Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 26.09.2013


BGH 26.09.2013 - 2 StR 256/13

Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Anforderungen an die Feststellung von Bandentaten


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
26.09.2013
Aktenzeichen:
2 StR 256/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Aachen, 21. Januar 2013, Az: 67 KLs 2/12
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 21. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg, so dass es auf die Rügen der Verletzung von Verfahrensrecht nicht ankommt.

2

Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3

1. a) Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die ehemaligen Mitangeklagten M.    und Mc       spätestens seit Mai 2010 Teil einer größeren Gruppierung, der zu jeder Zeit mindestens drei Personen angehörten und die sich zusammen geschlossen hatte, um wiederholt größere Mengen Marihuana in den Niederlanden zu beschaffen und an Abnehmer in ganz Deutschland gewinnbringend zu verkaufen. M.      fiel vor allem die Aufgabe zu, die Betäubungsmittel zu besorgen. Mc    war in der Gruppierung in die Entgegennahme des Kaufpreises eingebunden. Er nahm für     R.   Gelder entgegen und leitete diese an ihn weiter. Andere Bandenmitglieder übernahmen die Akquirierung von Abnehmern, nahmen Bestellungen entgegen und koordinierten den Versand. Dabei bediente sich die Gruppierung verschiedener teilweise unbekannt gebliebener Kuriere, verpackte das Marihuana aber auch in zahlreiche Pakete, die über einen Paketversandbetrieb an unterschiedliche Empfänger verschickt wurden.

4

Der Angeklagte lernte im Mai oder Juni 2010 den ehemaligen Mitangeklagten M.     kennen, für den er im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit als Betreiber eines "Assistenz-Service" genauso Hilfeleistungen erbrachte wie für den ehemaligen Mitangeklagten B.    , für den er Fahrdienste übernahm. Etwa im Mai 2011 kam er mit dem gesondert verfolgten Mc   in Kontakt. Im Rahmen dieser Bekanntschaften, die sich zunehmend zu einer Freundschaft entwickelten, bekam der Angeklagte mit, dass M.   und Mc    in illegalen Betäubungsmittelhandel verstrickt waren. Ab Mitte Juni 2011 übernahm der Angeklagte auf Bitten des M.     in sechs Fällen die Einlieferung von Paketen, die jeweils zwischen drei und fünf Kilogramm an Cannabisprodukten enthielten; er erhielt dafür in jedem Fall 100 Euro in bar ausgezahlt. Nachdem das letzte von dem Angeklagten eingelieferte Paket sichergestellt worden war, ließ die Gruppierung von dem Versenden per Postpaket ab und konzentrierte sich auf Transporte per Kurier. In dieser Tatphase stellte sich der Angeklagte der Gruppierung nicht mehr zur Verfügung.

5

b) Das Landgericht hat in der Einlieferung der Pakete eine Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln gesehen. Es ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte bei seinen Taten als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden habe, gehandelt hat. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass außer ihm sich noch mindestens zwei weitere Täter zur dauerhaften Begehung solcher Taten zusammen geschlossen hätten und am Handeltreiben mittels der einzelnen Paketversendungen beteiligt gewesen seien. Die Strafkammer hat infolgedessen angenommen, dass er sich dieser Gruppierung durch die auf unbestimmte Zeit angelegte Mitarbeit als Einlieferer auch zumindest konkludent angeschlossen habe.

6

2. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe als Mitglied einer Bande Beihilfe zu Betäubungsmitteldelikten begangen, wird von den Feststellungen nicht getragen.

7

a) Eine Bande im Sinne von § 30a BtMG setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Mehrzahl von Betäubungsmitteldelikten verbunden haben (vgl. allg. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 - GSSt 1/00, BGHSt [GS] 46, 321, 325; zur Betäubungsmittelbande BGH, Urteil vom 14. Februar 2002 - 4 StR 281/01, BGHR BtMG § 30a Bande 10; Senatsbeschluss vom 23. Juni 2006 - 2 StR 217/06, StV 2006, 639). Erforderlich ist eine - ausdrückliche oder stillschweigende - Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung dieser Straftaten zusammenzutun (BGH, Urteil vom 16. Juni 2005 - 3 StR 492/04, BGHSt 50, 160, 164). Es genügt hingegen nicht, wenn sich die Täter von vornherein nur zu einer einzigen Tat verbinden und erst in der Folgezeit jeweils aus neuem Entschluss wiederum derartige Taten begehen (Senatsurteil vom 21. Dezember 2007 - 2 StR 372/07, NStZ 2009, 35, 36). Kennzeichnend für die Bande ist eine auf gewisse Dauer angelegte Verbindung mehrerer Täter zu künftiger gemeinsamer Deliktsbegehung.

8

Ob eine Bandenabrede anzunehmen ist, ist auf Grund einer Gesamtwürdigung zu entscheiden, die die maßgeblichen für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände in den Blick zu nehmen und gegeneinander abzuwägen hat. Dies gilt insbesondere für die Annahme einer stillschweigenden Übereinkunft, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch - obwohl sie regelmäßig den Bandentaten vorausgeht - aus dem konkret feststellbaren deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (BGHSt 50, 160, 162; st. Rspr.). Bleiben im Rahmen der hiernach erforderlichen Gesamtwürdigung wesentliche Indizien unberücksichtigt, wird für oder gegen eine Bandenabrede sprechenden Umständen fehlerhaft eine entsprechende Indizwirkung zu- oder aberkannt oder werden einzelne Indizien nur isoliert bewertet, ohne dass die erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen wird, erweist sich die Feststellung einer Bandentat als fehlerhaft (so schon Senatsurteil vom 21. Dezember 2007 - 2 StR 372/07, NStZ 2009, 35, 36; Senatsbeschluss vom 10. Oktober 2012 - 2 StR 120/12, StraFo 2013, 128).

9

b) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme einer Bandenabrede begründet hat, lassen besorgen, dass diese Maßstäbe keine hinreichende Beachtung gefunden haben.

10

aa) Den Urteilsgründen lässt sich schon nicht hinreichend deutlich entnehmen, wer an der Bandenabrede im Einzelnen beteiligt gewesen sein soll. So bleibt unklar, ob sich der Angeklagte einer schon bestehenden Bande angeschlossen hat oder ob sich erst mit seiner Beteiligung eine solche gebildet hat. Zum einen ist das Landgericht wohl davon ausgegangen, dass sich bereits im Mai 2010 - ohne Beteiligung des Angeklagten - eine Gruppierung von mindestens drei Personen gebildet hatte, um auf Dauer angelegt größere Mengen Marihuana in den Niederlanden zu beschaffen und in Deutschland gewinnbringend zu verkaufen (UA S. 8). Wer zu dieser Gruppierung gehörte, hat die Strafkammer, die zwar verschiedene Beteiligte wie die früheren Mitangeklagten M.   und Mc     namentlich benennt, ansonsten aber nur von "anderen Bandenmitgliedern" spricht (UA S. 9), nicht mitgeteilt, so dass der Senat insoweit nicht überprüfen kann, ob schon die Verbindung dieser Personen eine Bande darstellt. Zum anderen ist die Kammer davon ausgegangen, dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass sich außer ihm noch mindestens zwei weitere Täter zur dauerhaften Begehung von Betäubungsmitteltaten zusammengeschlossen hätten. Diese Feststellung enthält zumindest die Möglichkeit, dass erst mit dem Hinzutreten des Angeklagten im Juni 2011 ein bandenmäßiger Zusammenschluss entstanden ist.

11

bb) Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sich der Angeklagte durch eine auf unbestimmte Zeit angelegte Mitarbeit als Einlieferer der Gruppierung auch zumindest konkludent angeschlossen habe. Worauf das Landgericht diese Überzeugung gründet, lässt sich den Urteilsgründen allerdings nicht hinreichend entnehmen. Der Angeklagte hat zwar den "Sachverhalt insbesondere hinsichtlich seiner Bekanntschaft mit den ehemaligen Mitangeklagten und seiner Beteiligung in Form der Einlieferung der Betäubungsmittelpakete sowie auch bezüglich der ihm vorliegenden Erkenntnisse" eingeräumt (UA S. 12), (geständnisgleiche) Angaben zu einer bandenmäßigen Begehung sind darin allerdings nicht enthalten. Auch in den geständigen Einlassungen der ehemaligen Mitangeklagten Mc   und M.    zur "Bandenstruktur und insbesondere zu [ihren] Aufgaben" (UA S. 12), die das Landgericht auch nicht im Einzelnen mitgeteilt hat, fehlen Erkenntnisse gerade zur Einbindung des Angeklagten in die bandenmäßige Struktur der Gruppierung.

12

Da sich auch bei einer auf unbestimmte Zeit angelegten Mitarbeit als Zulieferer (vgl. UA S. 12) die Zugehörigkeit des Angeklagten zu einer bandenmäßigen Gruppierung nicht von selbst versteht, hätte sich das Landgericht davon im Rahmen einer Gesamtabwägung der für und gegen eine Bandenabrede sprechenden Umstände überzeugen müssen. Insbesondere im Hinblick auf die Annahme eines nur "konkludenten" Beitritts wäre darzulegen gewesen, in welchen Handlungen eine solche Erklärung gesehen werden soll. Dabei wäre etwa zu berücksichtigen gewesen, dass der Angeklagte berufsmäßig Hilfs- und auch Fahrdienste angeboten und die Einlieferung der Pakete womöglich in diesem Rahmen jeweils einzeln und nicht im Wege einer damit verbundenen Einordnung in ein Bandengefüge übernommen hat. Das Landgericht hätte weiter in den Blick nehmen müssen, dass der Angeklagte mit den früheren Mitangeklagten seit längerem befreundet war und die Übernahme von Unterstützungshandlungen der illegalen Betäubungsmittelgeschäfte auch deshalb, jedenfalls bei der ersten Tat, nicht mit der Einbindung in eine bandenmäßige Gruppierung verbunden gewesen sein muss, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass offen bleibt, aus welchem Grund der Angeklagte die Einliefertätigkeit übernommen hat, die zuvor von anderen Fahrern erbracht worden war. Schließlich hätte sich das Landgericht auch mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass der Angeklagte schon nach kurzer Zeit im Juli 2011 seine Tätigkeit für die Bande wieder eingestellt und sich in der Folgezeit nicht als Kurierfahrer angeboten hat bzw. eingesetzt worden ist. Dass das Landgericht eine solche Gesamtwürdigung unterlassen hat, macht die Annahme bandenmäßiger Begehung rechtsfehlerhaft. Da der Senat nicht ausschließen kann, dass bei der gebotenen Würdigung eine Bandenabrede mit dem Angeklagten zu verneinen wäre, führt dies zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an eine andere Strafkammer des Landgerichts.

Fischer                       Schmitt                         Krehl

                  Ott                            Zeng