Entscheidungsdatum: 30.12.2014
Die Revisionen des Angeklagten S. K. und der Nebenklägerin R. H. gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 10. Januar 2013 werden verworfen.
Der Beschwerdeführer S. K. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den drei Nebenklägern hierdurch ent-standenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Beschwerdeführerin R. H. hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die den Angeklagten I. und W. K. hierdurch entstandenen notwendigen Ausla-gen zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht verurteilte die drei Angeklagten in einem ersten Urteil jeweils wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Nach Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht durch Urteil des Senats vom 22. Dezember 2011 - 2 StR 509/10 (BGHSt 57, 71 ff.) hat es den Angeklagten S. K. erneut wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, die Angeklagten W. und I. K. aber freigesprochen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revision des Angeklagten S. K. , soweit er verurteilt wurde, und die Revision der Nebenklägerin R. H. , soweit die Mitangeklagten freigesprochen wurden. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
A.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
Die Angeklagten S. und I. K. sind Geschwister, der Angeklagte W. K. ist der Ehemann von I. K. , deren Ehe trotz dringenden Kinderwunschs kinderlos blieb. Die Angeklagten I. und W. K. verfügten über ein Haus, in dem auch der Angeklagte S. K. nach seiner Übersiedlung von C. nach Kö. eine Wohnung erhielt. Dort nahm der Angeklagte S. K. im Jahre 2001 seine Ehefrau L. auf, die er auf den Philippinen geheiratet hatte. Am 7. Februar 2002 wurde der gemeinsame Sohn M. geboren.
Die Angeklagten I. und W. K. mischten sich in die Angelegenheiten der Eheleute L. und S. K. ein, insbesondere in die Erziehung des Kindes. Sie hegten zunehmend Vorbehalte gegen die Lebensführung von L. K. , die aus ärmlichen Verhältnissen stammte, keinen Beruf erlernt hatte und sich nicht an ihrem Erziehungsstil gegenüber dem Kind orientierte. Während der Angeklagte S. K. sich weniger um sein eheliches Kind kümmerte, wurde der Junge von den Angeklagten I. und W. K. wie ihr eigenes Kind behandelt.
Am 13. November 2003 reiste der Angeklagte S. K. auf die Philippinen und errichtete vor der Abreise ein Testament, in dem er sein nichteheliches erstes Kind und seine Ehefrau L. K. enterbte, seiner Schwester und seinem Schwager ein Vermächtnis zuwandte und seinen ehelichen Sohn zum Alleinerben bestimmte. L. K. befürchtete, dass ihr Ehemann auf den Philippinen eine außereheliche Beziehung unterhielt. Sie war während seiner Abwesenheit darauf angewiesen, mit „Wirtschaftsgeld“ auszukommen, welches ihr von der Angeklagten I. K. auf Geheiß von S. K. ausgezahlt wurde. Darüber war L. K. enttäuscht und besorgt. Auch in der Folgezeit gab es Streit um Geldangelegenheiten. L. K. nahm eine Arbeit als Reinigungskraft auf und die Angeklagte I. K. beaufsichtigte den Sohn M. K. während ihrer Arbeitszeit. Vor dem Hintergrund anhaltender Kritik kam es zu Spannungen zwischen den Eheleuten L. und S. K. . Die Angeklagten I. und W. K. verbrachten viel Zeit mit dem Kind, das ihre Zuwendungen gern annahm. L. K. fühlte sich aus ihrer Rolle als Mutter verdrängt und in ihrer Privatsphäre eingeschränkt. Den Vorschlag, eine andere Ehewohnung zu suchen, lehnte ihr Ehemann ab. L. K. sah ihn in einer Abhängigkeit von I. und W. K. gefangen. Sie äußerte einen Trennungswunsch und zog am 28. September 2005 für die Angeklagten überraschend und heimlich mit dem Kind in eine eigene Wohnung. Ihrem Ehemann ließ sie durch einen Rechtsanwalt den Wunsch nach einvernehmlicher Regelung des Trennungs- und Kindesunterhalts sowie des Umgangsrechts mitteilen.
Die Angeklagten waren über den Verlust des Kontakts zu dem Kind bestürzt, während sie L. K. nicht vermissten. Durch einen Rechtsanwalt ließ S. K. seiner Ehefrau den Wunsch nach seinem Umgangsrecht vermitteln, welches diese zusagte. Im Sorgerechtsstreit wurden aber wechselseitig Vorwürfe erhoben. Der Angeklagte S. K. erfuhr auch erst nach längerer Kommunikation mit dem Jugendamt von dem neuen Wohnsitz seiner Ehefrau und des Sohnes. Er wurde von seiner Schwester und seinem Schwager zu weiteren Schritten beim „Kampf um das Kind“ gedrängt. Seine Korrespondenz in dieser Sache, einschließlich der Entwürfe für Anwaltsschriftsätze, wurde von allen Angeklagten gemeinsam gestaltet.
Der Angeklagte W. K. bot L. K. Geld für den Fall an, dass sie das Land verlasse, aber das Kind im Hause K. aufwachsen lassen werde. L. K. lehnte dies ab und erklärte auch gegenüber dem Jugendamt, dass sie einerseits ihren Sohn niemals verlassen, andererseits auch nicht auf die Philippinen zurückkehren wolle.
Am 18. Januar 2006 einigten sich die Eheleute über den Unterhalt. Die Angeklagte I. K. beantragte ein eigenes Umgangsrecht mit dem Kind. Ihr Antrag, den sie durch alle Instanzen verfolgte, blieb ohne Erfolg. Der Angeklagte S. K. als Vater erhielt vom Familiengericht dagegen ein Umgangsrecht zugesprochen. Er erreichte allerdings nicht das weitere Ziel des alleinigen Sorgerechts. Er befürchtete, seine Ehefrau könne nach der Scheidung weiter wegziehen und seinen Kontakt mit dem Sohn vereiteln. Vor dem Hintergrund der drohenden Ehescheidung nahm er Finanztransaktionen vor, um L. K. einen Zugriff auf sein Vermögen zu erschweren.
Spätestens Ende März 2007 beschloss der Angeklagte S. K. , seine Ehefrau zu töten. Er wollte die Trennungssituation und deren Folgen für den Sohn nicht hinnehmen und befürchtete weitere Zahlungsverpflichtungen. Vor dem Hintergrund von Plänen seiner Ehefrau, zu einem Verwandtenbesuch auf die Philippinen zu reisen, was mangels ausreichender Mittel allerdings vorerst nicht realisierbar war, sah er die Möglichkeit, ein Verschwinden der Ehefrau als freiwilligen Aufenthaltswechsel darzustellen. Am 29. März 2007 schrieb er eine Vollmacht für I. und W. K. als Stellvertreter bei der Versorgung des Kindes für die Zeit seiner „Abwesenheit“. Am gleichen Tag verfasste er ein weiteres Testament, wonach alle seine Vermögenswerte für den Sohn „aufgebraucht“ werden sollten und der Angeklagte W. K. zum Vermögensverwalter bestimmt wurde. Am 12. April 2007 bevollmächtigte der Angeklagte S. K. die Mitangeklagten schriftlich dazu, den Wohnsitz seines Sohnes auf ihre Wohnung umzumelden.
Im April 2007 verhielt sich der Angeklagte S. K. gegenüber seiner Ehefrau hilfsbereit, womit er sie in Sicherheit wiegen wollte. Er wirkte bei Renovierungsarbeiten in ihrer Wohnung mit. L. K. hegte angesichts dieser Arbeiten die Hoffnung auf einen Neubeginn der Beziehung. Der Angeklagte S. K. erfuhr bei seinen Kontakten, dass L. K. derzeit nicht auf die Philippinen reisen wollte. Er wechselte ungefragt das intakte Schloss der Wohnungstür aus und behielt einen Schlüssel für sich, so dass er die Möglichkeit zum Zutritt in die Wohnung hatte, während für Dritte, anders als bisher, kein Zweitschlüssel mehr zur Verfügung stand.
Am Mittwoch, dem 18. April 2007, telefonierte L. K. mit einer Freundin. Sie beendete das Telefonat um 14.45 Uhr mit dem Hinweis, dass ihr Ehemann erscheine. Der Angeklagte S. K. suchte seine Ehefrau auf und tötete sie in der Zeit zwischen 14.45 Uhr und spätestens 20.00 Uhr, um zu ermöglichen, dass das Kind bei den Angeklagten aufwachsen könne. Einzelheiten zum Tatort und zur Art und Weise der Tatausführung der Tötung von L. K. blieben ungeklärt. Bis zum Arbeitsbeginn am nächsten Morgen beseitigte der Angeklagte S. K. auch die Leiche seiner Ehefrau so, dass sie bis heute nicht gefunden wurde.
Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten S. K. als Mord aus niedrigen Beweggründen bewertet. Eine Beteiligung der Angeklagten I. und W. K. hieran hat es nicht feststellen können.
B.
Die Revision des Angeklagten S. K. ist unbegründet.
I. Die Verfahrensrügen haben aus den vom Generalbundesanwalt erläuterten Gründen keinen Erfolg. Der Erörterung bedarf nur die Rüge der Verletzung von § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO. Sie ist im Ergebnis ebenfalls unbegründet.
1. Der Rüge liegt Folgendes zugrunde:
a) Am 28. April 2007 erstattete eine Bekannte von L. K. Vermisstenanzeige bei der Polizei. Durch Befragungen erfuhr die Polizei von der Trennungssituation der Eheleute, von dem Geldangebot an L. K. für den Fall, dass sie das Land verlasse und das Kind zurücklasse, und von den Reparaturarbeiten des Angeklagten S. K. in der Wohnung seiner Ehefrau. Der in der Vermisstensache zuständige Kriminalhauptkommissar Li. bat den Sachbearbeiter des Jugendamts G. am 3. August 2007 telefonisch um Unterstützung. Dies hielt der Zeuge G. in einer E-Mail an andere Mitarbeiter des Jugendamts wie folgt fest:
„Die Polizei (KK66, Herr Li. ) ermittelt in der Familie K. wegen einer Vermisstenanzeige bezüglich der vom Vater getrennten Kindesmutter. Diese ist seit drei Monaten verschwunden. Bei der Polizei ergeben sich verdichtende Verdachtsmomente gegen den Kindesvater. Herr Li. bittet um Mithilfe, da Herr K. sich in Widersprüche verstrickt (zeitliche Angaben, angebliche Telefonate mit der verschwundenen KM, plötzliche Anmeldung des Kindes beim Vater etc.). Das Kind M. (07.02.2002) lebt beim Vater und ist dort gemeldet. Herr Li. ist darum bemüht, die vom Vater gemachten Angaben mit dem Jugendamt abzugleichen. Es besteht ein sich verdichtender Tatverdacht.
Herr Li. bittet um Mitteilung bei weiteren hier aufkommenden Verdachtsmomenten. ...“
Zu einem weiteren Telefonkontakt am 6. August 2007 vermerkte der Jugendamtsmitarbeiter:
„Die Ermittlungen sind 'ergebnisoffen', d.h. zum jetzigen Zeitpunkt kann noch nicht von einem Mordfall, sondern nur von einer Vermisstenmeldung gesprochen werden, die bearbeitet wird. Es haben sich allerdings in den Aussagen von Herrn K. Widersprüche und Ungereimtheiten ergeben. Sollte die Polizei später Informationen des Jugendamtes benötigen, wird sie sich hier melden. Bis dahin bleibt der Datenschutz durch das JA bestehen.
Nach Angaben von Herrn Li. ist aktenkundig, dass Herrn K. Schwester trotz-wegen Kinderlosigkeit einen extrem ausgeprägten Kinderwunsch besitzt, der nahezu pathologisch sei. Mit der Kindesmutter habe es eine Vereinbarung gegeben, der zufolge sie gegen Zahlung von 25.000 Euro in die Philippinen zurückkehren und auf M. verzichten wolle-solle.“
b) Der Angeklagte S. K. wurde am 14. August 2007 von Kriminalhauptkommissar Li. als Zeuge vernommen. Nach dem Vernehmungsprotokoll wurde er dabei über Rechte gemäß § 52 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 StPO belehrt. Die Vernehmung begann um 09.59 Uhr und wurde um 13.52 Uhr abgebrochen. Dann wollte der Angeklagte S. K. zur Arbeit fahren. Später reichte er schriftliche Anmerkungen ein.
Am 21. August 2007 hielt Kriminalhauptkommissar Li. die bisherigen Erkenntnisse in einem Zwischenvermerk zusammen. Dann gab er die Sache an das für Kapitalstrafsachen zuständige Kommissariat ab. Dieses gab sie an die Staatsanwaltschaft weiter, die am 22. August 2007 förmlich ein Strafverfahren gegen S. K. einleitete und beim Ermittlungsrichter die Gestattung von Überwachungsmaßnahmen erwirkte.
Am 6. November 2007 wurde der Angeklagte S. K. als Beschuldigter vernommen und dabei gemäß § 163a Abs. 4 und § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO belehrt.
c) In der Hauptverhandlung widersprach die Verteidigung nach jeder Zeugenvernehmung von Polizeibeamten, die zu den Aussagen des Angeklagten S. K. in seinen Vernehmungen im Vorverfahren Angaben machten, der Verwertung. Das Landgericht erhob zu der prozessualen Frage ergänzend Beweis.
Kriminalhauptkommissar Li. bekundete dabei, dass er zurzeit der Zeugenvernehmung des Angeklagten S. K. am 14. August 2007 noch keinen konkreten Tatverdacht gegen diesen gehabt habe. Ihm sei bei der Übernahme der Sachbearbeitung aufgefallen, dass der Ehemann der Verschollenen noch nicht förmlich vernommen worden sei. Auch sonst sei der Sachverhalt nicht „durchermittelt“ gewesen. Vor der Zeugenvernehmung habe er sich gefragt, ob S. K. als Beschuldigter zu vernehmen sei. Es habe Unstimmigkeiten in dessen bisherigen Angaben zum Verschwinden seiner Ehefrau, jedoch noch keine ausreichenden Hinweise auf ein Verbrechen gegeben. Die vom Sachbearbeiter des Jugendamts festgehaltene Bemerkung von „sich verdichtenden Verdachtsmomenten“ entspreche nicht seinem Vokabular. Auch der Sachbearbeiter des Jugendamts bekundete jedoch als Zeuge in der Hauptverhandlung, dies entstamme nicht seinem Sprachgebrauch.
Das Landgericht verneinte das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots. Es nahm an, dass der Angeklagte S. K. zurzeit seiner Zeugenvernehmung am 14. August 2007 noch nicht als Beschuldigter einzustufen gewesen sei. Die Ermittlungen seien „ergebnisoffen“ geführt worden. Der Versuch einer Klärung der Verdachtslage habe noch nicht dazu gezwungen, ihn in den Status eines Beschuldigten zu versetzen. Der zunächst fehlende Verfolgungswille der Polizei ergebe sich aus der erst nachfolgenden Abgabe der Sache an die Staatsanwaltschaft. Entscheidend sei, dass der sachbearbeitende Kriminalhauptkommissar nicht von einem konkreten Tatverdacht ausgegangen sei. Bei der Bewertung der Verfahrenslage sei auch zu beachten, dass es dem Schutz des Betroffenen diene, wenn er nicht zu rasch in den Status eines Beschuldigten versetzt werde.
2. Diese Wertungen treffen nicht zu.
a) Die Beschuldigteneigenschaft setzt zwar nicht nur das objektive Bestehen eines Verdachts, sondern auch den Verfolgungswillen der Strafverfolgungsbehörde hinsichtlich einer Verdachtshypothese voraus, der sich in einem Willensakt manifestiert (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 1956 - 4 StR 278/56, BGHSt 10, 8, 12). Wird gegen eine Person förmlich ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, liegt darin ein solcher Willensakt. Aber auch ohne förmliche Verfahrenseröffnung gegen die Person ist die konkludente Zuweisung der Rolle als Beschuldigter möglich. Dies richtet sich danach, wie sich das Verhalten des ermittelnden Beamten bei seinen Aufklärungsmaßnahmen nach außen darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 228). Das Strafverfahren ist eingeleitet, sobald die Ermittlungsbehörde eine Maßnahme trifft, die nach ihrem äußeren Erscheinungsbild darauf abzielt, gegen jemanden strafrechtlich vorzugehen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 1997 - StB 14/96, NJW 1997, 1591, 1592). Ist eine Ermittlungshandlung darauf gerichtet, den Vernommenen als Täter einer Straftat zu überführen, kommt es daher nicht mehr darauf an, wie der Ermittlungsbeamte sein Verhalten rechtlich bewertet (vgl. Rogall in Festschrift für Frisch, 2013, S. 1119, 1223; Roxin JR 2008, 16, 17).
b) Nach diesem Maßstab lag bei der Vernehmung am 14. August 2007 eine auf Überführung des Angeklagten S. K. als Täter eines Tötungsdelikts gerichtete Maßnahme vor.
aa) Das wird aus dem vorangegangenen telefonischen Auskunftsersuchen vom 3. August 2007 an das Jugendamt deutlich. Dies war eine strafprozessuale Ermittlungshandlung (§ 161 Abs. 1 Satz 1 StPO). Aufgrund eines sich „verdichtenden Verdachts“ wurde dabei die fremde Behörde um Mitteilung weiterer Verdachtsmomente gebeten. Dazu wurden die bisherigen Verdachtsmomente genannt. Der bestehende Verdacht war damit dem Jugendamt mitgeteilt worden, um zusätzliche Erkenntnisse zu erhalten. Die Relativierung im nachfolgenden Telefonat vom 6. August 2007 erfolgte, um die Geheimhaltung der bereits genannten Verdachtsgründe sicherzustellen; insoweit sollte ein „Datenschutz“ gewahrt bleiben. Dies ändert aber nichts an der Qualität der vorher erfolgten Verdächtigung.
War das Ziel des Auskunftsersuchens vom 3. August 2007 die gegen S. K. gerichtete Vertiefung einer bestehenden Verdachtshypothese, so durften bei folgenden Maßnahmen die Schutznormen aus § 163a Abs. 4 Satz 1 und § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht umgangen werden.
Wegen der bereits eingetretenen Außenwirkung der Verdachtsmitteilung an das Jugendamt spielt die verfahrensrechtliche Überlegung keine Rolle, dass im Allgemeinen nicht durch vorzeitige Inkulpation unnötige Nachteile für den Beschuldigten verursacht werden sollen; sie waren für den Angeklagten S. K. bereits bei dem in das Sorgerechtsverfahren eingebundenen Jugendamt eingetreten.
bb) Das für die Personensuche wegen Gefahr für Leib oder Leben einer vermissten Person maßgebliche Polizeirecht war dagegen für die Vernehmung am 14. August 2007 nicht maßgeblich. Das Polizeirecht des Landes sieht zwar auch vor, dass jede Person befragt werden kann, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie sachdienliche Angaben machen kann (vgl. § 9 Abs. 1 PolG NRW). Dazu kann die Person auch vorgeladen werden (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW). Die Einordnung der Person in eine bestimmte Prozessrolle als Beschuldigter oder Zeuge kennt das Polizeiverwaltungsrecht aber nicht. Eine Zeugenbelehrung nach § 52 und § 55 StPO, wie sie hier erfolgt ist, ist bei einer präventivpolizeilichen Befragung dementsprechend nicht vorgesehen. Für präventivpolizeiliche Zwecke war eine mehrstündige förmliche Vernehmung des Ehemanns der Vermissten auch nicht erforderlich, nur damit die Sache „durchermittelt“ erscheint. Eine förmliche Vernehmung des Beschuldigten nach Ermittlungen aller Art (§ 161 Abs. 1 Satz 1 StPO) ist vielmehr im Strafverfahren üblich.
cc) Es bestand nach allem ein bereits geäußerter Verdacht gegen den Angeklagten S. K. in einem auf strafrechtliche Ermittlungen gerichteten Verfahren. Das Ziel der Vernehmung bestand, ebenso wie das Ziel des vorangegangenen Auskunftsersuchens an das Jugendamt, in der Suche nach weiteren Verdachtsmomenten gegen ihn.
dd) Die Durchführung der Maßnahme als Zeugenvernehmung war dann aber rechtsfehlerhaft, weil die Schutzbestimmungen aus § 163a Abs. 4 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO nicht beachtet wurden.
Der Verfahrensmangel wurde nicht durch die Belehrung gemäß § 55 Abs. 2 StPO kompensiert; denn diese Belehrung entspricht nicht dem Hinweis auf ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht als Beschuldigter (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1992 - 5 StR 122/92, BGHSt 38, 302, 303 f.) und dessen Recht auf Verteidigerbeistand.
3. Das Unterlassen einer Belehrung gemäß § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO bei der Vernehmung am 14. August 2007 führt zu einem Beweisverwertungsverbot für diese Zeugenvernehmung (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 1992 - 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 220 ff.; Urteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07, BGHSt 51, 367, 376; Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112, 115).
4. Die Unkenntnis darüber, dass die Zeugenvernehmung unverwertbar war, kann ferner dazu geführt haben, dass der Angeklagte S. K. bei der nachfolgenden Beschuldigtenvernehmung nur Angaben gemacht hat, weil er meinte, seine Zeugenaussage ergänzen zu müssen. Auch dadurch wurde die Entscheidungsfreiheit des Angeklagten S. K. darüber, ob er sich redend oder schweigend verteidigen will, berührt. Dies hätte durch eine qualifizierte Belehrung darüber, dass die vorherige Aussage als Zeuge unverwertbar ist, vermieden werden können (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 2007 - 1 StR 3/07, BGHSt 51, 367, 376; Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112, 115). Eine solche Belehrung ist jedoch nicht erteilt worden.
5. Es kann offen bleiben, ob deshalb mit einer in der Literatur vertretenen Ansicht ein Beweisverwertungsverbot auch für die Beschuldigtenvernehmung mangels qualifizierter Belehrung anzunehmen ist (vgl. Gless/Wennekers, JR 2008, 383, 384; SK/Rogall, StPO, 4. Aufl., § 136 Rn. 87; Roxin, HRRS 2009, 186, 187) oder ob dies mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einer Abwägung des Strafverfolgungsinteresses mit dem Interesse des Beschuldigten an der Wahrung seiner Rechte abhängt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2008 - 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112, 116) und auch danach ein Beweisverwertungsverbot besteht. Der Senat kann nämlich hier ausschließen, dass das Urteil auf der Nichtbeachtung von Beweisverwertungsverboten bezüglich der Zeugenvernehmung oder - gegebenenfalls - bezüglich der Beschuldigtenvernehmung beruht.
Das Landgericht hat Widersprüche in den Äußerungen des Angeklagten S. K. zu den Umständen des Verschwindens seiner Ehefrau nicht nur aus den Angaben bei den genannten Vernehmungen, sondern auch aus seinen Angaben gegenüber den Zeugen P. , B. , T. , H. , Bo. , N. , W. , Mi. , F. , Kr. , C. Pr. , Co. und Go. , in einem Telefax vom 30. April 2007 und in einer eidesstattlichen Versicherung vom 29. Mai 2007 entnommen. Insoweit kommt es auf die Angaben in den Vernehmungen nicht an. Die festzustellenden Widersprüche waren zudem nur ein Indiz in einer Reihe von Beweisanzeichen gegen den Angeklagten S. K. .
II. Die Sachrüge greift ebenfalls nicht durch. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, die zu der Feststellung seiner Begehung eines Mordes an der Ehefrau geführt hat, weist keinen Rechtsfehler auf.
1. Zunächst hat sich das Landgericht rechtsfehlerfrei von der Tatsache überzeugt, dass die verschollene L. K. tot ist. Ihr letztes Lebenszeichen bestand in einem am 18. April 2007 bis um 14.45 Uhr geführten Telefonat. Nichts deutet darauf hin, dass sie sich danach freiwillig spurlos aus ihrem Umfeld entfernt hat und endgültig mit unbekanntem Ziel abgereist ist. Das Zurücklassen ihres Kindes, das Fehlen ausreichender Geldmittel und die Nichtbenachrichtigung aller Bekannten und Verwandten von dem dauerhaften Wechsel des Aufenthaltsorts sprechen dagegen.
2. Auch die Annahme, dass die junge gesunde Frau nicht ohne Verantwortlichkeit einer anderen Person zu Tode gekommen ist, kann revisionsrechtlich nicht beanstandet werden. Ein Unglücksfall wäre nicht spurlos verlaufen. Für einen Selbstmord spricht nichts. Eine Verschleppung oder Tötung durch unbekannte Dritte hat die Schwurgerichtskammer verneint, weil keine Spuren einer solchen Tat gefunden wurden. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
3. Auch die Annahme der Tötung durch den Angeklagten S. K. ist rechtsfehlerfrei.
Fehlt ein auf das Kerngeschehen der Tat bezogenes Beweismittel, so kann die Überführung eines Angeklagten dadurch erfolgen, dass alle konkret in Frage kommenden Alternativen ausgeschlossen werden (vgl. Senat, Urteil vom 2. Mai 2012 - 2 StR 395/11, StraFo 2012, 466, 467). Dies hat das Landgericht beachtet. Als Hinweise auf die Täterschaft des Angeklagten S. K. hat es insbesondere gewürdigt,
- dass er ein Tatmotiv hatte,
- dass er in zeitlicher Nähe zum Verschwinden seiner Ehefrau Vollmachten für die Mitangeklagten ausgestellt hat, damit sie ihn im Fall einer Verhinderung bei der Versorgung des Kindes vertreten und den Wohnsitz des Kindes auf ihre Wohnung ummelden könnten,
- dass er zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt vor dem 18. April 2007 das Schloss an der Tür der Wohnung ausgewechselt hatte, obwohl ein technischer Grund dafür nicht vorlag,
- dass er die letzte Person war, die nachweislich Kontakt mit der Verschollenen hatte,
- dass er den Sohn am 18. April 2007 zu sich nahm, obwohl dies nicht der übliche Tag für die Ausübung seines Umgangsrechts war,
- dass er am frühen Morgen des 19. April 2007 Anrufe auf dem Telefon von L. K. tätigte, obwohl sie dann nach Annahme des Schwurgerichts bereits tot war,
- dass am 19. April 2007 vor Arbeitsbeginn ausweislich der Funkzellenkontakte seines Mobiltelefons seine Wohnung verließ und kurz darauf dorthin zurückkehrte,
- dass er im Laufe der polizeilichen Ermittlungen und gegenüber Dritten vielfach widersprüchliche Angaben zur Abwesenheit seiner Ehefrau machte,
- dass die Ummeldung des Sohnes beim Einwohnermeldeamt auf seinen Wohnsitz bereits am 23. April 2007 erfolgte, als noch kein Hinweis auf eine Verschollenheit der Kindesmutter vorlag und
- dass die polizeilich versiegelte Wohnung seiner Ehefrau in der Zeit vom 22. April bis 28. April 2007 ohne Beschädigung des von ihm ausgewechselten Türschlosses aufgesucht wurde.
Das Landgericht hat sich auf eine Gesamtschau aller Umstände gestützt. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Mit dieser Beweiswürdigung hat das Landgericht auch ausgeschlossen, dass die Tat von den Mitangeklagten begangen wurde, ohne dass der Angeklagte S. K. daran beteiligt war. Zwar hatten auch die Mitangeklagten ein Motiv, aber nicht in gleicher Weise die Gelegenheit zur Tatbegehung. Schließlich deutet eine Vielzahl von Beweisanzeichen darauf hin, dass er die Tat, die er schließlich auch alleine begangen haben konnte, geplant und ausgeführt hat.
4. Alternativen zu einem Mord aus niedrigen Beweggründen hat das Landgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei ausgeschlossen. Hat der Angeklagte S. K. seine Ehefrau getötet, so scheidet nach den konkreten Umständen ein anderes Motiv als das Streben nach dem Sorgerecht für den Sohn und dem Einsparen von Unterhaltszahlungen an die getrennt lebende Ehefrau aus. Dass theoretisch auch andere Möglichkeiten bestehen, ist rechtlich unerheblich.
C.
Die Revision der Nebenklägerin R. H. ist ebenfalls unbegründet. Sie deckt keinen Rechtsfehler zum Vorteil der freigesprochenen Angeklagten I. und W. K. auf.
Das Landgericht hat nicht übersehen, dass es erhebliche Verdachtsmomente gegen diese gibt, insbesondere durch Entgegennahme der Vertretungsvollmachten des Angeklagten S. K. zur Ummeldung des Wohnsitzes des Kindes, deren Erstellung schließlich auch als Indiz gegen diesen gewertet wurde. Das Landgericht hat der Herstellung und Übergabe der Vollmachten durch S. K. einerseits und deren Annahme durch die Mitangeklagten andererseits aber unterschiedliches Gewicht beigemessen und beides gesondert erläutert. Ein Rechtsfehler der Beweiswürdigung liegt daher nicht vor.
Die Schwurgerichtskammer hat auch unter Gesamtwürdigung aller Umstände, einschließlich der Motivlage, nicht die sichere Überzeugung von einer Tatbegehung oder Tatbeteiligung der Mitangeklagten gewinnen können. Dagegen bestehen im Ergebnis keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Fischer Schmitt Krehl
Eschelbach Ott