Entscheidungsdatum: 10.04.2013
1. Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 27. August 2012, soweit es ihn betrifft und er verurteilt worden ist, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechts-mittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Auf die Revisionen der Angeklagten Do. und S. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es sie betrifft,
a) im Ausspruch über die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO dahingehend geändert, dass gegen den Angeklagten Do. wegen eines Geldbetrages in Höhe von 49.470 € und gegen den Angeklagten S. wegen eines Geldbetrages in Höhe von 53.070 € nur deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen;
b) im Ausspruch über die Anordnung von Wertersatzverfall aufgehoben; die Feststellung entfällt.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten Do. und S. werden verworfen.
Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Das Landgericht hat die Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wie folgt verurteilt:
- den Angeklagten Do. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in sieben Fällen (Fälle II. 3-10), davon in einem Fall versucht, und wegen versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren,
- den Angeklagten S. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in sieben Fällen (Fälle II. 3-10), davon in einem Fall versucht, und wegen Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten,
- den Angeklagten D. wegen Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
Im Übrigen hat es festgestellt, dass gegen den Angeklagten Do. wegen eines Geldbetrages in Höhe von 79.405 €, gegen den Angeklagten S. wegen eines Geldbetrages in Höhe von 88.869,92 € und gegen den Angeklagten D. wegen eines Geldbetrages in Höhe von 14.670 € nur deshalb nicht auf Verfall erkannt wird, weil Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Ferner hat es gegen die Angeklagten Do. und S. in Höhe eines Betrages von 10.500 € den Verfall von Wertersatz angeordnet.
Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten D. hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg; auf die ebenfalls erhobene Sachrüge und die weiteren Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht an.
Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten Do. und S. haben mit der Sachrüge den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
I.
Nach den Feststellungen des Landgerichts führten der Angeklagte S. und die gesondert Verfolgten Sc. und R. am 22. Mai 2011 an einem auf Sc. zugelassenen Pkw gezielt Schäden herbei und stellten diese gegenüber der Versicherung als Unfallgeschehen dar, um unberechtigte Versicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Versicherung zahlte an Sc. für die geltend gemachten Reparaturkosten einen Betrag in Höhe von 9.464,92 €, wovon der Angeklagte S. rund 3.600 € erhielt (Fall II. 1). In gleicher Weise führte der Angeklagte Do. im August 2011 zusammen mit dem gesondert Verfolgten K. bewusst einen Schaden an einem in seinem Miteigentum stehenden Pkw herbei, um die Versicherung zur Zahlung der Reparaturkosten zu veranlassen. Da die Polizei die Versicherung über den tatsächlichen Sachverhalt informierte hatte, erfolgte keine Zahlung (Fall II. 2).
Am 18. November 2011 begaben sich die Angeklagten Do. und S. nach M. , um dort Einbruchdiebstähle in Wohnhäuser zu begehen und Geld sowie Wertgegenstände zu entwenden. In Ausführung dessen versuchten sie, durch Aufhebeln einer Tür oder eines Fensters in eine Wohnung in O. zu gelangen (Fall II. 3). Anschließend brachen sie in das Nachbarhaus ein und entwendeten dort Schmuck im Wert von rund 22.825 € (Fall II. 4). Entweder am gleichen oder am folgenden Tag drangen die Angeklagten Do. und S. in ein weiteres Wohnhaus in M. ein und entwendeten Schmuck im Wert von rund 3.280 € (Fall II. 5). Auch am 19. November 2011 verschafften sie sich gewaltsam Zugang zu einem Wohnhaus in M. . Sie erbeuteten Schmuck im Gesamtwert von 18.500 €, Bargeld in Höhe von 1.000 € sowie Uhren und Münzen von nicht näher feststellbarem Wert (Fall II. 6). Zwei Tage später boten die Angeklagten Do. und S. dem Angeklagten D. den in den Fällen II. 4-6 entwendeten Schmuck zum Kauf an. Der Angeklagte D. kaufte den Schmuck zum Gesamtpreis von 10.500 € (Fall II. 7). Der Schmuck der Geschädigten im Fall II. 4 sowie ein Teil des Schmucks der Geschädigten im Fall II. 6 im Wert von 7.110 € wurden in der Folgezeit in einem vom Bruder des Angeklagten D. angemieteten Bankschließfach sichergestellt.
Am 24. November 2011 brachen die Angeklagten Do. und S. in ein Wohnhaus in M. ein und erbeuteten eine Perlenkette im Wert von 100 € (Fall II. 8). Am folgenden Tag drangen sie in das Wohnhaus der Zeugin B. in M. ein und entwendeten Schmuck im Gesamtwert von 33.800 € (Fall II. 9). Anschließend verschafften sie sich gewaltsam Zutritt zu einem weiteren Wohnhaus, aus dem sie einen 50-Schweizer-Franken-Schein entwendeten (Fall II. 10).
II.
Die Revision des Angeklagten D. hat mit der Rüge Erfolg, die Verhandlung habe teilweise in Abwesenheit des notwendigen Verteidigers stattgefunden (§ 338 Nr. 5 StPO).
1. Der Verfahrensrüge liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
In der Hauptverhandlung am 2. August 2012 hat die Strafkammer während der Vernehmung des Zeugen KHK N. auf Antrag beschlossen:
„Für die weitere Befragung des Zeugen durch Rechtsanwalt R. wird dem Angeklagten D. gestattet, insoweit nicht an der Hauptverhandlung teilzunehmen, weil ausschließlich Fragen erörtert werden, die den Angeklagten Do. betreffen.“
Daraufhin verließen der Angeklagte D. und sein alleiniger Verteidiger, Rechtsanwalt Dr. D. , um 14.30 Uhr den Sitzungssaal. Der Zeuge N. erklärte sich weiter zur Sache. Auch der Mitangeklagte Do. machte Angaben zur Sache. Um 14.35 Uhr wurde die Sitzung unterbrochen und um 14.50 Uhr in Anwesenheit des Angeklagten D. und seines Verteidigers mit der weiteren Vernehmung des Zeugen N. fortgesetzt.
2. Die Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Die Revision legt dar, bei welchem Teil der Hauptverhandlung der Angeklagte nicht verteidigt war. Dies genügt den Darlegungserfordernissen. Die Revision musste nicht mitteilen, worüber in Abwesenheit des Verteidigers verhandelt worden war und welche Angaben zur Sache der in seiner Abwesenheit vernommene Zeuge N. und der Mitangeklagte Do. gemacht haben (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1982 - 5 StR 670/82, NStZ 1983, 36; Urteil vom 9. Oktober 1985 - 3 StR 473/84, StV 1986, 287, 288).
3. Die Rüge ist auch begründet, da ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung vor dem Landgericht in Abwesenheit des notwendigen Verteidigers stattgefunden hat (§ 338 Nr. 5 StPO, § 140 Abs. 1 Nr. 1, § 145 StPO).
Wie aus dem Sitzungsprotokoll hervorgeht, war der Angeklagte D. , obgleich es sich um einen Fall notwendiger Verteidigung handelte (§ 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO), während eines Teils der Hauptverhandlung nicht verteidigt. Der Verteidiger des Angeklagten war während seiner Abwesenheit nicht gemäß § 231c StPO beurlaubt. Eine Beurlaubung des Verteidigers war weder beantragt noch von dem Beschluss des Landgerichts, mit dem es die Abwesenheit des Angeklagten während der Befragung des Zeugen N. durch Rechtsanwalt R. genehmigt hat, umfasst.
Während der Abwesenheit des Verteidigers hat der Zeuge N. ausgesagt und sich der Angeklagte Do. zur Sache eingelassen. Die Vernehmung von Zeugen stellt ebenso wie die Einlassung eines Mitangeklagten zur Sache einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung dar (BGH, Urteil vom 29. Juni 1956 - 2 StR 252/56, BGHSt 9, 243, 244; Urteil vom 9. Oktober 1985 - 3 StR 473/84, StV 1986, 287, 288; Meyer-Goßner StPO 55. Aufl. § 338 Rn. 37). Die Rüge scheitert auch nicht daran, dass es denkgesetzlich ausgeschlossen ist, dass das Urteil gegen den Angeklagten auf der Abwesenheit seines Verteidigers während dieses Verhandlungsteils beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10, StV 2011, 650; Urteil vom 28. Juli 2010 - 1 StR 643/09, NStZ 2011, 233, 234). Dies wäre nur dann der Fall, wenn der in Abwesenheit erörterte Verfahrensstoff auch nicht nur mittelbar die gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe berührte und damit keinen auch nur potentiellen Einfluss auf den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch gegen den Angeklagten haben könnte (vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 - 3 StR 462/11, NStZ 2012, 463). Da vorliegend der Zeuge KHK N. zum Nachtatverhalten des Angeklagten D. bei der Durchsuchung des Bankschließfachs Angaben gemacht hat, die das Landgericht ausweislich der Urteilsgründe zu Lasten des Angeklagten D. gewertet hat (UA S. 54), lässt sich schon deshalb nicht ausschließen, dass der Angeklagte von dem in Abwesenheit des Verteidigers stattgefundenen Verhandlungsteil betroffen war.
III.
Die Revisionen der Angeklagten Do. und S. sind mit der Sachrüge begründet, soweit sie sich gegen den Umfang der Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO und die Anordnung von Wertersatzverfall in Höhe von 10.500 € wenden.
1. Die Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO halten nur teilweise rechtlicher Nachprüfung stand.
a) Das Landgericht hat im Fall II. 1 gegen den Angeklagten S. eine Feststellung hinsichtlich der vollständigen Versicherungszahlung in Höhe von 9.464,92 € getroffen. Dies wäre vor dem Hintergrund der mittäterschaftlichen Tatbegehung nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Angeklagte S. den gesamten Betrag entweder selbst erlangt oder zumindest faktische (Mit-)Verfügungsgewalt über ihn erworben gehabt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2008 - 1 StR 166/07, BGHSt 52, 227, 256; Beschluss vom 8. Dezember 2010 - 2 StR 372/10, wistra 2011, 113). Dies war jedoch nicht der Fall, da der Angeklagte S. von der dem gesondert Verfolgten Sc. überwiesenen Versicherungsleistung lediglich einen Betrag von 3.600 € erhalten hat. Teilen Mittäter die Beute indes unter sich, so hat grundsätzlich jeder nur seinen eigenen Anteil aus der Tat erlangt (BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2002 - 1 StR 169/02, NStZ-RR 2003, 10, 11). Die Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 StPO ist daher in Bezug auf den Angeklagten S. um einen Betrag in Höhe von 5.864,92 € zu reduzieren.
b) Da der im Fall II. 4 erbeutete Schmuck im Wert von 22.825 € vollständig sichergestellt und an die Geschädigte herausgegeben wurde, war gemäß § 111i Abs. 2 Satz 4 Nr. 3 i.V.m. § 111k Satz 1 StPO insoweit keine Feststellung gemäß § 111i Abs. 2 Satz 1 StPO zu treffen. Das gleiche gilt im Fall II. 6, soweit ein Teil des Schmucks im Wert von 7.110 € an die Geschädigten herausgegeben wurde. Die Feststellungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO sind daher bezüglich der Angeklagten S. und Do. um einen Betrag in Höhe von jeweils 29.935 € (22.825 € + 7.110 €) herabzusetzen.
2. Soweit das Landgericht gegen die Angeklagten Do. und S. Wertersatzverfall in Höhe von 10.500 € angeordnet hat, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Auch der Wertersatzverfall (§ 73a StGB) ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ausgeschlossen, soweit dem Verletzten aus der Tat ein Ersatzanspruch erwachsen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. März 2002 - 3 StR 9/02). Einer Anordnung in Höhe der von den Angeklagten aus dem Verkauf des gestohlenen Schmucks erlösten 10.500 € stehen daher die Schadenersatzansprüche der geschädigten Diebstahlsopfer entgegen. Dementsprechend wird dieser Betrag wertmäßig von dem hinsichtlich beider Angeklagten getroffenen Feststellungen nach § 111i Abs. 2 StPO mitumfasst. Daraus erhellt, dass durch die vom Landgericht getroffene Anordnung des Wertersatzverfalls den Angeklagten in Höhe von 10.500 € eine doppelte Inanspruchnahme gedroht hätte. Gerade dies will § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB verhindern.
3. Der geringe Teilerfolg der Revisionen gibt keinen Anlass, die Angeklagten von einem Teil der Kosten ihrer Rechtsmittels zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
4. Ergänzend bemerkt der Senat zu der von den Angeklagten Do. und S. erhobenen Beweisantragsrüge:
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts handelt es sich bei dem Antrag auf Vernehmung der an der Observation beteiligten Beamten zu der Beweisbehauptung, die Observation der Angeklagten Do. und S. am 25. November 2011 habe keine Erkenntnisse dahingehend gebracht, dass diese einen Einbruch im Hause in M. verübt hätten oder sich in Richtung dieses Hauses begeben hätten oder aus Richtung dieses Hauses gekommen seien, jedenfalls im zweiten Teil des Beweisthemas um einen Beweisantrag.
Diesen Antrag hat das Landgericht zwar mit fehlerhafter Begründung abgelehnt. Indes beruht das Urteil nicht auf diesem Rechtsfehler, da das Gericht in den Urteilsgründen entsprechend der Beweisbehauptung davon ausgegangen ist, dass die observierenden Beamten keine dahingehenden Beobachtungen gemacht haben (UA S. 41, 45).
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