Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 14.10.2014


BGH 14.10.2014 - 2 StR 124/14

Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken: Begriff der Abgabe; Vollendung der Tat im Falle einer Versendung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
14.10.2014
Aktenzeichen:
2 StR 124/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Gießen, 13. Dezember 2013, Az: 2 KLs 501 Js 9318/13
Zitierte Gesetze

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 13. Dezember 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken in 47 Fällen, davon in einem Fall tateinheitlich zusammentreffend mit Besitz von Arzneimitteln oder Wirkstoffen im Sinne des Anhangs zu § 6a AMG zu Dopingzwecken im Sport zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und elf Monaten verurteilt und den Verfall von Wertersatz in Höhe von 6076,50 Euro angeordnet.

2

Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

3

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift Folgendes ausgeführt:

"I. Das angefochtene Urteil hält im Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Soweit das Landgericht den Angeklagten in den Fällen II17-40 der Urteilsgründe wegen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport verurteilt hat, tragen die Feststellungen nicht hinreichend sicher die Annahme der Vollendung des Straftatbestandes. Die Strafkammer hat in diesen Fällen auf die Tathandlung der Abgabe an andere abgestellt. Abgabe im Sinne des § 4 Abs. 17 AMG ist die körperliche Übergabe an einen anderen durch den Inhaber der Verfügungsgewalt in einer Weise, dass der Empfänger tatsächlich in die Lage versetzt wird, sich des Arzneimittels zu bemächtigen und mit ihm nach seinen Belieben umzugehen, insbesondere es zu konsumieren oder weiterzugeben (BGH NJW 2014, 325).

Das Landgericht hat die Übertragung der tatsächlichen Verfügungsgewalt in dem Verkauf und anschließenden Versand der Präparate gesehen (UA S. 41). Diese Begründung greift indes zu kurz. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es zur Vollendung der Tat im Falle einer Versendung stets erforderlich, dass das Arzneimittel in den Zugriffsbereich des Adressaten gelangt. Erst dadurch kommt es zu einer Gesundheitsgefährdung, der das Arzneimittelgesetz mit seinen Straftatbeständen begegnen will (so BGH NJW 2014, 325). So liegt nur ein Versuch vor, wenn der Täter ein Arzneimittel verschickt, es aber bei dem Adressaten nicht ankommt, weil Zollbeamte die Sendungen am Zielflughafen der Luftfracht in Empfang genommen und in staatlichen Gewahrsam überführt haben (BGH aaO).

Nach den Feststellungen hat das Amtsgericht Gießen am 5. April 2013 die Postbeschlagnahme gegen den Angeklagten angeordnet, woraufhin das Unternehmen D.   die Sendungsdaten betreffend den Angeklagten zur Verfügung stellte, aus denen hervorging, dass er von Hessen, aber auch von Nordrhein-Westfalen aus an eine Vielzahl von Personen im gesamten Bundesgebiet sowie in Österreich Postpakete verschickte. Mehrere dieser Pakete wurden angehalten, dem Ermittlungsrichter vorgelegt und von diesem geöffnet; der Inhalt bestand jeweils aus Dopingmitteln (UA S. 37). Da in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt wird, um welche Paketsendungen es sich dabei gehandelt hat und ob sie nach Feststellung des Inhalts wieder verschlossen und dem Empfänger zugestellt worden sind, bleibt für die nach dem 5. April 2013 festgestellten verfahrensgegenständlichen Paketsendungen (Fälle II 17-40) offen, ob die Empfänger die tatsächliche Verfügungsgewalt über sie auch erlangt haben.

2. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe geht das Landgericht in den Fällen II 1-48 der Urteilsgründe zudem von der Tathandlung des Vorrätighaltens zum Verkauf aus (UA S. 41). Das angefochtene Urteil hält aber auch unter diesem Gesichtspunkt rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach den zum Betäubungsmittelrecht entwickelten Grundsätzen der Bewertungseinheit bilden das Vorrätighalten zum Verkauf und die aus diesem Verkauf sukzessiv erfolgenden Abgabeakte materiell-rechtlich eine einheitliche Tat. Eine Vorratshaltung würde daher zu Bewertungseinheiten führen und die Konkurrenzverhältnisse verändern (BGHR AMG § 95 Bewertungseinheit 1). Das Landgericht hat sich indes mit der Frage, ob und gegebenenfalls welche Einzelverkäufe aus einer einheitlich erworbenen Gesamtmenge herrühren, nicht auseinandergesetzt. Feststellungen hierzu erscheinen möglich, da Sendungsdaten über die Lieferung von 50 Paketen an den Angeklagten von dem Versandunternehmen L.    - bekannt für die Auslieferung des für die Herstellung von Anabolika erforderlichen Laborbedarfs - ermittelt sind (UA S. 36).

3. Die Verurteilung des Angeklagten im Fall II 49 der Urteilsgründe hat gleichfalls keinen Bestand. Nach den Feststellungen handelte es sich bei den auf der Grundlage des Durchsuchungsbeschlusses vom 20. August 2013 sichergestellten Arzneimitteln jedenfalls zu 90% um ein Vorratslager des Angeklagten zum Verkauf. Die Strafkammer hatte sich daher auch in diesem Fall mit der Frage auseinanderzusetzen, welche zeitlich vorangegangenen Versendungen von Dopingsubstanzen aus diesem sichergestellten Vorrat erfolgt sind (UA S. 37).

II. Die Aufhebung des Schuldspruchs führt zum Wegfall des Rechtsfolgenausspruchs."

4

Der Senat schließt sich diesen zutreffenden Ausführungen an.

Fischer                      Schmitt                       Eschelbach

                  Ott                           Zeng