Entscheidungsdatum: 09.12.2015
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 15. Dezember 2014 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen Körperverletzung in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und aufgrund seines Anerkenntnisses eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf sachlich-rechtliche Beanstandungen gestützten und wirksam auf Fall II.15 der Urteilsgründe beschränkten Revision, dass die Strafkammer den Angeklagten insoweit nur wegen Vergewaltigung und nicht tateinheitlich auch wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB verurteilt hat. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen zu Fall II.15 der Urteilsgründe befanden sich der umfassend geständige Angeklagte und die Nebenklägerin, seine Lebensgefährtin, nach einem Streit im Schlafzimmer. Ob zu diesem Zeitpunkt bereits die 9-jährige Tochter der Nebenklägerin anwesend war oder ob diese erst im Verlauf des nachfolgenden Geschehens hinzukam, konnte die Strafkammer nicht aufklären. Im Schlafzimmer entnahm der Angeklagte dem Wäscheschrank einen Vibrator, drückte die Beine der Nebenklägerin auseinander und führte ihr diesen gegen ihren Willen gewaltsam in schmerzhafter Weise mehrfach in die Scheide ein, was das Kind wahrnahm. Nachdem der Angeklagte mit dem Einführen des Vibrators begonnen hatte, bemerkte er das Kind und äußerte ihm gegenüber "Das braucht deine Schlampe". Der Nebenklägerin gelang es schließlich, den Angeklagten wegzustoßen, woraufhin dieser das Zimmer verließ.
II.
Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht einen tateinheitlich zur Vergewaltigung verwirklichten sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB verneint.
Zwar war das Kind gegenwärtig, als der Angeklagte sexuelle Handlungen zum Nachteil der Nebenklägerin vornahm. Er erkannte auch, dass das Kind das Geschehen beobachtete und setzte seine Handlungen gleichwohl fort. Das reicht jedoch zum Beleg des subjektiven Tatbestands nicht aus:
Seit der Neufassung der Vorschrift durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164) setzt das Vergehen der Vornahme sexueller Handlungen vor einem Kind zwar nicht mehr voraus, dass der Täter dabei in der Absicht handelt, sich, das Kind oder einen anderen sexuell zu erregen. Um eine vom Gesetzgeber nicht beabsichtigte Ausdehnung der Strafbarkeit zu vermeiden, hat der Bundesgerichtshof die Regelung der § 176 Abs. 4 Nr. 1, § 184g Nr. 2 StGB aber insoweit einengend ausgelegt, als für die Annahme einer sexuellen Handlung vor einem Kind über deren Wahrnehmung durch das Tatopfer hinaus erforderlich ist, dass der Täter das Kind so in das sexuelle Geschehen einbezieht, dass für ihn die Wahrnehmung der sexuellen Handlung durch das Tatopfer von handlungsleitender Bedeutung ist (BGH, Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 StR 255/04, BGHSt 49, 376, 381; Urteil vom 12. Mai 2011 - 4 StR 699/10, NStZ 2011, 633; Senatsbeschluss vom 21. November 2013 - 2 StR 459/13; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 13. November 2012 - 3 StR 370/12, NStZ 2013, 278).
Das vermochte das Landgericht hier nicht festzustellen. Der von der Strafkammer auch unter Berücksichtigung der Bemerkung des Angeklagten "Das braucht deine Schlampe" gezogene Schluss, dass die Wahrnehmung durch das Kind nicht in irgendeiner Weise für den Angeklagten von Bedeutung war, während er den Vibrator in die Scheide der Nebenklägerin einführte, er vielmehr nur keine Rücksicht darauf genommen hat, von dem Kind beobachtet zu werden, ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
Fischer Appl Ott
Zeng Bartel