Entscheidungsdatum: 17.07.2018
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Marburg vom 6. Dezember 2017
a) im Schuldspruch im Fall II. 1 der Urteilsgründe dahingehend geändert, dass der Angeklagte der versuchten besonders schweren sexuellen Nötigung in Tateinheit mit versuchter schwerer Entziehung Minderjähriger, versuchter Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung schuldig ist,
b) im Strafausspruch zu Fall II. 1 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine als Jugendschutzkammer tätige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter sexueller Nötigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes, versuchter Entziehung Minderjähriger, versuchter Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung sowie wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet.
1. Die Verurteilung des Angeklagten begegnet aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift dargelegten Gründen mit Ausnahme der Annahme des (tateinheitlich verwirklichten) versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern im Fall II. 1 der Urteilsgründe keinen rechtlichen Bedenken.
Das Landgericht ist insoweit davon ausgegangen, dass der Angeklagte, der der Nebenklägerin doppelseitiges Klebeband auf den Mund geklebt, sie in sein Auto gezerrt, dort auf die Rückbank verbracht hatte und im Begriff war, davon zu fahren, bereits damit zum sexuellen Missbrauch von Kindern angesetzt hatte, obwohl es ihr gelang, die hintere Tür zu öffnen und das Auto zu verlassen. Dies hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestands unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Erforderlich ist hierfür nicht die Verwirklichung mindestens eines Tatbestandsmerkmals. Genügend ist vielmehr auch ein für sich gesehen noch nicht tatbestandsmäßiges Handeln, soweit es nach der Vorstellung des Täters der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals räumlich und zeitlich unmittelbar vorgelagert ist oder nach dem Tatplan im ungestörten Fortgang ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden soll (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ 2014, 447, 448).
Diese abstrakten Maßstäbe bedürfen angesichts der Vielzahl denkbarer Sachverhaltsgestaltungen der wertenden Konkretisierung unter Beachtung der Umstände des Einzelfalls. Maßgeblicher Orientierungspunkt ist dabei angesichts der Fassung des § 22 StGB die Vorstellung des Täters, d. h. der Tatplan, der über die Abgrenzung zwischen Vorbereitungs- und Versuchsstadium entscheidet.
Gemessen daran lässt sich nicht feststellen, dass der Angeklagte, der mit dem Einsatz von Gewalt bereits ein Tatbestandsmerkmal der sexuellen Nötigung nach § 177 StGB verwirklicht hatte und jedenfalls insoweit in das Versuchsstadium gelangt war, mit der Verbringung der Nebenklägerin in sein Kraftfahrzeug auch bereits zum sexuellen Missbrauch eines Kindes nach § 176a StGB angesetzt hatte. Zwar ist das Landgericht ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die bereits durchgeführten Handlungen der Vorbereitung sexueller Handlungen dienten und der Angeklagte zur Durchführung der eigentlichen Tat fest entschlossen war. Die weitere Annahme der Strafkammer, der Angeklagte habe das Kind „lediglich noch an einen abgelegenen Ort fahren“ wollen, „wo er nach seiner Vorstellung ohne weitere Zwischenakte sogleich den sexuellen, körperlichen Kontakt aufnehmen wollte“, trägt jedoch nicht den Schluss, der Angeklagte habe damit unmittelbar zur Tat angesetzt. Nähere Feststellungen zum Tatplan des die Tat bestreitenden Angeklagten, der sich der Nebenklägerin in W. inmitten eines bewohnten Ortsteils bemächtigt hatte, hat die Strafkammer nicht treffen können. Dass der Angeklagte an einen abgelegenen Ort habe fahren wollen, liegt nahe, lässt aber offen, wo dieser Ort sein sollte und wie lange die Fahrt dorthin dauern würde. Dabei hat die Strafkammer nicht ohne nähere Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten davon ausgehen können, dass der geplante sexuelle Übergriff in unmittelbarer Nähe des Ergreifungsorts stattfinden sollte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Angeklagte weit entfernt in H. seinen Wohnsitz hatte und Feststellungen zu den Ortskenntnissen des Angeklagten zur Umgebung von W. fehlen. Ob die Fahrt zu einem „abgelegenen Ort“ angesichts dessen ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung münden würde, lässt sich anhand der knappen landgerichtlichen Feststellung zur Vorstellung des Angeklagten nicht feststellen. Eine Strafbarkeit wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern ist damit nicht dargetan.
Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter angesichts des die Tat bestreitenden Angeklagten Feststellungen treffen könnte, die den Tatnachweis erbringen könnten. Er lässt deshalb den diesbezüglichen Schuldvorwurf entfallen und ändert den Schuldspruch entsprechend. Dabei greift der Senat die weitergehenden Anregungen des Generalbundesanwalts zur Klarstellung des Urteilstenors im Hinblick auf die Annahme einer versuchten besonders schweren sexuellen Nötigung (statt versuchter sexueller Nötigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs) und einer versuchten schweren Entziehung Minderjähriger (statt versuchter Entziehung Minderjähriger) auf.
2. Die Korrektur des Schuldspruchs im Fall II. 1 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung des Einzelstrafausspruchs in diesem Fall und bedingt den Wegfall des Ausspruchs über die Gesamtstrafe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht, das die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt hat, zu einer geringeren Einzelfreiheitsstrafe gelangt wäre. Insoweit ist auch zu bedenken, dass die Wertung des Landgerichts, beim tateinheitlich verwirklichten Straftatbestand der Entziehung Minderjähriger habe nur noch ein kurzes Zeitmoment bis zur Vollendung gefehlt, jedenfalls nicht unbedenklich erscheint.
Da es sich um einen bloßen Wertungsfehler handelt, können die bisher getroffenen Feststellungen bestehen bleiben. Der neue Tatrichter ist aber nicht gehindert, weitere Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
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