Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 14.01.2015


BGH 14.01.2015 - 2 StR 290/14

Strafurteil: Voraussetzungen einer wirksamen Berichtigung der Urteilsgründe im Zusammenhang mit der Gesamtstrafenbildung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
14.01.2015
Aktenzeichen:
2 StR 290/14
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Meiningen, 28. Februar 2014, Az: 531 Js 5125/11 - 2 KLs jug
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 28. Februar 2014 im Einzelstrafausspruch zu Fall II. 5. der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf Fällen (Fälle II. 1. - 4. und 6. der Urteilsgründe) sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (Fall II. 5. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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1. Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.

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2. Der Einzelstrafausspruch zu Fall II. 5. der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken; im Übrigen weist die Strafzumessung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

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a) Die Zumessung der Einzelstrafen ist rechtsfehlerhaft.

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aa) Die von der Strafkammer wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten (Fälle II. 1. - 4. der Urteilsgründe) und einem Jahr (Fall II. 6. der Urteilsgründe) bewegen sich nicht in dem gemäß § 176a Abs. 2 StGB vorgesehenen Strafrahmen von zwei bis 15 Jahren, von dessen Regelwirkung auch die Strafkammer ausgegangen ist.

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bb) Im Fall II. 5. der Urteilsgründe, dem ein sexueller Missbrauch eines Kindes zugrunde lag, hat die Strafkammer eingangs ausgeführt, dass der Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB von zwei bis 15 Jahren zugrunde zu legen sei. Abschließend hat sie zwar dargelegt, dass wegen der unter Ziffer II. 5. festgestellten Tat von dem Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB auszugehen sei, der eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsehe. Es ist gleichwohl zu besorgen, dass die Strafkammer bei der Festsetzung der Einzelstrafe zu Fall II. 5. rechtsfehlerhaft den Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB zugrunde gelegt oder sich jedenfalls nicht im Klaren darüber war, welcher Strafrahmen ihr für die Verhängung der Einzelstrafe zur Verfügung gestanden hat. Dafür spricht, dass die Strafkammer auch bei Bemessung der Einzelstrafen in den Fällen II. 1. - 4. und II. 6. den von ihr selbst bestimmten Strafrahmen aus dem Auge verloren hat und dass die im Fall II. 5. für den sexuellen Missbrauch verhängte Einzelstrafe von vier Jahren in keinem angemessenen Verhältnis zu den in den Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs verhängten Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten bzw. einem Jahr steht. Denn während dem Fall II. 5. die (bloße) Manipulation am Geschlechtsteil des Angeklagten zugrunde lag, betreffen die demgegenüber milder bestraften Fälle II. 1. - 4. und II. 6. das Eindringen mit dem Finger bzw. die Vollziehung des Beischlafs, also grundsätzlich schwerere Straftaten. Gleichwohl ist die vergleichsweise hohe Bestrafung im Fall II. 5. jenseits der in allen Fällen allgemein berücksichtigten strafschärfenden Umstände nicht besonders begründet worden, was aber erforderlich gewesen wäre.

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b) Die Strafkammer hat zwar nach Eingang der Revisionsbegründung, in der insbesondere die rechtsfehlerhafte Strafzumessung im Fall II. 5. der Urteilsgründe gerügt wird, mit Beschluss vom 28. Mai 2014 die Urteilsgründe dahingehend berichtigt, dass sie in den Fällen II. 1. - 4. tatsächlich Einzelstrafen von jeweils zwei (statt einem) Jahren und sechs Monaten, im Fall II. 5. eine Einzelstrafe von einem (statt vier) Jahren und im Fall II. 6. eine solche von vier (statt einem) Jahr verhängt habe. Die nachträgliche Berichtigung der Urteilsgründe ist jedoch unwirksam.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen, sobald ein Urteil vollständig verkündet worden ist, nur noch offensichtliche Schreibversehen und offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigt werden (st. Rspr.; BGH, Urteil vom 16. Juni 1953 - 1 StR 508/52, BGHSt 5, 5, 10; Beschluss vom 28. Mai 1974 - 4 StR 633/73, BGHSt 25, 333, 336). "Offensichtlich" im Sinne dieser Rechtsprechung sind aber nur solche Fehler, die sich ohne weiteres aus der Urkunde selbst oder aus solchen Tatsachen ergeben, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zu Tage treten und auch nur den entfernten Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen. Es muss - auch ohne Berichtigung - eindeutig erkennbar sein, was das Gericht tatsächlich gewollt und entschieden hat. Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer Berichtigung eine unzulässige Abänderung des Urteils einhergeht (BGH, Urteil vom 3. Februar 1959 - 1 StR 644/58, BGHSt 12, 374, 376).

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Bei Anlegung dieses strengen Maßstabs fehlt es an einer offensichtlichen Unrichtigkeit der schriftlichen Urteilsgründe. Dass die Strafkammer in den Fällen II. 1. - 4. tatsächlich Einzelstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten und nicht - wie in den Urteilsgründen niedergelegt - von einem Jahr und sechs Monaten verhängen wollte, ergibt sich weder aus der Urteilsurkunde selbst noch aus sonstigen offenkundigen Tatsachen. Auch die mögliche Verwechslung der in den Fällen II. 5. und II. 6. festgesetzten Einzelstrafen drängt sich nicht derart auf, dass die Gefahr einer unzulässigen nachträglichen Abänderung der Urteilsurkunde auszuschließen wäre.

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Die mündliche Urteilsbegründung, auf die die Strafkammer für das von ihr tatsächlich Gewollte und Entschiedene in dem Berichtigungsbeschluss Bezug nimmt, wurde im Hinblick auf die Einzelstrafen weder im Hauptverhandlungsprotokoll festgehalten noch durch einen der Verfahrensbeteiligten bestätigt. Sie findet auch keine Stütze in den schriftlichen Urteilsgründen oder in sonstigen Tatsachen, die den Verdacht einer späteren sachlichen Änderung des Urteils ausschließen könnten. Der Zusammenhang der Strafzumessungserwägungen deutet vielmehr darauf hin, dass die Strafkammer - wie ausgeführt - bei der Bemessung der Einzelstrafen den jeweiligen Strafrahmen nicht klar vor Augen hatte. Die Strafzumessung lässt ebenso wenig erkennen, dass die Strafkammer die Einzelstrafen tatsächlich so - wie es im Berichtigungsbeschluss ausgeführt wird - gewollt und entschieden hat, denn die Höhe der verhängten Einzelstrafen wird weder begründet noch finden sich jenseits allgemeiner Erwägungen Hinweise dafür, dass und aus welchen Gründen die Strafkammer die Einzelstrafen unterschiedlich hoch bemessen hat. Es kann daher nicht ohne vernünftigen Zweifel ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer schon bei der Entscheidung über die Festsetzung der Einzelstrafen Verwechslungen oder Missverständnissen unterlegen war.

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Da nur eine zulässige und damit wirksame Berichtigung geeignet ist, das schriftliche Urteil abzuändern, war nicht zunächst auf eine förmliche Zustellung des Berichtigungsbeschlusses durch das Landgericht hinzuwirken. Unzulässige Änderungen sind für das Revisionsgericht unbeachtlich. Sie führen nicht dazu, dass durch Zustellung des Berichtigungsbeschlusses die Revisionsbegründungsfrist erneut in Gang gesetzt würde (BGH, Urteil vom 14. November 1990 - 3 StR 310/90, NStZ 1991, 195).

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c) Soweit in den Fällen II. 1. - 4. und 6. der Urteilsgründe rechtsfehlerhaft unangemessen milde Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten bzw. einem Jahr festgesetzt worden sind, ist der Angeklagte nicht beschwert. Im Fall II. 5. kann demgegenüber nicht ausgeschlossen werden, dass die verhängte Einzelstrafe ohne die aufgezeigten Rechtsfehler milder ausgefallen wäre.

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3. Die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs im Fall II. 5. zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.

Fischer                     Appl                       Schmitt

                  Ott                      Zeng