Entscheidungsdatum: 23.10.2013
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 15. März 2013 wird verworfen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht Trier hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Außerdem hat es Führungsaufsicht angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die sich gegen die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB richtet, bleibt ohne Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelte sich Ende 2009/Anfang 2010 ein engerer Kontakt des nicht vorbestraften Angeklagten zu der in unmittelbarer Nachbarschaft mit ihren Kindern lebenden K. . Sie unterstützte dabei den alleinstehenden, etwas verwahrlost wirkenden und an beginnender Demenz leidenden Angeklagten bei behördlichen Dingen, er half ihr in praktischen Dingen, etwa bei der Renovierung. Vor allem aber kümmerte er sich um ihre geringgradig geistig behinderten Kinder, die bei ihm - ebenso wie der 1999 geborene später Geschädigte A. M. - ein und aus gingen. Im Rahmen dieser engen Beziehungen zu den Kindern nutzte der Angeklagte an nicht näher bestimmbaren Tagen im Zeitraum zwischen dem 14. April 2010 bis Anfang Mai 2012 das freundschaftliche Verhältnis zu folgenden sexuell motivierten Handlungen aus.
Zwei Mal führte der Angeklagte den Oralverkehr an der entblößten Scheide des Kindes D. K. aus. Ein weiteres Mal masturbierte der Angeklagte vor D. K. bis zum Samenerguss. Der Aufforderung des Kindes, sein Sperma aufzulecken, kam D. nicht nach. An einem anderen Tag zeigte der Angeklagte D. sexuell motiviert einen pornographischen Videofilm, der sexuelle Handlungen unter Erwachsenen, insbesondere Geschlechts- und Oralverkehr, zeigte. Bei einer weiteren Gelegenheit führte er den Kindern A. M. sowie D. und Ch. K. in sexueller Motivation einen pornographischen Film vor. Schließlich veranlasste der Angeklagte die Kinder D. K. und A. M. , Szenen aus pornographischen Filmen nachzuahmen. Dabei führte A. unter anderem sein nacktes Glied an D. s ebenfalls entblößte Scheide.
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der an einer vaskulären Demenz leidende Angeklagte bei allen Taten im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit gehandelt hat.
Von einer Unterbringung des Angeklagten nach § 63 StGB hat die Strafkammer abgesehen. Nach ihrer Ansicht fehlte es entgegen der Auffassung der Sachverständigen an der erforderlichen Erwartung, der Angeklagte werde infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten begehen.
Nach deren Einschätzung lägen bei dem Angeklagten ersatzpädophile Handlungen vor, von denen eine geringere Gefährlichkeit ausgehe. Sie stünden aber im Zusammenhang mit der demenziellen Erkrankung des Angeklagten, die ihrerseits progredient verlaufe und die bei ihrem Fortschreiten die Rückfallgefahr erhöhe. Erst ab einem gewissen Schweregrad der Demenz werde dieser Trend wieder gestoppt. Soweit der Angeklagte aber körperlich mobil und personell und örtlich orientiert sei, sei deshalb mit begründeter Wahrscheinlichkeit von der Begehung ähnlicher Straftaten auch in Zukunft auszugehen.
Dieser sachverständigen Einschätzung ist die Strafkammer nicht gefolgt. Das von der Sachverständigen geschilderte statistisch erhöhte Deliquenzrisiko bei Alterspädophilie reiche nicht aus, um die von § 63 StGB geforderte erhöhte Wahrscheinlichkeit erheblicher rechtswidriger Taten zu begründen. Es sei grundsätzlich vielmehr eine Gesamtwürdigung von Tat und Täter anhand konkreter Anhaltspunkte vorzunehmen. Dabei lasse sich bei dem zuvor unauffälligen Angeklagten, der es trotz vielfältiger Kontakte in drei Jahren zu nicht mehr als sechs Missbrauchshandlungen habe kommen lassen, die geforderte erhöhte Wahrscheinlichkeit weiterer erheblicher Straftaten nicht feststellen. Dass der Angeklagte trotz fortschreitender Demenz über längere Zeit keine Straftaten begangen habe, sei ein wichtiges Indiz gegen die erhöhte Wahrscheinlichkeit der Begehung künftiger Straftaten. Hinzu käme, dass sich der geistige Zustand des Angeklagten in den letzten Wochen und Monaten mit Zunahme der Demenz rapide verschlechtert habe und bei der zu erwartenden weiteren Entwicklung abzusehen sei, dass der Angeklagte nicht mehr die erforderliche persönliche und örtliche Orientierung vorweise, die die Sachverständige ihrer Prognose zu Grunde gelegt habe. Dies führe bereits zum jetzigen Zeitpunkt zur Einschätzung der Kammer, dass in naher Zukunft mit der geforderten erhöhten Wahrscheinlichkeit keine weiteren erheblichen Straftaten zu erwarten seien.
Demgegenüber ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass die für die Anordnung von Führungsaufsicht erforderliche einfache Wahrscheinlichkeit der Begehung von Straftaten bestehe.
II.
Die wirksam auf den Maßregelausspruch begrenzte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis ohne durchgreifenden Rechtsfehler von der Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus abgesehen.
Dabei kann dahinstehen, ob die Strafkammer mit ihrer Gefahrenprognose, in naher Zukunft seien angesichts der progredienten Entwicklung der Erkrankung des Angeklagten mit der erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit keine weiteren erheblichen Straftaten zu erwarten, womöglich einen in der Zukunft liegenden und damit nach bisheriger unbestrittener Rechtsprechung unzutreffenden Beurteilungszeitpunkt für die im Rahmen des § 63 StGB anzustellende Prognose gewählt hat. Denn aufgrund der Annahme des Landgerichts, das unter Zugrundelegung der eingeholten gutachterlichen Stellungnahme einerseits und unter Berücksichtigung der fortschreitenden Erkrankung des Angeklagten andererseits nachvollziehbar und ohne Rechtsfehler darlegt, dass die Anordnung von Führungsaufsicht (nach Vollzug der zu verbüßenden Freiheitsstrafe) ausreiche, um den Angeklagten von der Begehung künftiger Straftaten abzuhalten, ist hinreichend dargetan, dass die Unterbringung des Angeklagten im psychiatrischen Krankenhaus zur Bekämpfung der von ihm (noch) ausgehenden Gefahren nicht erforderlich ist. Selbst wenn also davon auszugehen wäre, dass die Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 63 StGB derzeit anzunehmen wären, ergibt sich doch aus diesen Erwägungen des Landgerichts zweifelsfrei, dass insoweit der zur Zweckerreichung ebenso geeigneten Führungsaufsicht als weniger beschwerender Maßregel der Vorzug vor einer Unterbringung nach § 63 StGB zu geben ist (§ 72 Abs. 1 Satz 2 StGB).
Fischer Schmitt Krehl
Eschelbach Zeng