Entscheidungsdatum: 28.06.2016
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Grundrechtsschutz von Beamten der Europäischen Union.
Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger und war Beamter bei der Europäischen Kommission. Im Jahr 2005 wurde er wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Im Jahr 2007 beantragte er auf Grundlage dienstrechtlicher Vorschriften bei der Europäischen Kommission, die Veröffentlichung verschiedener Dokumente zu genehmigen. Diese Dokumente belegten nach Auffassung des Beschwerdeführers rechtswidriges Verhalten anderer Beamter zum Nachteil der damaligen Gemeinschaften und einen rechtswidrigen Umgang der Gemeinschaftsinstitutionen mit ihm selbst, nachdem er auf die Missstände hingewiesen habe. Der Antrag benannte die vom Beschwerdeführer zur Veröffentlichung vorgesehenen Unterlagen und Informationen nicht im Einzelnen, sondern verwies auf Dokumente, die auf einem elektronischen Datenträger gespeichert waren. Darauf befand sich ein 77 Seiten langes Schriftstück, eine vom Beschwerdeführer verfasste Beschwerdeschrift, sowie 233 weitere Dateien, in denen Dokumente unterschiedlicher Art und Anzahl enthalten waren. Die Dateien waren in einem Verzeichnis tabellarisch erfasst und jeweils schlagwortartig bezeichnet. Nach Angaben des Beschwerdeführers benötige ein Ausdruck dieser Dateien weit mehr als 1.500 Seiten Papier.
Die Europäische Kommission wies den Beschwerdeführer darauf hin, dass der Umfang, die Komplexität und die Heterogenität der eingereichten Dokumente und die Vielzahl der davon betroffenen Dienste eine pauschale Genehmigung nicht zuließen. Sie bat den Beschwerdeführer, selektiver vorzugehen und die jeweiligen Dokumente einzeln zu identifizieren und vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach. Daraufhin lehnte die Europäische Kommission den Antrag ab, da er nicht hinreichend bestimmt sei. Sie wies auch die dagegen eingelegte Beschwerde zurück. Die vom Beschwerdeführer erhobene Klage wies das Gericht für den öffentlichen Dienst der Europäischen Union ab, da sie mangels eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens unzulässig sei. Das zum Gericht der Europäischen Union erhobene Rechtsmittel blieb ebenfalls ohne Erfolg.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, Art. 101 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 GG.
Die Verfassungsbeschwerde sei zulässig. Seit dem Maastricht-Urteil könnten auch Akte einer nicht-deutschen Hoheitsgewalt Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein. In Übereinstimmung mit der "Solange"-Rechtsprechung zeige die Verfassungsbeschwerde auf, dass der nach dem Grundgesetz als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell und offenkundig nicht mehr gewährleistet sei. Dies gelte für beamtenrechtliche Streitigkeiten, insbesondere bei der Wahrnehmung der Meinungsfreiheit durch Beamte. Die Judikative sei nicht unabhängig, die Rechtsprechung sei nur begrenzt in deutscher Sprache zugänglich und das Verfahren sei unfair ausgestaltet.
Mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG macht der Beschwerdeführer geltend, dass die Genehmigungspflichtigkeit der Veröffentlichung bestimmter Informationen einen massiven Eingriff in die Meinungsfreiheit darstelle. Dieser Eingriff sei nicht gerechtfertigt, weil die bestehenden Schranken bestimmten Mindestanforderungen, etwa an gesetzliche Konkretisierung und Bestimmtheit, nicht genügten. Zudem würden sie durch Verwaltung und Gerichte fehlerhaft angewendet. Im Übrigen sieht der Beschwerdeführer die gerügten verfassungsmäßigen Rechte durch die rechtliche und tatsächliche Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens verletzt.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine Annahme liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie sich nicht gegen Akte der öffentlichen Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG richtet.
1. Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union sind keine Akte deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG und daher auch nicht unmittelbarer Beschwerdegegenstand im Verfahren der Verfassungsbeschwerde (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 21. Juni 2016 - 2 BvR 2728/13 u. a. -, juris, Rn. 97; vgl. BVerfGE 129, 124 <175 f.>).
Solche Maßnahmen können zwar - als Vorfrage - Gegenstand der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht sein, soweit sie die Grundrechtsberechtigten in Deutschland betreffen. Sie berühren die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (BVerfGE 89, 155 <175>). Eine solche Prüfungsbefugnis des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf Maßnahmen nichtdeutscher Hoheitsträger besteht aber nur insoweit, als diese Maßnahmen entweder Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind (vgl. BVerfGE 134, 366 <382 Rn. 23>) oder aus der Integrationsverantwortung folgende Reaktionspflichten deutscher Verfassungsorgane auslösen (vgl. BVerfGE 134, 366 <394 ff. Rn. 44 ff.>; 135, 317 <393 f. Rn. 146>). Insofern prüft das Bundesverfassungsgericht mittelbar auch Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union daraufhin, ob sie durch das auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG durch das Zustimmungsgesetz gebilligte Integrationsprogramm gedeckt sind oder gegen die der europäischen Integration durch das Grundgesetz sonst gezogenen Grenzen verstoßen (vgl. BVerfGE 73, 339 <374 ff.>; 102, 147 <161 ff.>; 118, 79 <95 ff.>; 123, 267 <354>; 126, 286 <298 ff.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 15. Dezember 2015 - 2 BvR 2735/14 -, juris, Rn. 36 ff.; Urteil des Zweiten Senats vom 21. Juni 2016, a.a.O., Rn. 98 f.).
2. Nach diesem Maßstab ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil sie sich ausschließlich gegen Maßnahmen von Organen der Europäischen Union wendet. Der Beschwerdeführer greift allein die Versagung einer beantragten Genehmigung durch die Europäische Kommission und die diese Versagung bestätigenden Urteile europäischer Gerichte an. Diese Maßnahmen bedürfen nicht der Umsetzung oder des Vollzugs durch deutsche Staatsorgane oder deren sonstiger Mitwirkung. Dass deutsche Verfassungsorgane im vorliegenden Zusammenhang ihrer Integrationsverantwortung nicht nachgekommen sein könnten, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Dafür ist auch nichts ersichtlich.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.