Entscheidungsdatum: 16.11.2017
Die altersdiskriminierende Besoldung von Beamten nach §§ 27 und 28 BBesG a.F. (F: 2002-08-06) begründet den unionsrechtlichen Haftungsanspruch des Beamten gegen den zur Besoldungsgesetzgebung zuständigen Dienstherrn nicht für das gesamte Kalenderjahr des Widerspruchs des Beamten, sondern erst ab dem auf die Geltendmachung folgenden Monat (Bestätigung von BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627).
Der Kläger beansprucht eine Ausgleichszahlung unter Berufung auf die altersdiskriminierende Wirkung der im streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen besoldungsrechtlichen Bestimmungen.
Der 1963 geborene Kläger steht als Regierungsamtsrat (Besoldungsgruppe A 12) im Dienst des beklagten Landes. Mit dem am 24. November 2012 beim Beklagten eingegangenen Schreiben widersprach der Kläger der ihm gewährten Besoldung nach der Stufe 11 und machte die Differenz zur Stufe 12 rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 geltend. Zur Begründung führte er an, das geltende Besoldungssystem sei altersdiskriminierend und er habe deshalb Anspruch auf Besoldung aus dem Endgrundgehalt. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück.
Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger für den Zeitraum von Januar 2012 bis einschließlich Mai 2013 jeweils 100 €/Monat nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Anspruch auf Zahlung von 100 €/Monat für den Zeitraum von Januar 2012 bis Ende Mai 2013 ergebe sich aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch. Der Kläger habe diesen Anspruch auch mit der Antragstellung im November 2012 zeitnah innerhalb des laufenden Kalenderjahres geltend gemacht. Dieser Widerspruch wirke auch für den Zeitraum bis Ende Mai 2013. Das beklagte Land sei der richtige Gegner des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs, weil es seit September 2006 für die gesetzliche Regelung der Besoldung seiner Beamten zuständig sei. Da sich der Anspruch bereits aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch ergebe, könne dahinstehen, ob und in welchem Umfang er auch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gegeben sei.
Der Beklagte hat die bereits vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt und zunächst beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 29. Juli 2015, soweit dieses der Klage stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Im Verlauf des Revisionsverfahrens hat der Beklagte nur noch beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 2017 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 29. Juli 2015 aufzuheben, soweit der Beklagte zur Zahlung von 900 € für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2012 nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt worden ist.
Zur Begründung der Revision trägt der Beklagte vor: Der Kläger habe einen Entschädigungsanspruch in Höhe von 100 €/Monat lediglich für den Zeitraum von Oktober 2012 bis Mai 2013. Dagegen sei der Anspruch für die Monate Januar 2012 bis September 2012 nicht innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Monaten geltend gemacht worden. Aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch folgten keine darüber hinausgehenden Zahlungsansprüche des Klägers, weil der Geltendmachung dieses Anspruchs keine Rückwirkung zukomme.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Soweit der Beklagte die Revision nach § 141 Satz 1 i.V.m. § 126 Abs. 1 Satz 1 VwGO zurückgenommen hat (Verurteilung zur Zahlung von 100 €/Monat für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis Ende Mai 2013 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit), ist das Revisionsverfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
Die hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung von 100 €/Monat für den Zeitraum vom 1. Januar bis Ende September 2012 noch anhängige Revision des Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 und § 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet. Insoweit verletzt das Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Im Zeitraum vom 1. Januar bis Ende September 2012 steht dem Kläger gegen den Beklagten im Hinblick auf die altersdiskriminierende Wirkung der maßgeblichen besoldungsrechtlichen Regelungen weder aufgrund des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs noch aufgrund von § 15 Abs. 2 und § 24 Nr. 1 AGG ein Anspruch in Höhe von 100 €/Monat nebst Zinsen zu.
Nach erneuter Überprüfung hält der Senat auch im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im Revisionsverfahren an den Grundsätzen der Urteile des Senats vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - (BVerwGE 150, 234) und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - (NVwZ 2017, 1627) zu den Rechtsfolgen der altersdiskriminierenden Besoldung von Beamten fest.
Bis zum Inkrafttreten des Art. 2 des Dienstrechtsanpassungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2013 (GV. NRW S. 233) am 1. Juni 2013 bestimmte sich die Besoldung der Beamten des Beklagten gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG und § 85 BBesG nach §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3020 - BBesG a.F.). Diese Vorschriften sind mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303 S. 16 - RL 2000/78/EG) unvereinbar und benachteiligen den Kläger unmittelbar wegen seines Alters. Die durch Gesetz festgelegten Besoldungsbedingungen der Beamten fallen in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie.
Macht ein betroffener Beamter die altersdiskriminierende Wirkung der besoldungsrechtlichen Bestimmungen gegenüber seinem zur Besoldungsgesetzgebung zuständigen Dienstherrn geltend, so begründet dies den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erst für den auf die Geltendmachung folgenden Monat (BVerwG, Urteil vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 55). Die Annahme einer Rückwirkung für das gesamte Kalenderjahr der Geltendmachung ist ausgeschlossen.
Auch der im Hinblick auf die altersdiskriminierende Wirkung der besoldungsrechtlichen Bestimmungen bestehende Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG ist erst für den Zeitraum ab Oktober 2012 begründet. Diskriminierende Handlung ist die monatliche Berechnung und Auszahlung der Dienstbezüge des Klägers auf der Basis der unmittelbar diskriminierenden §§ 27 und 28 BBesG a.F. durch den Beklagten, der das Besoldungsgesetz nicht an die Vorgaben der Richtlinie angepasst hat. Die Dienstbezüge für September 2012 sind aber dem Konto des Klägers bereits am letzten Bankarbeitstag des Vormonats August gutgeschrieben worden. Dementsprechend wahrt der schriftliche Widerspruch des Klägers vom 24. November 2012 die Frist von zwei Monaten des § 15 Abs. 4 AGG nicht mehr für den Monat September, sondern erst für die monatlichen Zahlungen ab Oktober 2012.