Entscheidungsdatum: 14.01.2015
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 4. April 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagte im Fall 1 der Urteilsgründe wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und im Fall 38 der Urteilsgründe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt wurde,
b) im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagte nach Aufhebung eines ersten Urteils und Zurückverweisung der Sache wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Betrugs in zehn Fällen, davon in neun Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in 36 Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es ausgesprochen, dass zwölf Monate der Gesamtfreiheitsstrafe als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde gestützte Revision der Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts betrieb die Angeklagte einen Handel mit Motorrädern. Der Geschädigte B. bestellte bei ihr Anfang des Jahres 2005 mit schriftlichem Kaufvertrag ein Motorrad Harley-Davidson zu einem Kaufpreis von 20.399 Euro einschließlich Mehrwertsteuer. Mündlich wurde zudem die Vereinbarung getroffen, dass von der Angeklagten auch Umbauten an dem Motorrad vorgenommen werden sollten. Nachdem der Geschädigte, der 10.000 Euro auf den Kaufpreis angezahlt hatte, vom Kaufvertrag zurückgetreten war, forderte die Angeklagte zehn Prozent des Preises als Abstandssumme. Der Geschädigte war damit einverstanden. Er ging aber davon aus, dass sich die Höhe der Forderung auf den Kaufpreis nach dem schriftlichen Kaufvertrag bezog und daher rund 2.000 Euro betrug, während die Angeklagte unausgesprochen auch die Kosten des Umbaus berücksichtigen wollte, so dass sie von einer Forderung in Höhe von rund 3.000 Euro ausging.
Der Motorradclub "M. " erfuhr von der Anzahlung des Geschädigten auf den Kaufpreis für das Motorrad sowie vom Rücktritt von dem Kaufvertrag. Er wollte eine eigene, vom Geschädigten akzeptierte Forderung in Höhe von 5.000 Euro gegen diesen realisieren. Seine Mitglieder L. , Me. und S. wollten sich überdies an dem Geschädigten in der Annahme rächen, er habe sie in eine Falle gelockt, wobei sie von Türstehern einer Discothek verprügelt und ihre Fahrzeuge beschädigt wurden. Sie kannten einen Gesprächstermin des Geschädigten bei der Angeklagten und wollten ihn bei dieser Gelegenheit überfallen und verprügeln. S. führte dazu eine Stahlrute und Me. einen Schlagring mit.
Die Angeklagte wollte den geplanten Überfall ihrerseits dazu nutzen, den Geschädigten nach seiner "Bestrafung" dazu zu zwingen, ein von ihr aufgesetztes Schriftstück zu unterzeichnen. Im Laufe des Gesprächs schickte sie ihn unter einem Vorwand in das Obergeschoss ihres Ladenlokals, wo er von den dort wartenden L. , Me. und S. zusammengeschlagen wurde. Auf Aufforderung durch L. unterzeichnete der Geschädigte schließlich auch das Schriftstück, welches L. anschließend der Angeklagten gab.
Der Geschädigte verzichtete nach diesem Geschehen darauf, seine Anzahlung zurückzufordern. Die Angeklagte erlangte daraus die von ihr geforderten 3.000 Euro, der "M. " zumindest 5.000 Euro. Der Verbleib der restlichen 2.000 Euro war nicht festzustellen (Fall 1).
Im Zeitraum von April 2006 bis April 2008 erwarb die Angeklagte in 20 Fällen von K. jeweils fünf bis sechs Gramm Kokain und in 16 Fällen von Kl. jeweils zehn Gramm Kokain. Das Kokain war für den Konsum durch ihren Ehemann bestimmt und wurde an diesen abgegeben (Fälle 2 bis 37).
Der gesondert verfolgte Ko. , "P. " des "M. ", verlangte von der Angeklagten die Beschaffung von einem Kilogramm Amphetamin und hundert Gramm Kokain. Als "Gegenleistung" bot er ihr seinen "Schutz" an. Die Angeklagte, die zuvor von unbekannten Mitgliedern der " " vergewaltigt worden war, folgte der Aufforderung aus Angst vor weiteren Übergriffen (Fall 38).
Ab Juli 2008 schloss die Angeklagte, meist unter Verwendung gefälschter Papiere, mit der Firma H. Leasingverträge über Fahrzeuge, die tatsächlich nicht existierten. Sie erreichte dadurch die Überweisung von insgesamt 298.523,46 Euro an ihre Firma. Leasingraten wurden in Höhe von insgesamt 39.766,27 Euro an die Firma H. gezahlt, wozu die Angeklagte jeweils Mittel aus neuen Leasingverträgen verwendete (Fälle 39 bis 48).
II.
Die Revision der Angeklagten ist begründet, soweit das Landgericht sie im Fall 1 der Urteilsgründe wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und im Fall 38 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt hat. Mit der Aufhebung der Verurteilung in diesen Fällen entfällt der Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe. Die weitergehende Revision ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat in der gewaltsamen Nötigung des Geschädigten B. zum Verzicht auf die Rückerstattung der Anzahlung auf den Kaufpreis für das Motorrad in Höhe von 3.000 Euro einen Fall der besonders schweren räuberischen Erpressung gesehen. Mangels wirksamer Vereinbarung über die Abstandssumme habe die Angeklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 3.000 Euro gehabt.
Eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung erfordert die Absicht des Täters, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Diese Tatbestandsvoraussetzung deckt sich mit der beim Betrug vorausgesetzten Bereicherungsabsicht. Sie setzt nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff voraus, dass der erstrebte Vorteil aus der Sicht des Täters zu einer objektiv günstigeren Gestaltung der Vermögenslage führen soll. Die erstrebte Vermögensverschiebung geschieht zu Unrecht, wenn dem Täter kein Anspruch auf die geforderte Leistung zusteht. Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach zivilrechtlichen Maßstäben. Dass der Anspruch mit Nötigungsmitteln durchgesetzt werden sollte, macht den erstrebten Vermögensvorteil noch nicht rechtswidrig. Stellt sich der Täter für die erstrebte Bereicherung eine Anspruchsgrundlage vor, die in Wirklichkeit nicht besteht, handelt er in einem Tatbestandsirrtum im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2003 - 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328).
Hätte die Angeklagte demnach in der zumindest laienhaften Vorstellung gehandelt, sie habe einen Anspruch auf Zahlung von 3.000 Euro gegen den Geschädigten B. , so hätte sie nicht mit der Absicht einer ungerechtfertigten Bereicherung gehandelt. Angesichts der festgestellten Vereinbarung eines Einbehalts von zehn Prozent und des Dissenses über die Ausgangssumme kam vielmehr ein Tatbestandsirrtum in Betracht, den das Landgericht nicht geprüft hat.
Der Erörterungsmangel zwingt zur Aufhebung der Verurteilung im Fall 1, auch bezüglich der für sich genommen rechtsfehlerfreien Annahme einer tateinheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung.
2. Auch die Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 38 der Urteilsgründe kann keinen Bestand haben. Die Angeklagte hat nach den Feststellungen zwar rund ein Kilogramm Amphetamin und hundert Gramm Kokain erworben und an Ko. abgegeben. Sie hat damit aber nicht Handel getrieben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Handeltreiben mit Betäubungsmitteln jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252, 256). Es geht dabei um einen für den Täter gewinnbringenden Umgang mit Betäubungsmitteln. Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn die "Gegenleistung" für die Beschaffung von Betäubungsmitteln darin besteht, "Schutz" vor Gewalt zu versprechen, also eine sonst zu erwartende Gewaltanwendung zu unterlassen oder zu verhindern. Darin liegt kein Vorteilsversprechen, sondern eine Drohung. Das als Leistung im Rahmen einer Schutzgelderpressung übergebene Rauschgift ist für das Tatopfer der Erpressung nicht Gegenstand des Handels im Sinne von § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG.
Fischer Schmitt Krehl
Eschelbach Zeng