Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 24.09.2015


BGH 24.09.2015 - 2 StR 362/15

Strafzumessung bei sexuellem Kindesmissbrauch: Fehlerhafte Gesamtstrafenbildung wegen angeblich fehlender Aufarbeitung der Straftaten durch den Angeklagten


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
24.09.2015
Aktenzeichen:
2 StR 362/15
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Erfurt, 19. Mai 2015, Az: 130 Js 38029/13 - 6 KLsvorgehend BGH, 17. September 2014, Az: 2 StR 325/14, Beschlussvorgehend LG Erfurt, 23. April 2014, Az: XX
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 19. Mai 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten in einem ersten Urteil wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in sieben Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Senat hat dieses Urteil durch Beschluss vom 17. September 2014 - 2 StR 325/14 - im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe aufgehoben. Das Landgericht hat nunmehr erneut eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel ist begründet.

I.

2

Das Landgericht hat seine Erwägungen zur Bildung einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe nach der Erläuterung von anderen Strafzumessungsgründen, die gegen den Angeklagten sprechen, wie folgt ergänzt: "Darüber hinaus ist zulasten des Angeklagten zu sehen, dass auch ein Jahr nach der Verurteilung durch das Landgericht Erfurt keine Strafaufarbeitung erkennbar ist. Der Angeklagte hat weder die im Vergleich zwischen ihm und den Nebenklägern vereinbarten Zahlungen beglichen, noch hat er sich in ärztliche Betreuung begeben. Um eine Therapie zur Aufarbeitung der sexuellen Probleme hat sich der Angeklagte nicht gekümmert."

II.

3

Die Revision gegen die Gesamtstrafenbildung hat Erfolg.

4

1. Die vom Landgericht mitgeteilte Begründung für die neue Gesamtfreiheitsstrafe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In den Urteilsgründen bleibt unklar, warum vom Fehlen einer Aufarbeitung der abgeurteilten Straftaten auszugehen ist. Die dafür genannten Gründe sind nicht nachvollziehbar.

5

Nachdem das Landgericht festgestellt hat, dass der Angeklagte Schulden hat und nur Arbeitslosengeld bezieht, liegt die Annahme fern, dass ihm ein Vorwurf daraus zu machen ist, weil er bisher keinen Schadensersatz geleistet hat. Eine Erläuterung seiner abweichenden Bewertung hat das Landgericht im Urteil nicht mitgeteilt.

6

Der Angeklagte ist nach den bindenden Feststellungen zuletzt im November 2002 wegen einer Sexualstraftat aufgefallen. Seither hat es keine vergleichbaren Delikte mehr gegeben. Warum gleichwohl trotz des Zeitablaufs zwischen der letzten Sexualstraftat und dem Urteil ein Therapiebedarf bestehen und dem Angeklagten dessen Nichterfüllung vorzuwerfen sein soll, erschließt sich nicht. Auch aus spezialpräventiven Gründen ist eine weitere Erhöhung der Einsatzstrafe zu der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe damit nicht begründbar.

7

2. Der Senat kann entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht ausschließen, dass das Urteil auf den rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht.

8

Die gewählte Formulierung ("Darüber hinaus ...") lässt nicht erkennen, dass es sich lediglich um eine Hilfserwägung gehandelt hat, auf die es für die Strafzumessung im Ergebnis nicht angekommen ist; denn das Landgericht hat seinen Ansatz, es fehle an einer Aufarbeitung der Straftaten durch den Angeklagten, immerhin mit zwei verschiedenen Aspekten begründet. Das wäre bei einer für das Ergebnis unerheblichen Überlegung nicht zu erwarten gewesen.

9

Auch die Tatsache, dass die Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung von sechs weiteren Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten erhöht wurde, lässt nicht erkennen, dass die genannte Erwägung im Ergebnis für die Höhe der neuen Gesamtfreiheitsstrafe unerheblich war.

Fischer                      Krehl                      Eschelbach

                 Ott                        Zeng