Entscheidungsdatum: 10.06.2010
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Marburg (Lahn) vom 22. Februar 2010 wird, soweit es ihn betrifft,
a) der Schuldspruch im Fall 1 der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln schuldig ist,
b) der Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 1 der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kaufte der nicht revidierende Mitangeklagte Johann F. zu Beginn des Jahres 2009 4000 XTC-Tabletten. Einen Teil der Tabletten erhielt der Angeklagte zur eigenen Verwendung. Er bewahrte sie in seinem Schlafzimmerschrank auf, wo bei einer Durchsuchung am 27. August 2009 353 Tabletten sichergestellt wurden. F. bewahrte seine Tabletten in einem Tresor auf, den er gemeinsam mit dem Angeklagten in einer Scheune auf dem Wohnanwesen des Angeklagten an einem Balken festgeschraubt hatte. Der Angeklagte ging davon aus, dass F. in dem Tresor Betäubungsmittel zum gewinnbringenden Weiterverkauf lagern werde. Den Schlüssel zu dem Tresor trug F. grundsätzlich bei sich. An einem Tag zwischen der Übergabe der Tabletten und dem 27. August 2009 händigte F. dem Angeklagten den Tresorschlüssel aus mit dem Auftrag, dort befindliches Geld zu holen. Der Angeklagte führte den Auftrag aus; dabei sah er in dem Tresor auch zwei Päckchen mit den XTC-Tabletten. Die bei der Durchsuchung am 27. August 2009 sichergestellten mindestens 2.684 XTC-Tabletten hatten einen Wirkstoffgehalt von insgesamt 40,2 g meta-Chlorphenyl-piperazin (m-CPP).
2. Der Schuldspruch wegen Besitzes an den im Tresor aufbewahrten XTC-Tabletten hält auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Besitzen im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes setzt ein bewusstes tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis sowie Besitzwillen und Besitzbewusstsein voraus, die darauf gerichtet sind, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf das Betäubungsmittel zu erhalten (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 54, 55; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 2, 4 m.w.N.; BGHSt 26, 117; 27, 380, 381; Weber, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 1170 ff.; Franke/Wienroeder, BtMG 3. Aufl. § 29 Rdn. 133). Besitzer im betäubungsrechtlichen Sinne ist zwar nicht nur der Eigenbesitzer. Auch der Fremdbesitzer, der die tatsächliche Verfügungsgewalt für einen anderen ausübt und keine eigene Verfügungsgewalt in Anspruch nehmen will, ist Besitzer (vgl. Weber aaO Rdn. 1180; Franke/Wienroeder aaO Rdn. 135 jew. m.w.N.). Aber auch wenn man hiervon ausgeht, ist für den Angeklagten tatbestandsmäßiger Besitz an den XTC-Tabletten, die F. in dem Tresor aufbewahrte, nicht festgestellt. Der Angeklagte war nicht Verwahrer, er hatte keinen Tresorschlüssel. Er hat den Schlüssel nur einmal ausgehändigt bekommen, um für F. Geld aus dem Tresor zu holen. Die Feststellungen ergeben nicht, dass der Angeklagte beim Öffnen des Tresors auch einen Besitzwillen hinsichtlich der Betäubungsmittel gehabt hat. Dass er die Tabletten in dem Tresor hat liegen sehen, reicht hierfür nicht aus. Der Angeklagte war nicht befugt, über die Tabletten zu verfügen und hat dies weder getan noch in Erwägung gezogen.
Die Feststellungen belegen im Fall 1 der Urteilsgründe mithin nur den Besitz des Angeklagten an den Tabletten in seinem Schlafzimmerschrank, deren Wirkstoffgehalt den Grenzwert zur nicht geringen Menge nicht erreicht hat, und die Beihilfe zum Handeltreiben des F. mit den Tabletten im Tresor. Der Senat schließt aus, dass eine neue Hauptverhandlung zu weitergehenden Feststellungen führen würde. Er hat den Schuldspruch dementsprechend selbst geändert.
Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der im Fall 1 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafe und der Gesamtstrafe. Zwar hat die Strafkammer in diesem Fall lediglich die Mindeststrafe des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG verhängt. Es lässt sich aber nicht ausschließen, dass sie bei Anwendung des wegen der Beihilfe gemilderten Strafrahmens eine noch niedrigere Strafe verhängt hätte.
Rissing-van Saan Fischer Roggenbuck
Appl Schmitt