Entscheidungsdatum: 12.04.2017
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob bei der Rückforderung der Kosten des Studiums und der Fachausbildung nach vorzeitiger Beendigung des Soldatenverhältnisses auf Zeit Zinsen für gestundete Beträge erhoben werden dürfen.
Die Klägerin wurde 1999 als Anwärterin für die Laufbahn der Offiziere des Sanitätsdienstes in die Bundeswehr eingestellt und in das Soldatenverhältnis auf Zeit berufen. Das Dienstzeitende wurde für das Jahr 2015 festgesetzt. Von 1999 bis 2005 absolvierte sie unter Beurlaubung vom militärischen Dienst erfolgreich ein Studium der Humanmedizin.
Am 4. November 2008 wurde die Klägerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Zeit zur Akademischen Rätin einer deutschen Universität ernannt. Damit endete zugleich das Soldatenverhältnis auf Zeit.
Mit Leistungsbescheid vom 17. November 2010 forderte die Beklagte die Klägerin nach Anhörung zur Erstattung des ihr gewährten Ausbildungsgeldes sowie der entstandenen Fachausbildungskosten in Höhe von insgesamt 115 373,72 € unter Gewährung einer verzinslichen Stundung durch Einräumung von Ratenzahlung auf. Die Stundungszinsen in Höhe von 4 % sollten mit der Bestandskraft des Bescheids erhoben werden.
Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Hinblick auf die Ratenhöhe stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung u.a. ausgeführt, dass die Erhebung von Stundungszinsen bereits vor Bestandskraft in Höhe von 4 % nicht zu beanstanden sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit in dem Berufungsurteil die Klage bezüglich des festgesetzten jährlichen Zinssatzes von 4 % für die gestundete Forderung abgewiesen worden ist. Im Übrigen hat es die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Personalamts der Bundeswehr vom 17. November 2010 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 23. November 2012 aufzuheben, soweit darin ein jährlicher Zinssatz von 4 % für die gestundete Forderung festgesetzt wird, und die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Februar 2015 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 8. Januar 2014 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Revision ist zulässig und begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht insoweit, als es für rechtens angesehen hat, dass Zinsen in Bezug auf die Rückforderungssumme erhoben werden.
Die Forderung von Zinsen ist rechtswidrig. Wegen ihres Eingriffscharakters bedarf es für ihre Erhebung einer gesetzlichen Grundlage (1.). Eine solche ist hier nicht gegeben (2.). Die Zinshöhe von 4 % als solche ist nicht zu beanstanden (3.).
1. Die Erhebung von Zinsen stellt einen zusätzlichen erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung des Rückzahlungsverpflichteten dar. Durch die Erhebung von Zinsen bei eingeräumter Ratenzahlung steigt die Gesamtrückzahlungssumme wie auch die Rückzahlungsdauer in wesentlichem Umfang. Der ehemalige Soldat wird hierdurch nicht selten über Jahre hinweg zu weiteren monatlichen Zahlungen im dreistelligen Bereich gezwungen. Für einen solchen Eingriff in das Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG bedarf es einer gesetzlichen Grundlage. In der Regel wird hierfür sogar ein förmliches Parlamentsgesetz erforderlich sein. Denn die Pflicht des Gesetzgebers, Eingriffsregelungen selbst zu regeln, steigt mit der Wesentlichkeit des Eingriffs (BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerfGE 139, 19 Rn. 52 ff. m.w.N.). Entsprechend hat der Gesetzgeber in anderen Konstellationen, in denen der Staat dem Bürger Zahlungsverpflichtungen gegen Ratenzahlung stundet, Regelungen getroffen, die ausdrücklich zur Erhebung von Zinsen ermächtigen, wobei auch die Zinshöhe gesetzlich bestimmt wird. Exemplarisch kann auf die Regelungen in § 234 Abs. 1 und § 238 Abs. 1 Satz 1 AO, § 18 Abs. 2 Satz 2 BAföG oder § 50 Abs. 2a Satz 1 SGB X verwiesen werden.
2. Im Bereich des Soldatenrechts fehlt eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Die Forderung von Zinsen kann nicht auf § 56 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 gestützt werden. Diese Norm zielt allein darauf, die Rückzahlungsverpflichtung für den ehemaligen Soldaten in Fällen besonderer Härte zu erleichtern. Dem Wortlaut nach ermöglicht sie allein den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf die Forderung. Zu Recht wird die Norm jedoch so ausgelegt, dass sie auch zu einer Stundung unter Einräumung von Ratenzahlung ermächtigt. Denn auch hierbei verzichtet der Dienstherr teilweise auf den vollständigen ökonomischen Wert der Forderung, welche dem Grunde nach sofort und vollständig zu befriedigen ist. Die Erhebung von Zinsen stellt demgegenüber eine zusätzliche und eigenständige Belastung des ehemaligen Soldaten dar. Sie liegt außerhalb von Sinn und Zweck der Norm, der allein in der Entlastung des ehemaligen Soldaten, nicht aber in seiner zusätzlichen Belastung besteht.
Die Zinsforderung kann auch nicht auf § 59 BHO gestützt werden. Nach dieser Vorschrift darf das zuständige Bundesministerium bei der Ausführung des Haushaltsplans Ansprüche stunden, wenn die sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Anspruchsgegner verbunden wäre und der Anspruch durch Stundung nicht gefährdet wird. Die Stundung soll gemäß Satz 2 dieser Vorschrift gegen angemessene Verzinsung und in der Regel nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Gemäß Ziffer 1.4.1 der Verwaltungsvorschrift zu § 59 BHO sind als angemessene Verzinsung regelmäßig zwei Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB anzusehen. Die Vorschrift findet auf den hier relevanten Sachverhalt keine Anwendung, weil es sich bei dem Erstattungsanspruch nicht um eine "zu erwartende Einnahme" des Haushaltsplans im Sinne des § 11 Abs. 2 Nr. 1 BHO handelt. Solche sind nur bei denjenigen Haushaltsmitteln gegeben, von den zu erwarten ist, dass sie in der Haushaltsperiode tatsächlich kassenwirksam werden (vgl. Aprill, in: Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Stand Juni 2016, § 11 BHO, Rn. 5; Gröpl, BHO/LHO, 2011, § 11 BHO Rn. 32). Naturgemäß können Rückforderungen, welche ihren Sachgrund in der außerordentlichen, vorzeitigen Beendigung des Soldatenverhältnisses haben, nicht vom Haushaltsgesetzgeber schon im Haushaltsplan berücksichtigt worden sein.
Die Regelungen der Bundeshaushaltsordnung können auch nicht entsprechend angewendet werden, da eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht gegeben ist. § 59 BHO geht davon aus, dass eine Stundung regelmäßig nur gegen Sicherheitsleistung erfolgt, die im Bereich des § 56 Abs. 4 SG 1995 nicht vorgesehen ist. Außerdem ist bei § 56 Abs. 4 SG 1995 zu berücksichtigen, dass der Rückforderung nicht allein fiskalische, sondern auch verhaltenslenkende Motive des Gesetzgebers zugrunde liegen (BVerwG, Beschluss vom 14. Mai 2014 - 2 B 96.13 - Buchholz 449 § 46 SG Nr. 22 Rn. 7 f. m.w.N.).
3. Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die von der Revision angegriffene Zinshöhe unbedenklich ist.
Sie bewegt sich mit vier % im Rahmen dessen, was auch andere gesetzliche Regelungen bei der Stundung durch die öffentliche Hand vorsehen. Die Zinsen gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO betragen für jeden Monat einhalb %, jährlich also 6,0 %. Denselben Wert sieht § 18 Abs. 2 Satz 2 BAföG bei Überschreiten des Zahlungstermins um mehr als 45 Tage vor. Zinsen nach § 50 Abs. 2a Satz 1 SGB X wie auch Verzugs- und Prozesszinsen gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 Satz 1 und 2 BGB liegen bei fünf % über dem Basiszinssatz. Dieser betrug zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids - 0,13 %, was zu einer Zinshöhe von 4,87 % führte. Lediglich der bereits angesprochene Zinssatz gemäß § 59 Abs. 1 Satz 2 BHO führte zu einem deutlich niedrigeren Zinssatz von 1,87 %. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die genannten gesetzlichen Vorschriften die Stundung nur gegen Sicherheitsleistung kennen, was den wirtschaftlichen Wert der Forderung für den Gläubiger erheblich steigert.
Der Gesetzgeber wäre bei der Regelung der Zinshöhe keineswegs gehalten, sich an den gegenwärtig sehr günstigen Zinsen für Baufinanzierungsdarlehen zu orientieren. Denn für diese besteht regelmäßig eine dingliche Sicherheit, die bei der Rückforderung der Ausbildungskosten nicht gegeben ist. Soweit überhaupt eine Orientierung an Marktzinsen angemessen sein sollte, erscheint der Bezug zu ungesicherten Verbraucherkrediten oder Ausbildungsdarlehen - etwa der Kreditanstalt für Wiederaufbau - eher sachgerecht (vgl. OVG Münster, Urteil vom 1. Juni 2015 - 1 A 930/14 - juris Rn. 65 ff.).
Eine Orientierung des Zinsniveaus an den Refinanzierungskosten des Bundes (so OVG Weimar, Urteil vom 12. November 2015 - 2 KO 171/15 - juris Rn. 33; VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 - 5 K 2265/12 - juris Rn. 97) erscheint denkbar, aber gerade vor dem Hintergrund der auch verhaltenslenkenden Funktion der Rückzahlungsverpflichtung keinesfalls zwingend. Der Gesetzgeber hätte bei der Regelung der Zinshöhe zudem zu beachten, dass diese - anders als die Höhe der monatlichen Rate - nicht der ständigen Anpassung unterliegt und damit auch für längerfristige Rückzahlungsphasen geeignet sein muss.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.