Entscheidungsdatum: 24.02.2016
I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 10. Dezember 2014 im Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten B. und T. mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die insoweit entstandenen Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
II. Die weitergehende Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft, soweit es die Angeklagten D. und R. betrifft, und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen dieser Angeklagten hat die Staatskasse zu tragen.
III. Die Revisionen der Angeklagten B. , D. und R. gegen das vorgenannte Urteil werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten B. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung und versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Den Angeklagten D. hat es wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten T. hat es wegen Beihilfe zum erpresserischen Menschenraub in Tateinheit mit Beihilfe zur besonders schweren räuberischen Erpressung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Den Angeklagten R. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Von der Anordnung des Verfalls eines sichergestellten Geldbetrags in Höhe von 4.500 Euro gegen den Angeklagten D. hat es abgesehen, weil Ansprüche des Nebenklägers entgegenstehen. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen der Angeklagten B. , D. und R. sowie die zu Ungunsten aller Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das - hinsichtlich der Angeklagten B. und R. auf den Strafausspruch beschränkte - Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Rechtsmittel der Angeklagten sind unbegründet.
A.
Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
Der Angeklagte B. wollte nach seiner bedingten Entlassung aus einer Strafhaft im Juli 2013 mit dem Zeugen K. als Strohmann in Ka. Wettbüros mit dem Wettanbieter Ti. betreiben. Die von ihm zuvor benutzten Standorte waren in der Zwischenzeit von dem Nebenkläger Bo. und dem Zeugen S. übernommen worden. B. wollte diesen die Wettbüros wieder abnehmen und erzählte dem Angeklagten D. davon, der sich zur Unterstützung dieser Pläne bereit erklärte. B. forderte den Nebenkläger auf, ihn mit dem Gebietsvertreter des Wettanbieters Ti. in Kontakt zu bringen. Außerdem bat er ihn, den Zeugen S. zu fragen, ob dieser seine Wettbüros für 250.000 Euro verkaufen würde. Der Nebenkläger wollte seine Verdrängung durch den Angeklagten B. vermeiden. In einem Gespräch mit dem Zeugen Ö. äußerte er, dass er B. nicht mit dem Gebietsvertreter des Wettanbieters Ti. in Kontakt bringen wolle. Außerdem deutete er an, dass er den Angeklagten D. als aggressiv empfinde. D. erfuhr davon und teilte dies B. mit. Später erfuhren die Angeklagten B. , D. und T. von dem Nebenkläger, dass der Zeuge S. nicht dazu bereit sei, seine Wettbüros zu verkaufen. B. und D. bestanden hiernach weiter darauf, dass der Nebenkläger für sie ein Treffen mit dem Vertreter des Wettanbieters Ti. herbeiführen solle. Dies sagte der Nebenkläger vordergründig zu, war aber insgeheim nicht dazu bereit und unternahm keine Anstrengungen in diese Richtung. Die Angeklagten B. , D. und T. unterhielten sich später darüber. B. und D. waren auch verärgert, weil der Nebenkläger mit dem Zeugen Ö. über ihre Pläne gesprochen hatte. Spätestens am 31. Juli 2013 beschlossen sie, dass der Nebenkläger verprügelt werden solle. B. wollte dabei nicht persönlich in Erscheinung treten. Deshalb sollten die Angeklagten D. , T. und R. die Tätlichkeiten ausführen. Diese holten den Nebenkläger unter einem Vorwand ab und brachten ihn mit dem Auto in eine Tiefgarage in die Nähe der Wohnung des Angeklagten D. . Als der Nebenkläger ausstieg, wurde er von D. , T. und R. zusammengeschlagen und getreten. R. verdrehte ihm derart ein Bein, dass der Nebenkläger befürchtete, es werde brechen.
Der Angeklagte D. kam sodann auf den Gedanken, die Situation dazu auszunutzen, von dem Nebenkläger Geld zu fordern. Er verlangte 24.000 Euro als Strafzahlung. Der verängstigte Nebenkläger erklärte, er könne lediglich 10.000 Euro auftreiben. T. vernahm die Geldforderung und war dazu bereit, D. auch bei deren Eintreibung zu unterstützen. Ob der Angeklagte R. die Forderung wahrnahm, ließ sich nicht feststellen.
Die Angeklagten brachten den Nebenkläger, der nach ihren Schlägen und Tritten nicht mehr alleine gehen konnte und gestützt werden musste, gegen dessen Willen in die Wohnung des D. , wo sie im Wohnzimmer auf dem Boden eine Folie ausbreiteten. D. schlug den Nebenkläger mit einem Gürtel. Dann holte er ein Messer und drohte dem Nebenkläger, er werde ihm einen Finger abschneiden. T. war dabei anwesend, während R. sich möglicherweise ins Schlafzimmer begeben hatte. D. verließ wiederholt das Wohnzimmer und erklärte, er werde mit B. telefonieren und diesen fragen, ob ihm eine Zahlung von 10.000 Euro durch den Nebenkläger ausreichend erscheine. Ob ein solches Telefonat stattfand, ließ sich nicht feststellen. Schließlich erklärte sich D. mit einer Zahlung von 10.000 Euro einverstanden. Der Nebenkläger sollte jemanden finden, der ihm das Geld leihen würde. Durch verschiedene Telefonate erreichte der Nebenkläger eine Zusage des Zeugen Kar. , ihm sogleich 10.000 Euro zur Verfügung zu stellen. Die Angeklagten ließen dieses Geld durch einen Mitarbeiter des Wettbüros des Nebenklägers abholen und T. übergeben, der es an D. weitergab.
Danach sprach D. mit dem Nebenkläger noch darüber, dass er zusammen mit B. alle Geschäfte mit dem Wettanbieter Ti. in Ka. übernehmen wolle. Der Nebenkläger solle für sie arbeiten. D. erklärte weiter, der Zeuge S. werde der nächste sein, der sein Wettbüro abgeben müsse. Der verängstigte Nebenkläger sah sich zu der Erklärung gezwungen, dass er seine Wettbüros an B. abgeben werde. Auf Geheiß des Angeklagten D. beschaffte sich T. vom Mobiltelefon des Nebenklägers Bilder von dessen Kindern. D. äußerte gegenüber dem Nebenkläger, er wisse, wo dieser wohne; wenn er „etwas sagen“ werde, würde seinen Kindern etwas zustoßen. Danach verbrachten D. und T. den Nebenkläger ins Krankenhaus, wo dieser stationär aufgenommen wurde. Er hatte eine Gehirnerschütterung, Prellungen und Hautabschürfungen erlitten.
Später suchten B. und D. den Nebenkläger im Krankenhaus auf. Dieser war danach so verängstigt, dass er das Krankenhaus vorzeitig verließ, kollabierte und sich durch einen Sturz zusätzlich verletzte. Er wurde daraufhin in ein anderes Krankenhaus gebracht, wo ihn B. abermals aufsuchte.
B.
Die Revisionen der Angeklagten B. , D. und R. sind unbegründet.
I. Die Revision des Angeklagten D. hat aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen keinen Erfolg.
1. Der Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge der Verletzung des Fairnessgrundsatzes durch Mitwirkung einer gerichtlich bestellten Verteidigerin, in deren Person ein Interessenkonflikt bestanden habe.
a) Dieser Rüge liegt folgendes Prozessgeschehen zu Grunde:
Der Angeklagte D. beauftragte am 21. August 2013 den Rechtsanwalt P. mit seiner Verteidigung. Dieser erwirkte am Folgetag unter Niederlegung des Mandats als Wahlverteidiger seine Bestellung zum Verteidiger durch die Haftrichterin. Am 17. September 2013 zeigte Rechtsanwalt M. an, dass er den Geschädigten als Zeugenbeistand vertrete. Am 28. Oktober 2013 zeigte Rechtsanwältin Me. an, von dem Angeklagten D. mit seiner Verteidigung beauftragt worden zu sein. Rechtsanwältin Me. war - gerichtsbekannt - mit Rechtsanwalt M. in einer Bürogemeinschaft verbunden und auch privat mit diesem liiert. Am 18. Februar 2014 beauftragte der Angeklagte D. zusätzlich Rechtsanwalt A. mit seiner Verteidigung und erklärte, dass das Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwalt P. zerrüttet sei. Unter dem 4. März 2014 beantragte Rechtsanwalt A. Rechtsanwalt P. zu entpflichten. Der Vorsitzende der Strafkammer schrieb nach einem vorausgegangenen Telefonat an Rechtsanwalt P. , dass er davon ausgehe, dieser sei mit seiner Entpflichtung und der Bestellung von Rechtsanwältin Me. einverstanden. Rechtsanwältin Me. hatte zwischenzeitlich ihre gerichtliche Bestellung als Verteidigerin beantragt. Der Angeklagte D. und Rechtsanwalt A. wurden davon nicht unterrichtet.
Mit Verfügung vom 7. März 2014 entpflichtete der Vorsitzende den Rechtsanwalt P. und ordnete dem Angeklagten D. Rechtsanwältin Me. als Verteidigerin bei. Unter dem 19. März 2014 erklärte Rechtsanwalt M. im Namen des Geschädigten Bo. dessen Anschluss als Nebenkläger und beantragte seine Bestellung zu dessen Beistand. Unter dem 26. März 2014 korrespondierte Rechtsanwalt M. mit Rechtsanwältin Me. schriftlich über die Frage eines Täter-Opfer-Ausgleichs durch außergerichtliche Zahlung eines Schmerzensgeldes. Diese Korrespondenz wurde auch Rechtsanwalt A. mitgeteilt. Am 20. April 2014 ließ das Landgericht den Geschädigten als Nebenkläger zu. Die Voraussetzungen für eine Beiordnung des Rechtsanwalts M. sah es zunächst nicht als erfüllt an, ordnete ihn aber später bei. Rechtsanwalt M. nahm als Vertreter des Nebenklägers an 21 von 24 Verhandlungstagen an der Hauptverhandlung teil.
Rechtsanwältin Me. war ebenfalls an 21 der 24 Verhandlungstage als Verteidigerin des Angeklagten D. anwesend. Rechtsanwalt A. war zunächst an den ersten zehn Verhandlungstagen präsent, unter anderem bei der Sacheinlassung des Angeklagten; an insgesamt sieben späteren Verhandlungstagen war er nicht in der Hauptverhandlung anwesend. Er hielt den Schlussvortrag für den Angeklagten D. , dem sich Rechtsanwältin Me. anschloss.
Das Urteil der Strafkammer wurde am 10. Dezember 2014 verkündet. Am 18. Dezember 2014 beantragte Rechtsanwalt A. , Rechtsanwältin Me. zu entpflichten. Dies entspreche dem Wunsch des Angeklagten D. . Dessen Vertrauensverhältnis zu Rechtsanwältin Me. sei nachhaltig gestört. Deren Beiordnung sei von Anfang an bedenklich gewesen.
b) Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, bereits die Bestellung von Rechtsanwältin Me. zur Verteidigerin sei mangels seiner Anhörung verfahrensfehlerhaft gewesen. Für eine Verteidigerbestellung neben dem Wahlverteidigermandat des Rechtsanwalts A. habe kein Raum bestanden. Auch die Aufrechterhaltung der Verteidigerbestellung sei verfahrensfehlerhaft, weil wegen der persönlichen Verbindung der Rechtsanwältin Me. mit dem Nebenklagevertreter Rechtsanwalt M. und deren Bürogemeinschaft eine Interessenkollision bestanden habe. Dadurch sei er in seinem Recht auf wirkungsvolle Verteidigung verletzt. Darauf beruhe das angefochtene Urteil.
c) Die Verfahrensrüge ist zulässig, aber unbegründet. Eine Verletzung des Anspruchs des Angeklagten D. auf ein faires Verfahren in der Form des Rechts auf wirkungsvolle Verteidigung liegt nicht vor.
aa) Jeder Beschuldigte hat das Recht auf ein faires Strafverfahren, zu dem auch die Gewährleistung einer wirksamen Verteidigung gehört (Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK; Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG). Sofern kein Wahlverteidiger mitwirkt, bedarf es in Fällen der notwendigen Verteidigung der Bestellung eines Verteidigers durch das Gericht. Dabei ist auf ein bestehendes oder angestrebtes Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger möglichst Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. September 2001 - 2 BvR 1152/01, NJW 2001, 3695, 3696).
Gründe, die gegen eine wirksame Verteidigung des Beschuldigten durch einen bestimmten Rechtsanwalt sprechen, sind bei der Bestellungsentscheidung zu berücksichtigen. Ein absehbarer Interessenkonflikt in der Person eines als Verteidiger in Betracht kommenden Rechtsanwalts kann dessen Bestellung im Einzelfall entgegenstehen, wenn deshalb geringere Effektivität seines Einsatzes als Strafverteidiger zu befürchten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 173; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662; Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 270/15; krit. Müller/Leitner in Widmaier/Müller/Schlothauer, Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl., § 39 Rn. 119; von Stetten ebenda § 16 Rn. 46). Hierin kann mit Blick auf die auch durch Art. 6 Abs. 3 Buchst. c EMRK geforderte subsidiäre Verantwortung des Staates für eine wirksame Verteidigung (vgl. Gaede, Fairness als Teilhabe – Das Recht auf konkrete und wirksame Teilhabe durch Verteidigung gemäß Art. 6 EMRK, 2007, S. 858 ff. mwN) ein wichtiger Grund im Sinne von § 142 Abs. 1 Satz 3 StPO liegen, von der Bestellung dieses Rechtsanwalts zum Verteidiger abzusehen. Ergeben sich nachträglich Hinweise auf die Möglichkeit eines Interessenkonflikts, so kann dies ein wichtiger Grund dafür sein, eine bereits erfolgte Verteidigerbestellung aufzuheben. Jedoch ist die Situation im Abberufungsverfahren anders als bei der Bestellung zum Verteidiger. Die Entpflichtung eines Verteidigers ist - von den in § 143 StPO ausdrücklich genannten Gründen abgesehen - dann zulässig, wenn der Zweck der gerichtlich bestellten Verteidigung, dem Beschuldigten einen geeigneten Beistand zu sichern und den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf zu gewährleisten, ernsthaft gefährdet ist. Die Grenze für die Begründetheit vorgebrachter Einwände gegen den vom Gericht beigeordneten Verteidiger wird in der Situation der Entpflichtung enger gezogen (vgl. BVerfG aaO, NJW 2001, 3695, 3697).
Dem Vorsitzenden des zuständigen Spruchkörpers kommt insoweit ein Beurteilungsspielraum zu (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 175). Dabei kann auch das Ziel einer Verfahrenssicherung durch die Verteidigerbestellung berücksichtigt werden. Nicht in jedem Fall, in dem die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision besteht, ist der Vorsitzende verpflichtet, die Bestellung eines bestimmten Rechtsanwalts zum Verteidiger zu unterlassen oder nachträglich aufzuheben. Zu beachten ist auch, dass ein Rechtsanwalt grundsätzlich selbst für die Wahrung seiner beruflichen Pflichten verantwortlich ist (vgl. BGH aaO, BGHSt 48, 170, 174). Er hat im Fall eines tatsächlich bestehenden Interessenkonflikts seinerseits darauf hinzuwirken, dass er nicht zum Verteidiger bestellt oder eine bestehende Bestellung aufgehoben wird.
Der Vorsitzende hat in Fällen, in denen eine Interessenkollision möglich erscheint, regelmäßig Anlass, den Beschuldigten und den als Verteidiger in Betracht gezogenen Rechtsanwalt zu dem prozessualen Sachverhalt anzuhören (vgl. BGH aaO, SSW/Beulke, StPO, 2. Aufl., § 143 Rn. 20). Werden bei der Anhörung oder im weiteren Gang des Verfahrens keine Bedenken gegen die Bestellung geäußert oder besondere Gründe dagegen vorgebracht, so kann auch dies dafür sprechen, dass die Entscheidung des Vorsitzenden zumindest vertretbar war.
bb) Nach diesem Maßstab ist der Anspruch des Angeklagten D. auf wirkungsvolle Verteidigung als Teil des Anspruchs auf ein faires Verfahren nicht verletzt worden.
(1) Zwar hat der Vorsitzende der Strafkammer es versäumt, den Angeklagten unter Mitteilung eventueller Bedenken im Hinblick auf die mit Rechtsanwalt M. bestehende Bürogemeinschaft gesondert zu der Frage der Bestellung der Rechtsanwältin Me. zur Verteidigerin anzuhören. Dieses Versäumnis fällt allerdings vorliegend nicht entscheidend ins Gewicht. So hatte der Angeklagte D. die Rechtsanwältin Me. zuvor selbst als Verteidigerin gewählt. Einwendungen gegen ihre Mitwirkung an der Hauptverhandlung wurden in Kenntnis aller Umstände auch nachträglich bis zur Urteilsverkündung nicht erhoben. Somit konnte der Vorsitzende der Strafkammer davon ausgehen, dass der Angeklagte D. mit der Bestellung dieser Verteidigerin einverstanden war.
(2) Eine Verletzung des Anspruchs des Angeklagten D. auf ein faires Verfahren folgt auch nicht daraus, dass die Bestellung von Rechtsanwältin Me. zur Verteidigerin aufrechterhalten wurde, obwohl sie durch die Bürogemeinschaft mit dem Nebenklagevertreter Rechtsanwalt M. dem Risiko einer Interessenkollision ausgesetzt war (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662 ff.). Allein daraus ist nicht abzuleiten, dass der Angeklagte nicht wirksam verteidigt wurde.
Ihm standen im Verlauf der Hauptverhandlung zwei Strafverteidiger zur Verfügung, von denen stets zumindest einer anwesend war, an den meisten Verhandlungstagen beide zugleich. Wird ein Angeklagter durch mehrere Rechtsanwälte verteidigt, ist nur die ununterbrochene Anwesenheit eines dieser Verteidiger erforderlich (§ 227 StPO). Das gilt wegen der rechtlichen Gleichstellung von gewählten und bestellten Verteidigern für beide gleichermaßen (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1959 – 1 StR 418/59, BGHSt 13, 337, 341; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 227 Rn. 5, 11). Erst bei Nichtwahrnehmung eines im Einzelfall zwingend erforderlichen Anwesenheitsrechts kann ein Verstoß gegen den Fairnessgrundsatz festgestellt werden. Mehrere gleichzeitig mandatierte Verteidiger können sich - unbeschadet ihrer Selbständigkeit - die Aufgaben in der Hauptverhandlung teilen (vgl. Sommer StraFo 2013, 6 ff.). Aus der Abwesenheit eines von mehreren Verteidigern folgt für sich genommen kein Rechtsfehler, auf dem das Urteil generell beruhen würde (vgl. § 338 Nr. 5 StPO). Ein relativer Revisionsgrund (§ 337 Abs. 1 StPO), resultierend aus dem Anspruch auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. c EMRK, Art. 20 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG), könnte im Fall einer Interessenkollision in der Person des zeitweilig alleine anwesenden Verteidigers allerdings dann gegeben sein, wenn die Abwesenheit des anderen Verteidigers dazu geführt hätte, dass die Verteidigung insgesamt nicht wirksam wäre. Dabei hängt es von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Anwesenheit desselben Verteidigers bei allen Teilen der Hauptverhandlung für eine sachgemäße Durchführung der Verteidigung notwendig ist (vgl. BGH aaO, BGHSt 13, 337, 340).
Vorliegend wird von der Revision nicht geltend gemacht, dass eine Zusammenarbeit der Verteidiger sowie eine Information des zeitweise abwesenden Verteidigers über das zwischenzeitliche Geschehen in der Hauptverhandlung nicht stattgefunden hätten. Der Angeklagte D. wurde maßgeblich durch Rechtsanwalt A. verteidigt, den er als Verteidiger gewählt hatte. Dieser war bei der Einlassung des Angeklagten zur Sache und während der anfänglichen Beweisaufnahme sowie bei zeitweiliger Abwesenheit auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung anwesend; insbesondere hat er auch den Schlussvortrag gehalten. Anhaltspunkte dafür, dass er den auf die gesamte Beweisaufnahme bezogenen Schlussvortrag, dem sich Rechtsanwältin Me. lediglich angeschlossen hat, nicht unter Berücksichtigung aller wesentlichen Aspekte halten konnte, liegen nicht vor. Konkrete Hinweise darauf, dass Rechtsanwältin Me. seine Verteidigertätigkeit gestört oder jedenfalls nicht ausreichend durch Informationen über das Geschehen in der Hauptverhandlung während seiner Abwesenheit unterstützt hätte, hat die Revision nicht benannt. Bis zur Urteilsverkündung ist auch von keinem Verfahrensbeteiligten geltend gemacht worden, dass Bedenken gegen die Mitwirkung von Rechtsanwältin Me. als Verteidigerin in der Hauptverhandlung bestünden. In der Gesamtschau ist auszuschließen, dass die Fairness des Verfahrens im Ganzen nicht gewährleistet war. Ein lediglich abstraktes, zu keiner Zeit artikuliertes Misstrauen des Angeklagten gegen eine effektive Interessenwahrnehmung durch die gerichtlich bestellte Verteidigerin rechtfertigt unter diesen Umständen nicht die Annahme einer Verletzung des Fairnessgrundsatzes aus der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG) oder der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. c EMRK).
(3) Soweit in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einzelfällen die Mitwirkung eines Verteidigers in der Hauptverhandlung wegen eines konkreten Interessenkonflikts als Verfahrensfehler beanstandet wurde, handelte es sich um Fälle, in denen der Angeklagte ausschließlich durch diesen Rechtsanwalt verteidigt worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 5 StR 251/02, BGHSt 48, 170, 171 ff.; Beschluss vom 15. November 2005 – 3 StR 327/05, NStZ 2006, 404; Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 489/13, NStZ 2014, 660, 662 ff.). In einem Fall, in dem der Angeklagte erst im Verlauf der Hauptverhandlung zusätzlich durch einen weiteren von ihm gewählten Rechtsanwalt maßgeblich verteidigt worden ist, hat der Bundesgerichtshof jedenfalls ausgeschlossen, dass das Urteil auf dem Unterlassen einer Entpflichtung des bestellten Verteidigers trotz Vorliegens eines Interessenkonflikts beruhe (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 270/15, NStZ 2016, 115 f.). Das würde auch im vorliegenden Fall gelten, wenn nicht bereits das Vorliegen eines Verstoßes gegen den Fairnessgrundsatz verneint würde.
2. Die Sachbeschwerde des Angeklagten D. ist ebenfalls unbegründet. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet, wie der Generalbundesanwalt zutreffend erläutert hat, keinen rechtlichen Bedenken. Die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung im engeren Sinn sind rechtlich nicht zu beanstanden. Eine Verletzung von § 46 Abs. 3 StGB liegt nicht vor.
II. Die Revision des Angeklagten B. hat keinen Erfolg. Seine Sachrüge ist unbegründet.
Soweit sich der Angeklagte gegen seine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung wendet, die im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB durch mehrere gemeinschaftlich begangen wurde, zeigt er keinen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung des Landgerichts auf. Die Schlussfolgerungen der Strafkammer aus dem Rahmengeschehen darauf, dass der Angeklagte B. , der bei den Tätlichkeiten nicht unmittelbar selbst in Erscheinung treten wollte, von einer Ausführung der Körperverletzung durch mehrere Täter ausgegangen ist, sind nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend. Er hielt sich schließlich auch während der Tatausführung in der Nachbarwohnung auf.
Es ist ferner rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Strafkammer bei der Strafzumessung bedacht hat, der Angeklagte B. sei „Mitinitiator des Ganzen“ gewesen. Damit wurde ersichtlich nicht nur seine Mittäterschaft bei der gefährlichen Körperverletzung strafschärfend bewertet. Vielmehr hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler berücksichtigt, dass der Angeklagte B. bei dem Gesamtgeschehen, das auf die Übernahme aller Wettbüros abzielte, die führende Rolle innehatte.
III. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten R. bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Insbesondere ist der Schuldspruch wegen tateinheitlich begangener Beihilfe zur Freiheitsberaubung rechtlich nicht zu beanstanden. Der Angeklagte R. war an der unmittelbar vorangegangenen gefährlichen Körperverletzung als Mittäter beteiligt. Diese mündete unmittelbar in die Freiheitsberaubung, indem der Nebenkläger Bo. , der nicht mehr alleine gehen konnte, gegen seinen Willen in die Wohnung des Angeklagten D. verbracht wurde. Dabei begleitete der Angeklagte R. den Nebenkläger Bo. und die Mitangeklagten D. und T. . Vor dem Hintergrund seiner vorherigen Mitwirkung an der gemeinschaftlich begangenen gefährlichen Körperverletzung handelte es sich dabei nicht lediglich um bloße physische Präsenz des Angeklagten R. . Vielmehr hat er auch vorsätzlich einen aktiven Beitrag zu der unmittelbar an die gefährliche Körperverletzung anschließende Freiheitsberaubung geleistet.
C.
I. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet, soweit sie die Verurteilung des Angeklagten D. wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung sowie die Verurteilung des Angeklagten T. wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung vermisst. Dem steht die Verfahrensbeschränkung durch die Staatsanwaltschaft vor der Anklageerhebung gemäß §§ 154, 154a StPO entgegen. Eine Wiedereinbeziehung der diesbezüglichen Vorwürfe ist nicht erfolgt.
II. Die Strafzumessungsentscheidungen des Landgerichts sind zum Teil rechtsfehlerhaft.
1. Die Strafzumessung weist Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten B. auf, die sich jedenfalls in der Gesamtschau zu seinem Vorteil ausgewirkt haben können.
Das Landgericht hat dem Angeklagten B. ein Teilgeständnis als Strafmilderungsgrund zugutegehalten, obwohl er nach den Urteilsgründen erklärt hat, der Anstoß zu den Tätlichkeiten gegen den Nebenkläger sei ausschließlich von dem Angeklagten D. ausgegangen. Er selbst habe nur vermittelnd eingegriffen. Damit liegt kein Eingeständnis einer Beteiligung an der Tat vor. Ein Strafmilderungsgrund der Reue und Schuldeinsicht, die in einer ganz oder teilweise geständigen Sacheinlassung zum Ausdruck kommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. August 1997 – 4 StR 240/97, BGHSt 43, 195, 209), ist daraus nicht zu entnehmen.
Nicht nachzuvollziehen ist die Erwägung des Landgerichts, dass bei dem zurzeit der Hauptverhandlung 42 Jahre alten Angeklagten altersbedingt erhöhte Haftempfindlichkeit vorliege.
Zu Unrecht hat das Landgericht nicht als bestimmenden Strafzumessungsgrund berücksichtigt, dass der Angeklagte B. den Nebenkläger noch nach der Tat bei seinen Besuchen im Krankenhaus weiter nachhaltig verängstigt hat, so dass dieser sogar das Krankenhaus vorzeitig verließ und sich dabei infolge eines Sturzes weitere Verletzungen zuzog.
2. Die Strafzumessung im engeren Sinne hinsichtlich des Angeklagten D. ist rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht ihm zugutegehalten hat, es habe „teilweise eine kokainbedingte Enthemmung vorgelegen.“ Der Kokainkonsum während der Begehung der Tat rechtfertigt keine Strafmilderung, weil es zur Annahme voller Schuldfähigkeit genügt, wenn der Täter während eines Zeitabschnitts zwischen Versuchsbeginn und Vollendung der Tat uneingeschränkt schuldfähig war. Der Senat schließt aber aus, dass die Strafbemessung zugunsten des Angeklagten D. hierauf beruht.
3. Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts ist zugunsten des Angeklagten T. rechtsfehlerhaft.
Die Voraussetzungen für eine Strafrahmenmilderung nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB sind alleine mit dem Hinweis auf eine Entschuldigung des Angeklagten T. bei dem Nebenkläger nicht hinreichend dargetan. Der Senat kann im Hinblick auf die damit verbundene Strafrahmenmilderung nicht ausschließen, dass die Entscheidung zugunsten des Angeklagten T. darauf beruht.
Der neue Tatrichter wird - was eine bislang angenommene weitere Strafrahmenverschiebung nach § 46b StGB anbelangt - auch zu berücksichtigen haben, dass der Täter einer Katalogtat im Sinne von § 46b Abs. 1 Nr. 1 StGB in Verbindung mit § 100a Abs. 2 StPO nicht durch Offenbarung einer Nichtkatalogtat in den Genuss einer Strafrahmenmilderung kommen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95, 122).
III. Die Strafzumessungsentscheidung des Landgerichts hinsichtlich des Angeklagten R. ist rechtsfehlerfrei.
Appl Eschelbach Ott
Zeng Bartel