Entscheidungsdatum: 05.04.2017
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 6. Oktober 2015 wird mit der Maßgabe verworfen, dass für die Fälle II. 14, 16, 28, 32, 34, 35, 37, 38, 40, 49, 52, 54, 61, 62, 64, 65, 373, 458, 470 und 706a der Urteilsgründe jeweils eine Einzelstrafe in Höhe von einem Monat festgesetzt wird.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in 713 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel führt lediglich in 20 Fällen zur Herabsetzung von Einzelstrafen.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Der einschlägig vorbestrafte Angeklagte war im sogenannten „Netzwerk-Marketing“, einer Sonderform des Direktvertriebes, tätig. Er warb mit Veranstaltungsangeboten im Internet selbständige Vertriebspartner an, die ihrerseits Kunden für zu verkaufende Kosmetika oder Nahrungsergänzungsprodukte anwerben sollten. Für bereits existierende Vertriebspartner gab es zudem in verschiedenen Städten Trainingsprogramme.
Im Rahmen seines Aufgabenbereichs buchte der Angeklagte im Zeitraum zwischen dem 30. Dezember 2011 und dem 31. Dezember 2014 in 713 Fällen im Internet bei verschiedenen Reiseveranstaltern u.a. Pauschalreisen, Hotelaufenthalte, Flüge oder Mietfahrzeuge. Der Angeklagte wählte als Zahlungsart jeweils das Lastschriftverfahren aus. Dabei handelte es sich bei den einzelnen Buchungsvorgängen um voll automatisierte Verfahren, bei denen der gesamte Verfahrensablauf computertechnisch erfasst und bis zur Ausstellung der Reiseunterlagen ohne jeglichen Personalbezug abgeschlossen wurde.
Der Angeklagte, der über keinen festen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland verfügte, nutzte zur Verschleierung der Buchungsangaben „überwiegend“ die Adresse eines ehemaligen Mitarbeiters und über achtzig verschiedene E-Mail-Adressen; um seine Identität zusätzlich zu verschleiern, gab er bei den Buchungen unterschiedliche Schreibweisen seines Namens und falsche Telefonnummern an. Sobald ein Konto von einer Reise- oder Fluggesellschaft als „betrugsverdächtig“ eingestuft wurde, richtete er für weitere Buchungen ein neues Konto ein. „Durch sein Verhalten konnte der Angeklagte mit relativ geringem Aufwand und kleinen Maßnahmen die installierten Sicherungssysteme der Buchungssoftware umgehen und diese Lücken für seine Taten ausnutzen“.
Wie von dem Angeklagten zum Zeitpunkt der jeweiligen Buchungen geplant, widerrief er nach Inanspruchnahme der in 553 Fällen ordnungsgemäß erbrachten Leistungen die jeweiligen Kontobelastungen innerhalb der festgeschriebenen Frist von acht Wochen, so dass die zuvor in diesen Fällen abgebuchten Beträge einem von neun vom Angeklagten - ausschließlich für die Buchungen von Reisen - genutzten Konten wieder gut geschrieben wurden. In weiteren 160 Fällen wurde zwar eine Reiseleistung nicht erbracht. Die von den Reiseveranstaltern erhobenen Stornogebühren wurden indes ebenfalls im Lastschriftverfahren geltend gemacht; der Angeklagte widersprach auch diesen Kontobelastungen. Den Reiseveranstaltern entstand insgesamt ein Schaden in Höhe von mindestens 150.000 Euro.
b) Das Landgericht hat die Taten jeweils als versuchten Betrug im besonders schweren Fall (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB, § 22 StGB) gewertet. Auch in den 553 Fällen, in denen eine Reiseleistung erbracht worden war, mithin „das Delikt an sich jeweils vollendet ist“, lägen nur versuchte Taten vor, da es sich bei den einzelnen Buchungsvorgängen jeweils um vollautomatisierte Verfahren handelt. Der Angeklagte habe zumindest billigend in Kauf genommen, Mitarbeiter der Onlineportale zu täuschen, um bei ihnen über seine Zahlungswilligkeit einen Irrtum hervorzurufen und sie zum Übersenden der Reiseunterlagen zu veranlassen.
2. Die Revision des Angeklagten hat nur einen geringen Erfolg.
a) Die Verfahrensrüge ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich aus dem Revisionsvorbringen kein Rechtsfehler, so dass auch die Zielrichtung der Rüge unklar bleibt.
b) Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Betruges begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Unter Berücksichtigung des umfassenden Geständnisses des Angeklagten ist die - im Rahmen der rechtlichen Würdigung getroffene - Feststellung des Landgerichts, der Angeklagte habe zumindest (auch) billigend in Kauf genommen, Mitarbeiter der Onlineportale zu täuschen, um bei ihnen über seine Zahlungswilligkeit und seine Absicht, die Lastschriften nach Leistungserbringung nicht zu widerrufen, einen Irrtum hervorzurufen und sie zum Übersenden der Reiseunterlagen zu veranlassen (vgl. auch Senat, Urteil vom 15. Juni 2005 - 2 StR 30/05, BGHSt 50, 147, 154), nicht zu beanstanden. Dass der Angeklagte alternativ auch ein voll automatisiertes Buchungsverfahren im Blick gehabt hat, weil er - eingestanden - mit relativ geringem Aufwand und kleinen Maßnahmen die installierten Sicherungssysteme der Buchungssoftware umgangen und diese Lücken für seine Taten ausgenutzt hat, hätte gegebenenfalls die Bewertung der Taten jeweils als (vollendeten) Computerbetrug gemäß § 263a Abs. 1 StGB gerechtfertigt. Den Feststellungen ist insoweit noch ausreichend zu entnehmen, dass er hier beides für möglich gehalten und sich damit im Sinne eines alternativen Vorsatzes abgefunden hat (vgl. auch Fischer, StGB, 64. Aufl., § 263a Rn. 23). Dass der Angeklagte gleichwohl in allen Fällen lediglich wegen versuchten Betruges schuldig gesprochen worden ist, beschwert ihn nicht.
Wie der Generalbundesanwalt im Übrigen zutreffend ausgeführt hat, tragen die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen auch im Übrigen den Schuldspruch. Die Beurteilung der Konkurrenzen durch den Tatrichter ist zwar rechtlich nicht unbedenklich, weil bei zeitlich eng zusammenliegenden Buchungsvorgängen hinsichtlich denselben Reiseveranstalter statt Tatmehrheit auch Tateinheit in Form der natürlichen Handlungseinheit in Betracht zu ziehen ist. Die Frage kann hier aber offen bleiben, weil der Senat mit Sicherheit ausschließen kann, dass der Angeklagte hierdurch beschwert ist. Eine Änderung des Konkurrenzverhältnisses lässt in aller Regel - so auch hier - den Unrechts- und Schuldgehalt unberührt (vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss vom 1. März 2004 - 2 BvR 2251/03 mwN sowie Senatsurteil vom 13. Januar 2006 - 2 StR 461/05, insoweit in NStZ-RR 2006, 183 nicht abgedruckt).
Schließlich ist die vom Landgericht im Rahmen der Strafzumessung vorgenommene Differenzierung danach, ob eine Reiseleistung erbracht wurde oder nicht, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings hat die Strafkammer in den Fällen II. 14, 16, 28, 32, 34, 35, 37, 38, 40, 49, 52, 54, 61, 62, 64, 65, 373, 458, 470 und 706a der Urteilsgründe nicht bedacht, dass gemäß § 263 Abs. 4 StGB in Verbindung mit § 243 Abs. 2 StGB ein besonders schwerer Fall des Betruges ausgeschlossen ist, wenn sich die Tat - wie hier - lediglich auf eine Vermögensverschiebung von geringem Ausmaß bezieht. Dieser Fehler führt auf Antrag des Generalbundesanwalts zur Herabsetzung der in diesen Fällen verhängten Freiheitsstrafen auf das gesetzliche Mindestmaß einer zeitigen Freiheitsstrafe von jeweils einem Monat (§ 38 Abs. 2 StGB).
Die Reduzierung der Einzelstrafen in den genannten Fällen führt nicht zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Der Senat kann ausschließen, dass die Strafkammer angesichts der unverändert gebliebenen weiteren 693 Einzelstrafen zwischen vier und sechs Monaten eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte.
3. Der geringe Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten von den Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels teilweise freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Krehl |
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Eschelbach |
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Zeng |
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Wimmer |
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Grube |
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