Entscheidungsdatum: 26.11.2015
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 29. Januar 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Kosten der Wiedereinsetzung trägt der Angeklagte.
2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Untreue in 22 Fällen und des Betrugs in elf Fällen schuldig ist; die im Fall II.14 verhängte Einzelstrafe von zehn Monaten entfällt.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in dreiundzwanzig Fällen und wegen Betrugs in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, eine Adhäsionsentscheidung getroffen und dem Angeklagten für die Dauer von drei Jahren verboten, den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben.
Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist zulässig. Ihm war aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 29. Juni 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision zu gewähren. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
1. Die Annahme zweier tatmehrheitlicher Vergehen der Untreue in den Fällen II. 13 und 14 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte, der als Rechtsanwalt tätig war, das Vertrauen der Geschädigten L. gewonnen und mit ihr vereinbart, sich um ihre finanziellen Angelegenheiten zu kümmern und ihr Vermögen gewinnbringend anzulegen. Am 30. Mai 2012 veranlasste er aufgrund ihm zuvor erteilter Kontovollmachten zwei Überweisungen in Höhe von jeweils 7.500 Euro von dem bei der C. bestehenden Konto der Geschädigten auf sein Geschäftsgirokonto (Fall II. 13) sowie auf sein Privatgirokonto (Fall II. 14) und verbrauchte die Geldbeträge vorgefasster Absicht gemäß für sich. Feststellungen zum exakten Zeitpunkt der Tathandlungen des Angeklagten oder zu den näheren Umständen der Überweisungen hat das Landgericht nicht getroffen.
b) Diese Feststellungen tragen die Annahme zweier tatmehrheitlicher Vergehen der Untreue nicht. Das Landgericht hat nicht erkennbar bedacht, dass angesichts des engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit in Betracht kommen kann. Hätte der Angeklagte mehrere Überweisungsträger jeweils am selben Tag bei der C. Tatentschlusses veranlasst, so läge die Annahme natürlicher Handlungseinheit nahe, auch wenn die Geldbeträge – wie festgestellt – auf verschiedene Konten des Angeklagten überwiesen worden sind (vgl. Senat, Beschluss vom 7. September 2005 – 2 StR 342/05, NStZ 2006, 100; BGH, Beschluss vom 11. September 2014 – 4 StR 207/14, wistra 2015, 17; Beschluss vom 12. Februar 2008 – 4 StR 623/07, NJW 2008, 1394, 1395; für den mehrfachen Einsatz einer entwendeten Kreditkarte an einem Geldautomaten vgl. Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2007 – 2 StR 457/07, wistra 2008, 220 f.).
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, die die Annahme zweier materiell-rechtlich selbständiger Taten tragen könnten. Er ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst ab; § 265 StPO steht nicht entgegen, denn der Angeklagte hätte sich gegen den geänderten Tatvorwurf nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
d) Damit entfällt die für den Fall II. 14 verhängte Einzelstrafe von zehn Monaten. Im Hinblick auf die Einsatzstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten und die Vielzahl und Höhe der verbleibenden Einzelstrafen ist auszuschließen, dass das Tatgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung der Konkurrenzen auf eine niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.
2. Die Überprüfung des Urteils im Übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Erörterung bedarf nur Folgendes:
Es ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht in den Fällen II. 30 bis 34 der Urteilsgründe von einer durch aktives Tun und nicht durch Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) verwirklichten Untreue ausgegangen ist.
Nach den Feststellungen ließ sich der Angeklagte für seine jeweiligen Mandanten bestimmte Gelder auf sein Geschäftsgirokonto überweisen und verwendete diese Gelder in Folge für eigene Zwecke. Er war dabei weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit in der Lage, die entsprechenden Beträge aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren und verwirklichte damit den Tatbestand der Untreue (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 24. Juli 2014 − 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277; Schmidt, NStZ 2013, 498, 500 f.).
Zwar kann der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in einem Unterlassen im Sinne des § 13 StGB liegen, wenn ein Rechtsanwalt den Tatbestand der Untreue allein dadurch verwirklicht, dass er pflichtwidrig seinem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern diese Gelder auf seinem Geschäftskonto belässt und der Vorwurf sich in einem bloßen Vorenthalten der Gelder erschöpft (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juli 1997 – 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357). Tritt zur bloßen Entgegennahme des Geldes ein aktives Tun des Rechtsanwalts hinzu, indem er die Gelder beispielsweise anfordert, sie für eigene Zwecke verwendet oder ihren Eingang auf seinen Geschäftskonten leugnet, liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in aktivem Tun (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191). So liegt es hier. Die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte die Gelder für eigene Zwecke verwendete; in den Fällen II. 30 und 34 verschleierte er gegenüber seinen Mandanten außerdem den Eingang der für sie bestimmten Gelder, hielt sie mit Ausflüchten hin und spiegelte ihnen vor, ein gerichtliches Verfahren müsse eingeleitet werden (Fall II. 30) oder dauere noch an (Fall II. 34).
3. Angesichts des geringen Erfolgs der Revision des Angeklagten scheidet eine Kostenteilung im Rahmen des § 473 Abs. 4 StPO aus.
Appl Eschelbach Ott
Zeng Bartel