Entscheidungsdatum: 30.03.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 15. Juni 2015
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch eines Kindes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich seine auf die Sachrüge gestützte Revision. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts lernte der Angeklagte im Oktober 2012 die Zeugin S. S. kennen und bezog mit dieser und ihrer am 26. Januar 2011 geborenen Tochter So. im Dezember 2012 eine gemeinsame Wohnung. Dort war am 2. Mai 2013 die Schwester seiner Lebensgefährtin, M. S. , zu Besuch. In der Zeit zwischen 18.30 Uhr und 18.45 Uhr brachte der Angeklagte das Kind zu Bett. Gegen 19.00 Uhr verließen S. und M. S. die Wohnung, um Einkäufe vorzunehmen. In der Zeit ihrer etwa einstündigen Abwesenheit drang der Angeklagte mit einem Körperteil oder einem Gegenstand in die Scheide des Kindes ein, das dadurch Schmerzen erlitt und blutete. Dies wurde zunächst von S. und M. S. nach ihrer Rückkehr nicht bemerkt. Gegen 21.00 Uhr begab sich der Angeklagte zur Arbeit. Etwa eine Stunde später stellte S. S. fest, dass das Kind eingenässt hatte und Blutungen im Genitalbereich aufwies. Nach dem Ergebnis einer anschließenden ärztlichen Untersuchung hatte es einen Dammriss erlitten.
Der Angeklagte hat die Tatbegehung bestritten. Das sachverständig beratene Landgericht hat aus der Art der Verletzung darauf geschlossen, dass ausschließlich eine Penetration die Ursache dafür gewesen sein könne. Als Täter komme nach den festgestellten Umständen nur der Angeklagte in Betracht.
Das Landgericht hat die Tat als Vergewaltigung durch Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, in Tateinheit mit einem schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes bewertet.
II.
Die Revision hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Eine Verurteilung ist in einem Ausschlussverfahren möglich, wenn kein Beweisanzeichen vorliegt, das unmittelbar auf die Tatbegehung und den Täter schließen lässt. Dieses methodische Vorgehen bildet allerdings nur dann eine tragfähige Grundlage für die Verurteilung eines Angeklagten, wenn alle relevanten Alternativen mit einer den Mindestanforderungen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung genügenden Weise abgelehnt werden, wobei ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gestützte Zweifel nicht mehr zulässt (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2012 – 2 StR 395/11, StraFo 2012, 466 f.).
b) Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht.
aa) Das Landgericht hat aufgrund des medizinischen Befundes darauf geschlossen, dass nur eine Penetration als Ursache für den Dammriss in Betracht kommt. Für einen Sturz des Kindes auf einen Gegenstand mit gespreizten Beinen als Alternative hat es keinen konkreten Hinweis gesehen. Gegen seine Beweiswürdigung ist insoweit rechtlich nichts zu erinnern.
bb) Auch die Annahme, dass nach den zeitlichen Abläufen nur der Angeklagte als Verursacher der Verletzung des Kindes im Genitalbereich in Betracht kommt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Frauen hat das Landgericht als mögliche Verursacherinnen in rechtlich unbedenklicher Weise ausgeschlossen. Danach blieb in dem für die Tatbegehung verbleibenden zeitlichen Rahmen nur der Angeklagte als Täter übrig.
Hiernach ist die Tatsache, dass S. und M. S. die Verletzung des Kindes erst geraume Zeit nach ihrer Rückkehr in die Wohnung bemerkt haben, für die Beweiswürdigung unerheblich. Das Landgericht hat die Tatsache, dass das Kind auf die äußerst schmerzhafte Verletzung mit Schreien reagiert haben muss, das jedoch von den Frauen nicht wahrgenommen wurde, nachvollziehbar damit erklärt, dass das Kind nach der in Abwesenheit der Frauen begangenen Tat und seinem Schreien vor Schmerzen so erschöpft war, dass es später auch dem herbeigerufenen Notarzt völlig apathisch erschien.
cc) Aus der Art der Verletzung und den Umständen zur Tatzeit – nach Zubettbringen des Kindes – konnte das Landgericht schließlich auf das Vorliegen einer sexuellen Handlung als Ursache schließen.
Die Strafkammer konnte zwar nicht feststellen, ob der Angeklagte einen Körperteil oder einen Gegenstand in die Scheide der Nebenklägerin eingeführt hat. Beides stellt aber eine im Hinblick auf Art und Ausmaß der Verletzung im Genitalbereich und der Vaginalpenetration als Verletzungsursache eine dem Beischlaf ähnliche Handlung dar, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist (§ 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB).
Dass die Strafkammer keine Feststellungen zur Motivlage des Angeklagten zu treffen vermochte, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, da der sexuelle Charakter der Handlung bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild auf der Hand liegt. Eine sexuelle Motivation des Täters ist dann zur Feststellung des Vorliegens einer sexuellen Handlung nicht erforderlich (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 184h Rn. 4; BeckOK-StGB/Ziegler, StGB, 29. Ed., § 184h Rn. 3).
2. Der Schuldspruch ist entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts abzuändern, da die Feststellungen die Annahme einer tateinheitlich verwirklichten sexuellen Nötigung nicht tragen.
a) Für eine Anwendung des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB reicht es nicht aus, dass der Angeklagte die Abwesenheit schutzbereiter Dritter, also der Mutter des Kindes und deren Schwester, zur Verwirklichung der Tat ausnutzte. Aus dem bloßen Alleinsein von Täter und kindlichem Opfer, das aufgrund seiner konstitutionellen Lage keinen Widerstand leisten kann, kann sich daher nicht schon eine schutzlose Lage im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB ergeben (vgl. Fischer, StGB § 177 Rn. 29; MünchKomm/Renzikowski, StGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 50). Vielmehr ist zur Erfüllung dieses Tatbestands erforderlich, dass die sexuellen Handlungen gegen den Willen des Opfers geschehen und das Opfer keinen Widerstand leistet, weil es dies aufgrund seiner schutzlosen Lage für aussichtslos hält (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2006 - 2 StR 345/05; BGHSt 50, 359, 366; Beschluss vom 24. Februar 2015 - 5 StR 12/15, BGHR StGB § 176a Abs. 3 Konkurrenzen 1; Fischer, StGB § 177 Rn. 40). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Landgericht nicht festgestellt. Es ist auch nicht zu erwarten, dass entsprechende Feststellungen vom neuen Tatrichter getroffen werden können.
b) Ferner ist nicht anzunehmen, dass das Landgericht in der neuen Hauptverhandlung noch weitere Feststellungen treffen könnte, die zu einer Anwendung von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB führen würden.
Die Penetration als sexuelle Handlung ist von einer Gewaltanwendung als Nötigungshandlung zu unterscheiden, denn der Verbrechenstatbestand setzt insoweit sowohl eine Nötigung mit Gewalt als auch die Vornahme oder Duldung einer sexuellen Handlung als Nötigungserfolg voraus (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 1961 – 1 StR 407/61, BGHSt 17, 1, 3 f.; Urteil vom 2. Juni 1982 – 2 StR 669/81, BGHSt 31, 76, 77; Beschluss vom 5. Oktober 2004 - 3 StR 256/04, NStZ 2005, 268; Fischer, StGB § 177 Rn. 14; Matt/Renzikowski/Eschelbach, StGB, 2013, § 177 Rn. 17; SSW/Wolters, StGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 14).
Allein aus der Tatsache, dass eine Penetration erfolgt ist, die das Kind verletzt hat, kann auch nicht zugleich auf die Anwendung von Gewalt, etwa durch ein Festhalten des Opfers, geschlossen werden. Da der Angeklagte die Tatbegehung bestreitet, das geschädigte Kind nicht aussagetüchtig ist und sonstige Beweismittel fehlen, lässt sich im Ergebnis nicht nachweisen, dass der Angeklagte über die Vornahme der sexuellen Handlung hinaus nötigende Gewalt im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB eingesetzt hat.
c) Deshalb muss der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Vergewaltigung entfallen. Die Anwendung von § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist rechtsfehlerfrei. Das Verfahren ist mit der Anklageerhebung auf den Vorwurf der Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes beschränkt worden.
Der Senat ändert den Schuldspruch dementsprechend ab. § 265 Abs. 1 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich bei einem rechtlichen Hinweis auf diese Möglichkeit nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
3. Die Änderung des Schuldspruchs zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs.
Fischer Appl Krehl
Eschelbach Bartel