Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 23.09.2016


BPatG 23.09.2016 - 2 Ni 48/11 (EP)

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
23.09.2016
Aktenzeichen:
2 Ni 48/11 (EP)
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
nachgehend BGH, 11. Januar 2017, Az: X ZR 94/16, Beschluss

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 644 931

(DE 50 2004 001 963)

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2016 durch den Vorsitzenden Richter Guth, den Richter Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Friedrich sowie die Richterin Dr. Hoppe und die Richter Dipl.-Phys. Dr. rer. nat. Zebisch und Dipl.-Ing. Matter

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent EP 1 0644 931 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Ansprüche 21 bis 23 teilweise für nichtig erklärt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10 zu tragen. Die Kosten der Nebenintervention haben die Klägerin zu 9/10 und die Nebenintervenientin zu 1/10 zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nichtigerklärung des europäischen Patents 1 644 931 (im Folgenden: Streitpatent). Der Beklagte war bei Klageerhebung Inhaber dieses am 17. Juni 2004 angemeldeten Patents, für das die Priorität der europäischen Patentanmeldung 03015888 vom 11. Juli 2003 und des deutschen Gebrauchsmusters 202004003254 U vom 2. März 2004 in Anspruch genommen wird. Das in der Verfahrenssprache Deutsch abgefasste Patent mit der Bezeichnung „Kennzeichnung eines Trägermaterials für zur Wiedergabe bestimmte Informationen“ wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 50 2004 001 963 geführt. Der Beklagte hat den deutschen Teil des Patents nach Eintritt der Rechtshängigkeit der Nichtigkeitsklage auf die Nebenintervenientin übertragen. Die Registerumschreibung ist am 16. September 2011 erfolgt.

2

Das Streitpatent umfasst 23 Ansprüche, von denen die Ansprüche 1 (Verfahren zum individualisierenden Kennzeichnen), 10 (Filmträger), 20 (Gekennzeichneter Träger) und 21 (Verfahren zum Identifizieren) nebengeordnet sind. Die übrigen Ansprüche 2 bis 9, 11 bis 19, 22 und 23 stellen Unteransprüche zu den Ansprüchen 1 bzw. 10 und 21 dar.

3

Anspruch 1 des Streitpatents lautet in der Verfahrenssprache Deutsch (Gliederung eingefügt ohne Änderung des Wortlauts des Anspruchs):

4

M1.1 Verfahren zum individualisierenden Kennzeichnen eines maschinell auslesbaren Filmträgers (10),

5

M1.2 der analoge und digitale Informationen beinhaltet, die in einer kontinuierlichen Abfolge auf dem Filmträger (10) enthalten und zur Wiedergabe bestimmt sind,

6

M1.3 wobei der Träger (10) in einem ersten Abschnitt (20) zur Wiedergabe bestimmte analoge Informationen als redundante sekundäre Informationsquelle und

7

M1.4 in wenigstens einem zweiten Abschnitt (30, 32) zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen als primäre Informationsquelle enthält; und

8

M1.5 wobei im ersten Abschnitt (20) ein Identifizierungs-Code in Form einer den Träger (10) individualisierenden Abfolge örtlich beabstandeter Markierungen (14) ausgebildet wird, der zusammen mit dem ersten Abschnitt (40) auslesbar ist, um die Wiedergabe der im ersten Abschnitt (20) enthaltenen analogen Informationen in einer den Träger (10) individualisierenden Weise zu ändern,

9

M1.6 wobei die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar gemacht werden, um zur Wiedergabe der Markierungen (14) einen Übergang von der primären auf die sekundäre Informationsquelle zu erzwingen.

10

Anspruch 10 des Streitpatents lautet (Gliederung eingefügt ohne Änderung des Wortlauts des Anspruchs):

11

M10.1 Maschinell auslesbarer, individualisierter Filmträger (10)

12

M10.2 für analoge und digitale Informationen, die in einer kontinuierlichen Abfolge auf dem Filmträger (10) enthalten und zur Wiedergabe bestimmt sind,

13

M10.3 wobei auf dem Träger (10) in einem ersten Abschnitt (20) zur Wiedergabe bestimmte analoge Informationen als redundante sekundäre Informationsquelle und

14

M10.4 in wenigstens einem zweiten Abschnitt (30, 32) zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen als primäre Informationsquelle enthalten sind;

15

dadurch gekennzeichnet,

16

M10.5 - dass im ersten Abschnitt (20) ein Identifizierungs-Code in Form einer den Träger (10) individualisierenden Abfolge örtlich beabstandeter Markierungen (14) ausgebildet ist, die zusammen mit den zur Wiedergabe bestimmten Informationen auslesbar ist, um die Wiedergabe der im ersten Abschnitt (20) enthaltenen analogen Informationen in einer den Träger (10) individualisierenden Weise zu ändern,

17

M10.6 wobei die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar sind, um zur Wiedergabe der Markierungen einen Übergang von der primären auf die sekundäre Informationsquelle zu erzwingen.

18

Anspruch 20 des Streitpatents lautet:

19

20.  Gekennzeichneter Träger enthaltend zur Wiedergabe bestimmte Informationen, erhalten durch Kopieren eines Filmträgers (10) nach einem der Ansprüche 10 bis 19.

20

Anspruch 21 des Streitpatents lautet (Gliederung eingefügt ohne Änderung des Wortlauts):

21

M21.1 Verfahren zum Identifizieren eines Filmträgers (10) nach einem der Ansprüche 10 bis 19, umfassend

22

M21.2 - maschinelles Auslesen der auf dem Träger (10) enthaltenen und zur Wiedergabe bestimmten Informationen in einem mit den Markierungen (14) versehenen Bereich des Trägers (10);

23

M21.3 - Auswerten der ausgelesenen Informationen zum Ermitteln der Abfolge von Markierungen; und

24

M21.4 - Identifizieren des Trägers (10) auf der Grundlage der ermittelten Abfolge von Markierungen.

25

Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche wird auf die Patentschrift EP 1 644 931 B1 verwiesen.

26

Der Beklagte und die Nebenintervenientin verteidigen das Streitpatent in vollem Umfang und hilfsweise beschränkt mit Patentansprüchen gemäß den am 16. Juni 2016 eingereichten Hilfsanträgen. Der erste Hilfsantrag HA unterscheidet sich vom erteilten Streitpatent durch die Streichung der erteilten Ansprüche 21 bis 23. Wegen des Wortlauts der weiteren Patentansprüche in den von dem Beklagten und der Nebenintervenientin in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Anträgen HA, A1, A1a, A2, A2a, A3, A3a wird auf die am 16. Juni 2016 überreichten Hilfsanträge Bezug genommen.

27

 Die Klägerin greift das Streitpatent in vollem Umfang an und macht den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend. Zur Stützung ihres Vorbringens nennt sie u.a. folgende Druckschriften:

28

D1 EP 0 574 239 A1

29

D2 WO 94/24 665 A1

30

D3 US 5 400 319 A D4 EP 0 741 382 A1 D5 US 6 259 575 B1

31

D6 DE 37 07 608 A1

32

D7 WO 01/35 163 A1

33

D8 WO 85/02 293 A1

34

D9 DE 694 23 311 T2

35

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Zeitrang der unabhängigen Ansprüche 1 und 10 des Streitpatents der 2. März 2004 sei, weil die Priorität vom 11. Juli 2003 aus der EP 03015888 (D10: EP 1 496 516 A1) zu Unrecht in Anspruch genommen werde. Den Gegenständen nach den Ansprüchen 1 und 10 des Streitpatents fehle es an erfinderischer Tätigkeit gegenüber dem Stand der Technik aus dem Dokument D1 oder dem Dokument D9. Zudem stehe der Patentfähigkeit eine offenkundige Vorbenutzung entgegen. Sie behauptet hierzu, dass die erfindungsgemäße Kodierungsmethode in der Filmverleiherbranche allgemein bekannt gewesen sei. Insbesondere seien diverse Kinofilme ab Juli/ August 2002 entsprechend der Lehre des Streitpatents durch die Firma T… mit dem sogenannten „CompCodingSystem“ kodiert worden. Dementsprechend hätten auch der Beklagte und die Nebenintervenientin vorgerichtlich bzw. im Verletzungsverfahren relevante Vorbenutzungshandlungen ab Oktober 2003 geltend gemacht. Da die Filme nach der Kodierung durch die T… GmbH in den Filmverleih gebracht und in Kinos vorgeführt worden seien, sei die erfindungsgemäße Lehre auch offenkundig geworden. Aufgrund der hohen Anzahl von Kopien habe nämlich eine Vielzahl von Personen, insbesondere Filmvorführer, Spediteure und Lageristen, Kontakt mit den kodierten Filmen bekommen. Die Klägerin meint, dass diese Personen keiner Geheimhaltungspflicht unterlägen und macht insbesondere geltend, dass verschiedene Chats im Internet zeigten, dass die Filmvorführer die Kodierung erkannt und offenbart hätten.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin und die von ihr eingereichten Anlagen Bezug genommen.

37

Die Klägerin beantragt,

38

das europäische Patent 1 644 931 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

39

Der Beklagte und die Nebenintervenientin verstehen die Patentansprüche nach Hauptantrag und Hilfsanträgen jeweils als geschlossene Anspruchssätze und beantragen,

40

die Klage abzuweisen,

41

hilfsweise, das Streitpatent dadurch für nichtig zu erklären, dass seine Ansprüche die Fassung eines der am 16. Juni 2016 überreichten Hilfsanträge HA, A1, A1a, A2, A2a, A3, A3a, in dieser Reihenfolge, erhalten.

42

Der Beklagte hält die Gegenstände des mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen verteidigten Patents für patentfähig. Der druckschriftlich belegte Stand der Technik weise wesentliche Merkmale des Streitpatents nicht auf und lege den Gegenstand des Streitpatents auch nicht nahe. Maßgeblich für die Beurteilung der Patentfähigkeit sei die Priorität der europäischen Patentanmeldung 03015888 vom 11. Juli 2003. Zumindest aber sei eine sechsmonatige Neuheitsschonfrist zu berücksichtigen, weil die Lehre des Streitpatents missbräuchlich offenbart worden sei. Der Beklagte behauptet hierzu, dass die Klägerin den Inhalt eines unstreitig am 17. September 2003 geführten Informationsgesprächs, in dem der Beklagte die Lehre des Streitpatents erläutert habe, entgegen der dabei getroffenen Geheimhaltungsvereinbarung an Dritte offenbart habe.

43

Des Weiteren bestreitet der Beklagte die Vorbenutzung der Lehre des Streitpatents und deren Offenkundigkeit. Er hat hierzu ursprünglich vorgetragen, dass ab Oktober 2003 nahezu alle Filmkopien der Verleiher W…., Centfox, UIP, Sony u.a. erfindungsgemäße Tonkodierungen, mechanisch hergestellt durch die Fa. T… GmbH, enthalten hätten. Später hat er bestritten, dass das patentgemäße Kodierungsverfahren in der Filmbranche vor September/Oktober 2003 bekannt gewesen oder verwendet worden sei. Soweit die von der Klägerin behauptete Vorbenutzung auf die Kodierung der Filme „Herr der Ringe 3“ und „Back to Gaya“, die u. a. Ausgangspunkt der vom Beklagten geltend gemachten Abmahnung vom 12. März 2004 waren, gestützt werde, bestreitet er, dass kodierte Kopien vor dem Prioritätsdatum in den Kinos gezeigt worden seien. An der Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzungen fehle es ohnehin schon deshalb, weil sämtliche in den Filmverleih eingebundene Personen zumindest einer stillschweigend vereinbarten Geheimhaltungspflicht unterlägen.

44

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

45

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

46

Die gegen den bis zur Rechtshängigkeit im Register des Deutschen Patent- und Markenamts als Patentinhaber eingetragenen Beklagten gerichtete Klage, mit der der Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (Artikel 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ i. V. m. Artikel 54 und Artikel 56 EPÜ, Artikel II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG) geltend gemacht wird, ist gemäß § 81 PatG zulässig. Die nach der Rechtshängigkeit erfolgte Übertragung und Umschreibung des Streitpatents auf die Nebenintervenientin hat gemäß § 265 Abs. 2 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG keinen Einfluss auf den Prozess.

II.

47

Die Klage ist teilweise begründet. Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung, die mit dem Hauptantrag verteidigt wird, ist nicht patentfähig, wohingegen die mit dem (ersten) Hilfsantrag HA verteidigte Fassung der Patentansprüche zulässig und ihr Gegenstand auch patentfähig ist.

1.

48

Das Streitpatent betrifft die Individualisierung maschinell auslesbarer Filmträgermaterialien (Vgl. Abs. [0001] des Streitpatents).

49

Bei Filmen sind die zur Wiedergabe bestimmten Informationen auf einem Filmträger enthalten. Bei der Filmvorführung werden diese zur Wiedergabe bestimmten Informationen mittels geeigneter Vorrichtungen, üblicherweise einem Filmprojektor, ausgelesen. Anschließend werden die ausgelesenen Informationen kombiniert optisch und akustisch wiedergegeben (Vgl. Abs. [0002] des Streitpatents).

50

Verschiedene Gegebenheiten im Zusammenhang mit der Handhabung des Filmträgers lassen dessen Kennzeichnung wünschenswert erscheinen. So besteht bei der Produktion der Filmträger häufig das Erfordernis, die Filmträger mit einer individualisierenden Kennzeichnung wie beispielsweise einer fortlaufenden Seriennummer oder einer Chargenbezeichnung zu versehen. Eine derartige Kennzeichnung erleichtert das nachträgliche Ermitteln von Produktionsstätten, Produktionsparametern, Vertriebswegen, usw. (Vgl. Abs. [0003] des Streitpatents). Auch die Herstellung von nicht autorisierten Kopien lässt sich so teilweise nachverfolgen.

51

In der Regel erfolgt das Kennzeichnen des Trägers dadurch, dass beispielsweise eine Seriennummer mittels geeigneter Druck- oder Graviertechniken auf eine Oberfläche des Filmträgers aufgebracht wird. Um die Wiedergabe der Informationen nicht zu beeinträchtigen, wird darauf geachtet, dass die Kennzeichnung beabstandet von denjenigen Bereichen des Filmträgers angebracht wird, welche die zur Wiedergabe bestimmten Informationen beinhalten (Vgl. Abs. [0004] des Streitpatents).

52

In der Praxis hat sich herausgestellt, dass herkömmliche Kennzeichnungen häufig unbeabsichtigt oder auch absichtlich manipuliert werden (Vgl. Abs. [0005] des Streitpatents). Im Stand der Technik sind bereits einige Kennzeichnungsverfahren bekannt.

53

So ist aus der DE 37 07 608 A1 (= D6) ein kombiniertes Ton-/Bildkodierverfahren bekannt. Zur Kodierung im Ton wird wenigstens ein schmalbandiger Frequenzbereich ausgefiltert, um eine Fehlstelle im Frequenzband zu erzeugen. Die Position der Fehlstelle sowie deren Positionsänderung stellen einen Identitätscode für einen Film oder eine Filmkopie dar. Zur Bildkodierung werden in einer Kopiermaschine Kodierzeichen auf eine Filmkopie (Original) aufbelichtet. Dadurch wird es möglich, jeder Filmkopie einen anderen Code (beispielsweise eine fortlaufende Nummerierung) zu geben (Vgl. Abs. [0010] des Streitpatents).

54

In der WO 01/35 163 A1 (= D7) wird ein Verfahren beschrieben, bei dem ein maschinenlesbarer Barcode zwischen den Perforationen und dem Rand eines Filmstreifens angeordnet wird (Vgl. Abs. [0011] des Streitpatents).

55

In der WO 85/02 293 A1 (= D8) wird ein Verfahren erläutert, bei dem ein Markierungssignal auf ein Tonsignal aufmoduliert und das so erhaltene Tonsignal auf einer Tonspur aufgezeichnet wird (Vgl. Abs. [0012] des Streitpatents). Aus der EP 0 574 239 A1 (= D1) ist das dem Patent zugrundeliegende, übliche Filmformat bekannt. Dieses umfasst einen Filmträger für die Bilder des Films und für analoge und digitale Informationen, die in einer kontinuierlichen Abfolge auf dem Filmträger enthalten und zur Wiedergabe bestimmt sind, wobei auf dem Filmträger in einem ersten Abschnitt zur Wiedergabe bestimmte analoge Informationen als redundante sekundäre Informationsquelle und in wenigstens einem zweiten Abschnitt zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen als primäre Informationsquelle enthalten sind (Vgl. Abs. [0013] des Streitpatents). Es handelt sich bei der primären Informationsquelle um ein digitales und bei der sekundären Informationsquelle um ein analoges Tonsignal des Films.

2.

56

Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, einen verbesserten Ansatz zum Kennzeichnen eines maschinell auslesbaren Filmträgers anzugeben, der zur Wiedergabe bestimmte Informationen beinhaltet (Vgl. Abs. [0014] des Streitpatents).

3.

57

a) Der für die Beurteilung der Patentfähigkeit maßgebliche Zeitrang der Patentansprüche des Patents in der erteilten Fassung ist der 2. März 2004.

58

Das Verfahren des Anspruchs 1 und der Filmträger des Anspruchs 10 enthalten beide das Merkmal, dass die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar gemacht werden bzw. sind, um zur Wiedergabe der Markierungen einen Übergang von der primären auf die sekundäre Informationsquelle zu erzwingen (Merkmal M1.6 bzw. M10.6). Diese Maßnahme ist in der EP-Anmeldung 03015888 vom 11. Juli 2003 (D10: EP 1 496 516 A1) an keiner Stelle offenbart. So fehlt in dieser Anmeldung die Fig. 4 des Streitpatents und die mit ihr verbundene Beschreibung, die die Erfindung des Streitpatents beispielhaft darstellt.

59

Anders ist dies im deutschen Gebrauchsmuster DE 20 2004 003 254 U1. Dort wird der unter Anspruch 10 des Streitpatents beanspruchte Filmträger in Zusammenhang mit Fig. 4 in den Absätzen [0056] bis [0060] beschrieben und in Zusammenhang mit den Ansprüchen 1, 15, 16 und 17 auch beansprucht. Das Verfahren des Anspruchs 1 ergibt sich damit analog aus diesen Stellen.

60

Der Zeitrang der übrigen Ansprüche ergibt sich auf Grund der Rückbezüge identisch zu dem der Ansprüche 1 und 10. Dies gilt auch für den nebengeordneten Anspruch 21. Anspruch 21 ist in der EP-Anmeldung 03015888 vom 11. Juli 2003 (D10 = EP 1 496 516 A1) nahezu wortgleich als Anspruch 16 enthalten. Im Streitpatent geändert sind lediglich der Rückbezug und die Beschränkung auf Filmträger. Während das zweite sich aber bereits aus Fig. 3 und der zugehörigen Beschreibung der EP-Anmeldung 03015888 ergibt, hat die Änderung des Rückbezugs in der Zweckangabe (Merkmal M21.1.) Folgen, was sofort ersichtlich wird, wenn man vergleicht, welche Verfahren den jeweiligen Ansprüchen entgegengehalten werden können. So sei angenommen, dass ein Verfahren zum Identifizieren eines Trägers bekannt sei, das nur für eine intakte digitale Information geeignet ist, nicht jedoch für eine nicht lesbare digitale Information. Diese könnte dem in Anspruch 16 der angeblich prioritätsbegründenden EP-Anmeldung 03015888 beanspruchten Verfahren entgegengehalten werden, nicht jedoch dem Anspruch 21 des Streitpatents, da die beanspruchte Eignung fehlt. Dies macht deutlich, dass die beanspruchte Eignung in der EP-Anmeldung 03015888 nicht offenbart ist.

61

Das Verfahren des Anspruchs 21 des Streitpatents ist allerdings in dem ebenfalls prioritätsbegründenden deutschen Gebrauchsmuster DE 20 2004 003 254 U1 in den Abs. [0028] und [0029] ursprünglich offenbart, da diese sich auch auf Träger bezieht, welche nicht auslesbare digitale Informationen im Bereich der Markierungen enthalten (Vgl. Abs. [0022] bis [0024]).

62

Im Ergebnis ist damit nicht nur die im Streitpatent als Priorität genannte Anmeldung EP 03015888 vom 11. Juli 2003 zu Unrecht in Anspruch genommen worden, sondern die zugehörige Offenlegungsschrift (D10 = EP 1 0496 516 A1) ist auch eine nachveröffentlichte ältere Anmeldung, die gemäß Art. 54 Abs. 3 EPÜ bei der Beurteilung der Neuheit zu berücksichtigen ist.

63

b) Die in Art. 55 Abs. 1 EPÜ vorgesehene sechsmonatige Neuheitsschonfrist, die ausgehend vom Anmeldetag zurückzurechnen wäre (näher zum Rückrechnungszeitpunkt BGH GRUR 1996, 349 – Corioliskraft; EPA G 2/99 und G 3/98, Abl. 2001, 83, Ls und Nr. 2; vgl. Singer, EPÜ, 7. Aufl., Art. 55 Rd. 8; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 3 Rd. 185 m. w. N.), ist vorliegend nicht zu berücksichtigen. Der Beklagte hat die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme dieser Schonfrist nach Art. 55 Abs. 1 a) EPÜ nicht bewiesen.

64

Ein Missbrauch im Sinne von Art. 55 Abs. 1 a) EPÜ kann vorliegen, wenn ein Dritter in Kenntnis seiner Nichtberechtigung unter Inkaufnahme eines Nachteils für den Erfinder oder unter Verletzung eines Vertrauensverhältnisses handelt (Singer, EPÜ, 7. Aufl., Art. 55 Rd. 15). Der Beklagte hat zwar behauptet, dass die Klägerin entgegen der vereinbarten Vertraulichkeit die in dem Gespräch am 17. Juni 2003 offenbarten Informationen über die Lehre des Streitpatents an Dritte offenbart habe. Ungeachtet der Frage, ob der zugehörige Vortrag überhaupt hinreichend substantiiert ist, hat er diese Behauptung aber jedenfalls nicht unter Beweis gestellt, obwohl es ihm oblegen hätte, eine lückenlose Kette der Wissensvermittler darzulegen und nachzuweisen (vgl. BPatG GRUR 1978, 637 – Lückenlose Kette, Schulte, PatG, 9. Aufl., § 3 Rd. 188; Busse, PatG, 7. Aufl., § 3 Rd. 181; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 3 Rd. 403).

65

Das ist notwendig, weil sich der Regelungsgehalt der Vorschrift nach seinem Wortlaut sowie Sinn und Zweck darauf beschränkt, die Fälle zu erfassen, in denen die Vorbenutzung auf die Erfindung des Anmelders zurückgeht (vgl. zu § 3 PatG: Schulte, PatG, 9. Aufl., § 3 Rd. 188). Allein der Umstand, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten zunächst Interesse an einer Kodierung bekundet hat und kurze Zeit später in der E-Mail vom 10. Oktober 2003 (Anlage B 5) von einer Beauftragung des Beklagten mit Kodierungen Abstand genommen hat, besagt jedoch nichts darüber, ob und wie das in dem Gespräch vom 17. September 2003 vermittelte Wissen von der Klägerin an Dritte gelangt sein soll. Da ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Untersuchungsprotokolle (Anlage B 4) die ursprünglich von der T… GmbH eingesetzte Kodierungstechnik unzureichend war, erscheint es zumindest nicht fernliegend, dass die T… GmbH ihrerseits ebenfalls ein neues Kodierungssystem entwickelt und vermarktet hat. Vor diesem Hintergrund lässt der vom Beklagten behauptete chronologische Verlauf der Geschehnisse nicht den Rückschluss zu, dass die Klägerin die in dem Gespräch vermittelten Kenntnisse an die T… GmbH weitergegeben hat und führt auch nicht zur Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises oder einer Beweislastumkehr (vgl. dazu auch Zöller, ZPO, 11. Aufl., Vor § 284 Rd. 34 ff.; Schulte, PatG, 9. Aufl., Einleitung Rd. 145). Der Beklagte befindet sich auch nicht in Beweisnot, da ihm die Teilnehmer des Gesprächs vom 17. September 2003 bekannt sind, und er diese als Zeugen für die von ihm behauptete unbefugte Weitergabe der Erfindung hätte benennen können, um eine lückenlose, unbefugte Wissensvermittlung nachzuweisen.

4.

66

Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung, die mit dem Hauptantrag als geschlossener Anspruchssatz verteidigt wird, ist nicht patentfähig, weil Patentanspruch 21 im Hinblick auf die mit der Druckschrift D10 offengelegte nachveröffentlichte ältere Anmeldung EP 03015888 vom 11. Juli 2003 nicht neu ist.

67

Diese Druckschrift gehört zu dem zu berücksichtigenden Stand der Technik, weil das Streitpatent – wie oben dargelegt – die Priorität der zugehörigen Patentanmeldung EP 03015888 nicht rechtswirksam in Anspruch nehmen kann.

68

Die Druckschrift D 10 zeigt in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 21 des Streitpatents ein

69

Verfahren zum Identifizieren eines Filmträgers (Vgl. Abs. [0045]: „Nachfolgend wird ein Verfahren zum Identifizieren eines der unter Bezugnahme auf die Fig. 1 bis 3a erläuterten Träger näher ausgeführt.“, wobei Fig. 3a einen Filmträger zeigt; zu Merkmal M21.1, vgl. auch Anspruch 16), umfassend

70

- maschinelles Auslesen der auf dem Träger (Zelluloid-Film 10 in Fig. 3a) enthaltenen und zur Wiedergabe bestimmten Informationen in einem mit den Markierungen (Markierungen 14) versehenen Bereich des Trägers (10, Vgl. Abs. [0046]: „Wurden die Toninformationen aus einem mit den Markierungen versehenen Bereich des Trägers ausgelesen,…“; zu Merkmal M21.2);

71

- Auswerten der ausgelesenen Informationen zum Ermitteln der Abfolge von Markierungen (Vgl. Abs. [0046]: „…, werden diese Informationen unmittelbar oder nach deren Wiedergabe und akustischen Erfassung einer Spektralanalyse in einem Spektral-Analysator unterzogen.“; zu Merkmal M21.3); und

72

- Identifizieren des Trägers (10) auf der Grundlage der ermittelten Abfolge von Markierungen (Vgl. Abs. [0048]: „Obwohl die Abfolge von Markierungen in dem ausgelesenen Tonsignal für ein Publikum nicht oder kaum wahrnehmbar ist, kann mittels geeigneter Verfahren die Abfolge von Markierungen somit jederzeit ermittelt und der vorliegende Träger eindeutig identifiziert werden.“; zu Merkmal M21.4).

73

Zudem ist das in den Absätzen [0045] bis [0048] in Zusammenhang mit der Fig. 3a beschriebene Verfahren auch zum Identifizieren eines Filmträgers nach Anspruch 10 des Streitpatents geeignet. So zeigt Fig. 3a keine digitale Tonspur. Es muss mit den vorhandenen Informationen, also den Bildern und der analogen Lichttonspur (Lichttonspur 20), arbeiten. Diese beiden sind aber auch, wie Fig. 4 der Streitpatentschrift zeigt, bei einem Ausführungsbeispiel des Gegenstands des Anspruchs 10 des Streitpatents vorhanden. Damit wird das in Druckschrift D10 offenbarte Verfahren auch bei einem Filmträger, wie er in Anspruch 10 des Streitpatents beansprucht und in Fig. 4 des Streitpatents gezeigt wird, arbeiten, da es für das offenbarte Verfahren keine Rolle spielt, ob eine digitale Tonspur vorhanden und intakt, fortgelassen und damit stellenweise oder global nicht vorhanden, oder zwar vorhanden aber nicht auslesbar ist. Es besteht somit die im Merkmal M21.1 des Streitpatents beanspruchte Eignung.

74

Mit Anspruch 21 des Hauptantrags fallen auch die weiteren Patentansprüche des erteilten Patents. Indem der Beklagte und die Nebenintervenientin erklärt haben, dass sie die Ansprüche in dem Hauptantrag und in den Hilfsanträgen jeweils als abgeschlossene Anspruchssätze betrachten, haben sie zum Ausdruck gebracht, dass sie das angegriffene Streitpatent in dieser Form nur insgesamt aufrechterhalten möchten.

5.

75

Die Klage ist unbegründet soweit die Nichtigerklärung des Streitpatents auch in der Fassung der Patentansprüche, die mit dem Hilfsantrag HA vom 16. Juni 2016 verteidigt wird, begehrt wird. Diese Fassung der Patentansprüche ist zulässig, und ihr Gegenstand ist patentfähig.

76

a) Die beschränkte Verteidigung des Streitpatents mit Hilfsanträgen ist rechtlich schon deshalb möglich, weil sie vorliegend sowohl durch den Beklagten als auch durch die Nebenintervenientin als nunmehr materiell-rechtlich befugter Patentinhaberin erfolgt (zur Zulässigkeit beschränkter Verteidigung durch den materiell-rechtlich nicht mehr berechtigten Patentinhaber siehe BGH GRUR 2009, 42 – Multiplexsystem).

77

b) An der Zulässigkeit des Hilfsantrags HA bestehen keine Bedenken, weil er sich in einer Streichung der erteilten Patentansprüche 21 bis 23 erschöpft.

78

c) Der Gegenstand der mit dem Hilfsantrag HA vom 16. Juni 2016 begehrten Patentansprüche 1 bis 20 ist gegenüber dem vorbekannten, öffentlich zugänglichen Stand der Technik neu und erfinderisch.

79

Zu dem für die Neuheitsprüfung zu berücksichtigenden Stand der Technik zählen alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang des Streitpatents maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind (BGH NJW-RR 1999, 834, 835 – Herzklappenprothese; Singer, EPÜ, 7. Aufl., Art. 54 Rd. 21).

80

aa) Der druckschriftlich belegte Stand der Technik steht der Patentfähigkeit der Gegenstände der Patentansprüche nach dem Hilfsantrag HA nicht entgegen.

81

Das Verfahren des Anspruchs 1 sowie die Gegenstände der Ansprüche 10 und 20 sind neu und sie ergeben sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem druckschriftlich belegten Stand der Technik. Die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 10 sind insbesondere im Hinblick auf den sich aus den Druckschriften D1 oder D9 unter Hinzuziehen der Druckschrift D6 ergebenden Stand der Technik erfinderisch.

82

Druckschrift D1 offenbart in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Anspruchs 10 einen

83

maschinell auslesbaren Filmträger (vgl. Fig. 2 und S. 3, Z. 1 bis 3: „The invention relates to methods and apparatus for reading photographically recorded digital audio signals. In one embodiment the method and apparatus of the invention reads multiple digital and analog audio soundtracks photographically recorded on motion picture film.”, zu Merkmal M10.1)

84

für analoge (analog sound) und digitale Informationen (digital soundtrack areas A, B, C), die in einer kontinuierlichen Abfolge auf dem Filmträger (motion picture film 20) enthalten und zur Wiedergabe bestimmt sind (vgl. Fig. 2 und S. 5, Z. 35 bis 40: „…, with an analog soundtrack between the two digital soundtracks “B“ and “C.““, zu Merkmal M10.2),

85

wobei auf dem Träger (20) in einem ersten Abschnitt (analog sound) zur Wiedergabe bestimmte analoge Informationen als redundante sekundäre Informationsquelle (vgl. S. 5, Z. 8 bis 17: „In a preferred embodiment, four analog channels read by analog optical reader 18 represent the same soundtrack (represented by digital audio bits in digital soundtrack areas of the film) that is read by digital optical read head 12.“, zu Merkmal M10.3) und

86

in wenigstens einem zweiten Abschnitt (A, B, C) zur Wiedergabe bestimmte digitale Informationen als primäre Informationsquelle enthalten sind (vgl. die bereits angezogene Stelle S. 5, Z. 8 bis 17, zu Merkmal M10.4).

87

Damit ist aus Druckschrift D1 der Oberbegriff des Anspruchs 10 bekannt. Da Druckschrift D1 jedoch keine Kennzeichnung des Filmträgers beschreibt, sind die Merkmale M10.5 und M10.6 in Druckschrift D1 nicht gegeben.

88

Druckschrift D9 offenbart ebenfalls den Oberbegriff des Anspruchs 10 (vgl. Fig. 1 i. V. m. dem Text, siehe insbesondre die analogen Tonspuren 4L und 4R und die digitalen Tonspuren 5L und 5R). Doch auch sie beschreibt keine Kennzeichnung des Filmträgers.

89

Eine Kennzeichnung, nämlich ein Kodierverfahren gegen Video- und Audioraubpiraterie, beschreibt die Druckschrift D6 (vgl. die Bezeichnung). Die Kodierung kann dabei sowohl im Bildsignal als auch im Tonsignal erfolgen (vgl. Anspruch 3) und kann individualisierend ausgeführt werden (vgl. Anspruch 19: „Dadurch wird es möglich, jeder Film-Kopie einen anderen Code, z. B. mit fortlaufender Nummerierung zu geben, indem man lediglich die Steuerbefehle an den Kodiereinsatz ändert.“). Als Kennzeichnung werden dabei das Einblenden von Zeichen (vgl. Ansprüche 15 und 16) in das Bildsignal und Fehlstellen im Frequenzband beim Tonsignal (vgl. Anspruch 14) vorgeschlagen.

90

Ausgehend von entweder der Druckschrift D1 oder der Druckschrift D9 liegt es für den Fachmann zwar nahe, das in Druckschrift D6 beschriebene Kodierverfahren auch auf die dort beschriebenen Filmträger anzuwenden, um so der Videopiraterie entgegenzuwirken, und betrachtet man den Bildbereich des Filmträgers als Bestandteil des die analoge Information enthaltenden ersten Abschnitts, so führt die in Druckschrift D6 vorgeschlagene Bildkodierung durch das Einblenden von Zeichen zum zusätzlichen Merkmal M10.5. Auf das Merkmal M10.6, nämlich das „stellenweise Fortlassen und/oder nicht auslesbar machen der digitalen Informationen“, um zur Wiedergabe der Markierungen einen Übergang von der digitalen auf die analoge Informationsquelle zu erzwingen, gibt es mangels eines digitalen Bildsignals jedoch keinen Hinweis.

91

Wird das in der Druckschrift D6 für das Tonsignal vorgeschlagene Verfahren auf das Tonsignal in entweder der Druckschrift D1 oder D9 angewandt, so ergibt sich wiederum das Merkmal M10.5. So führt der Vorschlag, geringe Frequenzbereiche aus dem Tonsignal herauszufiltern und die Lage dieser Fehlstellen im Frequenzband im ablaufenden Film zu verändern (vgl. Patentanspruch 14), dazu, dass eine individualisierende Abfolge örtlich beabstandeter Markierungen – dies sind die Fehlstellen im Frequenzband – ausgebildet ist, die zusammen mit den zur Wiedergabe bestimmten Informationen, also dem Tonsignal, auslesbar ist, um die Wiedergabe der Informationen in einer den Träger individualisierenden Weise zu ändern. Dabei wird der Fachmann allerdings sowohl den Analogton als auch den Digitalton in derselben Weise ändern und damit kodieren. Dies bedeutet, dass er den Digitalton keinesfalls, wie im Merkmal M10.6 beansprucht, stellenweise fortlassen oder nicht auslesbar machen wird, denn er ist lediglich am Abspielen des kodierten Tonsignals interessiert, was aber in derselben Weise sowohl mit dem Digitaltonsignal als auch mit dem Analogtonsignal erfolgen kann. Einen Hinweis darauf, eine Maßnahme zu ergreifen, die einen eigentlich unerwünschten Übergang von der digitalen Informationsquelle, also dem Digitalton, auf die analoge Informationsquelle, also den Analogton erzwingen würde, gibt es auch beim Tonsignal demnach nicht.

92

Damit ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 10 nicht aus der Kombination der Lehre der Druckschrift D1 oder D9 mit der der Druckschrift D6.

93

Auch die Lehren der übrigen Druckschriften legen weder für sich noch in Kombination mit den anderen Druckschriften den in Anspruch 10 beanspruchten Gegenstand nahe.

94

So beschäftigt sich Druckschrift D2 mit der Kennzeichnung von CDs. Das dabei verwendete Verfahren ist für die Aufzeichnungsmethode von CDs spezifisch und nicht auf Filmträger übertragbar. Zudem enthält eine CD keine redundante analoge Information, so dass das Merkmal M10.6 für CDs ausgeschlossen ist.

95

Die Druckschriften D3, D4 und D5 beschäftigen sich ebenfalls mit der Kennzeichnung von CDs oder DVDs, doch auch hier gibt es keinen Hinweis auf das Merkmal M10.6.

96

Druckschrift D7 beschreibt dagegen die Kennzeichnung eines Filmträgers. Bei der Kennzeichnung handelt es sich jedoch um eine Kennzeichnung vor dem Entwicklungsprozess, die das Verarbeiten und Schneiden des Films erleichtern soll. Dabei ist die Kennzeichnung bereits vor der Entwicklung des Films lesbar. Einen Hinweis auf das Merkmal M10.6 gibt es auch hier nicht.

97

Druckschrift D8 beschäftigt sich wiederum mit einer Kennzeichnung, die der Videopiraterie entgegenwirken soll. Hierbei wird vor allem jedoch nicht ausschließlich an Magnetbänder, also Bänder für Videorekorder gedacht. Zwar werden Markierungen im Ton vorgenommen, doch gibt es auch in dieser Schrift keinen Hinweis auf das Merkmal M10.6.

98

Für das Verfahren des Anspruchs 1 gilt wegen der zu den Merkmalen des Anspruchs 10 analogen Merkmale dasselbe, nämlich dass auch das dort beanspruchte Verfahren durch die Druckschriften D1 bis D9 nicht nahegelegt wird.

99

Auch der Gegenstand des Anspruchs 20 wird durch die Druckschriften D1 bis D9 nicht nahegelegt, denn wenn der Filmträger des Anspruchs 10 nicht nahegelegt wird, so ist auch ein durch Kopieren daraus erhaltener gekennzeichneter Träger nicht nahegelegt.

100

bb) Die Patentfähigkeit der erfindungsgemäßen Lehre nach den Patentansprüchen in dem Hilfsantrag HA ist auch nicht wegen einer offenkundigen Vorbenutzung zu verneinen. Insoweit kann dahinstehen, ob überhaupt eine Vorbenutzung stattgefunden hat, denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, würde die durch diese offenbarte Lehre nicht zum Stand der Technik im Sinne von Art. 54 Abs. 2 EPÜ zählen, weil nicht beliebige Personen von der Lehre Kenntnis nehmen konnten.

101

Die Darlegungs- und Beweislast für den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund - vorliegend für die fehlende Patentfähigkeit – trägt die Nichtigkeitsklägerin (BGH NJW-RR 1999, 834, 836 – Herzklappenprothese). Dies umfasst auch die Notwendigkeit zur Darlegung und ggf. zum Beweis des Umstands, dass eine bestimmte Information durch offenkundige Vorbenutzung öffentlich zugänglich war (Schulte, PatG, 9. Aufl., § 3 Rd. 31; Busse, PatG, 7. Aufl., § 3 Rd. 193).

102

Die Klägerin hat behauptet, dass die Firma TS Provide seit Oktober 2003 den Ton verschiedener Filme nach der Lehre des Streitpatents kodiert habe, und diese Filme danach in den Filmverleih gelangt seien. Dadurch seien sowohl die Filme selbst als auch die darauf befindliche Tonkodierung einer Vielzahl von Personen, insbesondere Filmvorführern, Spediteuren und Lageristen, zugänglich gemacht worden. Der Beklagte hat den Vortrag der Klägerin bestritten. Insoweit kann dahinstehen, ob der Beklagte in zulässiger Weise nur die Offenkundigkeit oder auch die Kodierung an sich bestreiten konnte, nachdem er zunächst behauptet hatte, dass ab Oktober 2003 alle Filmkopien der Klägerin und anderer Verleiher patentgemäß kodiert worden seien. Selbst wenn man unterstellt, dass eine Benutzung der patentgemäßen Lehre durch die Kodierung von Kinofilmen stattgefunden hat oder dass diese Benutzung zumindest im Hinblick auf einzelne Filme (die Gegenstand einer Abmahnung vom 12. bzw. 31. März 2004 (Anlage NK23 (Bl. 88 d. A.), NK30/NK23a (Bl. 269 d. A.) waren) nicht bzw. nicht in zulässiger Weise bestritten wurde, hat die Klägerin jedenfalls nicht hinreichend substantiiert zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung vorgetragen.

103

Eine Information ist der Öffentlichkeit zugänglich, wenn auch nur ein Mitglied der Öffentlichkeit die Möglichkeit hatte, die Information zu erlangen und zu verstehen und wenn keine Geheimhaltungspflicht bestand (Singer, EPÜ, 7. Aufl., Art. 54 Rd. 21). Hierzu muss die technische Lehre so zugänglich gemacht worden sein, dass ein hinreichend Fachkundiger ausreichende Kenntnis von dem vorbenutzten Gegenstand und dessen Eigenschaften erhalten konnte und die Weiterverbreitung des auf diese Weise erlangten Wissens von der Erfindung an beliebige Dritte nach der Lebenserfahrung nahegelegen hat oder doch wenigstens nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BGH GRUR 2013, 367 Rd. 20 – Messelektronik für Coriolisdurchflussmesser; BGH X ZR 132/13, Ziffer III d) bb) – Drahtlegekopf; BGH GRUR 1996, 747, 752 – Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 3 Rd. 77). Das kann jede Handlung sein, die ihrer Art nach geeignet ist, den Erfindungsgedanken erkennbar werden zu lassen (Schulte, PatG, 9. Aufl., § 3 Rd. 20). Hierzu gehört die objektive Möglichkeit, dass zumindest Fachleute das Wesen der Erfindung erkennen und mit ihrem Fachwissen die technische Lehre ausführen können (BGH GRUR 1997, 892, 895 f. – Leiterplattennutzen; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 3 Rd. 32; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 3 Rd. 157).

104

(1) Das von der Klägerin behauptete Aufführen erfindungsgemäß kodierter Filme in Kinos hätte zwar den Inhalt der Kinofilme und damit auch eventuell wahrnehmbare Tonstörungen für das – nicht an Geheimhaltungspflichten gebundene – Kinopublikum offenbart. Dies ist indes nicht gleichzusetzen mit der Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre. Die erfindungsgemäße Lehre war nämlich – auch für den Fachmann – nicht allein durch akustische Wahrnehmung erkennbar und damit erst recht nicht nacharbeitbar. Erstens ist nicht zu erwarten, dass ein Fachmann den Zusammenhang zwischen dem Spurwechsel und den zeitlich erst nachfolgenden Tonstörungen als Kodierungsmaßnahme erkennen konnte. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Tonstörungen und demzufolge auch der damit verbundene automatische Wechsel von der Digital- auf die Analogspur aufgrund von Störungen oder Verunreinigung der Spuren bei Kinofilmen häufig vorkommen und daher seinerzeit keine Veranlassung gegeben haben, von einer bewussten Manipulation des Filmträgers zum Zwecke der Kodierung auszugehen. Zweitens waren die Merkmale M1.6. und M10.6 mangels Zugänglichkeit der Filme und Vorführgeräte für die Zuschauer nicht erkennbar. Auch die von der Klägerin vorgelegten E-Mails und Chats (vgl. z. B. NK36 S. 1; NK19 S. 2, 3) belegen, dass in den Jahren 2003/2004 selbst für Personen, die über die akustische Wahrnehmung hinausgehend auch tatsächlichen Zugriff auf die Filmträger hatten und diese somit in Augenschein nehmen konnten, nicht erkennbar war, wie genau die erfindungsgemäße Kodierung funktioniert hat.

105

(2) Die öffentliche Zugänglichkeit der erfindungsgemäßen Lehre ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass nach der Behauptung der Klägerin eine Vielzahl von Personen, die im Rahmen des Filmverleihs ihnen zugewiesene Aufgaben wahrnehmen, Zugriff auf die Filmträger hatte.

106

Ungeachtet der Frage, ob neben den Filmvorführern auch andere im Rahmen des Filmverleihs agierende Auftragnehmer, wie z. B. Spediteure und Lageristen, fachlich überhaupt in der Lage waren, die patentgemäße Lehre zu erkennen, fehlt es für die öffentliche Zugänglichkeit jedenfalls an der Möglichkeit der Kenntnisnahme durch beliebige Dritte.

107

Dem Begriff »Öffentlichkeit« ist ein finales Element eigen, d. h. die neuheitsschädliche Tatsache muss für die Öffentlichkeit bestimmt sein (BGH NJW-RR 1999, 834, 835 – Herzklappenprothese). Daran fehlt es, wenn die Möglichkeit der Kenntnisnahme auf bestimmte Personen beschränkt war und die berechtigte Erwartung bestand, dass diese ihre Kenntnisse nicht weitergeben (BGH NJW-RR 1999, 834, 835 – Herzklappenprothese). Eine Benutzung der beanspruchten Lehre durch bzw. gegenüber zur Geheimhaltung verpflichteten Personen steht der Neuheit jedenfalls dann nicht entgegen, wenn die Beteiligten ihre Pflicht zur Verschwiegenheit einhalten (BGH GRUR 1997, 892, 894 – Leiterplattennutzen m. w. N.). Folglich kommt es darauf an, ob eine Geheimhaltungspflicht ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart wurde oder sich aus Treu und Glauben ergibt oder ob zu erwarten war, dass der Empfänger die maßgeblichen technischen Merkmale wegen eines eigenen geschäftlichen Interesses geheim halten werde (BGH X ZR 132/13, Ziffer III d) bb) – Drahtlegekopf; BGH GRUR 1996, 747, 752 – Lichtbogen-Plasma- Beschichtungssystem; BGH GRUR 2013, 367 Rn. 20 f. m. w. N. – Messelektronik für Coriolisdurchflussmesser).

108

Nachdem somit entscheidend ist, ob die maßgebliche Lehre der Öffentlichkeit zugänglich war und damit Stand der Technik geworden ist, kommt es auch nicht darauf an, dass die Geheimhaltungspflicht gerade im Interesse des Erfinders besteht, sondern es genügt, dass eine vertrauliche Behandlung aus objektiven Gründen von den an der Vorbenutzung beteiligten Kreisen erwartet werden kann.

109

Ungeachtet der Frage, ob es vorliegend ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarungen zwischen den Kodierunternehmen, den Filmverleihern und den im Verleih beteiligten Personen gab bzw. ob diese Geheimhaltungsverpflichtungen auch Informationen über die Art der Kodierung umfassten, ergibt sich bereits aus den Umständen, dass Informationen über technische Merkmale von Kodierungen nicht an Dritte weitergegeben werden durften. Es bestand nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) für alle systemgemäß an der behaupteten Kodierung und am Filmverleih beteiligten Personen, wie insbesondere Filmvorführer, Lageristen und Spediteure, zumindest eine stillschweigende Geheimhaltungspflicht im Hinblick auf mögliche Erkenntnisse über Kodierungen am Filmmaterial. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Kodierung, die dazu dienen soll, Raubkopien zu identifizieren und Raubkopierer zu überführen, nur dann sinnvoll eingesetzt werden kann, wenn die Art der Kodierung geheim bleibt. Den beteiligten Filmvorführern und Lageristen war daher nicht nur bewusst, dass sie die ihnen überlassenen Filmkopien weder selbst kopieren noch an Dritte herausgeben durften, sondern darüber hinausgehend auch, dass sie Einzelheiten über Erkenntnisse von Filmkodierungen nicht an Dritte offenbaren durften. Dies gilt erst recht für die beteiligten Spediteure, denen im Rahmen des Speditionsvertrags noch nicht einmal ein direkter Zugriff auf das Filmträgermaterial erlaubt wäre.

110

Diese nach den Umständen nicht von der Hand zu weisende stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung hat die insoweit beweisbelastete Klägerin (vgl. BGH GRUR 2001, 819, 823 – Schalungselement; Singer, EPÜ, 7. Aufl., Art. 54 Rd. 164; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 3 Rd. 31) nicht ausgeräumt.

111

Der infolge der stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung fehlenden öffentlichen Zugänglichkeit steht insbesondere auch nicht entgegen, wenn der beteiligte Personenkreis relativ groß ist (zu umfangreichen Vertriebsaktivitäten vgl.: BGH NJW-RR 1999, 834, 835 – Herzklappenprothese; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 3 Rd. 81). Auch in einem solchen Fall bedarf es vielmehr konkreter Anhaltspunkte dafür, dass gegen die Vertraulichkeitspflicht verstoßen wurde, eine bloße Wahrscheinlichkeit reicht dafür nicht aus (BGH GRUR 1993, 466 – photovoltaisches Halbleiterbauelement; vgl. BGH GRUR 2015, 463, 466, 469 – Presszange; Schulte, PatG, 9. Aufl., § 3 Rd. 26; Benkard, PatG, 11. Aufl., § 3 Rd. 81).

112

Erforderlich wäre daher zumindest ein Kommunikationsakt, der die Annahme rechtfertigt, dass beliebige Dritte die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der erfindungsgemäßen Lehre hatten (BGH GRUR 2015, 463, 466 – Presszange). Denn eine Weitergabe an beliebige Dritte kann nicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwartet werden, wenn ausschließlich zur Verschwiegenheit verpflichteten Dritten Informationen zugänglich werden und keine Anhaltspunkte dafür zu erkennen sind, dass diese die Geheimhaltungsverpflichtung nicht einhalten werden (BGH GRUR 1997, 892, 894 – Leiterplattennutzen). Vorliegend fehlen solche hinreichenden Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre durch die zur Vertraulichkeit verpflichteten Kreise.

113

Ein konkreter Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht, der vor dem maßgeblichen Prioritätstag zur Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre geführt hätte, ergibt sich insbesondere nicht aus den von der Klägerin als Anlagen NK34 bis NK36 vorgelegten Chat-Protokollen der Filmvorführer. Die Anlage NK36 betrifft einen Zeitraum nach dem maßgeblichen Prioritätszeitpunkt und kann deshalb nicht berücksichtigt werden. Die als Anlage NK34 und NK35 vorgelegten Protokolle über einen Internet-Chat aus einem Filmvorführerforum liegen demgegenüber vor dem maßgeblichen Prioritätszeitpunkt. Diese zeigen zwar, dass sich einzelne Filmvorführer in Zusammenhang mit Ton- bzw. Bildstörungen schon vor dem Prioritätsdatum in einem öffentlich zugänglichen Forum über Kodierungsmaßnahmen ausgetauscht haben, eine Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre ist dabei indes nicht erfolgt. In Anlage NK34 schreibt „Guest“ am 19. November 2002 lediglich, dass im Ton an einer beliebigen Stelle ein Datentelegramm einkopiert sei, das sich wie eine verkratzte Stelle anhöre. In dem als Anlage NK35 vorgelegten Chat erklärt „Guenter“ unter dem 29. November 2002 nur, dass „Codemarkierungen in die Akte geritzt“ werden. Eine Offenbarung der erfindungsgemäßen Lehre beinhalten diese Angaben jedoch nicht, da insbesondere jeder Hinweis auf das Merkmal M1.6. fehlt, wonach die digitalen Informationen stellenweise fortgelassen und/oder nicht auslesbar gemacht werden, um zur Wiedergabe der Markierungen (in der Analogspur) einen Übergang von der Digital- auf die Analogspur zu erzwingen.

114

Auch im Übrigen ergeben sich aus den Besonderheiten der Filmbranche keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, die darauf schließen ließen, dass Vertraulichkeitspflichten im Allgemeinen nicht eingehalten werden. Der Senat hat sich insoweit ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob der Umstand, dass Raubkopien in der Filmbranche weit verbreitet sind und häufig auch Filmvorführer in deren Erstellung involviert sind (vgl. D6 Beschreibung Sp. 5; Anlage NK33, Artikel aus: Spiegel 1/2006, S. 117 ff., 118) dazu führt, dass die Weitergabe an beliebige Dritte erwartet werden kann, zumal auch das Streitpatent in Absatz [0005] der Beschreibung davon ausgeht, dass es Raubkopien gibt und bestehende Kennzeichnungen häufig manipuliert werden. Indes können Raubkopien auch ohne Mitwirkung der zur Vertraulichkeit verpflichteten Personen durch schlichte Mitschnitte in Kinovorführungen entstehen, deren Identifizierung die Lehre des Streitpatents in erster Linie dienen soll. Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass manchmal auch Filmvorführer an der Erstellung von Raubkopien mitwirken und diese sich in Internetforen zumindest in allgemeiner Form über Codierungen austauschen, rechtfertigt der nur gelegentliche Verstoß gegen Geheimhaltungspflichten in Einzelfällen nicht die Annahme, dass es auch im konkreten Fall einen Verstoß gegen die bestehende Geheimhaltungspflicht gegeben hat. Auch erscheint es zu weitgehend, aufgrund solcher Verstöße in Einzelfällen anzunehmen, dass der generelle Erfahrungssatz, dass bestehende Vertraulichkeitspflichten eingehalten werden, in der Filmverleiherbranche oder unter Filmvorführern generell nicht anwendbar sei. Aufgrund des geltenden Erfahrungssatzes können allgemeine Vermutungen die Feststellung eines konkreten Sachverhalts, aus dem sich die naheliegende Möglichkeit eines Offenkundigwerdens ergibt, nicht ersetzen (vgl. BGH NJW-RR 1999, 835, 836 – Herzklappenprothese).

III.

115

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO. Nach § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 265 Abs. 2 Satz 3 ZPO ist ein Nebenintervenient, der dem Rechtsstreit auf der Seite des Beklagten als dessen Rechtsnachfolger beitritt, nicht als Streitgenosse des Beklagten anzusehen (vgl. BGH GRUR 2012, 149, 150 – Sensoranordnung) und daher nach Maßgabe des § 101 Abs. 1 ZPO nur an den Kosten der Nebenintervention zu beteiligen.

116

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 ZPO.