Bundespatentgericht

Entscheidungsdatum: 26.07.2017


BPatG 26.07.2017 - 2 Ni 28/16 (EP)

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Benutzerschnittstelle für Fernsehen (europäisches Patent)" – zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit – zur Nichtberücksichtigung der Art der Darstellung eines Menüs


Gericht:
Bundespatentgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
26.07.2017
Aktenzeichen:
2 Ni 28/16 (EP)
Dokumenttyp:
Urteil
Zitierte Gesetze
Art 56 EuPatÜbk

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 888 687

(DE 967 32 767)

hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Guth sowie der Richter Dipl.-Ing. Baumgardt, Dipl.-Ing. Hoffmann, Heimen und der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung

für Recht erkannt:

I. Das europäische Patent 0 888 687 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des am 10. November 1997 angemeldeten und am 16. März 2005 veröffentlichten Patents EP 0 888 687 B1 (im Folgenden: Streitpatent) mit der Bezeichnung "USER INTERFACE FOR TELEVISION" (deutsch: Benutzerschnittstelle für Fernsehen), das auf die internationale Anmeldung mit der Veröffentlichungsnummer WO 1998/028912 zurückgeht und für das die Priorität der US-Patentanmeldung US 08/772080 vom 20. Dezember 1996 in Anspruch genommen wird. Das in der Verfahrenssprache Englisch abgefasste Streitpatent wird vom Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer DE 697 32 767 T2 geführt.

2

Mit ihren Klagen begehren die Klägerinnen in unterschiedlichem Umfang die Nichtigerklärung des deutschen Teils des europäischen Patents.

3

Der Senat hat die Klage 2 Ni 28/16 (EP) der Klägerin zu 1) und die Klagen 2 Ni 32/16 (EP), 2 Ni 38/16 (EP) und 2 Ni 39/16 (EP) der Klägerinnen zu 2), zu 3) und zu 4) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

4

Das Streitpatent umfasst 13 Patentansprüche, den selbständigen Anspruch 1 und die unmittelbar oder mittelbar darauf rückbezogenen Ansprüche 2 bis 13. Anspruch 1 lautet in der englischen Fassung gemäß EP 0 888 687 B1 (mit einer Gliederung versehen):

5

1. An electronic device comprising

6

1.1 at least one display;

7

1.2 a controller arranged to cause the display to show

8

1.2.1 a rotating menu comprising a plurality of menu options,

9

1.2.2 which menu is disposed off centre in the display

10

1.2.3 so that at least one option is rotatable off the display at any one time,

11

1.2.4 whereby an arbitrary number of options may be added to the menu without changing its format.

12

Wegen des Wortlautes der auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 13 wird auf die Patentschrift EP 0 888 687 B1 verwiesen.

13

In der deutschen Übersetzung lautet der Anspruch 1 gegliedert:

14

1. Elektronische Anordnung mit:

15

1.1 wenigstens einer Wiedergabeanordnung,

16

1.2 einem Controller, vorgesehen um dafür zu sorgen, dass die Wiedergabeanordnung

17

1.2.1 ein umlaufendes Menü zeigt, das eine Anzahl Menüoptionen umfasst,

18

1.2.2 wobei dieses Menü in der Wiedergabeanordnung außerhalb der Mitte vorgesehen ist,

19

1.2.3 so dass wenigstens eine Option zu jeder Zeit von der Wiedergabeanordnung weggedreht werden kann,

20

1.2.4 wodurch ohne Änderung des Formats eine beliebige Anzahl Optionen zu dem Menü hinzugefügt werden kann.

21

Die Beklagte verteidigt ihr Streitpatent hilfsweise beschränkt:

22

Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag I (Änderungen unterstrichen) lautet:

23

1. An electronic device comprising

24

1.1 at least one display;

25

1.2 a controller arranged to cause the display to show

26

1.2.1 a rotating menu comprising a plurality of menu options,

27

1.2.2 which menu is disposed off centre in the display

28

1.2.3 so that at least one option is rotatable off the display at any one time,

29

1.2.4 whereby an arbitrary number of options may be added to the menu without changing its format,

30

1.2.5 wherein the menu is displayed with a perspective in which the menu appears to be in an apparent plane which is not parallel with the screen,

31

1.2.6 wherein the perspective is achieved by changing either the shape or the size of at least one of the menu options.

32

Die hinzugefügten Merkmale lauten übersetzt:

33

1.2.5 "wobei das Menü mit einer Perspektive wiedergegeben wird, in der das Menü wie in einer sichtbaren Ebene erscheint, die sich nicht parallel zu dem Schirm erstreckt”

34

und

35

1.2.6 "wobei die Perspektive durch Änderung entweder der Form oder der Größe wenigstens einer der Menüoptionen erreicht wird".

36

Die Ansprüche 2 bis 11 des Hilfsantrages entsprechen den Ansprüchen 3 bis 12 der erteilten Fassung des Streitpatents (mit angepasster Nummerierung).

37

Die Klägerinnen machen den Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit geltend, da es dem Patent an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit mangele.

38

Zur Stützung ihres Vorbringens nennen sie u. a. folgende Druckschriften und Unterlagen:

39

E1    

EP 0 626 635 A2

        

E2    

EP 0 767 418 A1 (nachveröffentlicht, 09.04.1997)

        

E3a     

FSN (Full Service Network) System der Time Warner Corporation, ”Ready for Prime Time”, in "TIME”, veröffentlicht am 26. Dezember 1994

        

E3b     

FSN (Full Service Network) System der Time Warner Corporation, ”Time Warner´s Time Machine for Future Video”, in "The New York Times”, veröffentlicht am 12. Dezember 1994

        

E3c     

FSN (Full Service Network) System der Time Warner Corporation, Fernsehbeitrag ”Time Warner´s Full Service Network”, in "Hot Chips”, ausgestrahlt am 28. Juni 1995

        

E4    

Lifestreams-Benutzeroberfläche, vorgestellt im November 1995 auf dem Symposium der AAAI (Association for the Advancement of Artificial Intelligence)

        

E4a     

FREEMAN E. ET AL: "Lifestreams: A Storage Model for Personal Data", veröffentlicht am 1. März 1996 im ACM SIGMOD BULLETIN, vol. 25, no. 1, March1996 (1996-03-01), pages 80-86, XP002903925

        

E4b     

FREEMAN E.T.: "The Lifestreams Software Architecture", veröffentlicht als PHD DISSERTATION, YALE UNIVERSITY, May 1997 (1997-05-01), pages 1 - 185, XP002903924

        

E5    

Quercia, Valerie; O’Reilly, Tim: X Window System User’s Guide,OSF/Motif 1.2 Edition, veröffentlicht in: O‘Reilly, Tim (Hrsg.)‚ O’Reilly & Associates, Inc.‚ 1993, S. 276-290

        

E6    

US 5 412 720 A

        

E7    

WO 96/18946 A1

        

E8    

WO 95/25397 A2

        

E9    

US 5 485 197 A

        

E10     

WO 96/25747 A1

        

E11     

EP 0 413 838 A1

        

E12-16

Demo-CD´s und Screenshots

        
                          
40

Zur Patentfähigkeit sind die Klägerinnen der Ansicht, die Lehre des Streitpatents sei nicht neu gegenüber dem Stand der Technik u. a. gemäß E1, E2, E3c (Life after Television – Video on Demand) und E4, E7, E8, E10. Außerdem beruhe sie auch – sofern man die nachfolgenden nicht-technischen Merkmale, die lediglich die Wiedergabe von Informationen beträfen, außer Acht lasse - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Nach Auffassung der Klägerinnen seien die Merkmalsgruppen 1.2.1 bis 1.2.4 des Streitpatents nicht technisch und daher bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Es werde lediglich eine von den Nutzern mutmaßlich präferierte, visuelle Menü-Anordnung beschrieben, die sich auf die bloße Wiedergabe von Informationen beschränke.

41

Auch in der Fassung des Hilfsantrages könne das Patent keinen Bestand haben, da die hinzugefügten Merkmale im Wesentlichen nur eine perspektivische Darstellung des Menüs beschrieben, aber nicht-technischer Art seien. Solche perspektivischen Darstellungen seien zudem aus dem Stand der Technik bekannt. Auch die jeweiligen Unteransprüche seien nicht patentfähig gegenüber den Druckschriften E1 bis E4, E7 bis E11 bzw. es handele sich um rein handwerkliche Ausgestaltungen oder um die Hinzufügung weiterer nicht-technischer Merkmale.

42

Die Klägerinnen zu 2) und zu 3) rügen ferner, das Streitpatent könne die Priorität der US 08/772080 nicht wirksam in Anspruch nehmen. Das Prioritätsrecht sei nicht wirksam übertragen worden. Die von der Beklagten auszugsweise vorgelegten Unterlagen, insbesondere das "General Service Agreement" (Anl. QE4 bzw. B5) seien unzureichend, um den Rechtsübergang zu belegen.

43

Die Klägerin zu 4 schließlich ist der Meinung, die Lehre des Streitpatents sei auch nicht ausführbar, denn es sei kein Beispiel zur Realisierung der nicht-technischen Vorgaben mit technischen Mitteln angegeben und auch nicht offenbart, welche technischen Mittel notwendig seien, um eine beliebige Anzahl von Optionen zu dem Menü hinzuzufügen.

44

Die Klägerin zu 1) stellt den Antrag,

45

das europäische Patent 0 888 687 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

46

Die Klägerinnen zu 2) und 4) stellen den Antrag,

47

das europäische Patent 0 888 687 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Ansprüche 1, 2 und 13 für nichtig zu erklären.

48

Die Klägerin zu 3) stellt den Antrag,

49

das europäische Patent 0 888 687 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Ansprüche 1 bis 5, 9 und 13 für nichtig zu erklären.

50

Die Beklagte stellt den Antrag,

51

die Klagen abzuweisen,

52

hilfsweise das europäische Patent 0 888 687 unter Klageabweisung im Übrigen mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland insoweit für nichtig zu erklären als seine Ansprüche über die Fassung des Hilfsantrags I vom 10. Mai 2017 hinausgehen.

53

Sie erklärt, dass sie die Ansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag jeweils als geschlossene Anspruchssätze ansieht, die sie jeweils in ihrer Gesamtheit beansprucht.

54

Die Beklagte, die sich in vollem Umfang und mit einem Hilfsantrag beschränkt verteidigt, tritt dem Vortrag der Klägerinnen in allen Punkten entgegen.

55

Sie ist der Ansicht, die Übertragung des Prioritätsrechts des Streitpatents sei wirksam.

56

Der Gegenstand des Streitpatents sei für den Fachmann aufgrund seines Fachwissens mit zumutbarem Aufwand auch ausführbar.

57

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen sei auch kein Merkmal der Patentansprüche nach Haupt- und Hilfsantrag nicht-technischer Natur, vielmehr seien sämtliche Merkmale bei der Prüfung der Patentfähigkeit heranzuziehen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 dürfe nicht unzulässig zergliedert werden, er löse in seiner Gesamtheit das technische Problem, eine elektronische Anordnung mit einer verbesserten Benutzerschnittstelle dadurch bereitzustellen, dass ohne Änderung des Formats eine beliebige Anzahl von Optionen zu dem Menü hinzugefügt werden könne. Die in Rede stehenden Merkmale trügen ausnahmslos zur Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bei, insbesondere führe die Krümmung des Menüverlaufes zu einer verbesserten, auf das menschliche Wahrnehmungsvermögen ausgerichteten Anzeige im Vergleich zu einem nicht rotierenden, linearen Menü, welches aus dem Stand der Technik bekannt sei. Auch die Hinzufügung von beliebig vielen Optionen im nicht-sichtbaren Bereich erleichtere das Suchen und Auffinden von Informationen und löse ein technisches Problem mit technischen Mitteln, trage zumindest im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Lösung dieses Problems bei.

58

Die Beklagte ist im Übrigen der Auffassung, der Gegenstand des Streitpatents sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Entgegenhaltungen E1 und die nachveröffentlichte E2 offenbarten beide keine Menüs mit außermittiger Rotationsachse wie das Streitpatent, und auch keinen Controller, der so ausgebildet sei, dass mit ihm ohne Änderung des Formats eine beliebige Anzahl Optionen dem Menü hinzugefügt werden könne. Den rein schematischen Zeichnungen (vgl. E1, Fig. 13, 14), wobei der Menü-Zylinder in einer konzeptionellen Darstellung ganz leicht versetzt dargestellt sei, könne angesichts der Beschreibung im Gesamtzusammenhang nichts anderes entnommen werden. Auch die übrigen Entgegenhaltungen offenbarten die wesentlichen Merkmale des Streitpatents nicht hinreichend deutlich. Eine hinreichend konkrete Anregung bzw. Veranlassung, zur Lösung des Streitpatents zu kommen, sei aus dem Stand der Technik ebenfalls nicht ersichtlich, weil an zu viele Voraussetzungen geknüpft.

59

Zum Hilfsantrag vertritt die Beklagte die Auffassung, jedenfalls die hinzugekommenen, technischen Merkmale seien im Stand der Technik nicht offenbart.

60

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

61

Die Klagen, mit denen die Nichtigkeitsgründe der fehlenden Neuheit und der fehlenden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel II § 6 Absatz 1 Nr. 1 IntPatÜG, Artikel 138 Abs. 1 lit a EPÜ i. V. m. Artikel 54 und Artikel 56 EPÜ geltend gemacht werden, sind zulässig und begründet.

62

Das Streitpatent erweist sich sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung des Hilfsantrags als nicht patentfähig. Der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag beruht, bei Außerachtlassung derjenigen Merkmale, welche zu einer technischen Problemlösung nicht beitragen, ebenso nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).

II.

63

1. Das Streitpatent betrifft eine Benutzerschnittstelle für ein elektronisches Gerät mit mindestens einer Anzeige (vgl. Streitpatent, Absatz [0001]).

64

Aus dem Stand der Technik sei gemäß dem Streitpatent ein Prototyp eines Systems bekannt, dass ein umlaufendes Menü mit Tasten umfasst (vgl. Streitpatent, Absatz [0002]).

65

Davon ausgehend ist es die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe, eine verbesserte Benutzerschnittstelle zu schaffen (vgl. Streitpatent, Absatz [0003]).

66

2. Die Lösung dieser Aufgabe wird i.W. durch eine elektronische Anordnung mit einem Controller erreicht. Dabei ermöglicht der Controller die Darstellung eines rotierenden Menüs mit einer Vielzahl von Menü-Optionen auf der Anzeige, wobei das Menü außerhalb der Mitte der Anzeige dargestellt wird. Dadurch kann wenigstens eine Menü-Option aus der Anzeige herausgedreht werden, wodurch dem Menü ohne eine Änderung seines Formats eine beliebige Anzahl weiterer Menü-Optionen hinzugefügt werden kann (vgl. Streitpatent, Absatz [0004]).

67

3. Als Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Datenverarbeitung oder ein Diplom-Informatiker anzusehen, der über mehrjährige Berufserfahrung im Bereich der Entwicklung von Mensch-Maschine-Schnittstellen – insbesondere im Bereich der Gestaltung von Benutzeroberflächen – verfügt.

68

4.  Einige Merkmale bedürfen einer Erläuterung.

69

Gemäß der Lehre des Streitpatents soll eine Menüdarstellung für eine Benutzerschnittstelle geschaffen werden, die eine übersichtliche Anzeige einer kleinen Anzahl von Menü-Optionen in einer rotierenden Darstellung ermöglicht, wobei zur Verbesserung der Übersichtlichkeit ein Teil der Menü-Optionen aus dem sichtbaren Anzeigebereich herausgedreht werden kann und die Anzahl der Menü-Optionen erweiterbar ist.

70

4.1 "rotating menu" ("rotierendes Menü" / Merkmal 1.2.1)

71

Das rotierende Menü wird als eine Art Karussell, das auf der Anzeige rotiert, beschrieben (vgl. Streitpatent Absatz [0008]). Zur Form des Menüs ist überdies eine elliptische, perspektivisch kreisförmig erscheinende Ausgestaltung angegeben (vgl. Streitpatent Absatz [0008]). Eine mögliche Art der Darstellung eines rotierenden Menüs geht aus dem Streitpatent (Fig.2) hervor.

72

Damit ist ein Menü beansprucht, welches durch ein Rotieren, d.h. durch ein "Weiterdrehen" der Einträge das übliche "Blättern" in einer Liste abbildet. Ob dabei das rotierende Menü als eine geschlossene Anordnung (ein geschlossener Kreis bzw. eine geschlossene Ellipse) zu verstehen ist, bei der beim Springen bzw. Blättern von einem Menüeintrag zum nächsten durch das gesamte Menü nach dem "letzten" Eintrag automatisch wieder der "erste" Eintrag bzw. nach dem "ersten" automatisch der "letzte" Eintrag angezeigt wird, kann dahingestellt bleiben.

73

4.2 "menu is disposed off centre in the display" ("Menü ist außerhalb des Zentrums der Anzeige angeordnet" / Merkmal 1.2.2)

74

Zu diesem Merkmal findet sich die Erläuterung, dass das Zentrum des Menüs, d. h. eine imaginäre Rotationsachse, außerhalb des Zentrums (der Mitte) des Bildschirms angeordnet ist (vgl. Streitpatent Absätze [0004], [0011]).

75

Das Merkmal ist demnach so zu verstehen, dass der Mittelpunkt des rotierenden Menüs, d.h. die Rotationsachse, nicht im Schnittpunkt der Bildschirmdiagonalen angeordnet ist, sondern gegenüber dem Mittelpunkt des Bildschirms versetzt ist.

76

4.3 "one option is rotatable off the display" ("eine Menüoption wird aus der Anzeige herausgedreht bzw. weggedreht" / Merkmal 1.2.3)

77

In Verbindung mit der Anordnung des Menüs außerhalb der Mitte des Bildschirms (Merkmal 1.2.2) ist ausgeführt, dass zumindest eine Menü-Option aus dem sichtbaren Bereich des Bildschirms herausgedreht werden kann (vgl. Streitpatent Absätze [0004], [0011]).

78

Damit ist unter diesem Merkmal das Verschieben bzw. "Wegdrehen" eines Menüelements über den Rand der Anzeige hinaus (s. Fig.2, aus dem rechten Bildschirmrand heraus)  zu verstehen.

79

4.4 "an arbitrary number of options may be added to the menu without changing its format” ("eine beliebige Anzahl von Optionen kann zu dem Menü hinzugefügt werden ohne sein Format zu ändern" / Merkmal 1.2.4)

80

Aus der Beschreibung des Streitpatents ist zu diesem Merkmal zu entnehmen, dass beliebig viele Menü-Optionen zu dem rotierenden Menü hinzugefügt werden können, wobei sich die Form bzw. die Gestalt der angezeigten Menü-Optionen nicht ändert (vgl. Streitpatent Absätze [0004], [0011]).

81

Im Zusammenhang mit den weiteren Merkmalen – insbesondere Merkmal 1.2.3 – ist damit die Möglichkeit der Erweiterung der Anzahl der Menü-Optionen angegeben, wobei die neu hinzugefügten Menü-Optionen die Darstellung der sichtbaren Menü-Optionen nicht verändern. Das bedeutet, im nicht sichtbaren Bereich (außerhalb des Bildschirms) wird die Zahl der Menü-Optionen verändert und im sichtbaren Bereich (vgl. Streitpatent Fig.2) bleiben die Darstellung und die Anzahl der Menü-Optionen unverändert. Auf welche Weise die Menüeinträge hinzugefügt werden, bleibt jedoch offen. Ebenso ist die Beibehaltung der Form, d.h. die Art der Darstellung nicht näher spezifiziert.

82

4.5 "wherein the menu is displayed with a perspective in which the menu appears to be in an apparent plane which is not parallel with the screen” ("wobei das Menü mit einer Perspektive wiedergegeben wird, in der das Menü wie in einer sichtbaren Ebene erscheint, die sich nicht parallel zu dem Schirm erstreckt” / Merkmal 1.2.5)

83

Dies ist so zu verstehen, dass das Menü als in einer virtuellen Ebene liegend, die nicht parallel zur Bildschirmoberfläche ist (vgl. Streitpatent Absatz [0008] und Fig.2), perspektivisch dargestellt wird.

84

Somit ist die Rotationsachse des kreisförmigen Menüs nicht mehr senkrecht zur Bildschirmoberfläche, sondern sie ist gegenüber dieser geneigt bzw. gekippt. Da die Menü-Optionen nur auf dem Bildschirm in dessen Anzeigeebene dargestellt werden können, wird durch die veränderte Art der Darstellung der Menü-Optionen eine Tiefenwirkung erzielt ("perspektivische Darstellung").

85

4.6 "wherein the perspective is achieved by changing either the shape or the size of at least one of the menu options” ("wobei die Perspektive durch Änderung entweder der Form oder der Größe wenigstens einer der Menüoptionen erreicht wird" / Merkmal 1.2.6)

86

Dieses Merkmal gibt an, dass die Tiefenwirkung durch eine Größen- oder Formänderung der angezeigten Menü-Optionen erreicht wird (vgl. Streitpatent Absatz [0009]).

87

Dies bedeutet eine veränderte Darstellung, bspw. durch einen Schatten oder durch eine Verzerrung der Menü-Optionen auf der Bildschirmoberfläche, wodurch der Eindruck einer perspektivischen Darstellung erreicht wird.

III.

88

Das Streitpatent ist sowohl in der erteilten Fassung als auch im Umfang des Hilfsantrags 1 nicht patentfähig. Denn diejenigen Merkmale, die nicht bereits aus dem Stand der Technik vorbekannt oder durch ihn nahegelegt sind, können die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln nicht bestimmen oder zumindest beeinflussen (vgl. BGH GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen: BGH GRUR 2015, 1184 - Entsperrbild), und sind daher bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit (Art. 56 EPÜ) nicht zu berücksichtigen.

89

Offen bleiben kann daher, ob die jeweils nach Hauptantrag und Hilfsantrag 1 beanspruchte Lehre in vollem Umfang ausführbar ist. Es kommt auch nicht mehr darauf an, ob bestimmte Patentansprüche vollständig unter den Ausschlusstatbestand nach Art. 52 Abs. 2 lit. c, Abs. 3 EPÜ fallen. Denn den einzelnen Anträgen bleibt bereits aus anderem Grund der Erfolg versagt, wie im Folgenden ausgeführt wird.

90

1. Der Hauptantrag hat keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.

91

Als nächstkommenden Stand der Technik sieht der Senat die vor dem Prioritätstag des Streitpatents veröffentlichte Druckschrift E1 (EP 0 626 635 A2) an. Auf die in Verbindung mit der Druckschrift E2 diskutierte Frage, ob das Streitpatent die Priorität zu Recht in Anspruch nimmt, kommt es daher nicht an.

92

1.1 Aus der E1 ist ein elektronisches Gerät "170" (hand-held display device) mit einer CPU "30" (Controller), einem Speicher "33", einer Ein-Ausgabeeinheit "34" und einem Display "37" zu entnehmen (Sp.3 Z.54-58, Sp.10 Z.28-46, Fig.1a, Fig.1b – Merkmale 1. und 1.1). Die CPU steuert das Display und ermöglicht somit die Anzeige einer graphischen Benutzeroberfläche auf dem Display (Sp.11 Z. 2-21 – Merkmal 1.2).

93

Weiterhin ist in der E1 die Ausgestaltung der Benutzeroberfläche, insbesondere die Darstellung eines rotierenden Menüs mit einer Vielzahl von Menü-Optionen, welche bspw. die verfügbaren Fernsehkanäle repräsentieren (Sp.20 Z.11-15), in einer kreisförmigen Anordnung (wheel) beschrieben (Sp.20 Z.24-55, Sp.21 Z.6-22, Fig.11-14 – Merkmal 1.2.1).

94

Eine Versetzung des Menüs aus der Mitte des Bildschirms heraus ist der E1 ebenfalls zu entnehmen. Dabei ist eine exzentrische Anordnung des rotierenden Menüs "72" (Fig. 9, Fig.11, Sp.31 Z.35-48, first object wheel) auf der linken Seite des Bildschirms gezeigt (Merkmal 1.2.2).

95

Auch das "Herausdrehen" einer oder mehrerer Menü-Optionen aus dem sichtbaren Bereich des Bildschirms geht aus der E1 hervor (Sp.20 Z.37-55, Fig.12-Fig.14 – Merkmal 1.2.3). Dabei werden die Objekte in eine Richtung, d. h. nach rechts oder nach links bzw. nach oben oder unten, weitergeschoben (aus dem Bildschirm herausgedreht) und auf der anderen Seite ein neues Objekt in den sichtbaren Bereich des Bildschirms eingefügt (hineingedreht).

96

Schließlich ist in der E1 angegeben, dass nur einige der Menü-Optionen sichtbar sind (Sp.20 Z.24-36), wobei in einem Ausführungsbeispiel vier Menü-Optionen sichtbar sind (Sp.20 Z.37-40), und weitere Menü-Optionen als zusätzliche Icons dem Menü hinzugefügt werden können (Sp.9 Z.18-47, Sp.20 Z.5-10). Dabei die Darstellung der Menü-Optionen, d.h. deren Format, im sichtbaren Teil der Anzeige nicht zu ändern, bot sich für den Fachmann an. Denn ausgehend von dem Ausführungsbeispiel, wonach genau vier Menüeinträge zu jeder Zeit sichtbar sind, liegt es auch Praktikabilitätsgründen, etwa der gleichbleibenden Erkennbarkeit für den Nutzer, für den Fachmann nahe die Anzeige und somit das Formats dieser vier Einträge einfach beizubehalten (Merkmal 1.2.4).

97

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ergibt sich somit in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.

98

1.2 Die dagegen gerichtete Argumentation der Beklagten kann nicht überzeugen.

99

1.2.1 Die Beklagte führt aus, dass aus der E1 nur eine lineare Darstellung eines Menüs (Fig.12) und keine rotierende Darstellung eines Menüs (Merkmal 1.2.1) gemäß dem Streitpatent (Fig.2) zu entnehmen sei. Insbesondere seien die beiden Darstellungen in der E1 (Fig. 13 und 14) nur als konzeptionelle Darstellungen zu werten und nicht als konkretes Ausführungsbeispiel zu verstehen.

100

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden, da in der E1 das Drehen der Objekte, d.h. der Menüeinträge, bereits angegeben ist (Sp.20 Z.24-44), Fig. 11-14). Im Detail wird beschrieben, dass der Benutzer aus einer großen Anzahl von Menüeinträgen wählen kann, indem er das Rad, auf dem die Menüeinträge angeordnet sind (object wheel) weiterdreht (spin). Der gesuchte Eintrag erscheint dann in dem angezeigten Ausschnitt des Menüs, d.h. in der Darstellung, die aus lediglich vier Menüeinträgen besteht. Somit wird auch in der E1 ein rotierendes Menü verwendet, wobei die sichtbaren Menü-Optionen in einer Linie und die nicht sichtbaren Menü-Optionen in einem gedachten Kreis (object wheel) angeordnet sind (Fig.12). Die konzeptionellen Darstellungen der Figuren 13 und 14 mögen zwar in Bezug auf die Perspektiv-Darstellung nicht als konkretes Ausführungsbeispiel zu verstehen sein, sie verdeutlichen aber in Verbindung mit der Beschreibung (Sp.20 Z.20-44) die gedachte Rotation der Menüeinträge.

101

1.2.2 Weiterhin stellt die Beklagte dar, dass die E1 kein Hinzufügen von Menü-Elementen, sondern nur ein Hinzufügen von Geräten, und auch keine Beibehaltung des Formats der angezeigten Menü-Elemente (Merkmal 1.2.4) offenbare.

102

Auch diese Darstellung greift zu kurz. In der E1 ist die Anordnung eines Menüs mit einer Vielzahl von Objekten in einer übersichtlichen Form beschrieben, d.h. es wird nur ein Teil der Objekte angezeigt (Sp.20 Z.5-36). Die Art des Menüs kann, gemäß den in der E1 gezeigten Ausführungen, für eine Senderliste, aber auch für die Verwaltung und Bedienung von Geräten verwendet werden (Sp.9 Z.18-47, Sp.20 Z.5-36), wobei die Anzahl der Geräte variabel ist und weitere Geräte (bspw. "150" thermostat) hinzugefügt werden können (Sp.9 Z.37-40). Diese Geräte werden als weiteres Symbol auf dem Display angezeigt. Zusätzlich ist als Ausführungsbeispiel angegeben, dass die Anzahl der sichtbaren Menü-Optionen auf vier Optionen begrenzt bzw. festgelegt ist (Sp.20 Z.37-40). Damit ist die Beibehaltung des Formats der sichtbaren Menü-Optionen für den Fachmann nahegelegt (s. oben 1.1).

103

1.2.3 Darüber hinaus wendet die Beklagte ein, dass aus der E1 kein Controller im Sinne des Merkmals 1.2 zu entnehmen sei. Insbesondere müsse der Controller ausgestaltet sein, um die Anzeige eines Menüs nach den Merkmalen 1.2.1 bis 1.2.4 zu ermöglichen.

104

Auch dieser Darstellung kann nicht gefolgt werden. Denn in der E1 ist ein elektronisches Gerät gezeigt, bei dem eine CPU "30" über eine Schnittstelle eine graphische Benutzerschnittstelle auf der Anzeige (Display "37") erzeugt und steuert (Sp.10 Z.28-38, Sp.11 Z.12-15). Somit ist der beanspruchte Controller mit der beschriebenen CPU gleichzusetzen.

105

1.2.4 Schließlich gibt die Beklagte an, dass durch die patentgemäße Anzeige lediglich einiger Menü-Optionen aus der Vielzahl der Menü-Optionen auf dem Bildschirm eine platzsparende und übersichtliche Darstellung erreicht werde, welche die E1 nicht zeige.

106

Diesem Argument kann ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn in der E1 ist angegeben, dass bei einer großen Anzahl von Menüeinträgen eine Darstellung auf der begrenzten Anzeigefläche eines Bildschirms die Menüeinträge kompakt dargestellt werden müssen und deshalb nur eine begrenze Anzahl von Einträgen auf dem sichtbaren Bereich des Bildschirms angezeigt werden (Sp.20 Z.5-36).

107

2. Der Hilfsantrag ist nicht anders zu beurteilen

108

Im Folgenden werden nur die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 behandelt. Zu den übrigen Merkmalen wird auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.

109

2.1 Mit den Merkmalen 1.2.5 und 1.2.6 wird zusätzlich beansprucht, dass das Menü mit einer Perspektive wiedergegeben wird, in der das Menü wie in einer scheinbaren Ebene erscheint, die sich nicht parallel zu dem Schirm erstreckt (Merkmal 1.2.5) und dass die Perspektive durch Änderung entweder der Form oder der Größe wenigstens einer der Menüoptionen erreicht wird (Merkmal 1.2.6).

110

Damit unterscheidet sich die Lehre des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags von der Lehre der E1 nur durch die veränderte Art der Darstellung des kreisförmigen Menüs, nämlich in einer perspektivischen Ansicht.

111

2.2 Mit diesem Unterschied kann das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht begründet werden.

112

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei der Prüfung einer Erfindung auf erfinderische Tätigkeit nur diejenigen Anweisungen zu berücksichtigen, die die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen (BGH GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen; BGH GRUR 2013, 909 - Fahrzeugnavigationssystem).

113

Ob ein konkretes technisches Problem durch eine Erfindung mit technischen Mitteln gelöst wird, ist objektiv danach zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet. Dies ist durch Auslegung des Patentanspruchs zu entwickeln. Die in der Patentschrift angegebene Aufgabe fungiert lediglich als Hilfsmittel bei der Ermittlung des objektiven technischen Problems (BGH, GRUR 2011, 610 - Webseitenanzeige, Rn. 20, m. w. N.).

114

Die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 lösen im vorliegenden Fall die "objektive Aufgabe", eine andere Art der Darstellung des Menüs zu ermöglichen. Eine derartige Veränderung des Menüs hin zu einer perspektivischen Darstellung betrifft jedoch nur die zweckmäßige Darstellung einer Information und ist daher bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen (vgl. BGH GRUR 2011, 125 - Wiedergabe topografischer Informationen).

115

Eine darüber hinausgehende Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln ist nicht zu erkennen, da der Fachmann für die nutzerfreundliche Darstellung bei der Programmierung des Anzeigetreibers der CPU lediglich die erfindungsgemäße perspektivische Darstellung implementieren musste. Die hierzu notwendigen Kenntnisse sind allein dem Bereich der Informatik und der Computer-Programmierung zuzuordnen. Dass irgendwelche "auf technischen Überlegungen beruhenden Erkenntnisse" den Unterscheidungsmerkmalen zugrunde lägen ist nicht erkennbar (vgl. BGH GRUR 2000, 498 – Logikverifikation). Vielmehr ist die Gestaltung der perspektivischen Darstellung eine reine Software-Maßnahme, für die kein weiteres technisches Fachwissen erforderlich ist, da spezielle technische Merkmale der verwendeten Computer sowie die das "technische" Zusammenwirken der Computerbestandteile nicht in die erforderlichen Überlegungen einfließen.

116

Damit ergibt sich ebenso wie der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag auch der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, wobei diejenigen Merkmale, welche auf eine Darstellung des Menüs in einer perspektivischen Ansicht gerichtet sind, bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen sind.

117

2.3 Die dagegen vorgebrachten Argumente der Beklagten können nicht überzeugen.

118

Die Beklagte verweist hierzu auf die BGH Rechtsprechung (BGH GRUR 2015, 1184 – Entsperrbild; BGH GRUR 2015, 660 – Bildstrom).

119

So sei in der Entscheidung Entsperrbild (BGH, aaO.) gefordert, dass die informationsbezogenen Merkmale eines Patentanspruchs darauf hin zu untersuchen sind, ob die wiederzugebende Information sich zugleich als Ausführungsform eines – im Patentanspruch nicht schon anderweitig als solches angegebenen – technischen Lösungsmittels darstellt.

120

Weiter sei in der Entscheidung Bildstrom (BGH, aaO.) angegeben, dass Anweisungen, die zwar die (visuelle) Informationswiedergabe betreffen, bei denen aber nicht die Vermittlung bestimmter Inhalte oder deren Vermittlung in besonderer Aufmachung im Blickpunkt steht, sondern die Präsentation von Bildinhalten in einer Weise, die auf die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht nimmt und darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung der gezeigten Informationen durch den Menschen in bestimmter Weise überhaupt erst zu ermöglichen, zu verbessern oder zweckmäßig zu gestalten, der Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln dienen.

121

Entsprechend den dort angegebenen Kriterien für das Vorliegen eines technischen Mittels zur Lösung eines technischen Problems macht sie geltend, dass diese auch bei allen Merkmalen des Anspruchs 1 vorlägen.

122

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

123

Der Beklagten ist zwar insoweit zuzustimmen, dass die Merkmale 1.2.5 und 1.2.6 dahingehend zu untersuchen sind, ob die wiederzugebende Information sich zugleich als Ausführungsform eines - im Patentanspruch nicht schon anderweitig als solches angegebenen - technischen Lösungsmittels darstellt (vgl. BGH, aaO. - Entsperrbild).

124

Dies ist hier allerdings nicht der Fall, da sich beide Merkmale nicht auf die wiederzugebende Information, sondern auf deren veränderte Anzeige und somit auf eine besonders anschauliche, perspektivische Darstellung beziehen. Dieser Aspekt der anschaulichen Darstellung trägt nach der Entscheidung Entsperrbild allein dem menschlichen Vorstellungsvermögen Rechnung. Der in den beiden Merkmalen 1.2.5 und 1.2.6 angegebenen perspektivischen Darstellung kann dementsprechend kein über die übrigen Merkmale hinausgehender technischer Inhalt beigemessen werden.

125

Ebenfalls ist der Beklagten in deren Ausführungen zur Entscheidung Bildstrom (BGH, aaO.) grundsätzlich zuzustimmen.

126

Jedoch betrifft die dem dortigen Fall zugrundeliegende Präsentation von Bildinhalten, welche nach der Beurteilung des Bundesgerichtshofes auf die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht nimmt und daher bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen ist, die Darstellung von zumindest zwei Teilbildsätzen, die aus einem ursprünglichen Bildsatz generiert werden. Dies bedeutet, dass im Vergleich zu der Betrachtung eines Bildsatzes (des ursprünglichen Bildsatzes) eine Möglichkeit geschaffen wird, bei der ein Benutzer durch die gleichzeitige Anzeige von Teilsatz-Bildströmen, die jeweils aus einer Teilmenge der Gesamtheit der Bilder des ursprünglichen Bildstroms bestehen, in die Lage versetzt wird, schnell und effizient eine Auswertung durchzuführen.

127

Im vorliegenden Fall wird eine übersichtliche Darstellung eines Menüs jedoch bereits durch die Anzeige gemäß den Merkmalen 1.2 bis 1.2.4 erreicht. Durch die Anzeige einer kleinen Anzahl von Menü-Optionen wird eine klare und übersichtliche Darstellung aufgezeigt, die eine verbesserte Wahrnehmung ermöglicht. Die Änderung der Darstellung in Form einer perspektivischen Anzeige mit der gleichen Anzahl an Menü-Optionen bewirkt aber gerade kein schnelleres und effizienteres Erfassen der Information, sondern   dient lediglich der Vermittlung von Inhalten mit dem Ziel, auf die menschliche Vorstellung einzuwirken. Die streitgegenständliche Anzeige in perspektivischer Form betrifft somit die Vermittlung bildlicher Inhalte bzw. deren Vermittlung in besonderer Aufmachung. Hingegen beschreibt das Streitpatent nicht, dass – anders als im Fall "Bildstrom" - die Präsentation von Bildinhalten in einer Weise, die auf die physischen Gegebenheiten der menschlichen Wahrnehmung und Aufnahme von Informationen Rücksicht nimmt und dabei darauf gerichtet ist, die Wahrnehmung der gezeigten Informationen durch den Menschen in bestimmter Weise erst zu ermöglichen, zu verbessern oder zweckmäßig zu gestalten (vgl. BGH, aaO. – Bildstrom Rn. 35).

128

Allein der Umstand, dass durch die Art der Anzeige einzelne Menü-Optionen hervorgehoben werden und somit auf die menschliche Wahrnehmung Einfluss genommen wird, genügt dafür nicht, denn durch diese einfachen grafischen Maßnahmen wird allein auf das menschliche Vorstellungsvermögen gezielt. Diese Aufmachung veranschaulicht nämlich ohne technische Wirkung lediglich die Information, welche Menü-Optionen jeweils dem Nutzer zur Auswahl angeboten werden. Durch die perspektivische Darstellung wird daher kein technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst.

129

3. Mit dem jeweiligen Patentanspruch 1 nach Hauptantrag und nach Hilfsantrag I fallen auch die jeweiligen Unteransprüche. Denn ein eigenständiger erfinderischer Gehalt wurde für sie weder geltend gemacht, noch ist er ersichtlich (BGH GRUR 2012, 149 – Sensoranordnung).

IV.

130

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 ZPO.