Entscheidungsdatum: 11.12.2013
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Freie und Hansestadt Hamburg hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.
1. Der in einer niedersächsischen Justizvollzugsanstalt strafinhaftierte Beschwerdeführer erstrebte seine Verlegung nach Hamburg. Gegen den - an das niedersächsische Justizministerium gerichteten - ablehnenden Bescheid der Hamburgischen Justizbehörde stellte er, anwaltlich vertreten, Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG.
Das Oberlandesgericht wies mit angegriffenem Beschluss den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück. Er sei unzulässig mangels Durchführung des Vorschaltverfahrens, das nach § 24 Abs. 2 EGGVG erforderlich sei, wenn die Maßnahme der Vollzugsbehörde einem förmlichen Rechtsbehelf im Verwaltungsverfahren unterliege. Dass dies vorliegend der Fall sei, ergebe sich zwar nicht bereits aus dem Gesetz, insbesondere nicht aus § 6 HmbVwGOAusfG, wohl aber aus § 21 StVollstrO. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift sei grundsätzlich ein Einwendungsverfahren gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde durchzuführen, sofern nicht eine - vorliegend fehlende - gerichtliche Zuständigkeit nach §§ 458, 459h StPO, § 83 Abs. 1 JGG bestehe. Dieser Grundsatz folge aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, die zum einen ein Vorschaltverfahren im Sinne des § 24 Abs. 2 EGGVG gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörden statuiere und zum anderen eine - allerdings nicht abschließende - verwaltungsinterne Zuständigkeitsregelung für die Überprüfung der Einwendungen enthalte. Die der erstgenannten Bedeutung zuzuordnenden Tatbestandsmerkmale des §24 StVollstrO seien nach Wortlaut und Zweck auch im Anwendungsbereich des § 26 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO erfüllt. Vollstreckungsbehörde im Sinne des § 21 StVollstrO sei nicht allein die Staatsanwaltschaft nach §451 StPO, sondern auch die funktionell als Vollstreckungsbehörde tätige Justizbehörde. Die Zwecke des Vorschaltverfahrens seien ebenfalls erfüllt. Dass die Durchführung eines solchen Verfahrens auch in Fällen des § 26 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO sinnvoll sei, zeige sich im vorliegenden Fall auch daran, dass die Justizbehörde ihre Zustimmung nicht unmittelbar in einem Bescheid gegenüber dem Beschwerdeführer, sondern in einem Schreiben an das niedersächsische Justizministerium versagt habe. Insbesondere in einem solchen Fall diene die Verpflichtung der Behörde, sich auf den Widerspruch hin mit den einzelnen Argumenten auseinanderzusetzen und die Ausübung des ihr zustehenden Ermessens für das Gericht in einer überprüfbaren Weise darzulegen, der Gewährung effektiven Rechtsschutzes. Dass der Katalog der Zuständigkeitsbestimmungen des § 21 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 StVollstrO keine ausdrückliche Regelung für die Zuständigkeit bei Einwendungen gegen Entscheidungen der Landesjustizverwaltung als Ausgangsbehörde enthalte, sei hingegen unerheblich. Darin offenbare sich hinsichtlich der Zuständigkeitsregelung lediglich eine planwidrige Lücke. Die grundsätzliche Statuierung eines Vorschaltverfahrens gegen Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde werde dadurch nicht infrage gestellt. Die planwidrige Lücke hinsichtlich der internen Zuständigkeitsregelung sei für Vollstreckungsentscheidungen der Hamburger Justizbehörde anhand des § 7 Abs. 1 HmbVwGOAusfG zu schließen. Nach dieser Vorschrift bestehe der Grundsatz, dass über Widersprüche im Vorverfahren diejenige Stelle entscheide, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe. Das gelte auch für Verwaltungsakte der Landesjustizverwaltung, wie hier der Justizbehörde Hamburg.
Die Behörde für Justiz und Gleichstellung der Freien und Hansestadt Hamburg hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Sie hat mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer auf erneuten Antrag zwischenzeitlich in die hamburgische Justizvollzugsanstalt Glasmoor verlegt worden sei.
2. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist. Nachdem der Beschwerdeführer entsprechend seinem im fachgerichtlichen Verfahren verfolgten Begehren in die Justizvollzugsanstalt Glasmoor verlegt worden ist, ist hinsichtlich des verfolgten Rechtsschutzziels Erledigung eingetreten und besteht für eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsbeschwerde kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Umstände, aus denen sich ein trotz Erledigung fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ergeben könnte, sind nicht ersichtlich. Gründe für ein Fortbestehen des Rechtsschutzbedürfnisses unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr(vgl. BVerfGE 103, 44 <58 f.>; 116, 69 <79>; BVerfGK 6, 260 <263>) oder unter dem Gesichtspunkt einer fortdauernden Beeinträchtigung (vgl. BVerfGE 33, 247 <257 f.>; 69, 161 <168>; 81, 138 <140>) bestehen nicht. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es zukünftig zu einer vergleichbaren Verlegungskonstellation komme, kann der Verweis auf diese rein theoretische Möglichkeit keine Wiederholungsgefahrbegründen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. März 2011 - 2 BvR 576/09 -, juris). Ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung (BVerfGE 69, 315 <341>; 103, 44 <58>) anzunehmen, denn die Grundsätze für die Beurteilung des gerichtlichen Rechtsschutzes im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG sind bereits geklärt. Auch handelt es sich nicht um einen gewichtigen Grundrechtseingriff der Art, dass die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt üblicherweise auf eine kurze Zeitspanne beschränkt ist, in welcher eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig nicht zu erlangen ist (vgl. BVerfGE 81, 138 <140 f.>; 110, 77 <86>; 117, 71 <122 f.>; 117, 244 <268>), was ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis begründen kann. Im Hinblick darauf kommt allerdings auch den Umständen der Erledigung Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 116, 69 <80>). Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass die Verlegung Teil einer Praxis versuchter Vermeidung gerichtlicher Kontrolle durch gezielte Erledigungsmaßnahmen sein und ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse aus diesem Grund zu bejahen sein könnte (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 20. März 2013 - 2 BvR 67/11 -, NJW 2013, S. 1943 <1944> , m.w.N.), sind weder vorgetragen noch drängen sie sich auf.
3. Die Entscheidung über die Auslagen beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG. Bei der hier zu treffenden Billigkeitsentscheidung (vgl. BVerfGE 89, 91 <97>; BVerfGK 11, 361 <363>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. September 1991 - 1 BvR 766/90 -, juris, Rn. 7; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 13. September 1995 - 1 BvR 1401/94 -, juris, Rn. 6; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 1995 - 1 BvR 1001/88 -, juris, Rn. 7; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2009 - 1 BvR 572/08 -, juris, Rn. 7) ist zu berücksichtigen, dass die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zulässig war und Aussicht auf Erfolg hatte. Zwar findet eine überschlägige Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Auslagenerstattungsverfahren regelmäßig nicht statt, denn eine solche kursorische Prüfung entspricht nicht der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, verfassungsrechtliche Zweifelsfragen mit bindender Wirkung inter omnes zu klären (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>; 85, 109 <115 f.>; 87, 394 <397 f.>). Eine Erstattung aus Billigkeitsgesichtspunkten kommt jedoch in Betracht, wenn die Verfassungsbeschwerde bei überschlägiger Beurteilung offensichtlich Aussicht auf Erfolg gehabt hätte und wenn im Rahmen der lediglich kursorischen Prüfung zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen nicht Stellung genommen zu werden braucht. Dies ist der Fall, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde im Rahmen der Billigkeitsentscheidung unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage bereits geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 <115 f.>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 22. Januar 2013 - 1 BvR 367/12 -, juris, Rn. 2; BVerfGK 3, 326 <327>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 24. Juni 1997 - 2 BvR 1581/95 -, juris, Rn. 14; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Mai 2009 - 1 BvR 572/08 -, juris, Rn. 7; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08, 1 BvR 656/10 -, juris, Rn. 9; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 1954/11 -, juris, Rn. 18; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Februar 2012 - 2 BvR 2100/11 -, juris, Rn. 20; siehe auch BVerfGE 69, 161 <168>; BVerfGK 11, 361 <363 f.>).
Nach diesen Maßstäben entspricht es der Billigkeit, die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers anzuordnen. Die Verfassungsbeschwerde wäre vorliegend offensichtlich begründet gewesen. Der Beschwerdeführer hat zwar die Verfassungsbeschwerde nicht für erledigt erklärt; diese Verkennung der prozessualen Lage zwingt jedoch nicht dazu, ihm die Auslagenerstattung zu versagen (vgl. BVerfGE 85, 109 <116 f.>; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 19. September 1995 - 1 BvR 1001/88 -, juris, Rn. 7).
Die Annahme des Oberlandesgerichts, der Antrag des Beschwerdeführers sei unzulässig gewesen, weil die Behörde für Justiz und Gleichstellung der Freien und Hansestadt Hamburg als oberste Landesbehörde Vollstreckungsbehörde im Sinne des § 21 StVollstrO sei und deshalb gemäß § 24 Abs. 2 EGGVG zunächst ein Beschwerdeverfahren durchzuführen gewesen wäre, war nicht geeignet, die getroffene Entscheidung zu tragen. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 67, 43 <58>; stRspr). Der rechtsuchende Bürger muss erkennen können, welches Rechtsmittel für ihn in Betracht kommt und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen es zulässig ist (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>; 54, 277 <292 f.>; 87, 48 <65>; 107, 395 <416>; 108, 341 <349>; BVerfGK 2, 213 <218>; 6, 72 <76>). Er darf nicht mit einem für ihn nicht übersehbaren "Annahmerisiko" und dessen Kostenfolgen belastet werden (vgl. BVerfGE 49, 148 <164>; 54, 277 <293>; BVerfGK 6, 72 <76>; 16, 362 <366>). Wenn ein Gericht geltende Rechtsvorschriften in einer Weise auszulegen gedenkt, die für den Rechtsschutzsuchenden mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, muss es prüfen, ob hinreichend gewichtige Gründe die Erschwerung des Rechtsschutzes rechtfertigen. Nur wenn solche hinreichend gewichtigen Gründe vorliegen, kann die Erschwerung dem Rechtsschutzsuchenden zumutbar sein (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2012 - 2 BvR 166/11 -, NStZ-RR 2013, S. 120 <122>).
Die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Justizbehörde sei als Vollstrek-kungsbehörde im Sinne des § 21 StVollstrO tätig geworden, liegt für einen Rechtsschutzsuchenden derart fern, dass hierdurch die Erlangung gerichtlichen Rechtsschutzes unzumutbar erschwert wird. Soweit das Oberlandesgericht hierzu anführt, Vollstreckungsbehörde im Sinne des § 21 StVollstrO sei nicht allein die Staatsanwaltschaft nach § 451 StPO, sondern jede funktionell als Vollstreckungsbehörde tätige Justizbehörde, übersieht es, dass der Begriff der Vollstreckungsbehörde im Sinne des § 21 StVollstrO in § 4 StVollstrO ausdrücklich bestimmt wird. Vollstrek-kungsbehörden sind nach § 4 StVollstrO, jeweils unter näher bestimmten Voraussetzungen, die Staatsanwaltschaft, die Generalstaatsanwaltschaft und der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof. An diese Begriffsbestimmung, unter die die hamburgische Justizbehörde als oberste Landesbehörde nicht zu subsumieren ist, schließt die Regelung des § 21 StVollstrO offensichtlich an, indem sie für jede der dort genannten Vollstreckungsbehörden die jeweils zur Entscheidung über die Beschwerde gegen deren Entscheidungen zuständige Behörde bestimmt. Die Annahme, Vollstreckungsbehörde im Sinne des § 21 StVollstrO sei auch die Justizbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg als oberste Landesbehörde, liegt vor diesem Hintergrund derart fern, dass diese Auslegung - unabhängig von der Frage, ob sie als objektiv willkürlich zu bezeichnen ist - jedenfalls den Rechtsschutz in einer Weise erschwert, für die sich eine Rechtfertigung in dem angegriffenen Beschluss nicht findet. Dem steht nicht entgegen, dass das Oberlandesgericht eine gleichsinnige Entscheidung bereits früher getroffen und veröffentlicht hat. Auf die Frage, inwieweit aus diesem Grund von anwaltlich vertretenen Antragstellern beziehungsweise von deren anwaltlichen Bevollmächtigten die Kenntnis der vom Oberlandesgericht angenommenen Notwendigkeit des Vorschaltverfahrens erwartet werden könnte, kommt es insoweit nicht an. Da für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG kein Anwaltszwang besteht (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 72. Aufl. 2014, § 26 EGGVG Rn. 3; Böttcher, in: Löwe/Rosenberg, StPO, Bd. 10, 26. Aufl. 2013, § 26 EGGVG Rn. 12), können die von den Fachgerichten bei der Auslegung des einfachen Rechts zu berücksichtigenden Grenzen zumutbarer Erschwerung des Rechtsschutzes nicht mit Blick auf die Kenntnisse und Informationsmöglichkeiten von Rechtsanwälten bestimmt werden. Bei der Auslegung der (auch) für den Rechtsschutz von Gefangenen geltenden Verfahrensvorschriften ist im Gegenteil zu berücksichtigen, dass diese typischerweise nach Bildungsstand, materiellen Ressourcen und Kommunikationsmöglichkeiten für den Umgang mit den Kompliziertheiten der Rechtsordnung nicht gut gerüstet sind (vgl. BVerfGK 10, 509 <516>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2012 - 2 BvR 166/11 -, NStZ-RR 2013, S. 120 <122>).
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 14 Abs. 1, § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung, die hier gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG anzuwenden ist.
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.