Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 07.09.2016


BGH 07.09.2016 - 2 StR 352/15

Veruntreuende Unterschlagung durch einen GmbH-Geschäftsführer: Revisionsrechtliche Überprüfung der Anordnung des Verfalls gegen den Angeklagten; Vermögensmehrung bei einer vom Angeklagten kontrollierten GmbH


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
07.09.2016
Aktenzeichen:
2 StR 352/15
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2016:070916B2STR352.15.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Aachen, 3. März 2015, Az: 65 KLs 38/13
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. März 2015 im Ausspruch über den Wertersatzverfall sowie im Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen veruntreuender Unterschlagung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Es hat ausgesprochen, dass die in Belgien erlittene Freiheitsentziehung im Verhältnis 1:1 angerechnet wird. Ferner hat das Landgericht über einen Geldbetrag in Höhe von 184.500 Euro den Wertersatzverfall angeordnet und festgestellt, dass lediglich deshalb nicht auf Verfall in Höhe von (weiteren) 373.400,16 Euro erkannt werde, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen.

2

Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und sachlich-rechtliche Einwendungen gestützten Revision.

3

Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet. Hinsichtlich der Anordnung des Wertersatzverfalls sowie der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO hat die Revision hingegen Erfolg. Diese Entscheidungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Landgericht nicht tragfähig begründet hat, dass und in welcher Höhe der Angeklagte aus den von ihm als Geschäftsführer und alleinigem Gesellschafter der von ihm in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Firma „etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat.

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1. Das Landgericht hat – soweit für die Vermögensabschöpfungsentscheidungen von Bedeutung – im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

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a) Der Angeklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der  I. GmbH, die insbesondere Gebrauchtfahrzeuge vertrieb. Im Zeitraum von Anfang des Jahres 2009 bis Mitte März 2011 veräußerte er über seine Firma mindestens 15 Kraftfahrzeuge im Nettogesamtwert von rund 557.900 EUR, die ihm zuvor von der J. -Gruppe, einem in A. ansässigen gewerblichen Kraftfahrzeughändler unter Eigentumsvorbehalt zur Weiterveräußerung überlassen worden waren; er übergab die Fahrzeuge an seine überwiegend im Ausland ansässigen Kunden jeweils vor Zahlung des vollständigen Kaufpreises an die J. -Gruppe, obwohl er hierzu – wie er wusste – vor vollständiger Kaufpreiszahlung nicht befugt war. Das Landgericht hat die Taten rechtsfehlerfrei jeweils als veruntreuende Unterschlagungen im Sinne des § 246 Abs. 1 und Abs. 2 StGB gewürdigt.

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b) Der Angeklagte hat die aus der Verwertung der Kraftfahrzeuge erhaltenen Zahlungen seiner Kunden überwiegend zum Ausgleich anderer Verbindlichkeiten des Unternehmens verwendet und dadurch den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten. Nach Auffassung des Landgerichts profitierte der Angeklagte mittelbar durch „regelmäßige, üblichem Umfang entsprechende Entnahmen aus den Einnahmen der Gesellschaft“ sowie durch den Umstand, dass er nicht aus einer zur Sicherung eines Kontokorrentkredits der I. GmbH bei einer Sparkasse übernommenen persönlichen Bürgschaft in Anspruch genommen wurde. Nähere Feststellungen zur Höhe der Entnahmen des Angeklagten im Tatzeitraum sowie zu den Einzelheiten der vom Angeklagten übernommenen Bürgschaft sowie der Kontokorrentabrede hat das Landgericht nicht getroffen.

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c) Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Angeklagte den in den Kraftfahrzeugen verkörperten Sachwert erlangt habe; es hat diesen Sachwert auf der Grundlage der Nettokaufpreiszahlungen der I. GmbH an die J. -Gruppe auf insgesamt 557.900 EUR geschätzt. Hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 184.500 EUR hat es den Verfall von Wertersatz angeordnet, weil die durch die Taten des Angeklagten Verletzten, die Unternehmen der J. -Gruppe, in insgesamt acht Fällen (den Fällen 47, 49, 51-54, 56 und 60) von den Kunden des Angeklagten Zahlungen in Höhe von insgesamt 184.500 EUR erhalten haben und in dieser Höhe Schadenswiedergutmachung eingetreten sei; damit seien die der Entscheidung über den Wertersatzverfall entgegen stehenden Ansprüche der Verletzten in dieser Höhe erloschen. Hinsichtlich des Differenzbetrages in Höhe von 373.400 EUR hat es wegen möglicher Ansprüche der Unternehmen der J. -Gruppe eine Feststellungsentscheidung nach § 111i Abs. 2 StPO getroffen.

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2. Die Feststellungen erlauben es nicht, revisionsgerichtlich zu überprüfen, ob – wie für die Anordnung des Wertersatzverfalls und für den Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO gleichermaßen erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 43) – der Angeklagte als von der Verfallsanordnung Betroffener selbst „etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB unmittelbar aus den verfahrensgegenständlichen Taten erlangt hat.

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a) „Aus der Tat erlangt“ im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB sind alle Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zufließen (BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 – 1 StR 368/14, juris Rn. 30; BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 82 mwN; Fischer, StGB 63. Aufl. § 73 Rn. 11 mwN). Erfasst ist dabei die Gesamtheit des materiell Erlangten (BGH, Urteil vom 21. August 2002 – 1 StR 115/02, BGHSt 47, 369, 370; BGH, Urteil vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, BGHSt 57, 79, 82). Der Verfall ist dabei gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 StGB gegebenenfalls auch auf die Surrogate des Erlangten zu erstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 2000 – 5 StR 371/00, NStZ 2001, 155, 156 f.).

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b) Handelt der Täter als Organ, Vertreter oder Beauftragter (§ 14 StGB) eines Unternehmens mit dem Ziel, dass infolge der Tat bei dem Unternehmen eine Vermögensmehrung eintritt, ist das Unternehmen im Erfolgsfall Drittbegünstigter im Sinne des § 73 Abs. 3 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Juni 2015 – 1 StR 368/14, aaO; Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 242; Urteil vom 19. Oktober 1999 – 5 StR 336/99, BGHSt 45, 235, 245; BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2005 – 2 BvR 1378/04, NJW 2005, 3630, 3631). In Fällen der genannten Art ist das Unternehmen gegebenenfalls gemäß § 442 Abs. 2, § 431 Abs. 1 Satz 1 StPO am Verfahren zu beteiligen oder ein selbstständiges Verfallsverfahren nach den §§ 440, 441, § 442 Abs. 1 StPO gegen es zu führen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2006 - 2 BvR 820/06, NStZ 2006, 639, 640).

11

c) Regelmäßig ist davon auszugehen, dass die juristische Person über eine eigene Vermögensmasse verfügt, die vom Privatvermögen des Täters zu trennen ist. Die dem Vermögen einer juristischen Person zugeflossenen Vermögenswerte sind daher auch dann nicht ohne Weiteres durch den Täter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB erlangt, wenn dieser eine – legale – Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen hat (BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256). Für eine Verfallsanordnung gegen den Täter bedarf es in derartigen Fällen einer über die faktische Verfügungsgewalt hinausgehenden Feststellung, dass dieser selbst etwas erlangt hat, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz geführt hat. Umstände, die eine solche Feststellung rechtfertigen, können etwa darin zu sehen sein, dass der Täter die juristische Person lediglich als einen formalen Mantel nutzt und eine Trennung zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft tatsächlich nicht vornimmt, oder jeder aus der Tat folgende Vermögenszufluss an die Gesellschaft sogleich an den Täter weitergeleitet wird (BGH, Urteile vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256 und vom 29. Juni 2010  – 1 StR 245/09, NStZ 2011, 83, 86; BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2004  – 2 BvR 1136/03, wistra 2004, 378, 382).

12

d) Gemessen hieran ist nicht belegt, dass der als Geschäftsführer für die  I. GmbH handelnde Angeklagte – neben der I. GmbH – auch selbst etwas im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 1 StGB aus der Tat erlangt hat.

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Dass es sich bei dem Vermögen der I. GmbH und dem Privatvermögen des Angeklagten um nur vorgeblich getrennte Vermögensmassen handelt, hat das Landgericht nicht festgestellt.

14

Allein der Umstand, dass der Angeklagte Geschäftsführer und Alleingesellschafter dieser Gesellschaft war und in dieser Funktion unmittelbare Verfügungsgewalt über die Fahrzeuge und die dafür erhaltenen Erlöse seiner Kunden hatte, genügt für die Annahme einer (Mit-) Verfügungsgewalt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 – 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256 mwN).

15

Zwar hat der Angeklagte nach den Feststellungen mittelbar durch regelmäßige, üblichem Umfang entsprechende Entnahmen und durch eine unterbliebene Inanspruchnahme aus einer persönlichen Bürgschaft von dem Mittelzufluss an die I. GmbH profitiert. Die Annahme einer Mitverfügungsgewalt über die Mittelzuflüsse an das Unternehmen rechtfertigt dies jedoch nicht: Den Urteilsgründen lässt sich weder entnehmen, in welchem genauen Umfang Einnahmen der Gesellschaft aus den Taten an den Angeklagten weitergeleitet wurden (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 – 5 StR 505/12, NStZ 2014, 89, 93 Rn. 47, 48), noch ergeben die Feststellungen, dass der Angeklagte eine Trennung zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft faktisch nicht vornahm.

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Soweit das Landgericht davon ausgegangen sein sollte, dass der Angeklagte durch die Taten einen Vorteil erlangt habe, weil die aus den Taten herrührenden Mittelzuflüsse an das Unternehmen dazu führten, dass er nicht aus einer persönlich übernommenen Bürgschaft zur Sicherung eines Kontokorrentkredits der I. GmbH bei der Sparkasse A. in Anspruch genommen worden ist, ist damit ein unmittelbar aus den Taten herrührender wirtschaftlicher Vermögenszuwachs des Angeklagten nicht belegt. Nach den Feststellungen verwandte der Angeklagte die Kaufpreiszahlungen seiner Kunden nicht zum Ausgleich bestehender und durch eine persönliche Bürgschaft gesicherter Verbindlichkeiten der I. GmbH gegenüber der Sparkasse, sondern „überwiegend zum Ausgleich anderweitiger Verbindlichkeiten gegenüber den Unternehmen der J. -Gruppe“.

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3. Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs über den (Wertersatz-) Verfall sowie der Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatrichter widerspruchsfreie Feststellungen - insbesondere auch zu den Vermögensverhältnissen des Angeklagten - zu ermöglichen.

18

Sollte das neue Tatgericht abermals eine Verfallsentscheidung oder eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO treffen, wird es im Rahmen seiner Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB näher in den Blick zu nehmen haben, dass Geld, das zur allgemeinen Schuldentilgung verwendet wird, wertmäßig im Vermögen des Täters oder verfallsbeteiligten Dritten ebensowenig enthalten ist, wie solches, das für verbrauchbare Sachen ausgegeben wurde (BGH, Urteil vom 5. April 2000 – 2 StR 500/99, NStZ 2000, 480, 481; BGH, Urteil vom 9. Juli 1991 – 1 StR 316/91, BGHSt 38, 23, 25).

Appl                       Eschelbach                       Zeng

             Bartel                             Wimmer