Entscheidungsdatum: 01.09.2016
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
1. Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger. Die französischen Behörden ersuchten aufgrund eines Europäischen Haftbefehls vom 22. Januar 2016, dem ein internationaler Haftbefehl der französischen Behörden vom 20. Januar 2016 zugrunde lag, um die Auslieferung des Beschwerdeführers zur Strafverfolgung. Dem Beschwerdeführer wird im internationalen Haftbefehl für die Zeit zwischen 2014 und dem 20. Januar 2016 zur Last gelegt, sich der Geldwäsche von Erlösen aus in organisierten Banden illegal eingeführten Drogen und begangenen Verbrechen und der kriminellen Vereinigung zur Verübung von Straftaten, die mit zehn Jahren Freiheitsentzug bestraft werden, strafbar gemacht zu haben. Konkret wird ihm vorgeworfen, in näher genannten Zeiträumen Luxusuhren in Deutschland erworben, diese in den Libanon geschickt und eine Reihe von "Geldbeschaffungen" durchgeführt zu haben. Als Ort, an dem die Straftatbestände verwirklicht worden sein sollen, wurde angegeben:
"in Paris und in Frankreich generell, unteilbar mit den in Frankreich, in MÜNSTER (Deutschland) und in Deutschland generell verübten Taten verbunden".
2. Mit Beschluss vom 22. März 2016 erklärte das Oberlandesgericht Düsseldorf die Auslieferung für zulässig. Als deutscher Staatsangehöriger unterliege der Beschwerdeführer nach Maßgabe des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 IRG der Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung. Auch wenn der Beschwerdeführer seinen Tatbeitrag möglicherweise nur in Deutschland geleistet haben sollte, insoweit seien die Ausführungen im Europäischen Haftbefehl nicht eindeutig, wiesen die fraglichen Taten einen maßgeblichen Bezug zum ersuchenden Mitgliedstaat auf, da es sich um schwere Taten mit typisch grenzüberschreitendem Charakter handele, die zumindest teilweise auch auf dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates begangen worden seien (§ 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IRG).
a) Strafvorwürfe mit einem maßgeblichen Inlandsbezug seien bei tatverdächtigen deutschen Staatsangehörigen prinzipiell im Inland durch deutsche Strafermittlungsbehörden aufzuklären. Anders falle die Beurteilung aus, wenn die vorgeworfene Tat einen maßgeblichen Auslandsbezug habe. Der Auslandsbezug sei auch und gerade dann anzunehmen, wenn die Tat von vornherein eine typische grenzüberschreitende Dimension habe und eine entsprechende Schwere aufweise, wie beim internationalen Terrorismus oder beim organisierten Drogen- oder Menschenhandel.
b) Ein solcher Auslandsbezug sei hier gegeben. Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und der Geldwäsche basierten auf einem organisierten, illegalen internationalen Verkauf von Betäubungsmitteln. Die mittels dieser Delikte erworbenen Gelder seien ihrerseits durch grenzüberschreitende Tätigkeiten in diversen Ländern eingesammelt und über weitere Länder verschoben und "gewaschen" worden.
Zudem liege neben dem typisch grenzüberschreitenden Charakter schon deshalb keine Tat mit maßgeblichem Inlandsbezug vor, weil es für die Frage, ob eine Tat einen maßgeblichen Inlandsbezug aufweise, bei mehreren Tatbeteiligten nicht allein auf den Ort ankomme, an welchem der Verfolgte seinen Tatbeitrag geleistet habe. Bei Mittätern sei jedem das Handeln des anderen nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen, so dass die Tat nach § 9 Abs. 1 StGB unter anderem an jenem Ort begangen sei, an dem ein (Mit-)Täter gehandelt habe. Nach § 9 Abs. 2 StGB sei eine Teilnahme sowohl an dem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt habe, als auch an dem Ort, an dem die Teilnehmer gehandelt hätten. Der Beschwerdeführer müsse sich hier auch das Handeln der anderen Tatbeteiligten in den anderen von dem "Geldwäschenetz" betroffenen Staaten zurechnen lassen.
Hinsichtlich der Voraussetzung, dass die Tat (auch) auf dem Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates begangen worden sei, seien in Anbetracht des Gesetzeswortlauts ("zumindest teilweise") und unter Beachtung des Gebotes einer rahmenbeschlusskonformen Auslegung die Anforderungen nicht hoch; es genügten einzelne Handlungen, Transitvorgänge oder Unterstützungshandlungen. Dies sei hier gegeben. Nach den Angaben im Europäischen Haftbefehl seien die Taten in Frankreich und anderen europäischen und außereuropäischen Staaten begangen worden.
3. Mit Schriftsatz vom 8. April 2016 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge und hilfsweise Gegenvorstellung. Der Europäische Haftbefehl sei mangelhaft übersetzt. Ein Absatz im französischen Text, der sich auf den Beschwerdeführer beziehe, fehle in der deutschen Übersetzung.
4. Mit Beschluss vom 12. April 2016 wies das Oberlandesgericht Düsseldorf die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Zulässigkeit der Auslieferung zurück. Die (tatsächlich) fehlende Übersetzung des fünften Absatzes in dem internationalen Haftbefehl sei unschädlich. Gegenstand der Entscheidung des Senats sei der Europäische Haftbefehl. Die Übersetzung des allein maßgeblichen Europäischen Haftbefehls sei inhaltlich nicht zu beanstanden.
5. Mit Schriftsatz vom 13. April 2016 erhob der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Am 14. April 2016 wurde der Beschwerdeführer an die französischen Behörden übergeben, bevor das Bundesverfassungsgericht über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz entscheiden konnte. Mit Schriftsatz vom 22. April 2016 nahm die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurück und beantragte festzustellen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf und die Auslieferung rechtswidrig gewesen seien und den Beschwerdeführer in seinen Rechten verletzten.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 16 Abs. 2 GG, weil kein maßgeblicher Bezug zu Frankreich im Sinne von § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IRG bestehe. In der deutschen Übersetzung des Europäischen Haftbefehls fehle zudem eine Passage, die Ausnahmevorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 IRG greife nicht ein.
Aufgrund des schweren Eingriffs in Art. 16 Abs. 2 GG besitze der Beschwerdeführer ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Auch solle die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde als Grundlage für die Erhebung eines Amtshaftungsprozesses dienen.
Die Annahme der Verfassungsbeschwerde, die keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte nicht angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Sie hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>; 108, 129 <136>).
1. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 und § 92 BVerfGG nicht genügt.
a) Eine substantiierte Begründung erfordert, dass die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Entscheidungen sowie die weiteren in Bezug genommenen und zum Verständnis des Vorbringens erforderlichen Unterlagen entweder selbst vorgelegt oder zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach mitgeteilt werden (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Das Bundesverfassungsgericht soll dadurch in die Lage versetzt werden, den angegriffenen Hoheitsakt ohne eigene weitere Nachforschungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen (BVerfGK 5, 170 <171>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 4. Februar 2016 - 2 BvR 2223/15 -, juris, Rn. 58).
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht. Im angegriffenen Beschluss prüft das Oberlandesgericht Düsseldorf die Zulässigkeit der Auslieferung des Beschwerdeführers auf Grundlage der Informationen des Europäischen Haftbefehls vom 22. Januar 2016. Die Kenntnis dieses Haftbefehls ist daher unerlässlich für eine Überprüfung der angegriffenen Entscheidung. Der Beschwerdeführer legt den Europäischen Haftbefehl jedoch weder vor, noch teilt er dessen wesentlichen Inhalt mit. Zwar gibt er den internationalen Haftbefehl der französischen Behörden vom 20. Januar 2016 wieder, der dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegt, teilt jedoch nicht mit, inwieweit der internationale Haftbefehl, soweit vorliegend von Relevanz, dem Europäischen Haftbefehl entspricht. Eine inhaltliche Identität mag naheliegend sein; zwingend ist dies jedoch nicht. Eine Vorlage des Europäischen Haftbefehls wäre zudem auch deshalb angezeigt gewesen, weil der Beschwerdeführer behauptet, dieser sei zum Teil gar nicht übersetzt worden. Dagegen stellt das Oberlandesgericht Düsseldorf im Beschluss vom 12. April 2016 fest, dass lediglich die Übersetzung des internationalen Haftbefehls, nicht hingegen die des Europäischen Haftbefehls, unzureichend sei. Im Übrigen wird ein Europäischer Haftbefehl aufgrund eines bestimmten Formblatts ausgestellt, so dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass ein Europäischer Haftbefehl weitergehende Informationen enthält als ein internationaler (vgl. Art. 8 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates der Europäischen Union über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl Nr. L 190 vom 18. Juli 2002 - RbEuHb -).
2. Angesichts der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde kommt es nicht darauf an, ob das Oberlandesgericht Düsseldorf in dem angegriffenen Beschluss die Bedeutung und Tragweite von Art. 16 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 GG und das aus Art. 3 Abs. 1 GG fließende Willkürverbot verkannt hat, als es einen Bezug der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten zur Französischen Republik bejaht hat, weil diese zumindest teilweise auch auf französischem Hoheitsgebiet begangen worden seien (vgl. § 80 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 IRG). Dies erscheint sehr zweifelhaft. Das Oberlandesgericht hätte daher seine diesbezüglichen Bedenken ("insoweit sind die Ausführungen im Europäischen Haftbefehl nicht eindeutig") nicht übergehen dürfen.
a) Zur Effektivität des Rechtsschutzes gehört, dass die Auslieferungsunterlagen oder ein ihnen gleichstehender Europäischer Haftbefehl eine den betroffenen Grundrechten angemessene gerichtliche Überprüfung erlauben (BVerfGE 113, 273 <315>). Dementsprechend sehen § 83a Abs. 1 Nr. 5 IRG und Art. 8 Abs. 1 Buchstabe e RbEuHb vor, dass die Auslieferung nur zulässig ist, wenn der übermittelte Europäische Haftbefehl die Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, einschließlich der Tatzeit, des Tatortes und der Tatbeteiligung der gesuchten Person enthält.
b) Sollte der Europäische Haftbefehl dem internationalen Haftbefehl der französischen Behörden vom 20. Januar 2016 entsprechen, wonach die Straftatbestände auch "in Paris und in Frankreich generell" verwirklicht worden seien, hätte der Europäische Haftbefehl eine Art. 16 Abs. 2 GG angemessene gerichtliche Überprüfung, ob die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Taten gemäß § 80 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 IRG zumindest teilweise auf französischem Hoheitsgebiet stattgefunden hätten, nicht ermöglicht. Bei der Angabe "in Paris und in Frankreich generell" handelt es sich lediglich um eine pauschale Angabe, deren Zusammenhang zu den strafbaren Handlungen, die dem Beschwerdeführer konkret vorgeworfen werden, sich nicht erschließt. Im internationalen Haftbefehl wird dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, Luxusuhren in Deutschland erworben, diese in den Libanon geschickt und eine Reihe von "Geldbeschaffungen" durchgeführt zu haben. Der Erwerb der Luxusuhren und deren Versendung in den Libanon scheiden als Taten auf französischem Hoheitsgebiet aus. Inwieweit die "Geldbeschaffungen" zumindest teilweise auf französischem Hoheitsgebiet begangen worden sein sollen, bleibt offen. Hieran vermag auch die Zurechnung von Handlungen anderer Tatbeteiligter über die Regeln der Täterschaft und Teilnahme (§ 9 Abs. 1 i.V.m. § 25 Abs. 1 und Abs. 2, § 9 Abs. 2 StGB) nichts zu ändern. Aus der Darstellung der Tatumstände im internationalen Haftbefehl geht nämlich ebenfalls nicht hervor, welche Handlungen der anderen Tatbeteiligten auf französischem Hoheitsgebiet stattgefunden haben sollen und inwiefern der Beschwerdeführer an diesen mitgewirkt haben soll.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.