Entscheidungsdatum: 30.10.2014
1. Der richterrechtlich entwickelte Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung von (hier: aus dem Unionsrecht abgeleiteten) Ansprüchen ist nicht ergänzend anwendbar, wenn sowohl der Anspruch, dessen sich der Kläger berühmt, als auch eine Ausschlussfrist für dessen Geltendmachung gesetzlich geregelt sind (hier entschieden zu § 12 Abs. 3 SoldGG; wie Urteil des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 C 6.13 - Rn. 55).
2. Es bleibt offen, ob die Bereichsausnahme nach Art. 3 Abs. 4 der RL 2000/78/EG (juris: EGRL 78/2000) auch die Besoldung der aktiven Soldaten erfasst.
Der Kläger beansprucht eine Besoldung nach der höchsten Stufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe, weil er meint, die besoldungsrechtliche Ersteinstufung nach dem Lebensalter benachteilige ihn wegen seines Lebensalters.
Der 1967 geborene Kläger steht als Oberfeldarzt (BesGr A 15 BBesO) im Dienst der Beklagten. Ab dem 1. Juni 2008 wurde der Kläger nach der Stufe 9 besoldet. Ende Dezember 2011 machte der Kläger einen Anspruch auf Gewährung des Grundgehalts aus der Endstufe seiner Besoldungsgruppe für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2009 geltend. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers ab und wies die dagegen vom Kläger erhobene Beschwerde zurück.
Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Es könne dahingestellt bleiben, ob die Richtlinie der Europäischen Union, auf die der Kläger seinen Anspruch stütze, auf Soldaten überhaupt anwendbar sei. Denn der Kläger könne eine höhere als die ihm nach dem Gesetz zustehende Besoldung jedenfalls deshalb nicht beanspruchen, weil er seinen vermeintlichen Anspruch nicht zeitnah, d.h. innerhalb des laufenden Haushaltsjahres, geltend gemacht habe.
Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Revision eingelegt und beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. Februar 2013 und des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 23. Oktober 2012 sowie des Bescheids der Wehrbereichsverwaltung West vom 13. April 2012 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 20. Juni 2012 zu verurteilen, an den Kläger 9 092,51 € nebst Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Rechtsauffassung der Beklagten.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt zwar Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es den Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung eines Anspruchs innerhalb des laufenden Kalenderjahres pauschal heranzieht, ohne zu prüfen, ob der Anspruch nicht seine Grundlage in einer gesetzlichen Regelung hat und ob deren Voraussetzungen für die rechtzeitige Geltendmachung eines Zahlungsanspruchs erfüllt sind. Denn der richterrechtlich entwickelte Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung von nicht unmittelbar durch Gesetz begründeten (hier: aus Unionsrecht abgeleiteten) Ansprüchen ist nicht anwendbar, wenn es eine gesetzliche Regelung sowohl des Anspruchs, dessen sich der Kläger berühmt, als auch für dessen fristgerechte Geltendmachung gibt (vgl. die zur Veröffentlichung bestimmten Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 C 3.13 - und - BVerwG 2 C 6.13 - jeweils Rn. 55, dort zu § 15 Abs. 4 AGG).
Die Entscheidung erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dem Kläger steht kein Zahlungsanspruch zu, und zwar auch dann nicht, wenn zu seinen Gunsten angenommen wird, dass die Besoldung der aktiven Soldaten nicht von der Bereichsausnahme nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (- RL 2000/78/EG -, ABl L 303 S. 16) erfasst ist. Auch bei Zugrundelegung dieser für ihn günstigen Auslegung stehen dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis Ende Juni 2009 keine Ansprüche zu.
1. Im Zeitraum von Januar 2008 bis Ende Juni 2009 richtete sich die Besoldung des Klägers als Soldat nach §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (im Folgenden: BBesG a.F. - BGBl I S. 3020). In Bezug auf Beamte führten §§ 27 und 28 BBesG a.F. zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der RL 2000/78/EG. Denn die Regelung hatte zur Folge, dass auch ein älterer Beamter ohne jede Berufserfahrung bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis allein aufgrund seines höheren Lebensalters höher eingestuft wurde (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 50 f.; vgl. dazu ausführlich die Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 C 3.13 - Rn. 15 und - BVerwG 2 C 6.13 - Rn. 16).
Nach Art. 3 Abs. 4 der RL 2000/78/EG können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass diese Richtlinie hinsichtlich von Diskriminierungen wegen einer Behinderung und des Alters nicht für die Streitkräfte gilt. Diese Bereichsausnahme geht zurück auf einen Vorschlag der britischen Regierung, der sich wohl an der Formulierung des britischen Gesetzes gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts („Sex Discrimination Act“) orientiert. Es handelt sich um eine Reaktion auf Urteile des EuGH betreffend den Zugang von Frauen zu den Streitkräften der Mitgliedstaaten in Anwendung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl L 39, S. 40), die eine solche Bereichsausnahme nicht kennt (EuGH, Urteile vom 26. Oktober 1999 - Rs. C-273/97, Sirdar - Slg. I-7403 und vom 11. Januar 2000 - Rs. C-285/98, Kreil - Slg. I-69). Mit dem britischen Vorschlag, der schließlich in Art. 3 Abs. 4 Eingang in die RL 2000/78/EG fand, sollte eine vergleichbare Entwicklung, d.h. eine Erstreckung der Richtlinie auf die Streitkräfte der Mitgliedstaaten, ausgeschlossen werden (vgl. Kuras, RdA 2003, Sonderbeilage Heft 5, S. 11 <12>; Schiek, NZA 2004, S. 873 <876>).
Von der Ermächtigung des Art. 3 Abs. 4 der RL 2000/78/EG hat die Beklagte umfassend Gebrauch gemacht. Das auch der Umsetzung der RL 2000/78/EG dienende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vom 14. August 2006 (- AGG -, BGBl I S. 1897), das nach seinem § 1 auch Benachteiligungen wegen des Alters erfasst, gilt nach seinem § 24 nicht für Soldaten. Maßgeblich ist vielmehr das Gesetz über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten vom 14. August 2006 (Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz - SoldGG -, BGBl I S. 1897 <1904>). In § 1 Abs. 1 und 2 SoldGG kommt klar zum Ausdruck, dass dieses Gesetz für Soldatinnen und Soldaten, anders als das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, keinen Schutz vor Benachteiligungen aus Gründen des Alters oder einer Behinderung bietet; das Merkmal Alter wird hier gerade nicht genannt und § 18 SoldGG erfasst lediglich solche Personen, die ihre Schwerbehinderung im Soldatenverhältnis erlitten haben (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/1780, S. 55). Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 SoldGG verdeutlicht entsprechend der Vorgabe in Erwägungsgrund Nr. 19 Satz 2 der RL 2000/78/EG, den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung festzulegen, auch, dass die Beklagte die Bereichsausnahme für die gesamten Streitkräfte in Anspruch nimmt (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/1780, S. 27).
Aufgrund des Wortlauts des Art. 3 Abs. 4 der RL 2000/78/EG und seiner Entstehungsgeschichte spricht Einiges für die Annahme, dass diese Bereichsausnahme umfassend zu verstehen ist und auch die Besoldung der Soldaten erfasst. Denn die Richtlinie nimmt nicht einzelne Handlungen oder bloße Teilbereiche aus, sondern bezieht sich - grundsätzlich - auf die Streitkräfte des Mitgliedstaates als Ganzes. Andererseits könnte der Erwägungsgrund Nr. 19 Satz 1 der Richtlinie Anlass für eine einschränkende Auslegung dahingehend geben, dass die Besoldung der Soldaten nicht erfasst sein soll, weil insoweit kein Bezug zur Einsatzfähigkeit und der Schlagkraft der Streitkräfte bestehe, um deren Sicherung es bei der Bereichsausnahme geht. Dementsprechend wären auch Soldaten hinsichtlich ihrer Besoldung vor einer ungerechtfertigten Benachteiligung wegen des Alters geschützt. Hiergegen ließe sich wiederum einwenden, dass eine als unzureichend angesehene Besoldung sehr wohl Bedeutung auch für die Einsatzfähigkeit (etwa der Motivation) der Streitkräfte haben könne.
2. Die Frage der Reichweite der Bereichsausnahme nach Art. 3 Abs. 4 der RL 2000/78/EG ist im Streitfall jedoch nicht entscheidungserheblich. Denn selbst bei der für den Kläger günstigen Auslegung ist ein Anspruch auf Zahlung eines höheren Grundgehalts im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeschlossen.
a) Eine Eingruppierung des Klägers in eine höhere oder gar in die höchste Dienstaltersstufe zum Ausgleich seiner - hier insoweit unterstellten - Benachteiligung wegen seines Alters scheidet aus. Eine derartige „modifizierende“ Anwendung des Besoldungsgesetzes kommt nicht in Betracht, weil das Bezugssystem der §§ 27 und 28 BBesG a.F. insgesamt diskriminierend wirkt und nicht mehr herangezogen werden kann (vgl. dazu ausführlich die Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 C 3.13 - Rn. 17 bis 20 und - BVerwG 2 C 6.13 - Rn. 18 bis 21).
b) Auch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch kann der Kläger für den Zeitraum bis Ende Juni 2009 keine Ansprüche herleiten. Denn dessen Voraussetzungen sind erst mit der Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (- Rs. C-297/10 und C-298/10, Slg. I-7965) erfüllt (vgl. dazu ausführlich die Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 C 3.13 - Rn. 25 bis 30 und - BVerwG 2 C 6.13 - Rn. 25 bis 30).
c) Ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 12 Abs. 1 SoldGG scheidet aus, weil die Beklagte den Verstoß der §§ 27 und 28 BBesG a.F. gegen das auf das Alter erstreckte Benachteiligungsverbot nach § 7 Satz 1 SoldGG im Zeitraum von Anfang Januar 2008 bis Ende Juni 2009 noch nicht zu vertreten hatte. Ein Vertretenmüssen i.S.v. § 12 Abs. 1 SoldGG kann erst für den Zeitraum ab Bekanntgabe des Urteils des EuGH vom 8. September 2011 (Rs. C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai) angenommen werden (vgl. dazu ausführlich die Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 C 3.13 - und - BVerwG 2 C 6.13 - jeweils Rn. 40 bis 43).
d) Auch der verschuldensunabhängige Anspruch auf Entschädigung nach § 12 Abs. 2 SoldGG steht dem Kläger nicht zu. Bei der Antragstellung durch sein Schreiben von Ende Dezember 2011 hat der Kläger die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 SoldGG nicht eingehalten.
§ 12 Abs. 3 SoldGG bestimmt - vergleichbar § 15 Abs. 4 AGG -, dass ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 12 Abs. 1 SoldGG oder der Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 12 Abs. 2 SoldGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden muss. Die Frist beginnt zu dem Zeitpunkt, zu dem die berechtigte Person von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
Ist eine Rechtslage unsicher und unklar, beginnt auch die Ausschlussfrist des § 12 Abs. 3 SoldGG erst mit der objektiven Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung (vgl. dazu ausführlich das Urteil des Senats vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 C 6.13 - Rn. 51 ff.).
Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist hier durch die Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 geklärt worden. Denn in diesem Urteil ist den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/ EG in Bezug auf ein mit §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbares Besoldungssystem verdeutlicht worden (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.O. Rn. 104). Das Schreiben des Klägers vom 28. Dezember 2011, mit dem er seinen Anspruch auf Bemessung seines Grundgehalts nach der höchsten Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, lässt deutlich erkennen, dass dieses Urteil des EuGH für die Antragstellung maßgeblich war.
3. Ergänzend und vorsorglich merkt der Senat an, dass das Urteil des EuGH vom 11. November 2014 - Rs. C-530/13, Schmitzer - (NVwZ-RR 2015, 43, ergangen in einem Fall aus Österreich) an der vorstehenden Beurteilung nichts ändert. Diese Entscheidung betrifft eine andere, mit dem vorliegenden Streitfall nicht vergleichbare Fallkonstellation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die dort Betroffenen durch eine Verlängerung des für eine „Vorrückung“ erforderlichen Zeitraums zusätzlich benachteiligt wurden (EuGH, Urteil vom 11. November 2014 a.a.O. Rn. 31 und Ziff. 1 des Tenors). Letzteres hat der EuGH als nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung beanstandet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.