Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.02.2018


BGH 21.02.2018 - 2 StR 374/17

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Konkurrenzbewertung bei Drogenerwerb mit Erlös aus vorangegangenem Abverkauf; Mittäterschaft; Strafzumessung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
21.02.2018
Aktenzeichen:
2 StR 374/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:210218U2STR374.17.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Bonn, 23. Mai 2017, Az: 24 KLs 17/16
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bonn vom 23. Mai 2017 werden verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten M.   und B.   jeweils wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und den Angeklagten N.   wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Gegen den Angeklagten M.    hat es eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten, gegen den Angeklagten B.   eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und gegen den Angeklagten N.   eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt. Außerdem hat es Wertersatzverfall angeordnet, bei dem Angeklagten M.    in Höhe von 27.200 Euro, bei dem Angeklagten B.   in Höhe von 25.000 Euro. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten mit der Sachrüge. Die Rechtsmittel sind unbegründet.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb der Angeklagte M.   das „   M.   “    in S.    . Der Angeklagte B.   war dort als Kellner beschäftigt. Der Angeklagte N.     wohnte in einer Wohnung über dem Café. In der „M.    “ hatten die Angeklagten M.    und B.   bereits in der Vergangenheit mit Marihuana und Kokain Handel getrieben. In der Zeit um die Jahreswende von 2015 zu 2016 hatte der Angeklagte M.   Kontakt zu einem niederländischen Drogenlieferanten. Dieser bot Drogenlieferungen zu günstigen Einkaufspreisen bei Mindestabnahme von einem Kilogramm Marihuana oder 50 g Kokain an. Marihuana der Sorte „Haze“ sollte dann 6 Euro pro Gramm kosten, Marihuana in Standardqualität 4,80 bis 5 Euro pro Gramm und Kokain 45 Euro pro Gramm. Weil der Angeklagte M.   nicht über genügend Geld verfügte, um die Mindestabnahmemengen bezahlen zu können, kam er auf die Idee, mit dem Angeklagten B.   eine Einkaufsgemeinschaft zu bilden. Dadurch sollten Finanzierungslücken überwunden und die günstigen Einkaufskonditionen für große Mengen genutzt werden, um den Gewinn für beide zu erhöhen. Der Angeklagte B.   war damit einverstanden, weil er, ebenso wie der Angeklagte M.   , seinen Drogenhandel optimieren wollte.

3

Im Januar 2016 kam es zu einer ersten Lieferung durch einen Kurier des Verkäufers, der 1 kg Marihuana der Sorte „Haze“ mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 100 g Tetrahydrocannabinol, 1 kg Marihuana in Standardqualität mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 20 g Tetrahydrocannabinol und 100 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 60 g Kokainhydrochlorid überbrachte. Der Gesamtpreis in Höhe von 15.500 Euro wurde von den Angeklagten M.   und B.   je zur Hälfte aufgebracht und sogleich dem Kurier übergeben. Die Angeklagten M.   und B.   teilten die angelieferten Betäubungsmittel und verbrachten ihre Teilmengen jeweils in ihren Haushalt, wo sie diese aufbewahrten und in Verkaufseinheiten portionierten. In der Folgezeit nahmen sie die für einzelne Tage zum Weiterverkauf an Konsumenten benötigten Kleinmengen sukzessive mit in das Café „M.     “. Dort hatte jeder der beiden einen eigenen Kundenstamm. Beide verfügten auch über eigene Verstecke für die jeweiligen Verkaufsvorräte im Café. Wenn der Verkaufsvorrat des Angeklagten M.   erschöpft war, gab ihm der Angeklagte B.   Betäubungsmittel aus seinem Verkaufsvorrat ab und verrechnete dies später mit ihm. Der Verkaufspreis für die Abnehmer betrug 10 Euro pro Gramm Marihuana der Sorte „Haze“, 8 bis 9 Euro je Gramm Marihuana in Standardqualität und 70 Euro je Gramm Kokain.

4

Im März 2016 ging der Gesamtvorrat zur Neige. Die Angeklagten M.    und B.   beabsichtigten deshalb eine gemeinsame weitere, größere Bestellung. Zur Lagerung außerhalb ihrer Wohnungen mieteten sie zwei Büroräume an, wobei sie sich den Mietzins teilten. Die zweite Lieferung wurde Anfang April 2016 durch einen Kurier in das Café „M.     “ gebracht. Sie umfasste 2 kg Marihuana der Sorte „Haze“ mit einem Wirkstoffgehalt von 200 g Tetrahydrocannabinol, 2 kg Marihuana in Standardqualität mit einem Wirkstoffgehalt von 40 g Tetrahydrocannabinol und 250 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 150 g Kokainhydrochlorid. Der Gesamtkaufpreis betrug 33.000 Euro. Darauf leisteten die Angeklagten M.    und B.   eine Anzahlung in Höhe von 10.000 Euro, die sie jeweils zur Hälfte aufbrachten und dem Kurier übergaben. Der Restbetrag sollte bei der nächsten Lieferung gezahlt werden. Die Drogen wurden nach der Anlieferung in das Café „M.     “ unter den Angeklagten M.   und B.   aufgeteilt und in die angemieteten Büroräume gebracht.

5

Weil der Transport von Verkaufsvorräten von den Büroräumen in das Café „M.      “ zu aufwändig erschien, baten die Angeklagten M.    und B.   den Angeklagten N.    darum, Verkaufsvorräte für einzelne Tage in dessen Wohnung über dem Café zwischenlagern zu dürfen. Der Angeklagte N.     sollte dafür geringe Mengen Marihuana zum Eigenkonsum erhalten. Damit war N.     einverstanden, der auch das Verpacken von Verkaufsportionen für die Konsumenten und das Überbringen von Nachschub in das Café übernahm. Anfangs fragte er mehrmals täglich im Café nach, ob Nachschub benötigt werde. Später erhielt er ein Funkgerät, auf dem die Angeklagten M.    und B.   „anklingeln“ konnten, wenn sie Nachschub benötigten. Als Gegenleistung erhielt der Angeklagte N.     2 g Marihuana pro Tag für seinen eigenen Konsum.

6

Als die Bestände der Angeklagten M.    und B.   Anfang September 2016 zur Neige gingen, bestellten sie eine dritte Lieferung. Daraufhin wurden 2 kg Marihuana der Sorte „Haze“ mit einem Wirkstoffgehalt von 270 g Tetrahydrokannabinol, 2 kg Marihuana in Standardqualität mit einem Wirkstoffgehalt von 40 g Tetrahydrokannabinol und 500 g Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 410 g Kokainhydrochlorid von einem Kurier des Lieferanten überbracht. Die Angeklagten zahlten auf den Gesamtkaufpreis von 45.000 Euro zusammen 15.000 Euro an. Außerdem übergaben sie dem Kurier den Restkaufpreis für die vorherige Lieferung in Höhe von 23.000 Euro, wovon der Angeklagte M.   13.000 Euro und der Angeklagte B.   10.000 Euro übernahmen.

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2. Das Landgericht hat die erste Lieferung als eine Bewertungseinheit des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge angesehen. Wegen der Überschneidung der Bezahlung des Restkaufpreises für die zweite Lieferung mit der dritten Anlieferung hat es in den Lieferungen im April und September 2016 insgesamt eine Bewertungseinheit gesehen. Es hat den Angeklagten M.    und B.   zudem als Mittätern die jeweiligen Gesamtmengen der Lieferungen zugerechnet, auch soweit sie für den Verkauf des jeweils anderen bestimmt waren. Der Angeklagte N.    habe Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Hinblick auf die zweite und dritte Lieferung geleistet. Da die Haupttat eine Bewertungseinheit bilde, liege eine einheitliche Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vor.

II.

8

Die Revisionen der Angeklagten sind unbegründet.

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1. Der Schuldspruch ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das gilt, unbeschadet der Frage, ob die Angeklagten dadurch beschwert sind, auch für die Konkurrenzbewertung.

10

Wickelt ein Täter Betäubungsmittelgeschäfte dergestalt ab, dass er mit dem Erlös aus dem vorangegangenen Abverkauf der von ihm erworbenen Betäubungsmittel den nächsten Ankauf begleicht, so führt die Überschneidung der Ausführungshandlungen, die sich daraus ergibt, dass die Drogenlieferung durch einen Kurier des Verkäufers zugleich der Übermittlung des Entgelts für die vorangegangene Betäubungsmittellieferung dient, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass die auf die jeweiligen Handelsmengen bezogenen Bewertungseinheiten des Handeltreibens im Wege der gleichartigen Idealkonkurrenz miteinander verknüpft sind (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 - 4 StR 322/15, NStZ 2016, 420 f. mwN). Deshalb begegnet die Annahme des Landgerichts, bei der zweiten und dritten Lieferung liege eine einheitliche Tat der Angeklagten M.   und B.    bezogen auf die Gesamtmenge aus beiden Lieferungen vor, keinen rechtlichen Bedenken.

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2. Auch der Strafausspruch ist rechtsfehlerfrei.

12

a) Es ist nicht zu beanstanden, dass den Angeklagten M.    und B.    jeweils die Gesamtmengen der Lieferungen als Teil ihres mittäterschaftlich begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zugerechnet wurden. Das Landgericht hat insoweit angenommen, durch den Sammeleinkauf im Wege der Einkaufsgemeinschaft sei ein gemeinsames Interesse beider Angeklagten verfolgt worden, das darin bestanden habe, die Drogen zu einem günstigeren Einkaufspreis erwerben zu können, um so den Gewinn zu erhöhen. Dagegen ist im Ergebnis rechtlich nichts zu erinnern.

13

Ob ein Tatbeteiligter als Mittäter handelt, ist auch im Betäubungsmittelstrafrecht nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe zu beantworten. Hierzu bedarf es einer wertenden Betrachtung aller von der Vorstellung des jeweiligen Tatbeteiligten umfassten Umstände. Wesentliche Anhaltspunkte für mittäterschaftliches Handeln können das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille hierzu sein. Verschaffen sich die Beteiligten die von ihnen zur Weiterveräußerung bestimmten Betäubungsmittel in einer Einkaufsgemeinschaft, gilt nichts anderes (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2002 - 2 StR 249/02, NStZ 2003, 90; Beschluss vom 17. April 2012 - 3 StR 131/12, StV 2013, 154; Senat, Urteil vom 6. Dezember 2017 - 2 StR 46/17; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 3. Aufl., § 29 BtMG Rn. 419). Allerdings fehlt es, bezogen auf die Gesamtmenge, an der erforderlichen Eigennützigkeit, wenn der gemeinsame Vorteil ausschließlich in günstigeren Einkaufsbedingungen durch gemeinsamen Einkauf von Großmengen bestünde (vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - 3 StR 64/12, NStZ 2012, 516; Urteil vom 6. Dezember 2017 - 2 StR 46/17).

14

Die Angeklagten M.   und B.   handelten bei der Beschaffung der gesamten Handelsmengen arbeitsteilig. Insbesondere brachten sie die Kaufpreiszahlungen gemeinsam auf. Es fehlte auch nicht an einem gemeinsamen Interesse beider im Hinblick auf den Erwerb der jeweiligen Gesamtmenge. Zwar war beabsichtigt, das Rauschgift nach der Anlieferung aufzuteilen und eine Beteiligung an den Umsatzgeschäften des jeweils anderen war nicht vorgesehen. Jedoch wurde eine Reduzierung des Einkaufspreises und damit eine Vergrößerung der Gewinnspanne beim Weiterverkauf durch die gemeinschaftliche Beschaffung großer Mengen erreicht. Den Angeklagten M.   und B.   ging es darüber hinaus darum, den eingespielten Vertrieb der Drogen an Konsumenten in dem Café „M.       “ zu nutzen. Ein gemeinsamer Vorteil der Nutzung dieses Verkaufsorts bestand darin, dass bei Erschöpfung der dort gelagerten Teilmenge des einen Angeklagten der jeweils andere aushelfen konnte. Ab der zweiten Drogenlieferung nutzten die Angeklagten M.   und B.     Lagerungsmöglichkeiten in den auf gemeinsame Kosten angemieteten Büroräumen. Später kam die gemeinsame Nutzung der Dienste des Angeklagten N.      hinzu. Bei Gesamtwürdigung dieser Umstände erfolgte die Beschaffung der Großmengen durch die Angeklagten M.    und B.   als Mittäter (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2002 - 1 StR 137/02, NStZ-RR 2003, 57; Beschluss vom 24. Oktober 2012 - 4 StR 392/12, NStZ-RR 2013, 81; Beschluss vom 13. April 2013 - 4 StR 547/12).

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b) Kein durchgreifender Rechtsfehler liegt in der Bemerkung des Landgerichts, dass die Drogen durch die Umsatzgeschäfte der Angeklagten „überwiegend in den Verkehr gelangt“ sind. Allerdings wäre es rechtlich bedenklich, wenn die Strafkammer nur auf das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes hingewiesen oder ausschließlich das regelmäßige Tatbild des Drogenhandels betont hätte (§ 46 Abs. 3 StGB). Ob die Urteilsgründe so zu verstehen sind, kann offen bleiben. Der Senat schließt jedenfalls aus, dass die verhängten Strafen auf einem eventuellen Wertungsfehler beruhen.

16

c) Die strafschärfende Überlegung, dass die Angeklagten M.   und B.   auch nach der Durchsuchung des Café „M.     “ weiter Betäubungsmittelhandel betrieben, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht der Revisionen waren keine näheren Feststellungen zu früheren Taten erforderlich. Schon die Tatsache, dass eine Durchsuchung stattgefunden hat, entfaltete eine Warnwirkung, welche die Angeklagten durch Fortführung des Betäubungsmittelhandels missachteten.

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3. Es ist - unbeschadet der Frage der Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung, welche die Nichtanordnung der Maßregel vom Revisionsangriff ausgenommen hat - nicht zu beanstanden, dass das Landgericht eine Unterbringung des Angeklagten N.     in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB nicht erörtert hat. Zwar war dieser ein langjähriger Drogenkonsument gewesen. Er hat aber nach eigener Einlassung zuletzt den Amphetaminkonsum eingestellt und „nur noch gelegentlich einen Joint“ geraucht.

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4. Das Landgericht hat die Gesamteinnahmen der Angeklagten M.   und B.   aufgrund des Verkaufs der Betäubungsmittel auf 52.200 Euro beziffert. Die Anordnung des Wertersatzverfalls gemäß § 73a Satz 1, § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB a.F. in Höhe von 27.200 Euro bei M.   und von 25.000 Euro bei B.   kann der Senat nicht aufgrund der Revisionen der Angeklagten dahin abändern, dass eine gesamtschuldnerische Haftung besteht; denn dadurch würde der jeweils andere Angeklagte beschwert.

Schäfer     

        

Eschelbach     

        

Zeng   

        

Grube     

        

Schmidt