Entscheidungsdatum: 28.10.2010
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob die Richtlinie 2000/78/EG (juris: EGRL 78/2000) auf die Vorschriften zur Gewährung von Beihilfe für Beamte in Krankheitsfällen Anwendung findet.
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Artikel 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Findet die Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf Anwendung auf nationalstaatliche Vorschriften zur Gewährung von Beihilfe für Beamte in Krankheitsfällen.
I.
Der Kläger ist Ruhestandsbeamter und stand im Dienst der Beklagten. Im Januar 2005 begründete er eine Lebenspartnerschaft. Seinen im Juli 2006 gestellten Antrag, seinen Lebenspartner in die Beamtenversorgung aufzunehmen, deutete die Beklagte dahingehend, dass er dessen Berücksichtigung bei der Beihilfe anstrebe. Sie lehnte den Antrag ab und wies den dagegen erhobenen Widerspruch zurück. Der Kläger hat seinen Lebenspartner im Hinblick auf diese ungeklärte Situation in vollem Umfang privat krankenversichert.
Die Klage auf Feststellung, dass der Lebenspartner beihilferechtlich wie ein Ehegatte zu behandeln sei, ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Zur Begründung führte das Berufungsgericht im Wesentlichen aus:
Der Lebenspartner könne einem Ehegatten nicht gleichgestellt werden. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) sei weder unmittelbar noch analog auf den Lebenspartner eines Beamten anwendbar, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle.
Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor, weil die Nichtberücksichtigung von Lebenspartnern durch Art. 6 Abs. 1 GG gerechtfertigt sei. Diese Verfassungsbestimmung enthalte neben einem Abwehrrecht eine Institutsgarantie für die Ehe und verpflichte den Staat, die Ehe zu fördern. Dieser Förderauftrag berechtige dazu, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen.
Art. 33 Abs. 5 GG verlange ebenfalls keine Einbeziehung von Lebenspartnern in die Beihilferegelung, weil die Beihilfegewährung vom Alimentationsprinzip nicht erfasst werde. Auch nach Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft erfasse der Begriff der Familie im Sinne des Alimentationsprinzips nicht den Lebenspartner des Beamten, weil die Alimentation nur nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 5 GG und der aus Art. 6 Abs. 1 GG abzuleitenden Wertentscheidung zu gewähren sei.
Soweit der Kläger dem entgegen halte, allein die Berufung auf Art. 6 Abs. 1 GG ohne zusätzliche sachliche Begründung reiche nicht aus, könne das Gericht dem nicht folgen. Dass die Förderung von Ehen im Hinblick auf die Fortpflanzung und Erziehung von Kindern für die Zukunft einer jeden Gesellschaft von grundlegender Bedeutung sei und dass hierfür Lebenspartnerschaften typischerweise nicht geeignet seien, lasse sich nicht in Abrede stellen. Es treffe auch nicht zu, dass die höchstrichterlichen Erwägungen zum Familienzuschlag der Stufe 1 (nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG) auf die Beihilfe nicht übertragbar seien.
Ein Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG liege ebenfalls nicht vor. Dabei könne offenbleiben, inwieweit die Beihilfegewährung überhaupt das Entgelt betreffe und der Geltungsbereich der Richtlinie eröffnet sei. Denn selbst wenn dies bejaht würde, liege keine Diskriminierung vor. Der Kläger befinde sich in Bezug auf die Beihilfegewährung für seinen Lebenspartner nicht in einer Situation, die mit der eines Ehegatten vergleichbar sei. Das Bundesverfassungsgericht habe mit Beschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 1830/06 - (NJW 2008, 2325) ausdrücklich festgestellt, dass der Bundesgesetzgeber bewusst von einer umfassenden Gleichstellung abgesehen habe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger, die Beihilferegelung in ihrer früheren wie gegenwärtigen Fassung verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, § 2 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit §§ 7, 24 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes - AGG - vom 14. August 2006 (BGBl I S. 1897), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) sowie gegen die Richtlinie 2000/78/EG.
Der Kläger beantragt unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts gegen die Besetzung des Senats und die Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden Richters,
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. Dezember 2008 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 11. Oktober 2007 aufzuheben sowie unter Aufhebung des Bescheides der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 8. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Februar 2007 festzustellen, dass der Lebenspartner des Klägers beihilferechtlich wie ein Ehegatte zu behandeln ist,
hilfsweise: zu behandeln gewesen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie teilt die Rechtsauffassung der Vorinstanzen.
II.
Der Senat ist zur Entscheidung befugt. Die gegen dessen rechtmäßige Besetzung vom Kläger erhobenen Bedenken teilt er aus den in den Senatsbeschlüssen vom 18. Mai 2010, 13. Juli 2010 und 5. Oktober 2010 bereits dargelegten Gründen weiterhin nicht.
Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Artikel 267 AEUV zur Klärung der Frage vorzulegen, ob die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl L 303 vom 2. Dezember 2000, S.16 bis 22) Anwendung auf mitgliedstaatliche Vorschriften zur Gewährung von Beihilfe für Beamte in Krankheitsfällen Anwendung findet. Die Vorabentscheidung dieser Frage ist erforderlich, weil ihre Beantwortung für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist.
1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Dem Kläger kann nicht entgegengehalten werden, bei der Beklagten nicht unter Vorlage entsprechender Nachweise konkrete Beihilfeleistungen für seinen Lebenspartner beantragt und keinen ablehnenden Bescheid abgewartet zu haben, gegen den er dann Verpflichtungsklage hätte erheben können. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO besagt zwar, dass eine Feststellung durch Urteil nicht verlangt werden kann, wenn der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage hätte geltend machen können. Die Beklagte hat jedoch eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie entsprechende Beihilfeanträge in der Vergangenheit schon wegen der vollständigen Abdeckung krankheitsbedingter Aufwendungen durch die vom Kläger für seinen Lebensgefährten abgeschlossene Privatkrankenversicherung abgelehnt haben würde. Da der Kläger den vollen Krankenversicherungsschutz für seinen Lebenspartner jedoch nur deshalb vorhält, weil die Beklagte die Auffassung vertritt, sie sei bereits dem Grunde nach zur Bewilligung von Beihilfe für Lebenspartner nicht verpflichtet, ist es ihm nicht zumutbar, Gestaltungsklagen zu erheben. Sie würden bereits wegen des umfassenden Krankenversicherungsschutzes des Lebenspartners ohne Erfolg bleiben und damit nicht zur Klärung der für den Kläger wirtschaftlich wichtigen Frage nach der Erstattungsfähigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für seinen Lebenspartner führen. Die Feststellungsklage gleichwohl für unzulässig zu halten, würde deshalb gegen den Grundsatz effektiver Rechtsschutzgewährleistung verstoßen.
2. Der Erfolg der Revision ist von der Beantwortung der Vorlagefrage abhängig.
a) Nach den mitgliedstaatlichen Vorschriften hat der Kläger keinen Beihilfeanspruch für die Aufwendungen für seinen Lebenspartner.
Auf den Anspruch des Klägers finden die Beihilfevorschriften in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 2001 nach dem Stand der 28. Änderungsverwaltungsvorschrift vom 30. Januar 2004 Anwendung, soweit dies krankheitsbedingte Aufwendungen für den Zeitraum vor Inkrafttreten der Bundesbeihilfeverordnung am 14. Februar 2009 betrifft.
Die früheren Beihilfevorschriften sind nach der Rechtsprechung des Senats zwar wegen Verstoßes gegen den Gesetzesvorbehalt nichtig, aber bis zum Inkrafttreten der Bundesbeihilfeverordnung weiter anwendbar (Urteile vom 17. Juni 2004 - BVerwG 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 <105 ff.>, vom 28. Mai 2008 - BVerwG 2 C 24.07 - Buchholz 232 § 79 BBG Nr. 126 Rn. 10 f., vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234 <235 ff.> = Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 17 und vom 18. Februar 2009 - BVerwG 2 C 23.08 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 18). Der Kreis der Beihilfeberechtigten und der einbezogenen Familienmitglieder ist vom Gesetzgeber zu bestimmen (Urteil vom 3. Juni 2009 - BVerwG 2 C 27.08 - Buchholz 237.7 § 88 NWLBG Nr. 6, LS und Rn. 9). Auch insoweit genügte § 79 BBG a.F. nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Gleichwohl sind die Beihilfevorschriften nach dem Stand der 27. und 28. Änderungsverwaltungsvorschrift vom 17. Dezember 2003 und 30. Januar 2004 (GMBl 2004 S. 227 und 379) grundsätzlich weiter anwendbar (Urteile vom 17. Juni 2004 a.a.O., vom 28. Mai 2008 a.a.O., vom 26. Juni 2008 a.a.O. und vom 18. Februar 2009 a.a.O.) und wie Gesetze auszulegen (Urteil vom 28. Mai 2008 - BVerwG 2 C 9.07 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 15 und vom 18. Februar 2009 a.a.O.).
Danach kann der Kläger als Ruhestandsbeamter (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 BhV) allein deshalb keine Beihilfeansprüche geltend machen, weil sein Lebenspartner - anders als ein Ehegatte - nicht zu den berücksichtigungsfähigen Angehörigen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BhV gehört. Diese Einschränkung gilt auch nach der Neuregelung durch die Bundesbeihilfeverordnung (a.a.O.) gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 4 BBhV. Dessen Absatz 1 Satz 1 lautet:
"Ehegattinnen und Ehegatten von Beihilfeberechtigten sind berücksichtigungsfähig, wenn der Gesamtbetrag ihrer Einkünfte ... 17 000 Euro nicht übersteigt"
(1) Soweit nicht die Absätze 2 bis 5 etwas anderes bestimmen, ist beihilfeberechtigt, wer im Zeitpunkt der Leistungserbringung
1. Beamtin oder Beamter
2. Versorgungsempfängerin oder Versorgungsempfänger ..
3...
ist."
Da der Kläger lediglich die Feststellung begehrt, beihilferechtlich sowohl für die Vergangenheit wie zukünftig "wie ein Ehegatte" behandelt zu werden, braucht der Frage nicht nachgegangen zu werden, ob die übrigen Voraussetzungen für einen Beihilfeanspruch für Aufwendungen eines Ehegatten vorliegen.
b) Unionsrechtlich wäre nach der Rechtsauffassung des Senats aufgrund der Richtlinie 2000/78/EG im Hinblick auf den vom Gerichtshof der Europäischen Union geforderten konkreten Vergleich der Lebenssituation in Bezug auf die begehrte Leistung (EuGH, Urteil vom 1. April 2008 - Rs. C-267/06, Maruko - NJW 2008, 1649; BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 2 C 10.09 -) die Gleichbehandlung eines verpartnerten Beamten mit einem verheirateten Beamten geboten, wenn die Beihilfe dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfiele. Die Vorlagefrage ist daher entscheidungserheblich, weil dem Kläger dann aufgrund der Richtlinie ein Beihilfeanspruch dem Grunde nach zustünde. Dies gilt auch dann, wenn sich eine unterschiedliche Behandlung zwischen Ehegatten und Lebenspartnern bereits aufgrund europäischen Primärrechts verbieten sollte.
aa) Die Situation einerseits der Lebenspartner und andererseits der Ehegatten ist in Bezug auf die begehrte Leistung, nämlich die Beihilfe für Beamte in Krankheitsfällen, vergleichbar.
Die Vergleichbarkeit beurteilt sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zwar nach nationalem Recht, sie ist aber von den Gerichten der Mitgliedstaaten - unter Beachtung der unionsrechtlichen Vorgaben zur Auslegung nationalen Rechts - zu entscheiden. Ist auf dieser Grundlage anzunehmen, dass sich die Angehörigen beider Familienstände in einer vergleichbaren Lage befinden, stellt die Benachteiligung von Lebenspartnern eine unmittelbare und nicht nur eine mittelbare Diskriminierung dar (vgl. EuGH, Urteil vom 1. April 2008 a.a.O. Rn. 73).
Beihilfe wird nicht ausnahmslos für Aufwendungen eines jeden Ehegatten gewährt, sondern es müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein, die in § 5 Abs. 4 Nr. 3 BhV (jetzt: § 4 Abs. 1 BBhV, vgl. auch § 80 Abs. 1 Satz 3 BBG) normiert sind und sich mit der Unterhaltspflicht des Beamten gegenüber seinem Ehegatten und der Unterhaltsbedürftigkeit des Ehegatten umschreiben lassen:
Nach § 5 Abs. 4 Nr. 3 BhV in der hier maßgeblichen Fassung sind Aufwendungen, die für den Ehegatten des Berechtigten entstanden sind, dann nicht beihilfefähig, wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 Einkommensteuergesetz) des Ehegatten im Vorvorkalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrags 18 000 € übersteigt, es sei denn, dass dem Ehegatten trotz ausreichender und rechtzeitiger Krankenversicherung wegen angeborener Leiden oder bestimmter Krankheiten aufgrund eines individuellen Ausschlusses keine Versicherungsleistungen gewährt werden oder dass die Leistungen hierfür auf Dauer eingestellt worden sind (Aussteuer). Ferner kann die oberste Dienstbehörde in anderen besonderen Ausnahmefällen, die nur bei Anlegung des strengsten Maßstabes anzunehmen sind, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren die Gewährung von Beihilfe zu lassen.
Hierdurch definieren die Beihilfevorschriften selbst die Situation, die vom Gericht zu vergleichen ist. Ein Beihilfeanspruch besteht danach bei Unterhaltsbedürftigkeit des Ehegatten eines Beihilfeberechtigten wegen zu geringen Einkommens oder wegen unverschuldet unzureichenden Krankenversicherungsschutzes. Ehegatten und Lebenspartner unterscheiden sich hinsichtlich ihrer gegenseitigen Unterhaltspflichten für Aufwendungen für die medizinische Betreuung nach deutschem Unterhaltsrecht nicht.
Entgegen der Auffassung der Revision kommt es für die Beihilfeberechtigung deshalb nicht darauf an, ob die Ehe - möglicherweise anders als die Eingetragene Lebenspartnerschaft - typisierend auf Kinder angelegt ist. Dies ist für das Bestehen des Beihilfeanspruchs ohne Belang.
bb) Ein Beihilfeanspruch aufgrund der Richtlinie setzt voraus, dass die Beihilfe für Beamte in Krankheitsfällen unionsrechtlich Entgeltbestandteil im Sinne des Artikel 157 AEUV mit der Folge ist, dass sie dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG unterfällt. Diese Voraussetzung wäre nicht erfüllt, wenn die Beihilfe für Beamte als eine Leistung des allgemeinen staatlichen Systems der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes oder eine gleichgestellte Leistung anzusehen wäre mit der Folge, dass sie der Richtlinie nicht unterfällt.
Zwar gilt die Richtlinie 2000/78/EG nach ihrem Artikel 3 Abs. 1 Buchst. c für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts. Jedoch bestimmt Artikel 3 Abs. 3 der Richtlinie ausdrücklich, dass die Richtlinie nicht gilt für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes. Die gleiche Einschränkung findet sich im Erwägungsgrund Nr. 13 der Richtlinie 2000/78/EG. Danach findet die Richtlinie weder Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels 141 des EG-Vertrags gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben. Nach Artikel 141 des EG-Vertrags in der Fassung des Amsterdamer Vertrags (nunmehr Artikel 157 AEUV) sind unter Entgelt im Sinne dieses Artikels die üblichen Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen zu verstehen, die der Arbeitgeber auf Grund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.
Die danach entscheidungserhebliche Frage der Einordnung der Beihilfe ist bislang in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch nicht geklärt und lässt sich auch nicht eindeutig beantworten. Dies wäre nur der Fall, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Um die Vorlagepflicht des nationalen Gerichts nach Artikel 267 AEUV auszulösen, genügt es, dass es zu der Rechtsfrage verschiedene, vertretbare Auffassungen gibt (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - Rs. C-283/81 CILFIT - amtl. Slg. 1982, I-03415 = NJW 1983, S. 1257 <1258>).
In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gibt es eine Reihe von Entscheidungen, die betriebliche Alterssicherungssysteme zum Gegenstand haben und deren Entgeltcharakter in Abgrenzung zu den Systemen der gesetzlichen Alterssicherung bejaht worden ist. Eine Entscheidung, die sich mit einem System der Sicherung in Krankheitsfällen befasst, liegt indes nicht vor. Die vom Gerichtshof in den Entscheidungen zu Alterssicherungssystemen entwickelten Abgrenzungskriterien sind zudem allenfalls eingeschränkt auf Krankensicherungssysteme übertragbar.
So hat der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 17. Mai 1990 - Rs. C-262/88, Barber - (amtl. Slg. 1990, I-01889 = NJW 1991, 2204 <2205>) hervorgehoben, dass der Begriff des Entgelts im Sinne von Artikel 119 Abs. 2 EG-Vertrag alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistungen gewährten Vergütungen umfasst, vorausgesetzt, dass sie der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt (Rn. 12). In Abgrenzung zu einer Leistung der sozialen Sicherung können insbesondere solche Altersrenten nicht einbezogen werden, die unmittelbar durch Gesetz geregelt sind, keinerlei vertragliche Vereinbarungen innerhalb des Unternehmens oder des betroffenen Gewerbezweigs zulassen und zwingend für allgemein umschriebene Gruppen von Arbeitnehmern gelten (Rn. 22). Deshalb fallen Renten, die aufgrund eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt werden, in den Anwendungsbereich von Artikel 119 EG-Vertrag (Rn. 28).
Unter Anwendung der in diesem Urteil entwickelten Kriterien ist festzustellen, dass die Beihilfe den Beamten zwar zumindest mittelbar aufgrund eines Dienstverhältnisses gewährt wird. Sie ist jedoch nach der oben zitierten Rechtsprechung des Senats durch Gesetz zu regeln, wobei die hier anwendbaren Verwaltungsvorschriften nur für eine Übergangszeit fortgelten und wie Gesetze auszulegen sind. Auch lassen die staatlichen Beihilfevorschriften keinerlei vertragliche Vereinbarungen zu und gelten zwingend für eine allgemein umschriebene Gruppe von Arbeitnehmern, nämlich für Beamte. Gegenstand dieser Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union waren zudem Richtlinien, die Ausnahmen für die Vergangenheit vorsahen, aus denen sich unmittelbar ergab, dass sie für die Zukunft auch für solche Renten gelten sollten, die aufgrund eines an die Stelle des gesetzlichen Systems getretenen betrieblichen Systems gezahlt werden. Demgegenüber nimmt die hier zur Prüfung stehende Richtlinie 2000/78/EG nach ihrem Artikel 3 Abs. 3 ausdrücklich auch die den staatlichen Systemen gleichgestellten Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes von ihrem Anwendungsbereich aus.
In dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 23. Oktober 2003 - Rs. C-4/02, Schönheit und Becker (amtl. Slg. 2003, I-12575) ging es um die Beamtenversorgung. Dabei galt auch hier die Besonderheit, dass die zur Überprüfung gestellten Richtlinien nach ihrem Wortlaut auch auf betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit Anwendung finden, die als Ersatzleistungen an die Stelle der gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit treten, selbst wenn der Beitritt zu diesen Systemen Pflicht ist. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Beamtenversorgung in den Anwendungsbereich der Artikel 119 EG-Vertrag bzw. Artikel 141 Abs. 1 und 2 EG fällt (Rn. 58, 63). Er hat zunächst erneut darauf hingewiesen, dass nur das Kriterium, dass das Ruhegehalt dem Betreffenden aufgrund seines Dienstverhältnisses mit seinem früheren Arbeitgeber gezahlt wird, d. h. das Kriterium der Beschäftigung, entscheidend sein kann (Rn. 56). Zur Abgrenzung gegenüber den von den gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit gewährten Renten, die keine Entgelte im Sinne des Artikels 119 EG-Vertrag oder des Artikels 141 EG sind, kann jedoch nicht ausschließlich auf dieses Kriterium abgestellt werden (Rn. 57). Allerdings können Erwägungen der Sozialpolitik, der Staatsorganisation und der Ethik oder gar den Haushalt betreffende Überlegungen, die bei der Festlegung eines Systems durch den nationalen Gesetzgeber tatsächlich oder möglicherweise eine Rolle gespielt haben, nicht ausschlaggebend sein, wenn die Versorgung nur für eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern gilt, wenn sie unmittelbar von der abgeleisteten Dienstzeit abhängt und wenn ihre Höhe nach den letzten Bezügen berechnet wird (Rn. 58, 59). Diese Kriterien hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. Juni 2010 - Rs. C-395/08, (Bruno und Pettini - Juris Rn. 45 bis 47), in dem es um die Altersversorgung Teilzeitbeschäftigter ging, noch einmal bestätigt.
In Anwendung dieser drei Kriterien ist festzustellen, dass die Beihilfe zwar nur an eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern, nämlich an Beamte gezahlt wird, jedoch sie weder von der abgeleisteten Dienstzeit abhängt, noch sich ihre Höhe auf der Grundlage der letzten Bezüge des Bediensteten berechnet.
Die Frage, ob die Beihilfe Entgeltbestandteil ist, lässt sich schließlich auch nicht ohne Zweifel anhand des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 1. April 2008 - Rs. C-267/06 - a.a.O. beantworten. In dieser Entscheidung ging es um eine ergänzende Hinterbliebenenversorgung aus einem berufsständischen Pflichtversorgungssystem. Zur Prüfung stand die Richtlinie 2000/78/EG. Zum Begriff des Arbeitsentgelts hat der Gerichtshof ausgeführt (vgl. Rn. 49 bis 57, 61), wann eine Hinterbliebenenversorgung in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG fällt: Sie wird im Rahmen eines berufsständischen Versorgungssystems für eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern gewährt. Dieses Versorgungssystem beruht auf einem Tarifvertrag, der die Sozialleistungen ergänzen soll, die nach den allgemein anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften gewährt werden. Weiter wird dieses Versorgungssystem ausschließlich von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern der betreffenden Branche unter Ausschluss jeder finanziellen Beteiligung seitens des Staates finanziert und ist nach dem einschlägigen Tarifvertrag für die genannte Gruppe von Arbeitnehmern bestimmt. Schließlich bemisst sich die Höhe der fraglichen Leistung nach der Versicherungsdauer des Arbeitnehmers, der der Ehegatte des Begünstigten war, sowie den gesamten von diesem Arbeitnehmer entrichteten Beiträgen. Eine derartige Versorgung ist daher als Entgelt im Sinne von Artikel 141 EG einzuordnen. Dieses Ergebnis wird weder dadurch in Frage gestellt, dass es sich bei der betreffenden Versorgungseinrichtung um eine öffentliche Anstalt handelt, noch durch die Pflichtzugehörigkeit zu dem System, das den Anspruch auf die Hinterbliebenenversorgung vermittelt.
Im Hinblick darauf, dass der Gerichtshof eine Reihe von Voraussetzungen nennt, die in dem entschiedenen Fall gleichzeitig erfüllt waren, ist festzustellen, dass keineswegs alle diese Voraussetzungen auch bei der Beihilfe gegeben sind.
Zwar wird die Beihilfe nur für eine besondere Gruppe von Arbeitnehmern gewährt, nämlich für Beamte. Selbst wenn man außer Acht lässt, dass die Beihilfe sich auf Gesetz und nicht unmittelbar auf Tarifvertrag gründet, könnte auch der weitere, vom Gerichtshof der Europäischen Union hervorgehobene Umstand zweifelhaft sein, dass es sich um eine Leistung handeln muss, die Sozialleistungen ergänzen soll, die nach den allgemein anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften gewährt werden. Dies könnte der Besonderheit des Artikel 3 Abs. 3 der Richtlinie 2000/78/EG geschuldet sein, die - anders als die in den vorher genannten Urteilen des Gerichtshofs zur Prüfung gestellten Richtlinien - ausdrücklich auch die den staatlichen Systemen gleichgestellten Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes von ihrem Anwendungsbereich ausnimmt. Die Beihilfe ist keine Ergänzung des nach den allgemein anwendbaren mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften gewährten Krankenversicherungsschutzes, sondern Hauptbestandteil des Krankenversicherungsschutzes für Beamte nach dem gegenwärtigen Regelungssystem, das sich als sogenanntes "Mischsystem" darstellt. Insoweit gibt es in Deutschland zwei nebeneinander stehende Systeme des Schutzes im Krankheitsfall für unterschiedliche Beschäftigtengruppen, die das Europarecht einheitlich als Arbeitnehmer einstuft (einerseits für auf privatrechtlicher Grundlage tätige Arbeitnehmer die gesetzliche Krankenversicherung
Auch wird die Beihilfe nicht ausschließlich von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern der betreffenden Branche unter Ausschluss jeder finanziellen Beteiligung seitens des Staates finanziert, sondern ausschließlich vom Staat, also (unionsrechtlich gesehen: allenfalls) vom Arbeitgeber.
Ihre Höhe bestimmt sich nicht nach der Versicherungsdauer des Beamten, der der Ehegatte des Begünstigten war bzw. ist, sowie nach entrichteten Beiträgen. Im Gegenteil: Beihilfe erhält der Beamte vom ersten Tag an, und zwar ungeschmälert in der gesetzlich vorgesehenen Höhe, die sich ausschließlich am Familienstand (mit oder ohne Kinder) und anderen, außerhalb der eigenen Leistungen des Beamten liegenden Kriterien (aktiver Dienst oder Ruhestand) orientiert. Die Beihilfe wird insbesondere nicht etwa für Teilzeitbeschäftigte nur anteilig entsprechend ihrer Arbeitszeit bemessen oder für Beamte, die nur sehr kurz im Dienst des Staates stehen, entsprechend ihrer (Betriebs-) Dienstzugehörigkeit nur gekürzt gewährt. Daher sind die für Alterssicherungssysteme vom Gerichtshof der Europäischen Union entwickelten Kriterien zur Unterscheidung zwischen Entgeltbestandteilen und Leistungen aus einem System der sozialen Sicherung zur Abgrenzung für Krankensicherungssysteme ungeeignet. Insoweit ist nur der Gerichtshof der Europäischen Union befugt, Abgrenzungskriterien für Krankensicherungssysteme zu entwickeln.
Das System der Beihilfe ist nach mitgliedstaatlichem Verfassungsrecht auch nicht notwendiger Bestandteil der geschuldeten Alimentation des Beamten oder - europarechtlich gewendet - seines Entgelts, so dass sich bereits aus diesem Umstand die Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78/EG ergäbe. Zur Bedeutung und Rechtsnatur der Beihilfe hat der Senat im Urteil vom 26. Juni 2008 - BVerwG 2 C 2.07 - (BVerwGE 131, 234
"Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ergänzt die ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Die Fürsorgepflicht fordert, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer Familien auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit sicherstellt. Er muss dafür Sorge tragen, dass Beamte in diesen Lebenslagen nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleiben, die sie nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten können. Dies ist auf der Grundlage des gegenwärtig praktizierten "Mischsystems" zu beurteilen, in dem zur Eigenvorsorge der Beamten durch Abschluss einer auf die Beihilfevorschriften abgestimmten Versicherung die ergänzende Beihilfegewährung tritt. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlangt weder, dass Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (...)."
Mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG ist der Kernbestand von Strukturprinzipien gemeint, die allgemein oder doch ganz überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (...). Der dargestellte beihilferechtliche Kernbereich des hergebrachten Grundsatzes "Fürsorgepflicht" hat sich in der Weimarer Zeit herausgebildet. Danach wurden in den Jahren 1922/23 in Preußen und im Reich Notstandsbeihilfen eingeführt, weil die Gehälter der Beamten aufgrund der außergewöhnlichen Geldentwertung in vielen Fällen nicht mehr ausreichten, um die Aufwendungen in Krankheits- , Geburts- und Todesfällen zu decken. Die Gewährung von Beihilfen setzte den Nachweis einer wirtschaftlichen Notlage durch den Beamten voraus (vgl. Erlasse des preußischen Finanzministers vom 25. August 1922, PrJMBl. S. 365, und der Reichsregierung vom 21. April 1923, RBBl. S. 115). Daran änderte sich bis zum Ende der Weimarer Republik im Jahr 1933 nichts (vgl. Erlass der Reichsregierung vom 11. Dezember 1928, RBBl. S. 197; zum Ganzen Schneider, Beihilfenrecht und soziale Krankenversicherung, 1970, S. 60 f. und 74 f.).
Von Verfassungs wegen muss die amtsangemessene Alimentation lediglich die Kosten einer Krankenversicherung decken, die zur Abwendung krankheitsbedingter, durch Beihilfeleistungen aufgrund der Fürsorgepflicht nicht ausgeglichener Belastungen erforderlich ist. Die Alimentation wäre erst dann nicht mehr ausreichend, wenn die Krankenversicherungsprämien, die zur Abwendung von krankheitsbedingten und nicht von der Beihilfe ausgeglichenen Belastungen erforderlich sind, einen solchen Umfang erreichten, dass der angemessene Lebensunterhalt des Beamten nicht mehr gewährleistet wäre. Aber selbst bei einer solchen Sachlage wäre verfassungsrechtlich nicht eine Anpassung der nicht verfassungsverbürgten Beihilfe geboten, sondern eine entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze, die das Alimentationsprinzip konkretisieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 ff.).