Entscheidungsdatum: 17.01.2013
Die Beschwerdeführerin - eine Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Frankfurt am Main - wendet sich gegen die Verwaltung des EDV-Netzes für den Rechtsprechungsbereich des Oberlandesgerichts durch die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) und beantragt die Zulassung zweier Vertreter als Beistände. Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, die Eignung des EDV-Netzes zur uneingeschränkten elektronischen Überwachung ihrer Arbeit verletze ihre richterliche Unabhängigkeit aus Art. 33 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 GG und verstoße gegen "das verfassungsrechtliche Gebot organisatorischer Selbständigkeit der Gerichte" aus Art. 20 Abs. 2 Satz 2, Art. 92 und Art. 97 GG.
Ihre Rechtsmittel zu den Richterdienstgerichten hatten im Wesentlichen keinen Erfolg, jedoch hielt der Hessische Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Zentralisierung der Datenverarbeitung nur unter der Bedingung für zulässig, dass zum Schutz vor einer Kenntnisnahme durch Dritte verbindliche Regeln für den Umgang mit Dokumenten des richterlichen Entscheidungsprozesses festgelegt und deren Einhaltung durch den Minister der Justiz im gleichberechtigten Zusammenwirken mit gewählten Vertretern der Richter überprüft werde (Urteil vom 20. April 2010 - DGH 4/08 -, juris). Mit Urteil vom 6. Oktober 2011 (- RiZ(R) 7/10 -, juris) wies der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - die weitergehende Revision der Beschwerdeführerin zurück.
Die Umsetzung der vom Hessischen Dienstgerichtshof formulierten Bedingungen für den Betrieb des EDV-Netzes der Hessischen Justiz durch die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung erfolgte nach Erhebung der Verfassungsbeschwerde durch das Gesetz zur Errichtung der Informationstechnik-Stelle der hessischen Justiz (IT-Stelle) und zur Regelung justizorganisatorischer Angelegenheiten vom 16. Dezember 2011 - JITStG HE - (GVBl I S. 778), das am 1. Januar 2012 in Kraft trat.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung zweier Beistände nach § 22 Abs. 1 Satz 4 BVerfGG ist abzulehnen, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die in das pflichtgemäße Ermessen des Bundesverfassungsgerichts gestellte Zulassung objektiv sachdienlich und subjektiv notwendig ist (vgl. hierzu BVerfGE 68, 360 <361>; BVerfGK 13, 171 <180 f.>).
Die Voraussetzungen für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt, denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <24 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet.
1. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, der Bundesgerichtshof habe fehlerhaft die Prüfung eines Verstoßes gegen das "verfassungsrechtliche Gebot organisatorischer Selbständigkeit der Gerichte" unterlassen, ist ihre Verfassungsbeschwerde mangels hinreichender Substantiierung (vgl. dazu § 23 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, § 92 BVerfGG sowie BVerfGE 108, 370 <387 f.>) unzulässig. Die Beschwerdeführerin setzt sich bereits nicht mit der Annahme des Bundesgerichtshofes auseinander, im Verfahren vor den Richterdienstgerichten könne die Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Gebot organisatorischer Selbständigkeit der Gerichte nicht gerügt werden, weil die Prüfungskompetenz der Richterdienstgerichte gemäß § 26 Abs. 3 DRiG auf die Frage der Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch Maßnahmen der Dienstaufsicht beschränkt sei.
2. Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet.
a) Zu den hergebrachten Grundsätzen des Richteramtsrechts, die der Gesetzgeber gemäß Art. 33 Abs. 5 GG zu beachten hat, gehört insbesondere auch der Grundsatz der sachlichen und persönlichen Unabhängigkeit des Richters (vgl. BVerfGE 12, 81 <88>; 55, 372 <391 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 1996 - 2 BvR 136/96 -, NJW 1996, S. 2149 <2150>). Nach Art. 97 Abs. 1 GG müssen Richter "unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen" sein. Die so umschriebene sachliche Unabhängigkeit ist gewährleistet, wenn der Richter seine Entscheidungen frei von Weisungen fällen kann (BVerfGE 14, 56 <69>; BVerfGK 8, 395 <399>), wobei Art. 97 Abs. 1 GG jede vermeidbare auch mittelbare, subtile und psychologische Einflussnahme der Exekutive auf die Rechtsstellung des Richters verbietet (siehe BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. Juni 2006 - 2 BvR 957/05 -, juris, Rn. 7; BVerfGE 12, 81 <88>; 26, 79 <93>; 55, 372 <389>). Eine derartige verbotene Einflussnahme kann auch dann vorliegen, wenn ein besonnener Richter durch ein Gefühl des unkontrollierbaren Beobachtetwerdens (vgl. im Zusammenhang mit der sog. Vorratsdatenspeicherung BVerfGE 125, 260 <332>) von der Verwendung der ihm zur Erfüllung seiner richterlichen Aufgaben zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel abgehalten würde.
b) Gemessen hieran ist gegen die angegriffenen Entscheidungen verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. Wie der Bundesgerichtshof in nicht zu beanstandender Weise darlegt, besteht für die Beschwerdeführerin kein Anlass, allein wegen der Zentralisierung der elektronischen Datenverarbeitung vernünftigerweise von der Verwendung ihres Dienstcomputers oder des EDV-Netzes der Hessischen Justiz Abstand zu nehmen.
Die Exekutive und sonstige Dritte verfügen - jedenfalls nach den in der angegriffenen Entscheidung des Hessischen Dienstgerichtshofs für Richter formulierten Bedingungen für die Überlassung der Verwaltung des EDV-Netzes der Hessischen Justiz an die Hessische Zentrale für Datenverarbeitung - über keine Zugriffserlaubnisse hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin für ihre dienstlichen Aufgaben verwendeten Daten. Die einzelnen Systemadministratoren eingeräumten Zugriffsrechte sind streng limitiert und beschränken sich auf Maßnahmen, die zum Funktionieren des EDV-Netzes betriebsnotwendig sind. Die Weitergabe richterlicher Dokumente an die Exekutive oder an Dritte ist den Administratoren untersagt. Auch die Speicherung und Weitergabe sogenannter Metadaten richterlicher Dokumente wie Autor und Erstellungszeitpunkt sind unzulässig, soweit nicht der konkrete Verdacht eines Missbrauchs des EDV-Netzes zu dienstfremden Zwecken besteht.
Anhaltspunkte dafür, dass die einzelnen Administratoren des EDV-Netzes eröffneten faktischen Zugriffsmöglichkeiten ohne entsprechende Erlaubnis und gegen den Willen der Beschwerdeführerin zu Ausforschungen ihrer Tätigkeit, zur inhaltlichen Kontrolle richterlicher Dateien oder gar zur Manipulation von Dokumenten genutzt werden könnten, vermochten weder die Fachgerichte zu erkennen, noch werden solche Anhaltspunkte von der Beschwerdeführerin vorgetragen. Es spricht auch nichts dafür, dass die unter Beteiligung von Vertretern der Richterschaft ausgeübte Kontrolle der Einhaltung der einen Zugriff auf richterliche Daten verbietenden Vorschriften nicht ausreichen könnte, um deren Befolgung dauerhaft und effektiv sicherzustellen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.