Entscheidungsdatum: 04.08.2010
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11. Dezember 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in neun Fällen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft, deren Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt vertreten wird, mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Die Anklage legt dem Angeklagten zur Last, er habe seit Sommer 2005 als Stiefvater der Kinder J. (geboren am 4. Dezember 1997), M. und D. (beide geboren am 8. Oktober 1998) die Abwesenheit der Mutter T., die damals in einer Pizzeria arbeitete, zu sexuellen Handlungen ausgenutzt. Die Strafkammer hat sich nicht die Überzeugung von der Richtigkeit der Vorwürfe bilden können. Sie hat ausgeführt, aus den Angaben der von ihr vernommenen Sachverständigen Dipl. Psych. G. ergebe sich zwar, dass die Zeugen M., D. und J. aussagetüchtig seien. Die Würdigung ihrer Aussagen obliege aber alleine dem Gericht. Die Strafkammer habe einen realen Erlebnisbezug in keiner Aussage feststellen können. Sie habe bei ihrer Prüfung von der Hypothese auszugehen, dass die jeweilige Aussage unwahr sei. Erst wenn die Prüfung der Realkennzeichen ergebe, dass die Hypothese der Unwahrheit mit den Tatsachen nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen sei, könne diese Nullhypothese verworfen werden. Dies sei bei den Aussagen der Zeugen M., D. und J. nicht möglich. Deren Angaben seien inkonstant und detailarm. Sonstige aussagekräftige Beweismittel stünden nicht zur Verfügung.
2. Das Urteil kann wegen Mängeln in der Sachdarstellung und Lücken in der Beweiswürdigung nicht bestehen bleiben.
Zu Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht nicht dargelegt hat, welche Ausführungen die aussagepsychologische Sachverständige Dipl. Psych. G. gemacht hat. Hält der Tatrichter die Zuziehung eines Sachverständigen für erforderlich, so hat er grundsätzlich dessen Ausführungen in einer zusammenfassenden Darstellungwiederzugeben, um dem Revisionsgericht eine Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. BGH, NStZ-RR 1996, 233; NStZ 2007, 538). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Tatrichter dem Gutachter nicht folgt oder wenn dies - wie hier - aus den übrigen Urteilsgründen nicht ersichtlich wird.
Dem werden die Gründe des angefochtenen Urteils nicht gerecht. Sie beschränken sich auf eine bruchstückhafte Wiedergabe der Ausführungen der aussagepsychologischen Sachverständigen in der Hauptverhandlung. Daraus ist auch nicht zu entnehmen, zu welchem Gesamtergebnis ihr Gutachten gelangt ist. Der Hinweis des Landgerichts auf die auch nach Ansicht der Sachverständigen bestehende Detailarmut der Aussagen der Zeuginnen D. nd J. reicht nicht aus, zumal drei Aussagen von unmittelbaren Zeugen des behaupteten jeweiligen Tatgeschehens vorliegen, die in der Gesamtschau unter Umständen die richterliche Überzeugung von der Richtigkeit des jeweiligen Vorwurfes selbst dann begründen könnten, wenn jede für sich genommen dazu nicht ausreicht.
Ferner wäre mitzuteilen und zu erörtern gewesen, wann und auf welche Art und Weise die Kinder sich erstmals zu den Missbrauchsvorwürfen geäußert haben, weil der Aussageentstehung bei der Beweiswürdigung wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. BGHSt 45, 164, 173). Dafür könnte auch das Zeugnis vom Hörensagen der Zeuginnen T. und S. von Bedeutung sein. Mit der Frage der Aussageentstehung hat sich das Landgericht jedoch nicht auseinandergesetzt. Insoweit fehlt es an einer lückenlosen Darstellung und Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände.
Rissing-van Saan Fischer Schmitt
Eschelbach Ott