Entscheidungsdatum: 11.01.2012
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
1. Die Staatsanwaltschaft hat dem Angeklagten mit Anklageschrift vom 21. April 2011 Folgendes zur Last gelegt:
Der Angeklagte habe sich am 19. März 2011 gegen 11.00 Uhr zu dem Lebensmittelgeschäft W. in G. /W. begeben. Er sei nicht maskiert gewesen, habe sich aber eine Kapuze übergezogen. In seiner Hand habe er eine schwarze Pistole gehalten. Diese habe er auf die Zeugin Wi. gerichtet und von ihr mit den Worten "Überfall und Geld her und Kasse auf" Bargeld in der Stückelung von 10, 20 und 50 Euro verlangt. Die Zeugin habe ihm 1.220 Euro in bar ausgehändigt und das Geld in einen von ihm bereit gehaltenen schwarzen Stoffbeutel gefüllt.
2. Die Strafkammer hat festgestellt:
Der Angeklagte fuhr am 19. März 2011 etwa um 11.00 Uhr mit einem von ihm angemieteten PKW Ford Mondeo mit ortsfremdem Kennzeichen auf der Hauptstraße durch G. in Richtung des Nachbarortes. Unmittelbar nachdem er eine Unterführung der BAB A 3 passiert hatte, bog er nach links in einen Feldweg ab. In engem zeitlichem Zusammenhang mit dieser Fahrt des Angeklagten - kurz vor 11.00 Uhr - geschah in G. auf der Hauptstraße die ihm zur Last gelegte Tat.
Die Verkäuferin des Lebensmittelgeschäftes, die Zeugin Wi. , konnte den Angeklagten bei einer Wahllichtbildvorlage zwar nicht identifizieren, meinte jedoch, nach dem Gesicht und der Mundpartie komme der Angeklagte "am ehesten" als Täter in Betracht. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten am 29. März 2011 wurden eine Gaspistole, die abwechselnd mit Gas- und Knallpatronen geladen war, ein dunkles Kapuzenshirt, eine dunkle Stofftasche sowie weiße Turnschuhe sichergestellt. Die Gegenstände entsprechen deutlich der Beschreibung, die die Zeugin Wi. von der Kleidung des Täters, seiner Pistole und der zum Abtransport der Beute verwendeten Stofftasche gegeben hatte.
3. Das Landgericht hat sich von der Täterschaft des Angeklagten nicht zu überzeugen vermocht. Zwar seien die verschiedenen Einlassungen des Angeklagten, er sei zur Tatzeit nicht in G. gewesen und habe sich bereits auf dem Heimweg nach Hamburg befunden, durch die Angaben der Zeugin S. widerlegt. Auch belasteten ihn die in seiner Wohnung aufgefundenen Gegenstände erheblich. Dennoch verblieben durchgreifende Zweifel an seiner Täterschaft. Die von der Zeugin Wi. abgegebene Täterbeschreibung treffe in wesentlichen Punkten nicht auf den Angeklagten zu. Darüber hinaus habe der Zeuge K. ausgesagt, er habe zur Tatzeit vor dem Lebensmittelgeschäft einen dunklen Kombi der Marke BMW gesehen, der ihm deshalb aufgefallen sei, weil an dem Fahrzeugheck sowohl das amtliche Kennzeichen als auch die Kennzeichenhalterung gefehlt habe. Diese Beobachtung deute darauf hin, dass ein anderer Täter das durch Entfernen des Kennzeichens präparierte Fahrzeug für den Überfall auf den Lebensmittelmarkt als Fluchtfahrzeug benutzt habe.
II.
1. Der Senat ist mit Vorsitzendem Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann sowie den Richtern am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Dr. Appl, Prof. Dr. Schmitt und Prof. Dr. Krehl vorschriftsmäßig besetzt. Das Recht des Angeklagten auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ist gewahrt.
Das Präsidium des Bundesgerichtshofs hat in Wahrnehmung der ihm nach § 21e Abs. 1 Satz 1 GVG obliegenden Aufgabe (siehe Meyer-Goßner 54. Aufl. § 21f GVG Rn. 3) dem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann - zusätzlich zum Vorsitz im 4. Strafsenat - den Vorsitz im 2. Strafsenat zugewiesen und bestimmt, dass im Kollisionsfall die Tätigkeit im 2. Strafsenat vorgeht. Es hat bei dieser Regelung in willkürfreier Auslegung des § 21 Abs. 2 Satz 1 GVG und unter Berücksichtigung der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2006, 154; BSG NJW 2007, 2717; BVerwG NJW 1986, 1366) angenommen, dass nach Ausscheiden der früheren Vorsitzenden des 2. Strafsenats aus dem Dienst am 31. Januar 2010 und anschließender Vakanz im Vorsitz jedenfalls mit Beginn des Geschäftsjahres 2012 keine vorübergehende Verhinderung des Vorsitzenden im Sinne dieser Vorschrift mehr gegeben ist, die eine weitere Vertretung im Vorsitz des 2. Strafsenates zuließe. Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ernemann nimmt die ihm zugewiesene Aufgabe als Vorsitzender des 2. Strafsenates des Bundesgerichtshofs in dem vom Gesetz vorausgesetzten und in der Sache gebotenen Umfang wahr. Nach dem Geschäftsverteilungsplan des 2. Strafsenats steht er allen Spruchgruppen als Vorsitzender vor.
Dass die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Fischer, Dr. Appl, Prof. Dr. Schmitt und Prof. Dr. Krehl im vorliegenden Fall zur Entscheidung berufen sind, ergibt sich aus der senatsinternen Geschäftsverteilung vom 28. Dezember 2011, welche die Sache der Spruchgruppe 1 in dieser personellen Besetzung zuweist.
2. Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
a) Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist das durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Ein Urteil kann indes keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung Rechtsfehler aufweist. Das ist etwa der Fall, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Feststellungen nicht berücksichtigt oder nahe liegende Schlussfolgerungen nicht erörtert werden, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; BGH NJW 2008, 2792; NStZ 2010, 407; NStZ-RR 2010, 182). Der Tatrichter ist gehalten, die Gründe für den Freispruch so vollständig und genau zu erörtern, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, an Hand der Urteilsgründe zu prüfen, ob der Freispruch auf rechtsfehlerfreien Erwägungen beruht. Insbesondere muss er sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinandersetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen (BGH NJW 2008, 2792; Meyer-Goßner StPO, 54. Aufl., § 267 Rn. 33 mwN).
b) Daran gemessen begegnet die Beweiswürdigung des Landgerichts durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Das angefochtene Urteil ist lückenhaft, soweit es sich mit den in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Gegenständen befasst. Die Urteilsgründe teilen hierzu lediglich mit, dass Pistole, Bekleidung und Stofftasche „deutlich“ der Beschreibung des Tatopfers von der Tatwaffe, der Täterkleidung sowie der zum Abtransport des Geldes verwendeten Stofftasche entsprachen. Zwar belaste das den Angeklagten erheblich, es sei aber auch zu bedenken, dass es sich - mit Ausnahme der Gaspistole - um weit verbreitete Gegenstände handele, die zudem keine individuellen Merkmale aufwiesen.
Diese Ausführungen reichen nicht aus, um dem Revisionsgericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob der Freispruch auf rechtsfehlerfreien Erwägungen zum Beweiswert der in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Gegenstände beruht. Insbesondere lassen sie nicht erkennen, ob das Landgericht dabei alle für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkte in seine Überlegungen einbezogen hat. Die Strafkammer versäumt es, die in der Wohnung sichergestellten Gegenstände näher zu beschreiben. Außerdem teilt sie nicht mit, welche konkreten Angaben die Zeugen Wi. und M. zu den Gegenständen gemacht haben, die bei der Tat verwendet wurden. Insoweit vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob und inwieweit eine Übereinstimmung besteht, insbesondere wie das Landgericht zu der Wertung gelangt, die sichergestellten Gegenstände entsprächen "deutlich" der Beschreibung des Tat-opfers. Dabei bleibt - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - offen, ob die Gegenstände der Beschreibung der Zeugin Wi. aufgrund charakteristischer Merkmale so ähneln, dass ein anderer Schluss als Identität fernliegend wäre.
Darüber hinaus fehlen Ausführungen in den Urteilsgründen zum Fundort von Gaspistole, Kapuzenshirt und Stofftasche in der Wohnung des Angeklagten. Auch aus der Auffindesituation der Gegenstände hätten sich aber möglicherweise Schlüsse dahingehend ziehen lassen, ob sie bei dem Überfall verwendet wurden. Wurden sie etwa zusammen verwahrt, konnte dies auch unabhängig von der Frage, ob und inwieweit sie als Einzelstücke individuelle Besonderheiten aufwiesen, in hohem Maße dafür sprechen, dass sie wenige Tage zuvor auch gemeinsam benutzt wurden.
Ernemann Fischer Appl
Schmitt Krehl