Entscheidungsdatum: 12.03.2015
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 10. April 2014 im Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in 185 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Zudem hat es festgestellt, dass "der Verfall eines bestimmten Gegenstandes aufgrund der Beschaffenheit des durch die Taten Erlangten nicht möglich ist und dass der Wert des durch die Taten Erlangten einem Geldbetrag von 190.187,63 € entspricht"; des Weiteren hat es festgestellt, dass lediglich deshalb nicht auf Verfall von Wertersatz zu erkennen ist, "weil Ansprüche eines Verletzten im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen".
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision; das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte seit 1974 im Justizdienst des Landes N. tätig und zuletzt als Justizamtsinspektor bei dem Amtsgericht B. mit der Funktion eines Zahlstellenverwalters betraut. Um sich eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen, bewirkte der sich in finanziellen Schwierigkeiten befindliche Angeklagte im Zeitraum von September 2010 bis Oktober 2012 zu seinen Gunsten Überweisungen aus der Landeskasse in Höhe von 190.187,63 €. Die Gelder verbrauchte er in der Folgezeit. Am 10. Januar 2013 hat der Angeklagte ein notarielles Schuldanerkenntnis nebst Zwangsvollstreckungsunterwerfung wegen zum Nachteil des Landes N. begangener unerlaubter Handlungen abgegeben. Mit Beschluss vom 18. Februar 2014 hat das Amtsgericht K. das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Angeklagten eröffnet.
II.
1. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dagegen hält die von dem Landgericht getroffene Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Das Landgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend von der Anwendbarkeit des § 111i Abs. 2 StPO ausgegangen, weil der Angeklagte einen Geldbetrag in Höhe von 190.187,63 € aus den Taten erlangt hat und der Anordnung des Verfalls von Wertersatz (§ 73a StGB) Schadensersatzansprüche des Landes N. gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB in einer dem Wert des Erlangten entsprechenden Höhe entgegenstehen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 StGB). Auch der Fiskus kann Verletzter im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB sein (BGH, Beschluss vom 28. November 2000 - 5 StR 371/00, NStZ 2001, 155, 156). Die Anwendung der Vorschrift des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass hier das geschädigte Land zugleich Gläubiger des aufgrund einer Anordnung nach § 73a StGB entstehenden staatlichen Zahlungsanspruchs (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 73a Rn. 8) gegen den Angeklagten wäre. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB verfolgt den Zweck, den Angeklagten vor einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen und ihm die Mittel zu belassen, die er zur Erfüllung der Ansprüche des Verletzten benötigt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. November 2009 - 4 StR 443/09, NStZ 2010, 693 f.). Die zumindest abstrakte Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme besteht auch dann, wenn der Täter etwas aufgrund einer Tat zum Nachteil des Landes erlangt und diesem infolgedessen ein Anspruch gegen den Täter auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des dem Erlangten entsprechenden Geldwerts zusteht. Denn eine im Urteil getroffene Anordnung von Wertersatzverfall ließe zunächst die Möglichkeit des Verletzten unberührt, seine aus der Tat erwachsenen Ansprüche außerhalb des Strafverfahrens - hier zum Beispiel durch Vollstreckung des notariellen Schuldanerkenntnisses - durchzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2006 - 3 StR 41/06, NStZ 2006, 621, 622). Daran ändert auch nichts, dass sich der Täter gegen eine doppelte Inanspruchnahme durch das Land erfolgreich zur Wehr setzen könnte.
b) Das Landgericht hat indes nicht geprüft, ob die Vorschrift des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB der Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO entgegensteht, obwohl für eine solche Prüfung bei dem vermögenslosen Angeklagten Anlass bestand (zur Prüfungsreihenfolge im Rahmen des § 73c StGB vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 - 1 StR 336/13). Dies führt zur Aufhebung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 StPO.
2. Sollte das neue Tatgericht abermals eine Feststellung nach § 111i Abs. 2 StPO treffen (zur Fassung des Urteilstenors vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 215/10, BGHSt 56, 39, 51 f.; BGH, Beschluss vom 5. September 2013 - 1 StR 162/13, NStZ 2014, 149, 154), wird es gegebenenfalls die Vorschrift des § 111i Abs. 2 Satz 4 StPO zu beachten haben. Danach soll das Gericht den Rahmen des späteren Auffangrechtserwerbs vorgeben, indem es den Umfang der erlangten Vermögenswerte unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlich durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingetretenen Restitution bestimmt (BT-Drucks. 16/700, S. 15). Der Umstand, dass über das Vermögen des Angeklagten das Insolvenzverfahren eröffnet ist, steht einer Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO nicht entgegen (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 - 4 StR 60/14, NJW 2015, 713, 715).
Fischer Appl Krehl
Eschelbach Ott