Entscheidungsdatum: 17.02.2016
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 21. Juli 2014 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und 101,94 g Methamphetamin sowie eine Geldkassette eingezogen. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts besaß der Angeklagte nach seiner bedingten Entlassung aus einer Strafhaft im Dezember 2013 mindestens 100 g Methamphetamin, das er in seiner Wohnung in Tüten verpackte und für den Verkauf vorrätig hielt. Er verwahrte es in einer Geldkassette, die er von der Zeugin J. gekauft hatte und an seinem Arbeitsplatz versteckte.
Am 29. Dezember 2013 holte der Angeklagte das Methamphetamin aus dem Versteck, entweder um es zu verkaufen oder um es an einem anderen Ort zu verstecken. Er legte die verschlossene Geldkassette mit dem Methamphetamin in seinen Rucksack, in dem sich auch sein Entlassungsschein der Justizvollzugsanstalt befand. Dann lieh er sich den Pkw der Zeugin J. . Gegen 21.30 Uhr fuhr er damit nach S. , obwohl er keine Fahrerlaubnis hatte.
In S. hielt der Angeklagte in der Straße „Am B. “. Dort kam ihm die Polizeistreife der Zeugen G. und W. entgegen. Die Beamten „beschlossen, eine Fahrzeugkontrolle durchzuführen. Grund dafür war, dass es sich um eine abgelegene Stelle handelte, in der es bereits öfter zu kriminellen Handlungen und auch Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gekommen war und sie es für ungewöhnlich hielten, dass um diese Zeit dort ein Auto hielt.“ Als sie ihr Dienstfahrzeug in der Nähe des Angeklagten anhielten, setzte dieser sein Fahrzeug einige Meter zurück, bis er nicht weiter fahren konnte. Die Beamten stiegen aus und leuchteten mit Taschenlampen in Richtung des Angeklagten, der sich zum Beifahrersitz wandte und dort hantierte. Anschließend stieg der Angeklagte aus dem Fahrzeug aus und ging auf den Polizeibeamten G. zu. Dieser verlangte von ihm den Führerschein und die Fahrzeugpapiere. Der Angeklagte rannte daraufhin weg. Im Laufen verriegelte er das Fahrzeug. Der Angeklagte wurde von den Beamten zu Fuß verfolgt, konnte aber entkommen.
Das verschlossene Fahrzeug wurde zunächst durch andere Streifenbeamte überwacht, aber gegen 23.00 Uhr von einem Abschleppdienst zur Verwahrstelle gebracht, wo es gegen 23.45 Uhr eintraf. Der Angeklagte bat seine Freundin, die Zeugin Sc. , zur Verwahrstelle zu fahren, um den Rucksack abzuholen. Dort wurde ihr jedoch die Herausgabe verweigert. Auf Anordnung des Polizeihauptmeisters Sch. wurde gegen 3.15 Uhr das Fahrzeug durch Einschlagen einer Seitenscheibe geöffnet und der Rucksack entnommen. Dieser wurde durchsucht, wodurch der Entlassungsschein der Justizvollzugsanstalt mit den Personaldaten des Angeklagten gefunden wurde. Später wurde auf Anordnung des Polizeihauptkommissars N. nach Rücksprache mit dem Staatsanwalt des Bereitschaftsdiensts auch die Geldkassette aufgebrochen. Darin wurde das Methamphetamin und ein Zettel gefunden, auf dem Geldbeträge notiert waren, die eine Summe von 10.400 Euro ergaben. Dies entsprach dem Verkaufswert des sichergestellten Methamphetamins. Auf dem Zettel fanden sich nach einer kriminaltechnischen Untersuchung auch Fingerabdrücke und DNA-Spuren des Angeklagten.
2. Der Angeklagte, der in der Hauptverhandlung den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge bestritten hat, hatte bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung im Vorverfahren behauptet, er habe die Geldkassette im Auftrag der Zeugin J. transportiert, ohne deren Inhalt zu kennen. Das Landgericht hat diese Einlassung als widerlegt betrachtet. Dazu hat es die Sachbeweise, die bei der Durchsuchung des Fahrzeugs und des Rucksacks gefunden wurden, gegen den Widerspruch der Verteidigung verwertet. Zeugenaussagen der Polizeibeamten zur Auffindesituation sowie die Sachbeweise selbst unterlägen keinem Beweisverwertungsverbot. Für die gewaltsame Öffnung und Durchsuchung des Fahrzeugs sowie der Geldkassette habe § 163b Abs. 1 Satz 3 StPO die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage gebildet. Auf die §§ 102, 105 StPO sei es nicht angekommen.
II.
Die Revision ist aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen unbegründet. Der Erörterung bedarf nur die Verfahrensrüge, mit der vom Beschwerdeführer ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich aller Beweismittel, die sich auf das Auffinden von Entlassungsschein, Geldkassette und darin enthaltenen Drogen und Notizen geltend gemacht wird.
1. Ob die Verfahrensrüge zulässig ist, kann offenbleiben.
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nicht entschieden, dass die Widerspruchslösung auch für unselbstständige Beweisverwertungsverbote wegen Fehlern bei der Durchsuchung oder Beschlagnahme gilt (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 - 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 296 f.); dies kann dahinstehen. Jedenfalls hat die Verteidigung vorab der Verwertung aller Sachbeweise und der auf die Auffindesituation bezogenen Zeugenaussagen durch Polizeibeamte widersprochen. Ein solcher Sammelwiderspruch ist zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2014 - 5 StR 176/14, BGHSt 60, 38, 39; Beschluss vom 21. Oktober 2014 - 5 StR 296/14, BGHSt 60, 50, 52).
Ob die Verfahrensrüge den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, obwohl der Aktenvermerk des Polizeikommissars W. vom 30. Dezember 2013 über die polizeilichen Maßnahmen in der vorangegangenen Nacht nicht mitgeteilt wurde, kann dahinstehen.
2. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet, weil kein Beweisverwertungsverbot besteht.
a) Für die Durchsuchung des Fahrzeugs der Zeugin J. und des Rucksacks, den der Angeklagte darin mitgeführt hatte, ergab sich aus § 163b Abs. 1 Satz 3 StPO eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage.
Nach dieser Vorschrift kann eine Durchsuchung vorgenommen werden, wenn der Betroffene einer Straftat verdächtig ist und seine Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Ein Anfangsverdacht, der Anlass zum Einschreiten gibt und zur Erforschung des Sachverhaltes verpflichtet, ist erforderlich, aber auch ausreichend (Kurth NJW 1979, 1377, 1378) und liegt hier vor. Er setzt nur voraus, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Der Betroffene braucht noch nicht die Stellung eines Beschuldigten erlangt zu haben. Liegt ein Verdacht einer Straftat in diesem Sinne vor, kann die Durchsuchung der vom Verdächtigen mitgeführten Sachen zur Feststellung seiner Identität durchgeführt werden.
Der Angeklagte hatte sich dadurch verdächtig gemacht, dass er sich der Personenkontrolle durch Flucht entzogen hat. Die Abfrage im Zentralen Verkehrsinformationssystem ergab, dass der Pkw auf die Zeugin J. zugelassen war. Diese erklärte bei einer in dem - insoweit von der Revision nicht mitgeteilten - polizeilichen Aktenvermerk über die nächtlichen Ermittlungsmaßnahmen vom 30. Dezember 2013 festgehaltenen informatorischen Befragung durch die in der Nacht ermittelnden Polizeibeamten, dass sie die Wegnahme des Fahrzeugschlüssels und die Benutzung ihres Fahrzeugs nicht bemerkt habe. Die Polizeibeamten gingen deshalb von einer unbefugten Fahrzeugbenutzung oder einem Fahrzeugdiebstahl aus. Insoweit lag ein ausreichender Anfangsverdacht für eine Maßnahme zur Identitätsfeststellung nach § 163b Abs. 1 Satz 3 StPO vor.
§ 163b Abs. 1 Satz 3 StPO gestattet nicht nur die Durchsuchung der Person, sondern auch diejenige der mitgeführten Sachen. Dazu zählt für einen von der Maßnahme betroffenen Fahrzeugführer auch das Kraftfahrzeug (vgl. LR/Erb, StPO, 26. Aufl., § 163b Rn. 40; KK/Griesbaum, StPO, 7. Aufl., § 163b Rn. 23; MünchKomm/Kölbel, StPO, 2016, § 163b Rn. 17; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 163b Rn. 11; SK/Wolter, StPO, 4. Aufl., § 163b Rn. 36; SSW/Ziegler/Vordermayer, StPO, 2. Aufl., § 163b Rn. 7).
Die gesetzliche Erlaubnis zu einer Durchsuchung schließt als unselbstständige Begleitmaßnahme auch die gewaltsame Öffnung des Durchsuchungsobjekts ein (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 105 Rn. 13; LR/Tsambikakis, StPO, 26. Aufl., §§ 105 Rn. 125; SK/Wohlers/Jäger, StPO, 5. Aufl., § 163b Rn. 64). Deshalb war es auch zulässig, durch Zerstörung einer Seitenscheibe die Durchsuchung des Fahrzeuginneren zu ermöglichen. Ferner gehörte die Durchsuchung des Rucksacks, der in dem Fahrzeug gefunden wurde, zu den Maßnahmen, die nach § 163b Abs. 1 Satz 3 StPO gestattet waren. Dadurch wurde der Entlassungsschein des Angeklagten gefunden und hierdurch seine Identität festgestellt. Hiermit war die Maßnahme zur Identitätsfeststellung allerdings abgeschlossen.
b) Die spätere Öffnung und Durchsuchung der Geldkassette war danach aber nicht mehr von § 163b Abs. 1 Satz 3 StPO gedeckt. Dabei handelte es sich um eine Durchsuchung im Sinne der §§ 102, 105 StPO. Die Voraussetzungen dafür lagen nicht vor. Jedoch ergibt sich aus diesem Verfahrensfehler kein Beweisverwertungsverbot.
aa) Durchsuchungen dürfen nach § 105 Abs. 1 StPO nur durch den Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden. Eine richterliche Durchsuchungsanordnung ist hier nicht eingeholt worden, obwohl sie ohne Gefahr des Beweismittelverlusts hätte eingeholt werden können. Gefahr im Verzug als Grund für die Annahme einer Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen war jedenfalls nach der Sicherstellung des Fahrzeugs durch Abschleppen zur Verwahrstelle nicht mehr anzunehmen.
bb) Aus dem Verfahrensfehler ergibt sich jedoch kein Beweisverwertungsverbot.
Ob dies der Fall ist, muss nach der Rechtsprechung im Einzelfall aufgrund einer umfassenden Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Betroffenen an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften geprüft werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 2011 – 2 BvR 2500/09, 1857/10, BVerfGE 130, 1, 27). Dies gilt auch für eine Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 289 ff.). Die Abwägung ergibt, dass der Verfahrensfehler die Rechte des Angeklagten bei der Beweisgewinnung nicht erheblich beeinträchtigt hat und das Interesse an der Verwertung der in der Geldkassette gefundenen Sachbeweise überwiegt.
Dabei fällt ins Gewicht, dass es um den schwerwiegenden Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Angeklagten geht, der einschlägig vorbestraft ist. Nachdem seine Identität durch Auffinden des Entlassungsscheins aus der Justizvollzugsanstalt, aus der er bedingt entlassen worden war, bekannt war, ist auch anzunehmen, dass ein Ermittlungsrichter in dem Fall, dass ein Antrag auf Gestattung der Durchsuchung der Geldkassette gestellt worden wäre, höchstwahrscheinlich einen Durchsuchungsbeschluss erlassen hätte. Diese Möglichkeit der hypothetisch rechtmäßigen Beweiserlangung ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 546/06, BGHSt 51, 285, 291; Urteil vom 15. Februar 1989 – 2 StR 402/88, NStZ 1989, 375, 376 mit Anm. Roxin; KK/Bruns, StPO § 105 Rn. 21; krit. MünchKomm/Hauschild, StPO, 2014, § 105 Rn. 39; LR/Tsambikakis, StPO § 105 Rn. 149). Sie führt dazu, dass aus der ohne richterliche Gestattung erfolgten Durchsuchung kein Beweisverwertungsverbot resultiert. Anhaltspunkte dafür, dass der Richtervorbehalt von den Ermittlungsbeamten bewusst missachtet wurde, liegen nicht vor.
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