Entscheidungsdatum: 20.07.2016
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. September 2015
a) in den Fällen 6 und 10 der Urteilsgründe aufgehoben und der Angeklagte insoweit freigesprochen; die diesbezüglichen Kosten des Verfahrens und notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse;
b) im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Von Rechts wegen
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 15 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 13 Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen unter Einbeziehung mehrerer Einzelgeldstrafen aus den Strafbefehlen vom 25. und 28. November 2015 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie angeordnet, dass die mit Strafbefehl vom 28. November 2014 ausgesprochene Einziehung der sichergestellten Schreckschusspistole und des Teleskopschlagstockes aufrechterhalten bleibt. Ferner hat das Landgericht den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 23 Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Im Übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen.
Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
I.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts lebte der Angeklagte bis zum 5. Mai 2015 mit seinen fünf Kindern und deren Mutter, der Zeugin M. , in einer Wohnung in D. . Das Zusammenleben wurde durch mehrere Aufenthalte der Zeugin M. im Frauenhaus unterbrochen, die den gemeinsamen Haushalt zunächst alleine, ab Januar 2014 auch wiederholt mit ihren Kindern verließ.
Unterbrochen durch diese Frauenhausaufenthalte seiner Familie manipulierte der Angeklagte in der Zeit von 1. Januar 2014 bis 3. Mai 2015 in insgesamt 25 Fällen am Penis seines im September 2000 geborenen Sohns J. .
Im gleichen Zeitraum führte er in insgesamt 26 Fällen einen seiner Finger oder sein erigiertes Geschlechtsteil in den Anus des Jungen und in insgesamt drei Fällen auch in den Anus seiner im März 2003 geborenen Tochter Mi. ein.
Dabei vollzog er jeweils mehrfach ein- und ausführende Bewegungen.
2. Im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines minder schweren Falls in den Fällen 2-5, 11-19 und 52-54 der Urteilsgründe sowie der Strafzumessung im engeren Sinne hat das Landgericht zu Gunsten des Angeklagten dessen Teilgeständnis berücksichtigt. Zu Lasten hat es eingestellt, dass er vielfach und zum Teil einschlägig vorbelastet ist und sich auch nach der Verbüßung einer Haftstrafe nicht davon hat abhalten lassen, wieder straffällig zu werden. Darüber hinaus hat das Gericht die in zahlreichen Fällen tateinheitliche Verwirklichung von zwei Straftatbeständen sowie die in den Fällen der analen Penetration hohe Intensität der Tatausführung strafschärfend berücksichtigt, da jeweils wiederholende ein- und ausführende Bewegungen erfolgt seien. Das Landgericht hat daher 17 Einzelstrafen von jeweils vier Jahren und sechs Monaten, 25 Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren und zwölf Einzelstrafen von jeweils einem Jahr verhängt.
Bei Bildung der beiden Gesamtfreiheitsstrafen hat die Strafkammer wiederum das Teilgeständnis zu Gunsten des Angeklagten eingestellt. Zu seinen Lasten hat es berücksichtigt, dass er sich über einen langen Zeitraum zum Nachteil zweier Geschädigter schuldig gemacht habe. Unter Erhöhung der jeweiligen Einsatzstrafe von vier Jahren und sechs Monaten hat die Strafkammer auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren (unter Einziehung der Geldstrafen aus zwei Vorverurteilungen) und eine solche von fünf Jahren erkannt.
II.
1. a) Der Schuldspruch in den Fällen 6 und 10 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Der Angeklagte ist insoweit freizusprechen.
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte seinen Sohn J. zwischen dessen ersten und zweiten Aufenthalt im Frauenhaus in der Zeit vom 13. Februar 2014 bis 1. April 2014 mindestens einmal wöchentlich und damit in mindestens neun Fällen veranlasst habe, zu ihm ins Wohnzimmer zu kommen, sich zu entkleiden und auf der Schlafcouch Platz zu nehmen. Dabei habe er in fünf Fällen einen seiner Finger oder seinen Penis in den Anus des Jungen eingeführt (Fälle 2-6 der Urteilsgründe) und in vier Fällen an dessen Glied manipuliert (Fälle 7-10 der Urteilsgründe).
Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat sich zwar rechtsfehlerfrei davon überzeugt, dass es mindestens einmal wöchentlich zu einem sexuellen Übergriff des Angeklagten auf seinen Sohn kam und dass auch dann, wenn einzelne Wochen aufgrund der Aufenthalte im Frauenhaus um einige Tage verkürzt waren, angesichts des großzügig bemessenen Sicherheitsabschlages noch von einem sexuellen Übergriff in dem verbleibenden Zeitraum auszugehen ist.
Danach ergeben sich aber für den Zeitraum vom 13. Februar bis 1. April 2014 nur rund sechseinhalb Wochen, mithin sieben sexuelle Übergriffe. Unter Zugrundelegung der auf die Angaben des Geschädigten gestützten Überzeugung der Strafkammer, dass es häufiger zur analen Penetration als zur bloßen Manipulation am Glied des Jungen gekommen ist, beruht eine über vier Fälle der analen Penetration und drei Fälle der Manipulation hinausgehende Verurteilung des Angeklagten daher nicht mehr auf einer tragfähigen Beweisgrundlage.
Die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 6 und 10 der Urteilsgründe war aufzuheben. Da der Senat ausschließt, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung des Angeklagten wegen insgesamt neun Fällen in diesem Zeitraum zu tragen vermögen, spricht er den Angeklagten insoweit mit der entsprechenden Kostenfolge frei (§ 354 Abs. 1, § 467 Abs. 1 StPO).
b) Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat im verbleibenden Umfang keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Der Strafausspruch begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Ihm obliegt es, auf der Grundlage seines in der Hauptverhandlung gewonnenen Gesamteindrucks alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte festzustellen, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. In die Strafzumessungsentscheidung des Tatgerichts kann das Revisionsgericht nur eingreifen, wenn sie Rechtsfehler aufweist, weil die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder weil die Strafzumessung – auch unter Berücksichtigung des weiten tatrichterlichen Ermessens – nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden kann. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO vorliegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).
b) Gemessen hieran weist die Strafzumessung des angefochtenen Urteils durchgreifende Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf, die zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs zwingen. Die Ausführungen des Landgerichts zur Strafrahmenwahl wie auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung lassen besorgen, dass das Gericht die erforderliche Gesamtwürdigung nicht in rechtsfehlerfreier Weise vorgenommen hat, weil ein wesentlicher die Tat prägender Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 1993 – 2 StR 127/93, StV 1994, 17).
Das Landgericht hat ersichtlich nicht in seine Bewertung eingestellt, dass die abgeurteilten Taten Bestandteil einer Tatserie waren, weshalb die Hemmschwelle des Angeklagten gesunken sein kann. Werden Taten gleichförmig in Serie begangen, kann sich daraus eine Verminderung des Schuldgehalts der Folgetaten ergeben, wenn auf Grund des inneren Zusammenhangs auf eine herabgesetzte Hemmschwelle geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1991 – 2 StR 130/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 8; Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 581/11, StraFo 2012, 151, 152; Beschluss vom 12. November 2008 – 2 StR 355/08, NStZ-RR 2009, 72). Da die Schuld des Täters in Bezug auf die Einzeltaten durch eine Mehrheit von Taten erhöht werden kann, ist es möglich, auch diesen Umstand schon bei der Bemessung der Einzelstrafe und bei der Erwägung mit in Betracht zu ziehen, ob jeweils ein minder schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; Beschluss vom 6. Juni 1994 – 5 StR 229/94 – juris Rn. 4; Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12 – juris Rn. 23).
Der Senat kann angesichts der Höhe der betroffenen Einzelstrafen nicht ausschließen, dass deren Bemessung auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Senat hebt aber auch die für die ersten Taten verhängten Einzelstrafen auf, um dem neuen Tatrichter eine insgesamt ausgewogene, aufeinander abgestimmte Strafzumessung zu ermöglichen. Dadurch verlieren auch die Aussprüche über die Gesamtstrafen wie auch die Anordnung der Aufrechterhaltung der Einziehung ihre Grundlage.
3. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Bildung der beiden Gesamtstrafen auch für sich genommen rechtlichen Bedenken begegnet. Zwar hat das Landgericht bedacht, dass es sich vorliegend als Zufall darstellt, dass die vom Angeklagten im Rahmen einer Tatserie verwirklichten Straftaten nicht im Wege einer einzigen Gesamtstrafe geahndet werden konnten.
Nötigt aber – wie hier – die Zäsurwirkung einer einzubeziehenden Vorverurteilung zur Bildung zweier Gesamtstrafen, muss das Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebenden Nachteil infolge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Dabei muss es nicht nur darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist, sondern auch erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. November 1995 – 4 StR 650/95, BGHSt 41, 310, 313, vom 14. November 1995 – 4 StR 639/95, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 11, vom 30. Januar 1996 – 1 StR 624/95 – juris Rn. 14 und vom 17. April 2008 – 4 StR 118/08, NStZ-RR 2008, 234; Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 408/14 – juris Rn. 7).
Dem wird das Landgericht mit seiner nur formelhaften Erwägung, es habe "die Gesamtfreiheitsstrafen mit Blick auf das Gesamtstrafübel so weit herabgesetzt, dass insgesamt eine gerechte Bestrafung des Angeklagten erreicht werde" nicht gerecht. Vor dem Hintergrund, dass die höchste verwirkte Einzelstrafe vier Jahre und sechs Monate beträgt, erscheint die Bildung zweier Gesamtstrafen, die in der Summe zwölf Jahre ausmachen, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass mehrere Einzelgeldstrafen aus Vorverurteilungen einbezogen wurden, nicht mehr als schuldangemessen.
4. Sollte der neue Tatrichter erneut eine Gesamtstrafe unter Einbeziehung des Strafbefehls vom 28. November 2014 bilden, weist der Senat auf Folgendes hin:
Der Aufrechterhaltung der in dem einbezogenen Strafbefehl des Amtsgerichts Düren vom 28. November 2014 angeordneten Einziehung einer Schreckschusspistole und eines Teleskopschlagstockes bedarf es nicht. Diese Einziehung ist bereits erledigt, da das Eigentum an den betreffenden Gegenständen mit der Rechtskraft des Strafbefehls nach § 74e StGB auf den Staat übergegangen war (BGH, Beschluss vom 10. August 2010 – 3 StR 286/10 – juris Rn. 4 mwN). Im Tenor des neuen Urteils kann lediglich klar gestellt werden, dass die frühere Verurteilung insoweit erledigt ist (BGH, Beschluss vom 21. April 2005 – 3 StR 112/05 – juris Rn. 8).
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