Entscheidungsdatum: 14.12.2017
Der Kläger beansprucht eine Ausgleichszahlung unter Berufung auf die altersdiskriminierende Wirkung der im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen besoldungsrechtlichen Bestimmungen.
Der 1976 geborene Kläger steht als Realschullehrer (Besoldungsgruppe A 13) im Dienst des Beklagten. Am 9. Juli 2013 legte er Widerspruch hinsichtlich der Höhe seiner Besoldung ein und beantragte die Gewährung einer Besoldung nach der höchsten Altersstufe auch rückwirkend. Zur Begründung führte er an, das geltende Besoldungssystem sei altersdiskriminierend.
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts teilweise geändert und den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Widerspruchsbescheids verurteilt, an den Kläger 500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. September 2013 zu zahlen; im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Der Anspruch auf eine Entschädigung für immaterielle Schäden in Höhe von 100 €/Monat für den Zeitraum von Januar bis Ende Mai 2013 folge aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch. Diesen habe der Kläger mit seinem im Juli 2013 beim Beklagten eingegangenen Widerspruch für die Zeit ab Beginn des Kalenderjahres 2013 bis einschließlich 31. Mai 2013 rechtzeitig geltend gemacht.
Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht nur teilweise zugelassene Revision der Beteiligten.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2017 teilweise aufzuheben und den Beklagten unter weiterer Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 21. August 2013 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden vom 10. März 2016 zu verurteilen, an den Kläger weitere 3 600 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. September 2013 zu zahlen,
und die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 27. März 2017 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 10. März 2016 in vollem Umfang zurückzuweisen
und die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Revision des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 und § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt zum Nachteil des Beklagten Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Revision des Klägers ist dagegen unbegründet. Dem Kläger steht im gesamten Zeitraum von Januar 2010 bis Ende Mai 2013 im Hinblick auf die altersdiskriminierende Wirkung der maßgeblichen besoldungsrechtlichen Regelungen kein Anspruch auf 100 €/Monat zu, weil der Kläger erst am 9. Juli 2013 Widerspruch erhoben hat.
Nach erneuter Überprüfung hält der Senat an den Grundsätzen seiner Urteile vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - (BVerwGE 150, 234) und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - (NVwZ 2017, 1627) zu den Rechtsfolgen der altersdiskriminierenden Besoldung von Beamten fest.
Bis zum Inkrafttreten des Art. 2 des Dienstrechtsanpassungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2013 (GV. NRW. S. 233) am 1. Juni 2013 bestimmte sich die Besoldung der Beamten gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG und § 85 BBesG nach §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3020 - BBesG a.F.). Diese Vorschriften sind mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 S. 16 - RL 2000/78/EG) unvereinbar und benachteiligen den Kläger unmittelbar wegen seines Alters. Die durch Gesetz festgelegten Besoldungsbedingungen der Beamten fallen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.
Bei einem unmittelbaren Landesbeamten, wie dem Kläger, begründet die nicht gerechtfertigte altersdiskriminierende Besoldung zwei Ansprüche: Zum einen den Anspruch auf eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG gegen den Arbeitgeber i.S.v. § 6 Abs. 2 AGG, der an die Anwendung der unionsrechtswidrigen §§ 27 und 28 BBesG a.F. anknüpft, und zum anderen den unionsrechtlichen Haftungsanspruch, der das Unterbleiben der Anpassung der besoldungsrechtlichen Regelungen an die Vorgaben des Unionsrechts durch den hierfür zuständigen Gesetzgeber sanktioniert.
Macht ein betroffener Beamter die altersdiskriminierende Wirkung der besoldungsrechtlichen Bestimmungen gegenüber seinem zur Besoldungsgesetzgebung zuständigen Dienstherrn geltend, so begründet dies den unionsrechtlichen Haftungsanspruch wegen des Eingangs der Bezüge auf dem Konto des Beamten bereits im Vormonat erst für den auf die Geltendmachung folgenden Monat. Die Annahme einer Rückwirkung für das gesamte Kalenderjahr der Geltendmachung ist ausgeschlossen. Der unionsrechtliche Haftungsanspruch gegen den Dienstherrn in seiner Eigenschaft als Besoldungsgesetzgeber wegen der Aufrechterhaltung der altersdiskriminierenden Bestimmungen der §§ 27 und 28 BBesG a.F. ist nicht mit dem Anspruch auf erhöhte Besoldung eines Beamten für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind gleichzusetzen, weil es bei jenem Anspruch nicht um die Sicherstellung der amtsangemessenen Alimentation eines Beamten und seiner Familie für die Vergangenheit geht. Der Gesetzgeber hätte von Anfang an eine nichtdiskriminierende Besoldungsregelung vorsehen können, die dem Beamten keine höheren Dienstbezüge gewährt. Zudem hätte der Beklagte eine altersunabhängige Besoldungsregelung, die nicht zu höheren Bezüge führt, auch für den Zeitraum ab dem 1. September 2006 rückwirkend in Kraft setzen können (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 55 bis 60).
Da der Kläger erst am 9. Juli 2013 Widerspruch gegen die Höhe seiner Dienstbezüge erhoben hat, ist auch der Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG ausgeschlossen.
Ist die Rechtslage, wie hier hinsichtlich der Vereinbarkeit der §§ 27 und 28 BBesG a.F. mit dem Unionsrecht, unsicher und zweifelhaft, beginnt der Lauf einer Ausschlussfrist zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist (BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 51 und vom 6. April 2017 - 2 C 20.15 - NVwZ-RR 2017, 700 Rn. 12 ff. jeweils m.w.N.). In diesen Fällen ist die objektive Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung maßgeblich; wann der einzelne Berechtigte von dieser Gerichtsentscheidung tatsächlich Kenntnis erlangt hat, ist dagegen nicht entscheidend (BGH, Urteil vom 23. September 2008 - XI ZR 262/07 - NJW-RR 2009, 547 Rn. 19 m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt ist hier die in der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Union vorgeschriebene Verkündung seines Urteils in Sachen Hennigs und Mai (EuGH, C-297/10 und C-298/10) am 8. September 2011 ungeachtet der Frage, wann der Kläger vom Umstand der altersdiskriminierenden Besoldung überhaupt Kenntnis erlangt hat und wann ihm entsprechende Gerichtsurteile bekannt geworden sind (BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - BVerwGE 150, 234 Rn. 51 ff., - 2 C 3.13 - Buchholz 245 LandesBesR Nr. 8 Rn. 53, vom 20. Mai 2015 - 2 A 9.13 - juris Rn. 13 und vom 6. April 2017 - 2 C 20.15 - NVwZ-RR 2017, 700 Rn. 12 und - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 40).
Da die monatliche Berechnung und Auszahlung der Dienstbezüge des Beamten auf der Basis der altersdiskriminierenden §§ 27 und 28 BBesG a.F. jeweils einen eigenständigen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG begründen, kommt es für den Beginn der Frist des § 15 Abs. 4 AGG auf den Eingang der jeweiligen Zahlungen auf dem Konto des Beamten an. Die Bezüge für Mai 2013 sind entsprechend § 3 Abs. 5 Satz 1 BBesG a.F. bereits am letzten Bankarbeitstag des Vormonats April 2013 auf dem Konto des Klägers eingegangen. Damit wahrt der Widerspruch vom 9. Juli 2013 auch nicht die Zweimonatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG im Hinblick auf den Monat Mai 2013.