Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 25.08.2011


BVerwG 25.08.2011 - 2 C 43/10

Beamter im Strafvollzug; Anspruch auf Erstattung von Kammerbeiträgen; Psychologischer Psychotherapeut


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
25.08.2011
Aktenzeichen:
2 C 43/10
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 11. Juni 2010, Az: 2 A 10378/10, Urteilvorgehend VG Koblenz, 27. Oktober 2009, Az: 6 K 176/09.KO, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 1 Abs 2 HeilBerG RP
§ 3 Abs 1 BesG RP

Leitsätze

Ein Aufwendungsersatzanspruch aus der Fürsorgepflicht kommt nur in Betracht, wenn die Kosten ausschließlich dienstlich veranlasst sind. Dies ist bei Pflichtbeiträgen zu berufsständischen Kammern nicht der Fall, weil es sich hierbei um berufsbezogene Aufwendungen handelt (im Anschluss an das Urteil vom 28. Dezember 1982 - BVerwG 6 C 98.80 - BVerwGE 66, 330 = Buchholz 235 § 17 BBesG Nr. 3).

Tatbestand

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Der Kläger ist Oberpsychologierat im Landesdienst des Beklagten und als therapeutischer Leiter im Strafvollzug eingesetzt. Er beantragte erfolglos die Übernahme der von ihm infolge seiner Approbation als Psychologischer Psychotherapeut zu entrichtenden Pflichtbeiträge in der Landespsychotherapeutenkammer. Er ist der Auffassung, diese seien dienstlich veranlasst. Die Justizvollzugsanstalt sei gesetzlich zur sozialtherapeutischen Behandlung von Sexualstraftätern verpflichtet. Dies geschehe durch ihn als therapeutischer Leiter im Rahmen einer Psychotherapie. Hierfür benötige er die Approbation. Seine Qualifikation setze er nur für den Beklagten ein, Nebentätigkeiten übe er nicht aus.

2

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt:

3

Aufwandsentschädigungen würden nach dem Landesbesoldungsgesetz nur gewährt, wenn Haushaltsmittel bereitgestellt worden seien. Dies gelte auch für andere Aufwendungen von Beamten, so dass sich aufgrund fehlender Haushaltsmittel weder aus dem Landesbesoldungsgesetz noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ein Anspruch ergebe. Ein Anspruch folge auch nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Die Pflicht des Klägers zur Entrichtung der Kammerbeiträge an die Landespsychotherapeutenkammer sei nicht ausschließlich dienstlich veranlasst, sondern ergebe sich aus seiner Zugehörigkeit zum Berufsstand der Psychologischen Psychotherapeuten. Die Pflichtmitgliedschaft des Klägers in der Kammer liege zudem in seinem Interesse als approbierter Psychologischer Psychotherapeut. Die fachbezogene Tätigkeit der Kammer komme ihm zugute, sobald er seinen Beruf - in abhängiger Anstellung oder als niedergelassener freier Therapeut - ausübe. Der Kläger werde durch die Kammerbeiträge schließlich nicht unerträglich in seiner amtsangemessenen Lebensführung belastet, da diese weniger als 1 v.H. seiner gesamten Jahresbruttobezüge ausmachten; auch werde die finanzielle Belastung durch die fachlichen Vorteile aus der Kammermitgliedschaft ausgeglichen.

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Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Er beantragt,

die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. Juni 2010 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 27. Oktober 2009 aufzuheben sowie den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Ministeriums der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz vom 24. November 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2009 zu verpflichten, an ihn 966,17 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat ohne Verstoß gegen revisibles Recht entschieden, dass der Kläger keine Erstattung der von ihm infolge seiner Approbation als Psychologischer Psychotherapeut zu entrichtenden Pflichtbeiträge in der Landespsychotherapeutenkammer von seinem Dienstherrn verlangen kann. Ein solcher Anspruch folgt weder aus § 3 Abs. 1 LBesG RP noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten (Art. 33 Abs. 5 GG).

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Eine Aufwandsentschädigung wird neben den Dienstbezügen gewährt, wobei sie der Dienstherr nach den Maßstäben des § 3 Abs. 1 LBesG RP festlegen kann (vgl. zur wortgleichen Vorschrift des § 17 BBesG: Urteil vom 8. Juli 1994 - BVerwG 2 C 4.93 - BVerwGE 96, 227 <230> = Buchholz 240 § 17 BBesG Nr. 6 S. 6). Nach dieser Vorschrift dürfen Aufwandsentschädigungen nur dann gewährt werden, wenn aus dienstlicher Veranlassung Aufwendungen entstehen, deren Übernahme dem Beamten nicht zugemutet werden kann, und wenn der Haushaltsplan Mittel dafür zur Verfügung stellt; nicht erhebliche Aufwendungen haben außer Betracht zu bleiben (vgl. Urteil vom 13. September 1984 - BVerwG 2 C 68.81 - BVerwGE 70, 106 <109> = Buchholz 235 § 44 BBesG Nr. 1 S. 3). Die Vorschrift legt damit nur die (engeren) Grenzen fest, innerhalb deren einem Beamten neben seinen Dienstbezügen Zuwendungen gewährt werden dürfen, die nicht gesetzlich geregelt sind. Sie sagt nichts darüber aus, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf solche Zuwendungen besteht. Ein Anspruch wird vielmehr erst durch eine entsprechende Erlass- oder Verordnungslage begründet, in der im Einzelnen geregelt ist, für welche Aufwendungen die zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel gezahlt werden sollen (vgl. Beschluss vom 29. Juni 1979 - BVerwG 6 B 37.79 - Buchholz 235 § 17 BBesG Nr. 1 S. 1). Allerdings besteht selbst dann, wenn im Haushaltsplan zweckbestimmte Mittel für Aufwandsentschädigungen zur Verfügung gestellt sind, kein Anspruch, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 LBesG RP nicht vorliegen. Ob dies der Fall ist, unterliegt in vollem Umfang gerichtlicher Überprüfung (Urteil vom 13. Juli 2000 - BVerwG 2 C 30.99 - BVerwGE 111, 313 <316> = Buchholz 240 § 17 BBesG Nr. 8 S. 3).

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Sind - wie vorliegend - keine Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt, kann sich ein Anspruch ausnahmsweise unmittelbar aus der Fürsorgepflicht ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können zwar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine Ansprüche hergeleitet werden, die über die Ansprüche hinausgehen, die im Gesetz selbst speziell und abschließend - hier hinsichtlich der Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufwandsentschädigung - geregelt sind. Nur dann, wenn ohne Fürsorgeleistung eine unerträgliche Belastung der amtsangemessenen Lebensführung des Beamten eintreten und dadurch die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern beeinträchtigt würde, kämen unmittelbar auf die Fürsorgepflicht gestützte Ansprüche in Betracht (vgl. zum Ganzen: Beschluss vom 8. September 1983 - BVerwG 2 B 148.82 - Buchholz 235 § 17 BBesG Nr. 4 (nur Leitsatz); abgedruckt in juris Rn. 6 m.w.N.).

9

Ein solcher Anspruch setzt aber - unabhängig von seinen weiteren Voraussetzungen - ebenfalls voraus, dass die Aufwendungen dienstlich veranlasst sind. Ein irgendwie gearteter, weiterer Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis genügt nicht. Erforderlich ist, dass der Aufwand unmittelbar durch die Dienstausübung veranlasst wird. Nur derart dienstlich bedingte Aufwendungen rechtfertigen die Entschädigung, weil dem Beamten nicht zugemutet wird, mit eigenen Einkünften in Ausübung des Dienstes entstehende Kosten zu tragen, die zudem bei anderen Beamten nicht anfallen (vgl. Urteil vom 13. Juli 2000 a.a.O.). Dies ist bei Pflichtbeiträgen zu berufsständischen Kammern nicht der Fall, weil es sich hierbei um berufsbezogene Aufwendungen handelt, auf die der Dienstherr keinen Einfluss hat (vgl. Urteil vom 28. Dezember 1982 - BVerwG 6 C 98.80 - BVerwGE 66, 330 <334> = Buchholz 235 § 17 BBesG Nr. 3 S. 4 f. Rn. 24).

10

Die Heranziehung des Klägers zu Kammerbeiträgen folgt aus seiner Berufszugehörigkeit und ist nicht Folge seiner Tätigkeit als Beamter im Strafvollzug. Zu unterscheiden ist zwischen dem Rechts- und Pflichtenkreis, in dem der Kläger als Beamter steht, und den Rechten und Pflichten, die sich aus seiner Zugehörigkeit zum Berufsstand der Psychologischen Psychotherapeuten ergeben.

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Dienstlich veranlasst können nur solche Aufwendungen sein, die der Beamte aufgrund seiner Dienstausübung leisten muss, um seine Dienstgeschäfte ordnungsgemäß zu erfüllen. Dies setzt voraus, dass der Beamte bereits im Dienst ist, und schließt deshalb solche Aufwendungen aus, die er leisten muss, um die Eignungsvoraussetzungen zur Erlangung (und Beibehaltung) des konkreten Amtes bzw. Dienstpostens zu erfüllen.

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Der Kammerbeitrag ist demgegenüber beruflich veranlasst, da der Kläger ihn zahlen muss, um den Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten überhaupt ausüben zu dürfen. Durch das zum 1. Januar 1999 in Kraft getretene Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten - Psychotherapeutengesetz - wurde ein neuer Berufsstand innerhalb der heilkundlich tätigen Berufe geschaffen. Seitdem bedarf derjenige, der die heilkundliche Psychotherapie unter der Berufsbezeichnung "Psychologischer Psychotherapeut" ausüben will, der Approbation als Psychologischer Psychotherapeut (vgl. § 1 Abs. 1 PsychThG). Der Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten unterscheidet sich durch die Befugnis zur Ausübung der Heilkunde grundlegend von demjenigen des Psychologen. Die Tätigkeit als Psychologischer Psychotherapeut führt gemäß § 1 Abs. 2 HeilBG RP zur Pflichtmitgliedschaft in der Kammer.

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Für den Dienstposten, den der Kläger innehat, ist es eine Eignungs- oder Qualifizierungsvoraussetzung, dass er Psychologischer Psychotherapeut ist. Die Verpflichtung des Klägers, auf seinem Dienstposten therapeutisch tätig zu sein, beruht auf den Vorgaben des Strafvollzugsgesetzes (vgl. insbesondere den mit Wirkung vom 31. Januar 1998 eingeführten § 9 Abs. 1 Satz 1 StVollzG). Hieraus ergibt sich die Pflicht, Sexualstraftäter bereits im Vollzug sozialtherapeutisch zu behandeln. Ein Beamter, der auf dem Dienstposten des Klägers als therapeutischer Leiter im Strafvollzug tätig ist, muss daher Psychologischer Psychotherapeut sein und bedarf der Approbation.

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Die Pflicht des Beamten, an die Landespsychotherapeutenkammer Kammerbeiträge zu leisten, knüpft nicht an seine dienstliche Stellung als Beamter an. Ihre Grundlage ist vielmehr die Ausübung des Berufs eines Psychologischen Psychotherapeuten. Der Gesetzgeber hat als Zulassungserfordernis für den Beruf eines Psychologischen Psychotherapeuten die Approbation bestimmt, weil die Angehörigen dieses Berufsstands in der psychotherapeutischen Versorgung Aufgaben der Heilkunde wahrnehmen. Die Approbation setzt ein mit Diplom abgeschlossenes Studium der Psychologie sowie eine Ausbildung in wissenschaftlich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren voraus. Psychologische Psychotherapeuten müssen, wie die Angehörigen anderer Heilberufe, während ihrer Berufsausübung Mitglied der entsprechenden Kammer als Einrichtung der Selbstverwaltung sein. Damit gehört die Kammermitgliedschaft eines Psychologischen Psychotherapeuten ebenso wie die damit verbundene Beitragspflicht zu den Anforderungen, die erfüllt sein müssen, bevor das entsprechende Amt übertragen werden kann. Es fehlt an einer unlösbaren Wechselbeziehung zwischen der Beitragspflicht und der Rechtsstellung als therapeutischer Leiter in einer Justizvollzugsanstalt, weil die Beitragspflicht nicht allein mit der Beendigung der dienstrechtlichen Rechtsstellung fortfiele. Der Kläger bleibt vielmehr auch bei einem Ausscheiden aus dem Landesdienst Psychologischer Psychotherapeut und - bei Ausübung seines Berufs - auch weiterhin Pflichtmitglied in der Psychotherapeutenkammer.

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Darauf, ob die Jahresbeiträge in der Landespsychotherapeutenkammer den Kläger in seiner amtsangemessenen Lebensführung unerträglich oder unzumutbar belasten und ob ihnen ein ausgleichender Vorteil gegenübersteht, kommt es danach nicht mehr an.