Bundesverwaltungsgericht

Entscheidungsdatum: 27.11.2014


BVerwG 27.11.2014 - 2 C 24/13

Privatisierung der Bewährungshilfe in Baden-Württemberg; keine Weisungsbefugnis für Nicht-Vorgesetzte


Gericht:
Bundesverwaltungsgericht
Spruchkörper:
2. Senat
Entscheidungsdatum:
27.11.2014
Aktenzeichen:
2 C 24/13
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2014:271114U2C24.13.0
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, 22. Januar 2013, Az: 4 S 2968/11, Urteilvorgehend VG Sigmaringen, 12. Oktober 2011, Az: 6 K 2306/11, Urteil
Zitierte Gesetze
§ 7 BewHilfG BW
§ 8 BewHilfG BW
§ 4 Abs 2 S 2 BG BW 1996
§ 4 Abs 4 BG BW 1996

Leitsätze

1. Beamte sind verpflichtet, dienstliche Anordnungen ihres Vorgesetzten zu befolgen, sofern diese im Anwendungs- und Aufgabenbereich der dienstlichen Weisungsbefugnis liegen und die grundrechtlich geschützte Sphäre des Beamten nicht verletzen. Weisungen anderer Stellen oder privater Dritter darf ein Beamter nicht entgegennehmen.

2. Vorschriften, die eine Befolgungspflicht des Beamten nach sich ziehen und deren Nichtbeachtung ein Dienstvergehen begründen können, müssen so klar und bestimmt sein, dass der Beamte erkennen kann, welche und wessen Weisungen er zu befolgen hat.

3. Die Bestimmungen zur Weisungsbefugnis des privaten Trägers der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg sind unklar, von nicht auflösbaren Widersprüchen geprägt und unvollständig und daher nicht geeignet, eine Befolgungspflicht der an Dienststellen des Landes tätigen Beamten zu begründen.

Tatbestand

1

Zum 1. Januar 2007 übertrug der Beklagte aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung durch Vertrag die Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe auf die Beigeladene als Beliehene. Die Beigeladene ist eine gemeinnützige GmbH mit Sitz in Stuttgart, die vollständig von einem österreichischen Verein getragen wird und an der die öffentliche Hand nicht beteiligt ist.

2

Der Kläger steht als Sozialamtmann (Besoldungsgruppe A 11) im Dienst des beklagten Landes. Er war als Bewährungshelfer an der Dienststelle für Bewährungshilfe des Landgerichts Tübingen in Reutlingen verwendet worden. Im Februar 2008 wurde er an die "Einrichtung Reutlingen" versetzt. Dabei handelt es sich um eine Dienststelle der Bewährungs- und Gerichtshilfe des Beklagten, in der zugleich eine Niederlassung der Beigeladenen untergebracht ist und die nach außen einheitlich unter der Bezeichnung "Einrichtung" in Erscheinung tritt. Nach der Konzeption des Beklagten und der Beigeladenen sollen die beamteten Bewährungshelfer dort ihre Dienstleistung nach den Vorgaben und Weisungen der Beigeladenen erbringen. Eine Verfügung, mit der dem Kläger eine Tätigkeit bei der Beigeladenen zugewiesen worden wäre, ist nicht ergangen.

3

Der Kläger hält die Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe und damit auch die Ausübung von Weisungs- und Dienstherrnbefugnissen durch einen Privaten für unzulässig. Er beantragte, der Beigeladenen die Ausübung der Weisungs- und Dienstherrnbefugnisse zu untersagen sowie festzustellen, dass die Ausübung dieser Befugnisse durch die Beigeladene rechtswidrig ist. Der Beklagte lehnte den Antrag ab und wies den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers zurück.

4

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den ablehnenden Bescheid des Beklagten und dessen Widerspruchsbescheid aufzuheben sowie festzustellen, dass die Überlassung der übertragenen Weisungs- und Aufsichtsrechte sowie sonstigen Dienstherrnbefugnisse an die Beigeladene zur Ausübung rechtswidrig ist, hilfsweise die Aufhebung des bestimmte Einzelmaßnahmen betreffenden Widerspruchsbescheids. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorgelegt. Durch Beschluss vom 21. Juni 2011 (- 2 BvL 15/08 - BVerfGK 18, 498) hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Vorlage für unzulässig erklärt. Daraufhin hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen.

5

Die vom Kläger hiergegen eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt: Auf Art. 33 Abs. 4 GG könne sich der Kläger nicht berufen, weil der Funktionsvorbehalt keine subjektiven Rechte der Beamten begründe. Die vertragliche Dienstleistungsüberlassung und die damit der Beigeladenen verliehenen Befugnisse stünden auch in Einklang mit Art. 33 Abs. 5 GG. Einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, wonach der Beamte in einem uneingeschränkten Weisungs- und Verantwortungsstrang zu seinem Dienstherrn stehen müsse, habe das Bundesverfassungsgericht nicht ausgesprochen. Aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben ergebe sich daher auch nicht, dass nur Beamte Vorgesetztenfunktionen oder Weisungsrechte wahrnehmen könnten. Ein Verstoß gegen § 123a Abs. 2 BRRG liege nicht vor, weil die darin normierte Privatisierungsform keinen abschließenden Charakter habe. Andere Gestaltungsmöglichkeiten stünden dem Landesgesetzgeber daher offen. Durch die vorliegende Konstruktion werde nicht der Beamte selbst einem Privaten zugewiesen, vielmehr werde dem Privaten nur das Ergebnis der von Beamten erbrachten Dienstleistung zur Verfügung gestellt. Derartige Dienstleistungsüberlassungen entsprächen den Vorgaben der Rechtsprechung, insbesondere verblieben alle wesentlichen und das Dienstverhältnis des Beamten betreffenden Angelegenheiten beim Dienstherrn.

6

Mit der bereits vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren fort. Er beantragt,

die Urteile des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 22. Januar 2013 und des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 12. Oktober 2011 sowie den Bescheid des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 19. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die Übertragung von Weisungs- und Aufsichtsrechten sowie sonstiger Dienstherrnbefugnisse aufgrund des Landesgesetzes Baden-Württemberg über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug - LBGS - vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469 <504>) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 11. Dezember 2007 (GBl. S. 580) auf die Beigeladene rechtswidrig ist.

7

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beigeladene beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren; er hält die Revision für unbegründet.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Landesbeamtenrecht (§ 191 Abs. 2 VwGO, § 127 Nr. 2 BRRG, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG). Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar zutreffend entschieden, dass die Klage zulässig ist (1.) und die der Beigeladenen eingeräumten Befugnisse nicht am Maßstab des § 123a BRRG zu messen sind (2.). Er hat aber verkannt, dass die gesetzgeberische Konzeption des Landesgesetzes über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug - LBGS - vom 1. Juli 2004 (GBl. S. 469 <504>) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 11. Dezember 2007 (GBl. S. 580) unauflösbare Widersprüche enthält und angesichts seiner Unvollständigkeit von vornherein nicht geeignet ist, Weisungsbefugnisse der Beigeladenen und eine damit korrespondierende Befolgungspflicht des Klägers zu begründen (3.). Zu dieser Feststellung ist der Senat ohne Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Staatsgerichtshof Baden-Württemberg befugt (4.). Um eine Gefährdung der ordnungsgemäßen Aufgabenerledigung der Bewährungs- und Gerichtshilfe zu vermeiden, können die Regelungen des Landesgesetzes übergangsweise weiterhin angewandt werden (5.).

11

Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen des Streitfalls stellen sich wie folgt dar:

12

Nach § 7 Abs. 1 LBGS kann das Justizministerium durch Vertrag die Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe im ganzen Land auf einen freien Träger als Beliehenen übertragen. Gemäß § 8 Nr. 1 Satz 1 LBGS kann dem freien Träger dabei das Ergebnis der Dienstleistung der derzeit beschäftigten Bewährungs- und Gerichtshelfer unter Wahrung ihrer Rechtsstellung zur Verfügung gestellt werden. Einen entsprechenden Vertrag haben der Beklagte und die Beigeladene am 6. Dezember 2006 mit einer Laufzeit von 10 Jahren geschlossen.

13

Nach § 8 Nr. 1 Satz 2 LBGS ist damit der Vorstand des freien Trägers zur Ausübung der Fachaufsicht und des fachlichen Weisungsrechts ermächtigt. Die vom Vertrag erfassten Bewährungs- und Gerichtshelfer werden vom freien Träger nach seinem Organisationsermessen mit Aufgaben betraut (§ 8 Nr. 2 LBGS), den Anordnungen des freien Trägers hat der Beamte Folge zu leisten (§ 8 Nr. 6 LBGS). Weitere Dienstherrnbefugnisse, die weder den Status der Beschäftigten noch die Ausübung der Disziplinargewalt betreffen, können dem Vorstand des freien Trägers durch Rechtsverordnung zur Ausübung übertragen werden (§ 8 Nr. 4 LBGS). Hiervon ist durch die Verordnung des Justizministeriums zur Durchführung des Landesgesetzes über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug - DVO LBGS - vom 2. Januar 2008 (GBl. S. 30), geändert durch Verordnung vom 15. Juni 2010 (GBl. S. 529), Gebrauch gemacht worden.

14

1. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Feststellungsklage als zulässig erachtet.

15

Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Weisungs- und Aufsichtsrechte sowie weitere Dienstherrnbefugnisse, die dem Beklagten gegenüber dem Kläger zustehen, wirksam durch Vertrag im Sinne von § 7 LBGS auf die Beigeladene übertragen worden sind. Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Wegen des Risikos einer disziplinarischen Ahndung kann es ihm nicht zugemutet werden, eine Weisung der Beigeladenen nicht zu befolgen und die zwischen den Beteiligten umstrittene Rechtsfrage erst in diesem Zusammenhang gerichtlich klären zu lassen (BVerwG, Urteile von 30. November 2011 - 6 C 20.10 - BVerwGE 141, 223 Rn. 13 und vom 27. Juni 2013 - 3 C 21.12 - BVerwGE 147, 100 Rn. 12).

16

Die Klagebefugnis folgt aus der Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen (§ 35 Satz 2 BeamtStG, § 37 Satz 2 BRRG a.F.). Die Gehorsamspflicht des Beamten besteht grundsätzlich auch bei rechtswidrigen Weisungen, sofern sie einen Bezug zur Dienstausübung des Beamten aufweisen (BVerwG, Urteil vom 18. September 2008 - 2 C 126.07 - BVerwGE 132, 40 Rn. 16 f.). Der Beamte hat aber die Möglichkeit, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen geltend zu machen; nur so kann er sich von seiner eigenen Verantwortung befreien (§ 36 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG, § 38 Abs. 2 Satz 2 BRRG a.F.). Er kann ggf. auch gerichtlich überprüfen lassen, ob die Weisung den zulässigen dienstlichen Zusammenhang verlässt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. November 1994 - 2 BvR 1117/94 u.a. - NVwZ 1995, 680 Rn. 6).

17

Sollten die Maßnahmen des Beklagten der Sache nach eine Zuweisung zur Beigeladenen bewirken, wie der Kläger vorträgt, bestünde überdies die Möglichkeit der Verletzung seiner Statusrechte. Anders als eine behördeninterne Umsetzung entfaltet die Zuordnung eines Beamten zu einer anderen Behörde oder Einrichtung Außenwirkung (BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 - 2 C 30.78 - BVerwGE 60, 144 <147> zu Abordnung und Versetzung, vgl. auch Urteil vom 25. Oktober 2007 - 2 C 30.07 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 91 Rn. 12 ff. zum Statusbezug der Zuweisung).

18

Das für beamtenrechtliche Streitigkeiten stets erforderliche Vorverfahren (§ 126 Abs. 3 BRRG, § 54 Abs. 2 BeamtStG) ist ordnungsgemäß durchgeführt worden.

19

2. Die Privatisierung der Bewährungs- und Gerichtshilfe durch §§ 7 ff. LBGS und den darauf gestützten Vertrag zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen unterfällt nicht dem Regelungsbereich des § 123a BRRG.

20

a) § 123a BRRG in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesgesetzes Baden-Württemberg über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug gültigen Fassung vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2138 <2140>) regelt - weitgehend inhaltsgleich mit § 20 BeamtStG -, unter welchen Voraussetzungen einem Beamten eine Tätigkeit bei einer nicht dienstherrnfähigen Einrichtung zugewiesen werden kann.

21

Die Zuweisung stellt das Gegenstück zu Abordnung und Versetzung dar, wenn die Einrichtung, bei der die Aufgabe erfüllt werden soll, keine Dienstherrnfähigkeit besitzt. Die Rechtsstellung des Zugewiesenen bleibt dabei unberührt (§ 123a Abs. 3 BRRG), sodass die Rechte und Pflichten aus dem Beamtenverhältnis zu seinem Dienstherrn fortbestehen; der Beamte erhält von diesem auch weiterhin seine Bezüge. Mangels Dienstherrnfähigkeit stehen der Einrichtung auch keine Dienstherrnbefugnisse zu, derartiges ist nur durch eine zusätzliche Beleihung möglich. Die Tätigkeit des zugewiesenen Beamten wird aber für den Träger der Zuweisungseinrichtung erbracht. Der Beamte muss daher auch in den Betrieb der Einrichtung integriert werden und unterliegt "vor Ort" dem fachlichen Direktions- und Weisungsrecht dieser Einrichtung (BT-Drs. 11/6835 S. 56; vgl. hierzu Hoffmann, ZTR 1990, 327 <328>; Schönrock, ZBR 2010, 222 <227>).

22

b) Eine derartige Zuweisung des Klägers hat der Beklagte nicht verfügt; sie war auch in der Sache nicht beabsichtigt.

23

Im Januar 2008 hat der Beklagte den Kläger vielmehr an eine landeseigene Dienststelle versetzt. Zwar trägt die Dienststelle die Bezeichnung "Einrichtung" (Ziffer I.2 Abs. 2 der Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums BW vom 8. Mai 2009, Die Justiz 2009, 151). Gleichwohl handelt es sich hierbei um eine Dienststelle der Bewährungs- und Gerichtshilfe des Landes (§ 1 Abs. 1 Nr. 9 DVO LBGS). Dem Kläger ist daher keine Tätigkeit bei der Beigeladenen zugewiesen worden, er versieht seinen Dienst vielmehr weiterhin bei einer Dienststelle des beklagten Landes. Dementsprechend ist der rechtstechnische Weg und die Bezeichnung als Versetzung gewählt worden.

24

Dieser rechtstatsächliche Befund entspricht auch dem Willen des Beklagten. Nach § 8 Nr. 1 Satz 1 LBGS soll dem freien Träger nur das Ergebnis der Dienstleistung der Landesmitarbeiter zur Verfügung gestellt werden. Eine Zuweisung der Beamten selbst war dagegen ausdrücklich nicht beabsichtigt (Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, LT-Drs. 13/3201 S. 316). Auch das Konzept des zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags beruht auf dieser Einordnung. Danach nimmt die Beigeladene das Ergebnis so in Anspruch, wie es ihr vom Land zur Verfügung gestellt wird (§ 3 Abs. 2 Satz 4 des Vertrages vom 6. Dezember 2006). Dem Gesamtkonzept des Regelungsgefüges liegt damit die Vorstellung zugrunde, dass die Dienstleistung der Beamten für und beim Beklagten erbracht wird und dieser das Ergebnis der Beigeladenen überlässt (vgl. hierzu auch Bericht der Landesregierung zur Evaluation der Bewährungs- und Gerichtshilfe, LT-Drs. 15/5000 S. 42).

25

c) Dieses Regelungskonzept stellt keine Umgehung des § 123a BRRG dar, der bei Inkrafttreten des Landesgesetzes als unmittelbar anwendbares Recht galt.

26

§ 123a BRRG ist zwar ist als Rahmengesetz erlassen worden, das der Ausfüllung durch Landesgesetzgebung fähig und ihrer bedürftig sein muss (BVerfG, Urteil vom 27. Juli 2004 - 2 BvF 2/02 - BVerfGE 111, 226 <248> m.w.N.). Auch aufgrund der Kompetenz zur Rahmengesetzgebung konnten jedoch für einzelne Teile der Rechtsmaterie eine Vollregelung getroffen werden (BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 1954 - 2 BvG 1/54 - BVerfGE 4, 115 <128 f.>; Beschluss vom 28. November 1973 - 2 BvL 42/71 - BVerfGE 36, 193 <202>). Dies ist durch Art. 75 Abs. 2 GG in der Fassung vom 27. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3146) auch im Grundgesetz selbst zum Ausdruck gebracht worden. Von dieser Möglichkeit ist in den Vorschriften aus Kapitel II des Beamtenrechtsrahmengesetzes, die "einheitlich und unmittelbar gelten", Gebrauch gemacht worden. Eine Umsetzung durch den Landesgesetzgeber, die Anknüpfungspunkt für eine abweichende Regelung hätte sein können, war hier nicht vorgesehen (Hoffmann, ZTR 1990, 327). Die in § 123a Abs. 2 BRRG enthaltenen Bestimmungen haben auch in der Sache eine abschließende Regelung darüber getroffen, in welchen Fällen eine Zuweisung von Beamten ohne deren Einverständnis erfolgen kann (BT-Drs. 13/5057 S. 64).

27

In diesem abschließend vorgegebenen Regelungsbereich liegt das Landesgesetz aber nicht. Dem Kläger ist weder formal noch in der Sache eine Tätigkeit bei der Beigeladenen übertragen worden. Er ist durch das erwähnte Gesetz auch nicht in die Organisationsstruktur der Beigeladenen eingegliedert, sondern vielmehr weiterhin an einer Dienststelle des Beklagten verwendet worden. Eine zuweisungsähnliche Maßnahme, die als Umgehung des in § 123a BRRG vorgegebenen Rechtsinstituts bewertet werden könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1984 - 2 C 84.81 - BVerwGE 69, 303 <307> zur "versetzungs- oder abordnungsähnlichen Maßnahme"), ist damit nicht gegeben.

28

Das Regelungsgefüge für den Einsatz der beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer weist zwar insoweit Besonderheiten auf, als deren Dienstleistung nach den fachlichen Vorgaben und Weisungen der Beigeladenen erfolgen soll (§ 8 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2, 4 und 6 LBGS). Die hiermit ausgelöste Spannungslage berührt aber nicht die mit dem Rechtsinstitut der Zuweisung geregelte Frage der Eingliederung eines Beamten in die Organisationsstruktur von nicht dienstherrnfähigen Einrichtungen.

29

3. Die Einräumung von Weisungs- und Aufsichtsrechten zugunsten der Beigeladenen im Landesgesetz über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug ist aber unklar, von nicht auflösbaren Widersprüchen geprägt und unvollständig. Die Vorschriften sind daher von vornherein nicht geeignet, Weisungsbefugnisse der Beigeladenen und eine damit korrespondierende Befolgungspflicht des Klägers zu begründen.

30

a) Die Pflicht zu Treue und Gehorsam des Beamten gegenüber seinem Dienstherrn gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <286>). Beamte sind seit jeher verpflichtet, den dienstlichen Anordnungen ihres Vorgesetzten Folge zu leisten (vgl. § 1 des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873, RGBl. S. 61, § 37 Satz 2 BRRG a.F. sowie heute § 35 Satz 2 BeamtStG und § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG). Die Weisungsbefugnis ist das Instrument, mit dem die Dienstleistungspflicht des Beamten konkretisiert und gesteuert wird. Ohne die Möglichkeit, den Beamten verbindliche Anordnungen zur Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben vorzugeben, kann der Dienstherr die ihm obliegenden öffentlichen Aufgaben nicht erfüllen. Der Beamte ist daher zur Befolgung der Anordnungen seines Vorgesetzten verpflichtet, sofern diese im Anwendungs- und Aufgabenbereich der dienstlichen Weisungsbefugnis liegen und die grundrechtlich geschützte Sphäre des Beamten nicht verletzen (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 20. Oktober 1967 - 1 WDB 7.67 - BVerwGE 33, 108 <110>; Urteile vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVerwGE 125, 85 Rn. 13 und 29 sowie vom 18. September 2008 - 2 C 126.07 - BVerwGE 132, 40 Rn. 16 ff.).

31

Die Weisungsbefugnis ist das notwendige Bindeglied, um die demokratische Legitimation für die Ausübung von Staatsgewalt sowie die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung gewährleisten zu können (BVerfG, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfGE 93, 37 <66 ff.>). Die erforderliche Legitimationskette wird vom Dienstherrn durch das Mittel der ununterbrochenen Weisungsabhängigkeit auch für nachgeordnete Amtswalter hergestellt (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 2 BvF 3/89 - BVerfGE 83, 60 <72>). Die verfassungsrechtlichen Vorgaben werden in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder konkretisiert. Nach dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Landesgesetzes über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug maßgeblichen § 74 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes vom 19. März 1996 (- LBG BW 1996 - GBl. S. 85) ist der Beamte verpflichtet, die von seinem Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und seine allgemeinen Richtlinien zu befolgen, sofern es sich nicht um Fälle handelt, in denen er nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist (vgl. nunmehr § 35 Satz 2 und 3 BeamtStG). Vorgesetzter ist derjenige, der einem Beamten für seine dienstliche Tätigkeit Anordnungen erteilen kann (§ 4 Abs. 2 Satz 2 LBG BW 1996). Dabei bestimmt sich nach dem Aufbau der öffentlichen Verwaltung, wer Vorgesetzter ist (§ 4 Abs. 4 LBG BW 1996). Danach sind die Vorgesetzten vom Dienstherrn ermächtigt, den ihnen nachgeordneten Beamten derselben Dienststelle Anordnungen zu erteilen. Weisungen anderer Stellen oder privater Dritter darf der Beamte nicht entgegennehmen; er ist zu unparteiischem Dienst für die Gesamtheit und loyaler Pflichterfüllung verpflichtet (vgl. bereits BVerfG, Beschluss vom 17. Oktober 1957 - 1 BvL 1/57 - BVerfGE 7, 155 <163>; Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <286 f.>).

32

Verletzt der Beamte die ihm obliegende Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen, begeht er bei schuldhaftem Handeln ein Dienstvergehen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG, § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG), das disziplinarisch geahndet werden kann. Das weisungsrechtliche Regelungsgefüge muss daher so klar und bestimmt sein, dass der Beamte erkennen kann, welche und wessen Anordnungen er zu befolgen hat. Eine Vorschrift entspricht nur dann rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn und soweit sich aus ihr mit ausreichender Bestimmbarkeit ermitteln lässt, was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Vom Normgeber wird verlangt, die Rechtsvorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerwG, Urteil 16. Oktober 2013 - 8 CN 1.12 - BVerwGE 148, 133 Rn. 21 m.w.N.). Auf denselben Regelungsbereich bezogene Gesetze dürfen daher nicht zu widersprüchlichen Ergebnissen führen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2007 - 1 BvR 1550/03 u.a. - BVerfGE 118, 168 <191>). Für sanktionsbewehrte Anordnungen gilt dies in besonderer Weise (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08 u.a. - BVerfGE 126, 170 <195>).

33

b) Diesen Vorgaben entspricht das Regelungsgefüge des Landesgesetzes für die Weisungs- und Aufsichtsrechte der Beigeladenen gegenüber den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern des Landes nicht. Das Landesgesetz weist im Hinblick auf das Verhältnis zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen in Bezug auf das Ergebnis der Diensttätigkeit der beamteten Bewährungshelfer sowie auf die Person des Weisungsbefugten unauflösbare Widersprüche auf, die die Annahme ausschließen, die Beigeladene habe gegenüber einem Beamten, der - wie der Kläger - in einer "Einrichtung" tätig ist, tatsächlich eine zu Weisungen berechtigende Stellung.

34

Mit der in §§ 7 und 8 LBGS gewählten Konstruktion hat das beklagte Land - bewusst - auf eine Zuweisung der Beamten an die Beigeladene verzichtet. Den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern ist nicht eine Tätigkeit bei der Beigeladenen übertragen worden. Sie sind auch organisatorisch nicht dem Betrieb der Beigeladenen zugeordnet, sondern werden weiterhin an einer landeseigenen Dienststelle verwendet. Damit kommt der Beigeladenen und ihren Mitarbeitern auch keine Vorgesetzteneigenschaft gegenüber dem Kläger und den anderen Bewährungs- und Gerichtshelfern des Landes zu. Nach dem Aufbau der Verwaltung (§ 4 Abs. 4 LBG BW 1996) kann deren Vorgesetzter vielmehr nur ein an der landeseigenen Dienststelle Beschäftigter des beklagten Landes sein. Die Beigeladene ist daher bereits in personeller Hinsicht nicht anordnungsbefugt.

35

Die fehlende Weisungsbefugnis der Beigeladenen gegenüber den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern des Landes folgt überdies aus dem Umstand, dass Anordnungen in Bezug auf die Bewährungs- und Gerichtshilfe nicht im Aufgabenbereich ihrer Dienststelle liegen. Die Aufgabe der Bewährungs- und Gerichtshilfe im ganzen Land ist auf die Beigeladene als Beliehene übertragen worden (§ 7 Abs. 1 LBGS i.V.m. § 1 des zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags vom 6. Dezember 2006). Hierauf bezogene Anordnungen liegen daher nicht im sachlichen Anwendungsbereich der dienstlichen Aufgaben der beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer des Landes. Weisungen der Beigeladenen sind folglich in sachlicher Hinsicht nicht auf die Dienstausübung des Klägers sowie der anderen beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer bezogen.

36

In Widerspruch hierzu gehen § 8 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2, 4 und 6 LBGS von Anordnungsrechten der Beigeladenen in Bezug auf Aufgaben der Bewährungs- und Gerichtshilfe gegenüber den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern aus. Wie diese Normen in Bezug zu den beamtenrechtlichen Regelungen stehen, lässt sich den Vorschriften nicht entnehmen. Das durch die widersprüchlichen Bestimmungen ausgelöste Spannungsverhältnis wird durch die weiteren Regelungen des Landesgesetzes nicht aufgelöst.

37

Unklar ist dabei insbesondere, wessen Weisungen der Kläger und die anderen beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer des Landes befolgen müssen. § 8 LBGS geht zwar von Weisungsbefugnissen der Beigeladenen aus, ordnet aber nicht ausdrücklich an, dass dies auch für Beamte gilt, die einer Dienststelle des Beklagten zugeordnet sind. Dort muss es nach dem allgemeinen Aufbau der Verwaltung aber vom Beklagten bestimmte Vorgesetzte des Klägers geben (§ 4 Abs. 4 LBG BW 1996). Dass der beamtete Bewährungshelfer auch in dieser Situation, trotz des Vorhandenseins eines Vorgesetzten seiner eigenen Dienststelle, Weisungen von der Beigeladenen entgegennehmen muss, lässt sich dem Regelungsgefüge nicht entnehmen.

38

Die Weisungsmöglichkeit zweier unterschiedlicher Stellen würde aber nicht nur zu Unklarheiten führen, sondern die Gefahr begründen, dass der Beamte zum "Diener zweier Herren" wird (BVerfG, Beschluss vom 19. September 2007 - 2 BvF 3/02 - BVerfGE 119, 247 <264 f.>). Er muss einerseits Weisungen seines Vorgesetzten befolgen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 LBG BW 1996), unterliegt andererseits aber den fachliche Anordnungen der Beigeladenen. Da es sich bei der Beigeladenen um einen privaten Dritten handelt, der erwerbswirtschaftlichen Rationalitäten unterliegt, kann auch nicht unmittelbar von einer Abschirmung des Gemeinwohlinteresses gegen potentiell nicht primär fachlich motivierte Einwirkungen ausgegangen werden, so dass die Anordnungsbefugnis hier besonderen Bedenken ausgesetzt ist (BVerfG, Urteil vom 18. Januar 2012 - 2 BvR 133/10 - BVerfGE 130, 76 <126 f.>; kritisch zur Weisungsbefugnis Privater auch Lecheler, in: Badura/Dreier (Hrsg.): Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Band II, 2001, S. 359 <373> sowie Blanke/Sterzel, Privatisierungsrecht für Beamte, 1999, Rn. 146 und 151).

39

Eine Regelung zur Auflösung etwaiger Konfliktlagen sieht das Landesgesetz über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug nicht vor. Hierzu hätte angesichts des mehrpoligen Verhältnisses, das zusätzlich durch das vorrangige Anweisungsrecht des Richters gekennzeichnet ist (vgl. § 56d Abs. 4 Satz 2 StGB, § 25 Satz 2 JGG, § 160 Abs. 3 Satz 2 und § 463d StPO), in besonderer Weise Anlass bestanden. Entsprechende Kollisionslagen sind vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung geschildert worden.

40

Ebenso wenig ist ersichtlich, wie der Kläger oder die anderen beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer im Falle einer rechtswidrigen Anordnung durch die Beigeladene verfahren sollen. Die Gehorsamspflicht des Beamten besteht grundsätzlich auch bei rechtswidrigen Weisungen. Deshalb hat der Beamte die Möglichkeit und Pflicht, Bedenken an der Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen auf dem Dienstweg geltend zu machen. Nur so kann er sich - wie dargestellt - von seiner eigenen Verantwortlichkeit befreien (§ 36 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG, § 38 Abs. 2 Satz 2 BRRG a.F.) und kommt er gleichzeitig der Verpflichtung nach, seinen Vorgesetzten zu beraten. Ein Dienstweg im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG für die Remonstration gegen eine Anordnung der Beigeladenen ist aber nicht gegeben, weil die Weisung nicht vom Vorgesetzten stammt. Der anordnungsbefugten Beigeladenen kommt mangels Zuweisung keine Vorgesetzteneigenschaft zu; sie könnte den Beamten auch nicht von seiner Verpflichtung zu rechtmäßigem Handeln entbinden, weil sie keiner parlamentarischen Verantwortung unterliegt. Der Beamte müsste sich daher an den Vorgesetzten seiner eigenen Dienststelle wenden. Dieser ist zu fachlichen Weisungen im Aufgabenbereich der Beigeladenen aber weder befugt noch in der Lage.

41

Widersprüchlich ist auch die Ausgestaltung der in § 8 LBGS selbst angeordneten Befugnisse der Beigeladenen. Nach § 8 Nr. 1 Satz 2 LBGS ist "der Vorstand" des freien Trägers zur Ausübung der Fachaufsicht und des fachlichen Weisungsrechts ermächtigt. Entsprechendes ordnet § 8 Nr. 4 Satz 1 LBGS sowie der hierauf gestützte § 2 DVO LBGS hinsichtlich der Ausübung von Dienstherrnbefugnissen an. So bleibt unklar, welche Person bei einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand weisungsbefugt sein soll: Jede Person allein oder alle Vorstandsmitglieder zur gesamten Hand oder jedes Vorstandsmitglied für seinen jeweiligen Geschäftsbereich. Eine gesetzliche Delegationsermächtigung findet sich nicht. § 8 Nr. 2 und 6 LBGS sprechen dagegen Anordnungsbefugnisse und Weisungsrechte "des freien Trägers" aus, ohne die weisungsbefugte Person zu bestimmen. Die Unklarheit dieser Regelung kann nicht durch Rückgriff auf § 8 Nr. 1 Satz 2 LBGS behoben werden, weil diese Bestimmung ihrerseits keinen eindeutigen Regelungsgehalt hat. Damit wären auch Maßnahmen erfasst, die von nachgeordneten Beschäftigten der Beigeladenen erlassen werden. Entsprechend wird - wie der Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat - in der Praxis offenbar auch verfahren. Dem Regelungsgefüge des § 8 LBGS ist damit nicht zu entnehmen, ob die beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer nur Weisungen der Geschäftsführer der Beigeladenen (als gemeinnützige GmbH hat die Beigeladene keinen Vorstand) befolgen müssen oder auch Anordnungen von nachgeordneten Mitarbeitern der Beigeladenen.

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Das Regelungskonzept des Beklagten ist damit nicht nur unklar, sondern in sich widersprüchlich. Es verzichtet zwar auf eine Zuweisung der beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer an die Beigeladene und versetzt die Beamten an eine landeseigene Dienststelle der Bewährungs- und Gerichtshilfe. An diesen Dienststellen können der Kläger und die anderen beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer aber keine dienstliche Aufgabe des Beklagten mehr versehen. Die Aufgabe der Bewährungs- und Gerichtshilfe (mit der die Landesbeamten gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 des zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags vom 6. Dezember 2006 weiterhin zu befassen sind) im ganzen Land ist auf die Beigeladene übertragen worden. An ihrer Dienststelle haben die Landesbeamten damit zwar einen Vorgesetzten, aber keine dienstliche Aufgabe. Umgekehrt werden der Beigeladenen Weisungs- und Aufsichtsrechte gegenüber den beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfern des Landes eingeräumt, obwohl diesen keine Tätigkeit bei der Beigeladenen übertragen ist. Die Beigeladene hat daher Anordnungsbefugnisse, ist aber nicht Vorgesetzte der Beamten. Diese Weisungsrechte betreffen Angelegenheiten, die den Beamten nicht als dienstliche Aufgabe obliegen. Schließlich widersprechen die Weisungsbefugnisse auch der Regelung des Gesetzes, dass der Beigeladenen nur das Ergebnis der Dienstleistung zur Verfügung gestellt wird (§ 8 Nr. 1 Satz 1 LBGS) - auf das bereits vom Beklagten erbrachte Ergebnis kann sich das fachliche Weisungsrecht, das gerade dem Zustandekommen dieses Ergebnisses dient, nicht beziehen.

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Diese Brüche und Gegensätze können im Wege der Auslegung nicht beseitigt werden. Es ist keine Anwendung der in § 8 LBGS enthaltenen Befugnisse der Beigeladenen denkbar, mit der ein Widerspruch zur Einschränkung des Anordnungsrechts auf Vorgesetzte (§ 4 Abs. 4 LBG BW 1996) vermieden werden könnte. Derartiges wäre nur in Anlehnung an das Rechtsinstitut der Zuweisung vorstellbar, das indes eine Zustimmung der Beamten voraussetzt (§ 123a Abs. 1 BRRG, § 20 Abs. 1 BeamtStG) und vom Beklagten bewusst nicht gewählt worden ist.

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Auch das vom Beklagten geschaffene umfassende Instrumentarium der Dienst- und Fachaufsicht über die Beigeladene - einschließlich aufsichtsrechtlicher Beanstandungs- und Weisungsrechte bis hin zur Vollstreckung durch Ersatzvornahme (vgl. § 8 Nr. 5 Satz 2, Nr. 7 LBGS und § 7 Abs. 2 und 3 des zwischen dem Beklagten und der Beigeladenen geschlossenen Vertrags vom 6. Dezember 2006) - hilft über die dargestellten Brüche und Gegensätze nicht hinweg. Denn Adressat dieser Aufsichtsrechte ist allein die Beigeladene, nicht aber der Kläger als Bewährungshelfer. Ihn schützen diese Aufsichtsrechte des Beklagten allenfalls mittelbar. Er kann daraus insbesondere nicht erkennen, wer sein Vorgesetzter im Sinne des Dienstrechts ist und wessen Weisungen er zu befolgen hat.

45

Das bestehende Regelungskonzept ist darüber hinaus in wesentlichen Punkten lückenhaft und unvollständig, weil Zentralfragen des Anordnungsrechts der Beigeladenen nicht normiert worden sind. Dem Gesetz kann nicht mit ausreichender Bestimmtheit entnommen werden, welche Mitarbeiter der Beigeladenen dem Kläger gegenüber anordnungsbefugt sind. Die Bestimmungen klären nicht, in welcher Beziehung das Weisungsrecht des Vorgesetzten zur Anordnungsbefugnis der Beigeladenen steht. Die Normen lassen schließlich offen, wie und auf welchem Wege der Kläger sich gegen rechtswidrige Anordnungen der Beigeladenen wenden kann. Der Beamte wird damit einerseits mit dem vollen Risiko der Rechtmäßigkeit seiner Tätigkeit für die Beigeladene belastet, andererseits aber mit einer Disziplinarmaßnahme im Falle der Weigerung bedroht.

46

Enthält eine Bestimmung die für ihre Anwendung notwendigen Regelungen nicht und kann die für einen Vollzug unverzichtbare Vollständigkeit auch nicht im Wege der Auslegung gewonnen werden, kann sie jedenfalls keine disziplinarmaßnahmenbewehrte Befolgungspflicht für Beamte auslösen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 2 C 50.10 - Buchholz 230 § 128 BRRG Nr. 9 Rn. 7 ff.). Die in § 8 LBGS enthaltenen Bestimmungen sind daher nicht geeignet, Anordnungsbefugnisse der Beigeladenen und eine hiermit korrespondierende Befolgungspflicht des Klägers zu begründen.

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4. Diese Feststellung kann und muss der Senat selbst ohne vorherige Vorlage an das Bundesverfassungsgericht oder den Staatsgerichtshof Baden-Württemberg aussprechen.

48

a) Nach Art. 100 Abs. 1 GG hat ein Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig (Satz 1) oder bundesrechtswidrig (Satz 2) hält. Kann eine begehrte Feststellung nur bei Annahme der Ungültigkeit eines Landesgesetzes wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz oder sonstiges Bundesrecht ausgesprochen werden, ist ein Verwaltungsgericht daher an einer eigenständigen Entscheidung gehindert. Der Ausspruch setzt die Ungültigkeit des Landesgesetzes voraus, zu dessen Feststellung nur das Bundesverfassungsgericht berufen ist (Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG).

49

Dem Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts sind aber nur diejenigen Fälle unterstellt, in denen sich die Ungültigkeit des Landesgesetzes aus höherrangigem Bundesrecht ergibt (Art. 31 GG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt auch dies nur dann, wenn es um früher erlassenes Bundesrecht geht. Sinn des Art. 100 Abs. 1 GG ist es nicht, den Gerichten die Kompetenz zur Prüfung der Gültigkeit von Gesetzen allgemein, sondern nur dann zu entziehen, wenn damit der Vorwurf an den Landesgesetzgeber verbunden ist, er habe bei Erlass seines Gesetzes übergeordnetes Bundesrecht nicht beachtet (BVerfG, Beschlüsse vom 6. Oktober 1959 - 1 BvL 13/58 - BVerfGE 10, 124 <128>, vom 23. März 1982 - 2 BvL 13/79 - BVerfGE 60, 135 <153> und vom 6. Dezember 1983 - 2 BvL 1/82 - BVerfGE 65, 359 <373>; ebenso BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2000 - BVerwG 3 C 2.00 - Buchholz 316 § 13 VwVfG Nr. 2 S. 1 <3> und vom 26. April 2006 - BVerwG 7 C 15.05 - BVerwGE 126, 1 Rn. 8).

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Entsprechend setzt eine Vorlage an den Staatsgerichtshof Baden-Württemberg voraus, dass die Vereinbarkeit eines Landesgesetzes mit der Landesverfassung in Frage gestellt ist (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG; Art. 68 Abs. 1 Nr. 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953, GBl. S. 173, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. Dezember 2011, GBl. S. 46, sowie § 51 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof vom 13. Dezember 1954, GBl. S. 171, zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. November 2012, GBl. S. 569).

51

Außerhalb der durch Art. 100 Abs. 1 GG geregelten Fallkonstellationen von Normenkollisionen verbleibt es bei der Entscheidungskompetenz der zuständigen Gerichte (Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, Rn. 753; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. November 1992 - 8 C 9.91 - Buchholz 406.11 § 127 BBauG/BauGB Nr. 64 S. 77).

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b) Um einen Fall der vermeintlichen Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit Bundesrecht oder der Landesverfassung geht es hier aber nicht. Der Feststellungsausspruch des Senats beruht nicht auf der Annahme, das Landesgesetz über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Die Entscheidung beruht vielmehr zum einen darauf, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die Weisungsgebundenheit der Beamten beim Erlass des Landesgesetzes das Verhältnis zu den allgemeinen Bestimmungen des Landesbeamtengesetzes vom 19. März 1996 im Unklaren gelassen hat. Zum anderen hat der Gesetzgeber im Landesgesetz in Bezug auf die Weisungsbefugnisse gegenüber den Beamten, deren Übertragung auf die Beigeladene sich der Beklagte und die Beigeladene berühmen, eine Regelung voller schwerwiegender Widersprüche geschaffen, die auch im Wege der Auslegung des Gesetzes nicht aufzulösen sind. Der einfachgesetzliche Normbefund ergibt vielmehr, dass es sich - wie dargestellt - um ein in mehrfacher Hinsicht "imperfektes" Regelungsgefüge handelt.

53

5. Um die Funktionsfähigkeit der Bewährungs- und Gerichtshilfe in Baden-Württemberg nicht zu gefährden und das Regelungsdefizit für die in diesem Bereich notwendigen Weisungen nicht zu vertiefen, kann der Zustand, der sich in der Praxis auf Grundlage des Landesgesetzes über die Bewährungs- und Gerichtshilfe sowie die Sozialarbeit im Justizvollzug und des zwischen dem Beklagten und der Beilgeladenen geschlossenen Vertrags herausgebildet hat, noch für einen Übergangszeitraum, längstens aber bis Ende 2016, hingenommen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Juni 2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <111> und vom 30. August 2012 - 2 C 23.10 - BVerwGE 144, 93 Rn. 16).

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Allerdings muss gewährleistet werden, dass die beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer generelle Standards und Vorgaben der Beigeladenen nur dann befolgen müssen, wenn der Beklagte diesen vorab zugestimmt und sie seinen Beamten gegenüber für verbindlich erklärt hat. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass sich die beamteten Bewährungs- und Gerichtshelfer mit Bedenken gegen die Anordnungen der Beigeladenen unmittelbar an eine Stelle ihres Dienstherrn wenden können, ohne vorab den betriebsinternen Dienstweg der Beigeladenen durchlaufen zu müssen.

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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.