Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 03.11.2011


BGH 03.11.2011 - 2 StR 201/11

Besitz von Betäubungsmitteln durch Ausländer im Ausland: Anwendbarkeit deutschen Strafrechts


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
03.11.2011
Aktenzeichen:
2 StR 201/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Frankfurt, 6. Januar 2011, Az: 5/27 KLs 5130 Js 240985/10 (46/10)
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird

a) die Verfolgung mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter Durchfuhr von Betäubungsmitteln beschränkt,

b) das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 6. Januar 2011 im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter Durchfuhr von Betäubungsmitteln verurteilt ist,

c) das vorgenannte Urteil im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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1. Nach den Feststellungen erklärte sich der Angeklagte für einen Kurierlohn von 3.000 Euro bereit, einen Drogentransport auf dem Luftweg von Mexiko über Frankfurt am Main nach Brüssel durchzuführen. Die ihm von seinem Auftraggeber übergebenen und mit Drogen präparierten Koffer bewahrte er mehrere Tage in seinem Hotelzimmer in Mexiko auf, bevor er sie am Tag seines Abfluges bis Brüssel durchcheckte. Bei der Kontrolle seines Transitgepäcks am Frankfurter Flughafen am 24. September 2010 wurden 1.537,1 Gramm Kokain mit 1.267,8 Gramm Wirkstoff aufgefunden.

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2. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts beschränkt der Senat gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Verfolgung auf den Vorwurf der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit versuchter Durchfuhr von Betäubungsmitteln. Die Beschränkung erfolgt, weil Zweifel bestehen, ob auf den vom Angeklagten, einem italienischen Staatsangehörigen, ausschließlich im Ausland ausgeübten Besitz an den Betäubungsmitteln das deutsche Strafrecht anwendbar ist.

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a) Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB liegen nach den Urteilsgründen nicht vor. Entsprechende Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen mit der Folge, dass entsprechende Ermittlungen vom Revisionsgericht nachgeholt werden müssten.

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b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ergibt sich die Anwendung deutschen Strafrechts auch nicht schon aus § 6 Nr. 5 StGB, denn diese Vorschrift, nach der für den "unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln" das Weltrechtsprinzip gilt, erfasst nicht deren Besitz (st. Rspr. Senat, StV 1984, 286; BGH NStZ 2010, 521). Insoweit kommt es nicht auf den Begriff des "Handeltreibens" im Sinne des § 29 BtMG an, der "jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit" erfasst (vgl. BGH GS, NJW 2005, 3790, 3792 mwN) und der den Besitz von Betäubungsmitteln als unselbständiges, im täterschaftlichen Handeltreiben aufgehendes Teilstück des Geschehens umfasst (BGHSt 30, 359 ff; 25, 290). Der Begriff des "Vertriebs" ist vielmehr autonom auszulegen. Im Sinne des § 6 Nr. 5 StGB vertreibt Betäubungsmittel, wer allein oder durch seine Mitwirkung ihren in der Regel entgeltlichen Absatz an andere fördert (BGHSt 34, 1, 2); gefordert wird eine Tätigkeit, die ein Betäubungsmittel entgeltlich in den Besitz eines anderen bringen soll (Kühl, Lackner/ Kühl, StGB 27. Aufl. § 6 Rn. 2; Eser, Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 6 Rn. 6; Heintschel-Heinegg, Beck OK StGB Ed. 14 § 6 Rn. 3). Von den zahlreichen Teilakten des Handeltreibens werden durch den "Vertrieb" nur solche erfasst, die unmittelbar auf Weitergabe gerichtet sind (vgl. auch Schrader NJW 1986, 2874, 2876).

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Auch nach seinem Sinn und Zweck gebietet § 6 Nr. 5 StGB keine andere Auslegung. Vom Schutzzweck her sachgerecht und vom Gesetzgeber erkennbar gewollt ist es, dem Betäubungsmittelhandel, der wegen seiner grenzüberschreitenden Gefährlichkeit auch Inlandsinteressen berührt, durch Anwendung des deutschen Strafrechts auf den Händler entgegenzuwirken, gleich welcher Staatsangehörigkeit er ist und wo er die Tat begangen hat (BGHSt 34, 1, 3). Dies ist für den Auslandbesitz als solchen nicht anzunehmen.

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Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Besitz an Betäubungsmitteln vorliegend mit dessen Vertrieb (hier in Form der Beihilfe zum Handeltreiben) in Tateinheit steht (vgl. insoweit BGH, NStZ 2010, 521). Allein die tateinheitliche Begehungsweise bewirkt nicht, dass eine Tathandlung auch materiell-rechtlich von der anderen erfasst wird.

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3. Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte aber nicht nur der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig, sondern auch der versuchten Durchfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 BtMG (Senat, Beschlüsse vom 20. Juni 2007 - 2 StR 221/07 und vom 7. Mai 2008 - 2 StR 144/08).

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Der Senat hat den Schuldspruch selbst geändert. Beide Taten stehen im Verhältnis der Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1983 - 2 StR 693/83). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, zumal schon die zugelassene Anklage die versuchte Durchfuhr umfasste.

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Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die Kammer hat zwar im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt, dass das Schwergewicht der Tat auf der Beihilfe lag und der daneben verwirklichte Besitz von Betäubungsmitteln die Tat gegenüber anderen Kurierfällen "nicht schwerwiegender erscheinen lässt" (UA S. 11). Der Senat kann gleichwohl nicht ausschließen, dass die Kammer bei veränderten Strafrahmen eine mildere Strafe verhängt hätte.

Fischer                                   Appl                            Berger

                       Krehl                                Ott