Entscheidungsdatum: 14.07.2010
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Meiningen vom 25. September 2009 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Beihilfe zur Entziehung Minderjähriger jeweils zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Revisionen der Angeklagten, mit denen jeweils die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird, führen zur Aufhebung des Strafausspruchs; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt: Der in Belgien lebende gesondert verfolgte A. beauftragte Anfang Juni 2007 die als Detektive tätigen Angeklagten, seine inzwischen in Deutschland lebende vierjährige Adoptivtochter zu observieren. Hintergrund hierfür war, dass die Kindesmutter sich nach zweijähriger Ehe Ende 2004 von ihm getrennt hatte und mit dem Kind nach Deutschland verzogen war. Seitdem versuchte A., die Rückführung des Kindes nach Belgien gerichtlich durchzusetzen. Ihm war 2006 durch ein belgisches Gericht ohne Kenntnis der Kindesmutter das alleinige Sorgerecht für das Kind übertragen worden. Der Titel war zwar in Deutschland für vollstreckbar erklärt worden, jedoch fehlte es an einer zur gewaltsamen Rückführung des Kindes berechtigenden besonderen gerichtlichen Verfügung gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 FGG a.F. Deshalb weigerten sich die zuständigen Behörden, A. das Kind unter Anwendung von Zwangsmitteln zuzuführen. Zwischenzeitlich hatte die Kindesmutter die Rückübertragung des alleinigen Sorgerechts vor einem deutschen Gericht beantragt. Die Angeklagten rechneten damit, dass eine gewaltsame Wegnahme des Kindes unzulässig ist. Sie entschlossen sich gleichwohl, A. bei der geplanten Entführung des Kindes zu unterstützen. Der Angeklagte N. übersandte A. mit Kenntnis des Angeklagten K. ein Schreiben, in dem er eine mögliche Entführungsstrategie darlegte. Der Angeklagte K. verfasste zudem Anfang Juni 2006 ein Schriftstück, worin er A. um Erteilung eines schriftlichen Auftrags zur Rückführung seiner Tochter bat. Ob es tatsächlich zu einer Auftragserteilung durch A. kam, konnte nicht geklärt werden. Wenige Tage vor der eigentlichen Entführung überführten die Angeklagten im Auftrag von A. einen Mietwagen aus Frankreich. Sie wussten, dass dieser bei einer möglichen Entführung des Kindes Verwendung finden würde. Am 26. Juni 2007 entführten drei unbekannte Täter auftragsgemäß mit diesem Mietwagen das Kind und verbrachten es zu A. nach Belgien. Ob die Angeklagten sich hierunter befanden, konnte nicht geklärt werden. Für ihre Tätigkeiten erhielten die Angeklagten einen Betrag von mindestens 10.400 € von A.
2. Die Strafkammer hat die Angeklagten wegen Beihilfe zu dem Qualifikationstatbestand des § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB (Tatbegehung gegen Entgelt oder in Bereicherungsabsicht) verurteilt. Dies ist rechtlich unzutreffend, da die Angeklagten sich lediglich wegen Beihilfe zu dem Grundtatbestand des § 235 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben. Zwar handelten sie selbst in Bereicherungsabsicht, sie waren jedoch nicht Täter des § 235 Abs. 4 StGB und der Haupttäter A. verwirklichte lediglich den Grundtatbestand des § 235 Abs. 1 StGB. Die Bereicherungsabsicht nach § 235 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 2 StGB stellt ebenso wie die Tatbegehung gegen Entgelt nach § 235 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 1 StGB kein besonderes persönliches Merkmal i.S.v. § 28 Abs. 2 StGB dar, da sie das Tatunrecht kennzeichnet, weshalb die Angeklagten akzessorisch aus dem Strafrahmen des § 235 Abs. 1 StGB haften.
3. Die Strafe des Teilnehmers richtet sich grundsätzlich nach der für die Haupttat geltenden Strafandrohung. § 28 Abs. 2 StGB enthält Ausnahmen von diesem Grundsatz der akzessorischen Teilnehmerhaftung. Die Rechtsprechung folgt mit der noch h.L. der Auffassung, dass § 28 Abs. 2 StGB zu einer Tatbestandsverschiebung führt (BGHSt 6, 308, 311; 8, 205, 208, BGH StV 1994, 17; BGH StV 1995, 84; Lackner/Kühl StGB 26. Aufl. § 28 Rn. 1; Joecks in Münchener Kommentar StGB § 28 Rn. 53; Heine in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 28 Rn. 28; Baumann/Weber/Mitsch Strafrecht Allgemeiner Teil 11. Aufl. § 32 Rn. 28, 35; Jescheck/Weigend Strafrecht Allgemeiner Teil § 61 VII S. 657). Wenn beim Täter oder Teilnehmer besondere persönliche Merkmale vorliegen, die die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, wird die Strafe demzufolge dem strengeren oder milderen Strafrahmen entnommen. Die Rechtsprechung differenziert zwischen täterbezogenen Umständen, die als besondere persönliche Merkmale nach § 28 StGB behandelt werden und tatbezogenen Merkmalen, für die § 28 StGB nicht gilt. Bei den Merkmalen des § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB handelt es sich nicht um besondere persönliche Merkmale i.S.v. § 28 StGB, sondern um tatbezogene Merkmale, die die akzessorische Haftung des Teilnehmers nicht durchbrechen. Dies hat das Landgericht ersichtlich nicht bedacht.
In Anlehnung an die reichsgerichtliche Rechtsprechung bejaht der Bundesgerichtshof die Täterbezogenheit eines Merkmals, wenn es Motive und Gesinnungen betrifft, die die Persönlichkeit des Täters kennzeichnen (BGHSt 22, 375, 378; 23, 39, 40). Dagegen handelt es sich um ein tatbezogenes Merkmal, wenn die "Verwerflichkeit der Tat als solcher" erhöht wird (BGHSt 22, 375, 380) oder das Merkmal das äußere Bild der Tat prägt, indem eine besondere Gefährlichkeit des Täterverhaltens gekennzeichnet (BGHSt 8, 70, 72) oder die Ausführungsart des Delikts beschrieben wird (BGHSt 23, 103, 105; BGH NJW 1994, 271, 272).
Das Merkmal der Tatbegehung gegen Entgelt gemäß § 235 Abs. 4 Nr. 2 Alt. 1 StGB ist tatbezogen, da die Entgeltlichkeit einen die Tat beschreibenden Umstand darstellt.
Soweit ersichtlich, hat die Rechtsprechung noch nicht entschieden, ob die Bereicherungsabsicht i.S.v. § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 StGB darstellt. Die Literatur qualifiziert die Bereicherungsabsicht als tatbezogenes Merkmal mit der Folge, dass § 28 StGB keine Anwendung findet (Roxin in LK 11. Aufl. § 28 Rn. 38; Heine in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 28 Rn. 20; Baumann/Weber/Mitsch Strafrecht Allgemeiner Teil 11. Aufl. § 32 Rn. 11; Kühl Strafrecht Allgemeiner Teil 6. Aufl. § 20 Rn. 159; Stratenwerth/Kuhlen Strafrecht Allgemeiner Teil I 5. Aufl. § 12 Rn. 195 ff.; a.A. Hoyer in SK-StGB 6. Aufl. § 28 Rn. 24 ff.). Dieser Auffassung folgt der Senat. Bei der Bereicherungsabsicht als Absichtsmerkmal handelt es sich um eine überschießende Innentendenz, die in der Regel nicht ein besonderes persönliches Merkmal i.S.v. § 28 StGB, sondern ein tatbezogenes Merkmal darstellt. Grund hierfür ist deren (Delikts)Charakter als erfolgskupiertes Delikt. Die Bereicherungsabsicht erscheint anstelle eines äußeren Merkmals im Tatbestand und stellt damit ein verkapptes Element des äußeren Tatgeschehens dar. Sie ist daher funktionell sachlicher Natur. Durch die bloße Vorverlagerung des Vollendungszeitpunkts kann ein sonst eindeutig tatbezogenes Merkmal (wie die Bereicherung) sich nicht in ein täterbezogenes verwandeln. Hierauf hat der Bundesgerichtshof bereits in seiner Grundsatzentscheidung zur Qualifizierung der niedrigen Beweggründe als besondere persönliche Merkmale i.S.v. § 28 StGB hingewiesen (BGHSt 22, 375, 380).
Der Umstand, dass die Bereicherungsabsicht im Kontext von § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB einen Qualifikationstatbestand darstellt, ändert an der Einordnung als tatbezogenes Merkmal nichts (vgl. Gribbohm in LK 11. Aufl. § 235 Rn. 123). Dementsprechend betrachten Rechtsprechung und h.L. z.B. auch im Rahmen von § 271 Abs. 3 StGB, der das gleiche Qualifikationsmerkmal enthält wie § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB, die Bereicherungsabsicht als tatbezogenes Merkmal (BGH StV 2009, 589, 591; Zieschang in LK 12. Aufl. § 271 Rn. 108; Puppe in NK 3. Aufl. § 271 Rn. 66; Cramer/Heine in Schönke/Schröder StGB 28. Aufl. § 271 Rn. 45; a.A. Hoyer in SK-StGB 6. Aufl. § 271 Rn. 36).
Der Schutzzweck des § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB legt ebenfalls eine Tatbezogenheit seiner Qualifikationsmerkmale nahe. Die Reformierung des Tatbestandes der Entziehung Minderjähriger im Zuge des 6. Strafrechtsreformgesetzes vom 26. Januar 1998 diente insbesondere der Eindämmung des organisierten und kommerziellen Kinderhandels (BT-Drs. 13/8587 S. 23). Sofern die Tathandlung gegen Entgelt oder in Bereicherungsabsicht vorgenommen wird, handelt es sich typischerweise um kommerziellen und professionellen Kinderhandel, was mit einer Erhöhung des Tatunrechts und einer Steigerung der Gefährlichkeit für die durch § 235 StGB geschützten Rechtsgüter einhergeht. Besonders deutlich wird dies bei der Alternative der Tatbegehung gegen Entgelt gemäß § 235 Abs. 4 Nr. 2 StGB. Strafschärfungsgrund ist hier der Umstand, dass die Tat gegen eine Gegenleistung erfolgt. Hierbei handelt es sich, wie bereits oben ausgeführt, zweifelsfrei um einen die Tat beschreibenden Faktor. Nichts anderes gilt auch für die Bereicherungsabsicht.
4. Die Angeklagten haben sich danach lediglich wegen Beihilfe zum Grundtatbestand des § 235 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Da das Landgericht die Strafe dem nicht anwendbaren Qualifikationstatbestand entnommen hat, war der Strafausspruch aufzuheben und die Sache insoweit zurückzuverweisen.
Rissing-van Saan Schmitt Krehl
Eschelbach Ott