wohnanschrift ein Gewerbe anmeldete und ein Konto einrichtete. Danach beauftragte die Angeklagte im Namen des Kreisausschusses des H. kreises das Unternehmen mit der Durchführung von Schulungen für Langzeitarbeitslose. Der Angeklagte M. M. hielt bis Ende September 2009 in eigens dafür angemieteten Räumen Deutsch- und Mathematik-Kurse ab.
Um ihre Einkünfte weiter zu steigern, wies die Angeklagte P. M. in der Zeit vom 16. Juni 2009 bis zum 23. März 2010 in 438 Fällen Zahlungen auch für nicht erbrachte Leistungen zu Lasten des H. kreises an (Fälle II. 1-14, 19-23, 26-33, 35-131, 133-142, 147-160, 164-253, 255-267, 273-289, 295-303, 307-319, 322-393 und 397-472 der Urteilsgründe). Sie erstellte in diesem ersten Tatkomplex zunächst für fiktive Leistungen des Unternehmens des Angeklagten M. M. zur Verschleierung ihres Vorgehens im Namen des Kreisausschusses Kostenübernahmen und heftete diese in die Fallakten der Leistungsempfänger. Dort legte die Angeklagte ebenfalls die im Zusammenwirken mit dem Angeklagten M. M. aufgesetzten Scheinrechnungen ab, deren Beträge sie an die BIH überweisen ließ. Einige der insgesamt 74 im gesamten Tatzeitraum an die BIH geleisteten Zahlungen wies sie aufgrund sog. Vorschussrechnungen an, für die nachfolgend Gegenleistungen nicht erbracht wurden; teilweise veranlasste sie Zahlungen an die BIH auch ohne Rechnungen.
Außerdem meldete die Angeklagte P. M. im August 2009 selbst ein Gewerbe für „Coaching“ an und gründete in der Folgezeit fünf eigene Scheinunternehmen. Deren Namen verwendete sie ab August 2009 ebenfalls, um Zahlungen für angeblich gegenüber Leistungsempfängern erbrachte Fortbildungsmaßnahmen auf ihre eigenen Konten veranlassen zu können. Auch hier erstellte sie zur Verschleierung ihres Vorgehens Kostenübernahme-Erklärungen des Kreisausschusses und Scheinrechnungen über fiktive Leistungen.
Weiterhin buchte die Angeklagte P. M. in einem zweiten Tatkomplex in der Zeit vom 3. Juli 2009 bis zum 19. März 2010 in 35 Fällen über Datenverarbeitungsprogramme auch Bar-Auszahlungen für Leistungsempfänger (Fälle II. 15-18, 24, 25, 34, 132, 143-146, 161-163, 254, 268-272, 290-294, 304-306, 320, 321, 394-396 und 473 der Urteilsgründe). Den Sachbearbeitern des Fachbereichs Soziale Dienste war die Möglichkeit derartiger Geldauszahlungen zur Beseitigung dringender Notlagen eingeräumt. Die entsprechenden Auszahlungsanordnungen waren nach einem Vier-Augen-Prinzip von einem Sachbearbeiter mit Feststellungsbefugnis und einem Sachbearbeiter mit Anordnungsbefugnis zu unterzeichnen. Die Angeklagte hatte selbst keine der beiden Befugnisse. Aufgrund falscher Angaben zur Notwendigkeit der Auszahlungen und einer nur oberflächlichen Plausibilitätsprüfung auf sachliche und rechnerische Richtigkeit erlangte die Angeklagte jeweils die beiden erforderlichen Unterschriften. Zur Verschleierung ihres wahren Vorhabens erstellte die Angeklagte auch Aktenvermerke über die angeblich wichtigen Gründe. Die Auszahlungsbeträge wurden jeweils auf Chipkarten aufgeladen, die regulär an die Leistungsempfänger gegen Quittung auszuhändigen gewesen wären. Mit den entsprechend aufgeladenen Karten zog die Angeklagte selbst das Bargeld an den hierfür vorgesehenen Kassenautomaten, die in den Räumen der Dienststelle videoüberwacht aufgestellt waren. Um ihre Vorgehensweise plausibel zu machen, bat sie Ende Juni 2009 ihren Vorgesetzten unter einem Vorwand um die Erlaubnis, selbst anstelle der Hilfeempfänger das Bargeld ziehen zu dürfen. Ihr Vorgesetzter durchschaute ihre wahre Absicht nicht und erhob keine Einwände. Außerdem sorgte sie jeweils für Unterschriften, mit denen sie auf den Auszahlungsanordnungen eine Quittung der angeblichen Zahlungsempfänger über einen Erhalt der Chipkarte vortäuschte. Im Fall 132 fälschte sie hierzu die Unterschrift des betreffenden Leistungsempfängers.
Durch die von der Angeklagten P. M. durchgeführten Überweisungen und Barauszahlungen im Rahmen vorgetäuschter Betreuungsmaßnahmen bei insgesamt 120 Leistungsbeziehern entstand in den 473 Fällen dem H. kreis ein Gesamtschaden in einer Höhe von 514.736 €. Dabei betrug der Schaden in den 74 Fällen, in denen die Angeklagte Überweisungen an die BIH auf das Konto des Angeklagten M. M. für nicht erbrachte Leistungen veranlasste, insgesamt 39.190 €.
2. Die Angeklagte P. M. hatte sich in der Hauptverhandlung zu den von ihr veranlassten Überweisungen dahin eingelassen, schon kurz nach ihrem Dienstantritt ihrem Vorgesetzten, dem Zeugen Ha. , eine Verbesserung der Fördermaßnahmen vorgeschlagen und ihm die Durchführung von Schulungen und Coachings durch das Unternehmen ihres Mannes und durch ein eigenes Unternehmen angeboten zu haben. Anschließend habe ihr der Zeuge Ha. am 8. Juni 2009 per E-Mail bestätigt, dass ein Pilotprojekt durchgeführt werden solle. Die Kosten für die von ihren Firmen noch zu erbringenden Leistungen sollten vorab bis spätestens zum 1. Quartal 2010 zur Abrechnung gebracht werden, um ein befristet zur Verfügung stehendes Budget ausschöpfen zu können. Alle Maßnahmen seien mit dem Zeugen Ha. abgesprochen worden. Sie habe die als Vorschuss in Rechnung gestellten Leistungen nicht mehr wie vorgesehen bis November 2010 erbringen können, weil sie zuvor vom Dienst freigestellt worden sei.
Das Landgericht hat diese Darstellung insbesondere aufgrund der sie bestreitenden Aussage des Zeugen Ha. als widerlegt erachtet und eine von der Angeklagten am achten Hauptverhandlungstag vorgelegte Mehrfachkopie einer angeblich durch den Zeugen Ha. versandten E-Mail vom 8. Juni 2009 unter anderem wegen ihres äußeren Erscheinungsbildes als Fälschung angesehen.
II.
1. Beide Beschwerdeführer beanstanden mit einer Verfahrensrüge zu Recht eine Verletzung des § 244 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 StPO. Dies führt hinsichtlich des Angeklagten M. M. zu einer Aufhebung des Urteils insgesamt; die Revision der Angeklagten P. M. hat hinsichtlich ihrer Verurteilung wegen Untreue in den 438 im Tenor benannten Fällen im ersten Tatkomplex Erfolg.
a) Der Verfahrensrüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde: Im Hauptverhandlungstermin vom 21. Februar 2012 hatte die Angeklagte P. M. die Einholung eines Sachverständigengutachtens unter anderem bezüglich des sicherzustellenden und technisch zu untersuchenden Dienstcomputers des Zeugen Ha. zum Beweis für die Tatsache beantragt, dass auf diesem Dienstcomputer eine von dem Zeugen an die Angeklagte gerichtete E-Mail vom 8. Juni 2009 gespeichert oder gespeichert gewesen sei, aber inzwischen gelöscht worden sei. Das Landgericht wies diesen Beweisantrag mit der Begründung zurück, dass „das Beweisthema auf bloßen Vermutungen beruht“. Im Hauptverhandlungstermin vom 5. April 2012 wandte sich der Verteidiger mit einem erneuten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur technischen Untersuchung des Dienstcomputers des Zeugen Ha. gegen diese Ablehnungsbegründung des Landgerichts und wiederholte der Sache nach den ersten Beweisantrag. Das Landgericht wies den Antrag erneut zurück, nunmehr mit der Begründung, dass „die Kammer die Beweisfrage aus eigener Sachkunde beurteilen kann“.
b) Die Verfahrensrüge ist jeweils zulässig erhoben.
Die Revisionen haben die Beweisanträge der Angeklagten P. M. und ihres Verteidigers sowie die Ablehnungsentscheidungen des Landgerichts mitgeteilt und damit die zur Nachprüfung des Verfahrensmangels erforderlichen Tatsachen im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO angegeben. Für die Rüge der fehlerhaften Ablehnung von Beweisanträgen genügen dieser Darlegungslast grundsätzlich schon eine Wiedergabe des Antrags und des Ablehnungsbeschlusses sowie eine Mitteilung der Tatsachen, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses ergibt (vgl. BGH, Urteil vom dem 24. Juli 1998 - 3 StR 78/98, NJW 1998, 3284; Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 372).
Da sich hier die Fehlerhaftigkeit der gerichtlichen Ablehnungsbeschlüsse schon aus deren Begründung ergab, bedurfte es der Darlegung weiterer Tatsachen nicht. Insbesondere war zur Nachprüfung der Ablehnungsbeschlüsse eine Kenntnis einer E-Mail vom 29. Juni 2009 und eines Beweisantrags Nr. 10 vom 22. März 2012 nicht erforderlich, deren Inhalte die Revision zur Begründung der Beweisantragsrüge in Bezug genommen, aber in ihrem unmittelbaren Kontext nicht mitgeteilt hat. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts verletzt es auch nicht die strengen Formerfordernisse des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, dass von den Beschwerdeführern die angeblich von dem Zeugen Ha. an die Angeklagte gesandte E-Mail vom 8. Juni 2009, auf die sich die Beweisanträge beziehen, unter Wiedergabe ihres genauen Wortlauts und äußeren Erscheinungsbildes lediglich in einem gesonderten Schriftsatz als Anlage zu den Revisionsbegründungsschriften mitgeteilt wird. Denn die von den Beweisanträgen in Bezug genommene Kopie einer E-Mail vom 8. Juni 2009, deren Inhalt ohnehin sinngemäß in dem von der Revision im unmittelbaren Zusammenhang mit der Beweisantragsrüge mitgeteilten Beweisantrag Nr. 1 vom 21. Februar 2012 wiedergegeben worden ist, hat Bedeutung allein für die Frage des Beruhens nach § 337 Abs. 1 StPO. Zum Beruhen des Urteils auf der fehlerhaften Ablehnung muss die Revision jedoch regelmäßig nicht vortragen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juli 1998 - 3 StR 78/98, aaO; Beschluss vom 24. Januar 2010 - 1 StR 587/09; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 344 Rn. 27; Becker, aaO).
c) Die Verfahrensrüge ist auch begründet. Die Anträge genügen den an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen. Ihre Ablehnung durch die Strafkammer hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Zwar muss einem in die Form eines Beweisantrags gekleideten Beweisbegehren nach bisheriger Rechtsprechung ausnahmsweise nicht oder allenfalls nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachgegangen werden, wenn die Beweisbehauptung ohne jeden tatsächlichen Anhaltspunkt und ohne jede begründete Vermutung aufs Geratewohl ins Blaue hinein aufgestellt wurde, so dass es sich nur um einen nicht ernstlich gemeinten, zum Schein gestellten Beweisantrag handelt. Für die Beurteilung, ob ein aufs Geratewohl gestellter Antrag vorliegt, ist die Sichtweise eines verständigen Antragstellers entscheidend. Es kommt nicht darauf an, ob das Tatgericht eine beantragte Beweiserhebung für erforderlich hält (vgl. Senat, Beschlüsse vom 5. März 2003 - 2 StR 405/02, NStZ 2003, 497; vom 23. März 2008 - 2 StR 549/07, NStZ 2008, 474; BGH, Beschlüsse vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, NStZ 1993, 143; vom 2. Februar 2002 - 3 StR 482/01, StV 2002, 233; Urteil vom 13. Juni 2007 - 4 StR 100/07, NStZ 2008, 52, 53; Meyer-Goßner, aaO, § 244 Rn. 20 mwN; ein Festhalten an der bisherigen Rechtsprechung offen lassend BGH, Beschlüsse vom 19. September 2007 - 3 StR 354/07, StV 2008, 9, vom 20. Juli 2010 - 3 StR 218/10, Strafo 2010, 466, und vom 3. November 2010 - 1 StR 497/10, NJW 2011, 1239, 1240; kritisch gegenüber der bisherigen Rechtsprechung auch Becker, aaO, Rn. 112; Fischer in Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 244 Rn. 72).
Jedoch lässt sich selbst nach den Maßstäben der bisherigen Rechtsprechung entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts die Beweisbehauptung nicht als aufs Geratewohl aufgestellt ansehen. Die Anträge knüpften an eine zur Akte gereichte Kopie der in Frage stehenden E-Mail vom 8. Juni 2009 an. Die Beweisbehauptung hatte somit einen tatsächlichen Anhaltspunkt und konnte schon deshalb ungeachtet der zahlreichen Umstände, die vom Landgericht auch erst nach Würdigung des gesamten Beweisergebnisses in den Urteilsgründen gegen die Authentizität der E-Mail angeführt worden sind, nicht als nicht ernstlich gemeint gewertet werden. Jedenfalls hat das Landgericht mit seiner zur Begründung des ersten Ablehnungsbeschlusses angeführten Erwägung, dass das Beweisthema auf bloßen Vermutungen beruhe, die Grenzen der vorgenannten Rechtsprechung missachtet. Danach kann es dem Antragsteller grundsätzlich nicht verwehrt sein, auch solche Tatsachen zum Gegenstand eines Beweisantrags zu machen, deren Richtigkeit er lediglich vermutet oder für möglich hält (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 3. August 1966 - 2 StR 242/66, BGHSt 21, 118, 125; vom 17. September 1982 - 2 StR 139/82, NJW 1983, 126, 127; Beschlüsse vom 10. November 1992 - 5 StR 474/92, aaO; vom 2. Februar 2002 - 3 StR 482/01, aaO; vom 4. April 2006 - 4 StR 30/06, NStZ 2006, 405; Fischer, aaO, Rn. 73 mwN).
Auch soweit das Landgericht den der Sache nach wiederholten Beweisantrag mit seiner zweiten Entscheidung unter Berufung auf eigene Sachkunde zurückgewiesen hat, hat es sich, worauf bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat, auf einen untauglichen Ablehnungsgrund gestützt. Dem Senat ist nicht bekannt, ob überhaupt eine technische Untersuchung des betreffenden Computers erfolgte und hierdurch entsprechende Befundtatsachen festgestellt wurden. Schon deshalb ist nicht zu erkennen, dass die Beurteilung der Beweisbehauptung nicht mehr als Allgemeinwissen erfordert hätte. Da im Übrigen schon die Feststellung, ob sich bestimmte Daten bzw. deren Spuren auf den Speichermedien eines Computers befinden, spezifisches Fachwissen erfordert, das nicht Allgemeingut von Richtern ist, hätte die eigene Sachkunde einer näheren Darlegung bedurft (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1958 - 4 StR 211/58, BGHSt 12, 18, 20; Beschluss vom 26. April 2000 - 3 StR 152/00, StV 2001, 665). Eine solche ist auch den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
d) Auf der danach rechtsfehlerhaften Ablehnung der Beweisanträge können die Verurteilung der Angeklagten P. M. wegen Untreue in den 438 im Tenor benannten Fällen im ersten Tatkomplex und die Verurteilung des Angeklagten M. M. wegen Beihilfe zur Untreue beruhen. Das Landgericht hat der Tatsache, dass der Zeuge Ha. bestritten hat, die fragliche E-Mail vom 8. Juni 2009 geschrieben zu haben, und dem Umstand, dass es sich bei der von der Verteidigung vorgelegten E-Mail-Kopie offensichtlich um eine Fälschung gehandelt habe, maßgebliche Bedeutung für die Widerlegung der Einlassung der Angeklagten P. M. beigemessen. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht zu einer abweichenden Überzeugungsbildung gelangt wäre, wenn es den beantragten Beweis erhoben und sich dabei die Beweisbehauptung bestätigt hätte. In diesem Fall wäre ein tragendes Argument der Beweiswürdigung der Kammer entfallen.
2. Die Aufhebung der Verurteilung der Angeklagten P. M. in den vorgenannten Fällen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe und über die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO nach sich.
3. Weiterhin führt die Revision der Angeklagten P. M. mit der Sachrüge in den 35 im Tenor benannten Fällen im zweiten Tatkomplex zu einer Änderung des Schuldspruchs.
a) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen insoweit nicht die Verurteilung der Angeklagten wegen Untreue.
Das Landgericht hat zwar rechtsfehlerfrei dargelegt, dass die Angeklagte in ihrer Funktion als persönliche Ansprechpartnerin für Langzeitarbeitslose ihrem Dienstherrn gegenüber vermögensbetreuungspflichtig im Sinne von § 266 StGB war, soweit es um die ihr zur eigenständigen Entscheidung übertragene Zuweisung von Langzeitarbeitslosen in Eingliederungs- und Fördermaßnahmen ging. Insoweit bildete die fremdnützige Vermögensfürsorge einen Hauptgegenstand ihres Dienstauftrags, bei dessen Wahrnehmung sie bis zu der Betragsgrenze von 5.000 € die Möglichkeit zur verantwortlichen Entscheidung innerhalb eines Ermessensspielraums hatte (vgl. zu den Voraussetzungen einer Vermögensbetreuungspflicht nach st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 13. Sep-tember 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f. mwN und vom 3. Mai 2012 - 2 StR 446/11, NStZ 2013, 40).
Zu dem Bereich der von der Angeklagten selbstständig und eigenverantwortlich wahrgenommenen Aufgaben zählten jedoch nicht die für akute Notfälle vorgesehenen Bargeldauszahlungen an Langzeitarbeitslose, und zwar auch nicht hinsichtlich der rein technischen Abwicklung der Auszahlungen durch die allein bei den Sachbearbeitern liegende Aushändigung der Chip-Geldkarten an die Leistungsempfänger, die das Landgericht bei seiner rechtlichen Bewertung in den Blick genommen hat. Für solche Auszahlungen hatte die Angeklagte weder eine Feststellungs- noch eine Anordnungsbefugnis, sondern sie benötigte die Unterschriften von zwei hierzu ermächtigten Sachbearbeitern bzw. Teamleitern, die aufgrund ihrer Angaben zur Notwendigkeit einer Barauszahlung deren sachliche und rechnerische Richtigkeit zu prüfen hatten. Nur durch Täuschung dieser Dienststellenmitarbeiter erlangte die Angeklagte die von ihnen unterzeichneten Auszahlungsanordnungen, auf deren Grundlage sie über ein elektronisches Zahlungssystem jeweils die Aufladungen der Geldkarten vornehmen konnte. Mit der erschlichenen Aufladung der Geldkarten, mit denen sie unmittelbar die zugewiesenen Beträge abheben konnte, war der Vermögensschaden des H. kreises auch bereits eingetreten.
b) Diese Täuschungen gegenüber den feststellungs- und anordnungsbefugten Sachbearbeitern über angeblich bei Leistungsbeziehern aufgetretene Notfälle und die hierdurch bewirkte Unterzeichnung der Anordnung von Bargeldauszahlungen, die sie anschließend für sich selbst vereinnahmte, begründen stattdessen eine Strafbarkeit der Angeklagten wegen Betruges nach § 263 Abs.1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 4 StGB.
Der Senat hat daher in analoger Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch entsprechend geändert. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen. Der Senat schließt aus, dass die Angeklagte sich bei Erteilung eines entsprechenden rechtlichen Hinweises in tatsächlicher Hinsicht anders verteidigt hätte.
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