Entscheidungsdatum: 14.12.2017
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 22. November 2017 - 6 AuslA. 125/17 - 102 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes; er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen.
Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Mit der Verfassungsbeschwerde greift der Beschwerdeführer einen Beschluss an, mit dem sein Antrag auf Außervollzugsetzung des gegen ihn bestehenden Auslieferungshaftbefehls zurückgewiesen wurde.
1. Der Beschwerdeführer ist ein in Deutschland geborener türkischer Staatsbürger. Mit am 19. Oktober 2017 im Schengener Informationssystem veröffentlichten Ersuchen beantragten die ungarischen Behörden seine Festnahme. Dem Festnahmeersuchen lag ein Europäischer Haftbefehl des Gerichts Szekszárd (Ungarn) vom 21. Juli 2017 zugrunde, mit dem um die Auslieferung des Beschwerdeführers zur Strafverfolgung nach Ungarn ersucht wird. Ihm wird vorgeworfen, 144,8 g Amphetamin zum Weiterverkauf und 9 g Marihuana zum Konsum nach Ungarn versandt zu haben. Bei einer Hausdurchsuchung am 23. Januar 2017 in einem Einfamilienhaus in Dombóvár (Ungarn) seien die Betäubungsmittel sichergestellt worden. Die beiden Bewohnerinnen des Hauses, nach Aussage des Beschwerdeführers handelt es sich um seine ehemalige Lebensgefährtin und deren Mutter, hätten jeweils angegeben, der Beschwerdeführer habe die Betäubungsmittel über einen Mittelsmann nach Ungarn geschickt.
2. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Köln vom 24. Oktober 2017 erließ das Oberlandesgericht Köln am selben Tag einen Auslieferungshaftbefehl gegen den Beschwerdeführer. In diesem stellte das Gericht fest, Auslieferungshindernisse seien nicht ersichtlich. Die Auslieferung sei auch nicht von vornherein unzulässig. Die Anordnung der Haft sei zudem geboten. Zur Fluchtgefahr enthält der Auslieferungshaftbefehl folgende Ausführungen: "Es besteht Fluchtgefahr (§ 15 Abs. 1 Ziff. 1 IRG). Es ist als wahrscheinlich anzusehen, dass der Verfolgte sich angesichts der nicht unerheblichen Strafandrohung dem Auslieferungsverfahren entziehen wird." Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Auslieferungshaft enthält der Auslieferungshaftbefehl nicht. Überdies erließ das Oberlandesgericht Anordnungen nach § 119 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 - 3 StPO.
3. Am 6. November 2017 erfolgte die Festnahme des Beschwerdeführers und dessen Vorführung vor den Haftrichter, im Rahmen derer ihm der Auslieferungshaftbefehl eröffnet wurde. Mit der Durchführung der Auslieferung im vereinfachten Verfahren erklärte der Beschwerdeführer sich nicht einverstanden. Auch auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtete er nicht. Den dem Auslieferungsverfahren zugrundeliegenden Tatvorwurf bestritt er. Es handele sich um eine Falschbeschuldigung durch seine ehemalige Lebensgefährtin, die - nachdem er sich nach langjähriger Beziehung von ihr getrennt habe - zurück in ihr Heimatland Ungarn gezogen sei. Noch im Rahmen der Verkündung des Auslieferungshaftbefehls beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers, Haftverschonung zu gewähren, weil dieser über keinerlei Kontakte in die Türkei oder nach Ungarn verfüge, seit vielen Jahren unter derselben Adresse in Köln gemeldet sei und seit zwei Jahren als Elektriker in Köln arbeite.
4. Am 7. November 2017 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers Akteneinsicht und einen Termin zur mündlichen Haftprüfung und mit Schriftsatz vom 15. November 2017 die Außervollzugsetzung des Haftbefehls.
Zur Begründung des Außervollzugsetzungsantrags führte er im Wesentlichen aus, es liege bereits keine Fluchtgefahr vor. Der Beschwerdeführer sei 1978 in Köln geboren, habe dort die Schule besucht, einen Schulabschluss erworben und sein Leben aufgebaut. Er lebe in Deutschland mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis. Seine Deutschkenntnisse seien besser als seine Türkischkenntnisse; er empfinde sich als Kölner, Rheinländer und Deutscher und habe es bisher allein aus Rücksicht auf seine Eltern unterlassen, die Einbürgerung zu beantragen. Nun sei im Februar 2017 seine Mutter gestorben, sein Vater sei bereits früher verstorben. Seitdem habe er auch keine Kontakte mehr in die Türkei. Er sei ein vorbildlich integrierter Deutschtürke und erst einmal, vor 13 Jahren, strafrechtlich in Erscheinung getreten und zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe seine türkische Staatsangehörigkeit von sich aus offengelegt, nachdem in den Auslieferungsdokumenten zunächst von der deutschen Staatsangehörigkeit ausgegangen worden sei. Er habe seit 2005 denselben festen Wohnsitz, sei verlobt und suche mit seiner zukünftigen Frau, die er im Frühjahr 2018 heiraten wolle, derzeit eine gemeinsame Wohnung. Seit mehreren Jahren sei er bei einer Immobilienfirma als Elektriker pflichtversichert beschäftigt und habe zudem einen Minijob als Auslieferungsfahrer bei einem Paketzustellungsunternehmen. Die Art und Weise, wie er sein Leben führe, zeige seine Verlässlichkeit. Er sei in Köln fest verankert und könne - in Ermangelung von Kontaktpersonen, die sich außerhalb Kölns befänden - nicht fliehen. Auch seine beiden Brüder seien in Köln wohnhaft und dort sozial eingebunden.
Hiervon ausgehend sei die Aufrechterhaltung der Haft unverhältnismäßig. Einfache Auflagen, wie die tägliche Meldung bei der Polizei und die Herausgabe der Ausweispapiere an die Generalstaatsanwaltschaft, seien geeignete Mittel, um hinreichend zu gewährleisten, dass der Beschwerdeführer sich nicht durch Flucht seiner Auslieferung entziehen werde.
Überdies sei die Auslieferung unzulässig. Diesbezüglich führte der Beschwerdeführer unter anderem an, die ungarische Justiz sei bereits nicht zuständig, weil der Beschwerdeführer nach dem Tatvorwurf aus dem Auslieferungsersuchen in Deutschland gehandelt haben soll. Zudem sei die in Ungarn zu erwartende Strafe unverhältnismäßig hoch, und die Haftbedingungen dort genügten nicht den auslieferungsrechtlichen Mindeststandards. Dies habe auch der Europäische Gerichtshof in der Sache Aranyosi/Căldăraru festgestellt. Es sei bereits nicht bekannt, in welche Haftanstalt der Beschwerdeführer kommen werde. Schließlich drohten dem Beschwerdeführer wegen seines muslimischen Glaubens in Ungarn Nachteile, und Ungarn weise nicht die notwendige Rechtsstaatlichkeit auf, so dass etwaige Zusicherungen unzuverlässig seien.
5. Mit angegriffenem Beschluss vom 22. November 2017 wies das Oberlandesgericht die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Haftprüfung und Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls zurück. Der Antrag auf mündliche Haftprüfung sei zurückzuweisen, weil der Gesetzgeber bewusst auf die Pflicht zur Durchführung mündlicher Verhandlungen in Zulässigkeitsverfahren nach dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) verzichtet habe. Es obliege dem Ermessen des Senats, im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht zu entscheiden, ob eine mündliche Anhörung einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn erwarten lasse. Dies sei - auch angesichts des umfangreichen schriftlichen Vortrags des Beschwerdeführers - nicht ersichtlich.
Auch der Antrag auf Verschonung sei zurückzuweisen gewesen. Die formellen Voraussetzungen der Haft lägen vor, und die Auslieferung sei nicht von vornherein unzulässig. Letzteres gelte auch, weil noch Zusicherungen eingeholt würden und die Generalstaatsanwaltschaft bereits ausgeführt habe, dass eine Auslieferung nur gegen die Zusicherung bewilligt werde, dass der Beschwerdeführer nach seiner Verurteilung zwecks Durchführung der Strafvollstreckung nach Deutschland rücküberstellt werde.
Der Vollzug der Auslieferungshaft sei weiterhin geboten, denn es bestehe Fluchtgefahr gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG. Es sei wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer sich angesichts der nicht unerheblichen Strafandrohung dem Auslieferungsverfahren entziehen werde. Dabei stehe die Verwurzelung des Beschwerdeführers in Köln der Annahme der Fluchtgefahr nicht entgegen, denn es komme nicht darauf an, ob sich der Beschwerdeführer aus Köln entfernen werde. Entscheidend sei vielmehr, ob er sich seiner Auslieferung nach Ungarn durch "weiteres 'Sichfernhalten'" entziehen werde. Hiervon sei der Senat überzeugt, denn der Beschwerdeführer habe ausdrücklich vorgetragen, dass er im Falle seiner Überstellung menschenunwürdige Haftbedingungen und eine erniedrigende Behandlung aufgrund seiner Religionszugehörigkeit befürchte. Auch seine Zweifel hinsichtlich der Verlässlichkeit der ungarischen Zusicherungen und an der Rechtsstaatlichkeit Ungarns im Allgemeinen würden den Schluss nahelegen, dass sich der Beschwerdeführer nicht freiwillig dem Auslieferungsverfahren zur Verfügung halten werde. Weniger einschneidende Maßnahmen, die die Gewähr dafür böten, dass der Zweck der Auslieferungshaft erreicht werde, kämen daher nicht in Betracht.
1. Mit seiner am 29. November 2017 eingegangenen Verfassungsbeschwerde wendet sich der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts, soweit sein Antrag auf Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls abgelehnt wurde, und rügt der Sache nach eine Verletzung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.
Zur Begründung führt er aus, das Oberlandesgericht habe das verfassungsrechtliche Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend gewürdigt. Es sei ausführlich über die soziale Situation des Beschwerdeführers informiert gewesen. Dennoch sei es nicht auf deren Bedeutung im Rahmen der Beurteilung der Fluchtgefahr und der Verhältnismäßigkeitsprüfung eingegangen. Auch mit den vom Beschwerdeführer benannten weniger einschneidenden Maßnahmen (Meldeauflage und Passabgabe) habe sich das Oberlandesgericht nicht weiter auseinandergesetzt. Zudem zeige die Argumentation des Gerichts die "perfide Neigung", prozessualen Vortrag, etwa zu den Haftbedingungen im Zielstaat, mit dem der Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers gegen die Zulässigkeit der Auslieferung argumentiert habe, zur Begründung der Fluchtgefahr heranzuziehen. Derartige rechtliche Einschätzungen des Prozessbevollmächtigten ließen aber keine Rückschlüsse auf die individuelle Einstellung des Beschwerdeführers zu. Die Begründung des Oberlandesgerichts genüge außerdem nicht den Anforderungen an die notwendige Verhältnismäßigkeitsabwägung, die das jeweilige Individuum im Blick haben müsse. Sie lasse überdies nicht erkennen, dass sich das Gericht mit möglichen, weniger einschneidenden Maßnahmen befasst habe. Das Oberlandesgericht hätte ferner den Grad der Fluchtgefahr berücksichtigen müssen. Auch die dahingehende Beurteilung genüge nicht den Prüfungsgrundsätzen der Rechtsprechung, nach der eine Befassung mit den Umständen des Falls, der Art der vorgeworfenen Tat, der Persönlichkeit des Betroffenen und dessen Lebensverhältnissen sowie des Vor- und Nachtatverhaltens nötig sei.
Es sei überdies fehlerhaft, die Fluchtgefahr allein aus der hohen Straferwartung abzuleiten. Vielmehr sei in Ansatz zu bringen, ob der Fluchtanreiz so erheblich sei, dass der Betroffene diesem unter Berücksichtigung der Umstände wahrscheinlich nachgeben werde. Auch die sozialen Kontakte mit der Familie, den Kollegen und Freunden würden durch die Haft auf eine harte Probe gestellt werden. Eine Auflage, sich täglich bei der Polizei zu melden, und die Verwahrung der Ausweispapiere reiche aus, um eine Flucht zu verhindern. Der Beschwerdeführer sei kein Krimineller, sondern richte "sein Leben an der Einhaltung der Gesetze" aus. Ferner sei vorsorglich auf die Spruchpraxis der Gerichte verwiesen, die bei lange in Deutschland lebenden Deutschtürken eine Fluchtgefahr nur wegen der Staatsangehörigkeit verneine. Jedenfalls hätte das Oberlandesgericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Rechtstreue des Beschwerdeführers positiv bewerten und selbst bei Vorliegen einer Fluchtgefahr mithilfe weniger einschneidender Maßnahmen zu einer Außervollzugsetzung kommen müssen. Dementsprechend werde beantragt, die Verschonung anzuordnen.
2. Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hat von einer Stellungnahme abgesehen. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens in Kopie vorgelegen.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
1. Die Verfassungsbeschwerde genügt den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen. Zwar bezeichnet der Beschwerdeführer das verletzte Grundrecht nicht. Die Begründungsanforderungen setzen aber lediglich voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen werden muss. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Beschwerdeführer alle in Betracht kommenden Grundrechte (vgl. BVerfGE 47, 182 <187>; 59, 98 <101>; 115, 166 <180>) oder den als verletzt gerügten Grundrechtsartikel (vgl. BVerfGE 47, 182 <187>; 84, 366 <369>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 13. November 2017 - 2 BvR 1381/17 -, juris, Rn. 21 f.) ausdrücklich benennt; seinem Vortrag muss sich jedoch entnehmen lassen, inwiefern er sich durch den angegriffenen Hoheitsakt in seinen Rechten verletzt sieht (vgl. BVerfGE 23, 242 <250>; 79, 203 <209>; 99, 84 <87>; 108, 370 <386>; 115, 166 <180>). Der Beschwerdeführer hat den maßgeblichen Sachverhalt und einen möglichen Verstoß gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG der Sache nach dargelegt und somit den Begründungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügt. Er hat gerügt, dass das Oberlandesgericht die Umstände des Einzelfalls bei der Prüfung der Voraussetzungen der Auslieferungshaft nicht hinreichend berücksichtigt und daraus, dass der Beschwerdeführer sich gegen seine Auslieferung zur Wehr setze, in unzulässiger Weise das Vorliegen von Fluchtgefahr gefolgert hat.
2. Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht zudem nicht entgegen, dass der angegriffene Beschluss unionsrechtlich determiniert und damit nach den Grundsätzen der Identitätskontrolle in Auslieferungsverfahren eine verfassungsrechtliche Prüfung auf die Verfassungsidentität, hier einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG, beschränkt wäre (vgl. BVerfGE 140, 317 <334 ff. Rn. 36 ff.>). Zwar liegt dem Auslieferungsersuchen ein Europäischer Haftbefehl zugrunde. Art. 12 des Rahmenbeschlusses des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl EU Nr. L 190 vom 18. Juli 2002, S. 1) unterstellt die Frage der Inhafthaltung einer betroffenen Person allerdings dem nationalen Recht, so dass insoweit keine unionsrechtliche Determinierung vorliegt.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 22. November 2017 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, weil er den an eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Auslieferungshaft zu stellenden Anforderungen an die verfassungsrechtlich gebotene Begründungstiefe nicht genügt.
Die Anordnung der Auslieferungshaft stellt ebenso wie die Anordnung der Untersuchungshaft einen staatlichen Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit dar, der nur aufgrund eines Gesetzes und nur dann erfolgen darf, wenn überwiegende Belange des Gemeinwohls dies zwingend gebieten (vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG; BVerfGE 53, 152 <158>; 61, 28 <32>). Die erforderliche gesetzliche Grundlage für die Anordnung der Auslieferungshaft bildet § 15 Abs. 1 IRG. Während gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 IRG nach dem Eingang des Auslieferungsersuchens gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft dann angeordnet werden kann, wenn die Gefahr besteht, dass er sich dem Auslieferungsverfahren oder der Durchführung der Auslieferung entziehen werde, ermöglicht § 25 IRG eine Außervollzugsetzung eines Auslieferungshaftbefehls, wenn weniger einschneidende Maßnahmen die Gewähr bieten, dass der Zweck der Auslieferungshaft auch durch sie erreicht wird.
Die Auslieferungshaft ist als Maßnahme der internationalen Rechts- und Amtshilfe Teil der gegen den Verfolgten durchgeführten Strafverfolgung insgesamt (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Februar 2000 - 2 BvR 66/00 -, juris, Rn. 12). Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung der Auslieferungshaft sowie bei der Entscheidung über ihren fortdauernden Vollzug ist - wie auch im Rahmen der Untersuchungshaft - stets das Spannungsverhältnis zwischen dem in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleisteten Recht des Einzelnen auf persönliche Freiheit und den Bedürfnissen einer funktionierenden Strafrechtspflege und eines funktionierenden zwischenstaatlichen Rechtshilfeverkehrs zu beachten. Grundsätzlich darf einer Person nur nach einer rechtskräftigen Verurteilung die Freiheit entzogen werden. Der vorherige Entzug der Freiheit ist wegen der Unschuldsvermutung, die ihre Wurzel im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG hat und auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben ist (vgl. BVerfGE 19, 342 <347>; 74, 358 <370 f.>), nur ausnahmsweise zulässig. Den zur Durchführung der Auslieferung erforderlich und zweckmäßig erscheinenden Freiheitsbeschränkungen muss daher der Freiheitsanspruch der betroffenen Person als Korrektiv gegenübergestellt werden, wobei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 32; vgl. hinsichtlich der Haftdauer zudem BVerfGE 19, 342 <347>; 20, 45 <49 f.>; 36, 264 <270>; 53, 152 <158 f.>; 61, 28 <34 ff.>; BVerfGK 15, 474 <479>; zum Zweck der Auslieferungshaft BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 3. Februar 2000 - 2 BvR 66/00 -, juris, Rn. 14).
Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Grundrechtsschutz auch durch die Verfahrensgestaltung zu bewirken ist (vgl. hierzu BVerfGE 53, 30 <65>; 63, 131 <143>). Verfahren, mit denen die Fortdauer der Haft gerichtlich überprüft wird, müssen deshalb so ausgestaltet sein, dass nicht die Gefahr einer Entwertung der materiellen Grundrechtsposition aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 GG besteht. Dem ist vor allem durch erhöhte Anforderungen an die Begründungstiefe Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvR 1275/16 -, juris, Rn. 47; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. August 2017 - 2 BvR 2039/16 -, juris, Rn. 41; zu verfassungsrechtlich unterlegten Begründungsanforderungen vgl. BVerfGE 103, 21 <35 f.>). Die mit Haftsachen betrauten Gerichte haben sich mit den Voraussetzungen für den fortdauernden Vollzug der Haft eingehend auseinanderzusetzen und ihre Entscheidungen entsprechend zu begründen. In der Regel sind in jedem Beschluss über die Anordnung beziehungsweise Aufrechterhaltung der Haft aktuelle Ausführungen zu dem (weiteren) Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen, zur Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen und den hierzu in Widerstreit stehenden Interessen sowie zur Frage der Verhältnismäßigkeit geboten (vgl. BVerfGK 7, 140 <161>; 10, 294 <301>; 15, 474 <481>; 19, 428 <433>; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 38).
Diese Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 8, 1 <5>; 15, 474 <481 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Januar 2014 - 2 BvR 2248/13 u.a. -, juris, Rn. 39; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 13. Oktober 2016 - 2 BvR 1275/16 -, juris, Rn. 47; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. August 2017 - 2 BvR 2039/16 -, juris, Rn. 41).
Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt der angegriffene Beschluss nicht.
Bereits die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht die Fluchtgefahr bejaht, begegnen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dass der Beschwerdeführer sich bisher dem Auslieferungsverfahren entzogen habe, geht aus dem Beschluss nicht hervor, auch wenn das Oberlandesgericht dies anzunehmen scheint, wenn es für maßgeblich erachtet, ob der Beschwerdeführer sich durch "weiteres Sichfernhalten" dem Verfahren entziehen werde. Neben der hohen Strafandrohung, die die Fluchtgefahr nach der bisherigen fachgerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur nicht allein zu belegen vermag (vgl. Böhm, in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 15 IRG, Rn. 36 m.w.N. [Dezember 2008]; König, in: Ambos/König/Rackow, Rechtshilferecht in Strafsachen, 1. Aufl. 2015, § 15 IRG, Rn. 191 m.w.N.; siehe auch BGH, Beschluss vom 4. November 1970 - 4 ARs 43/70 -, BGHSt 23, 380 <383>), sondern lediglich Ausgangspunkt der vorzunehmenden intensiven Einzelfallprüfung ist (Schomburg/ Hackner, in: Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl. 2012, § 15 IRG, Rn. 19a m.w.N.; OLG Hamm, Beschluss vom 3. März 2009 - (2) 4 Ausl A 21/09 (62/09) -, juris, Rn. 9), stützt das Oberlandesgericht seine Beurteilung allein auf die Erwägung, der Beschwerdeführer selbst habe den Schluss auf eine Fluchtgefahr dadurch nahegelegt, dass er die mangelhaften Haftbedingungen und rechtsstaatliche Defizite im Zielstaat gerügt und vorgetragen habe, es bestehe aufgrund seiner Religionszugehörigkeit die Gefahr, in Ungarn zum Opfer erniedrigender Behandlung zu werden. Allein von dem prozessualen Vortrag des anwaltlichen Vertreters zur Zulässigkeit der Auslieferung darauf zu schließen, dass der Beschwerdeführer vorhabe, sich dem Auslieferungsverfahren zu entziehen, erscheint verfassungsrechtlich bedenklich. Denn dies rechtfertigte es, jeden von einem Auslieferungsverfahren Betroffenen, der sich nicht mit dem vereinfachten Verfahren einverstanden erklärt, sondern gerichtlichen Rechtsschutz im Zulässigkeitsverfahren vor den Oberlandesgerichten in Anspruch nimmt, in Auslieferungshaft zu nehmen, ohne dass es auf die weiteren Umstände des Einzelfalls maßgeblich ankäme.
Im Ergebnis kann dahinstehen, ob bereits die Prüfung der Fluchtgefahr in dem angegriffenen Beschluss - unter den erhöhten Anforderungen der verfassungsrechtlichen Überprüfung der fachgerichtlichen Anwendung einfachen Rechts (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 89, 276 <285>) - zu seiner Aufhebung führt, weil das Gericht hierin Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts des Beschwerdeführers verkannt hat.
Jedenfalls genügt die Begründungstiefe der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Während der vom Oberlandesgericht erlassene Auslieferungshaftbefehl keinerlei Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung enthält, besteht die Verhältnismäßigkeitsprüfung in dem angegriffenen Beschluss lediglich aus dem Verweis auf die defizitären Ausführungen zur Fluchtgefahr und der nicht weiter ausgeführten oder belegten Behauptung, weniger einschneidende Maßnahmen kämen nicht in Betracht.
Eine verfassungsrechtlich notwendige, explizite Abwägungsentscheidung des Gerichts, die erkennen lässt, dass es sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls, hier etwa der Art, des Umfangs, der Stetigkeit und Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im ersuchten Staat sowie der sozialen, familiären, persönlichen und beruflichen Bindungen und bestehender Arbeitsverhältnisse (vgl. Böhm, in: Grützner/Pötz/Kreß, Internationaler Rechtshilfeverkehr in Strafsachen, § 15 IRG, Rn. 38 f. m.w.N. [Dezember 2008]), ernstlich mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der Freiheitsentziehung befasst hat, und die die Gesichtspunkte identifiziert, welche das Gericht als maßgeblich erachtet hat, um ein Überwiegen des Interesses, die Durchführung des Auslieferungsverfahrens und der Auslieferung zu sichern, gegenüber dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen zu rechtfertigen, fehlt in dem angegriffenen Beschluss.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Köln vom 22. November 2017 - 6 AuslA. 125/17 - 102 - wird im Umfang der festgestellten Grundrechtsverletzung aufgehoben; die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2, § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Das Oberlandesgericht wird unter Beachtung der dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen erneut über den Antrag des Beschwerdeführers auf Aussetzung des Vollzugs des Auslieferungshaftbefehls zu entscheiden haben.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.