Entscheidungsdatum: 13.07.2016
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
1. Gegen die Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Beschwerdeführerin) wird nach Erteilung des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren die Zwangsvollstreckung auf Räumung des von ihr bewohnten Versteigerungsobjekts betrieben.
Die Zwangsversteigerung des Wohnungseigentums der Beschwerdeführerin wurde im Juni 2013 angeordnet. Unmittelbar vor dem für den 15. April 2015 anberaumten Versteigerungstermin stellte die Beschwerdeführerin einen Vollstreckungsschutzantrag, der auf eine suizidale Gefährdungslage gestützt war. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anregung einer Betreuung der Beschwerdeführerin beim Betreuungsgericht (Amtsgericht) schlug das Vollstreckungsgericht durch - mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen - Beschluss vom 24. März 2016 dem Meistbietenden das Versteigerungsobjekt zu und lehnte den Vollstreckungsschutzantrag zugleich ab. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde wies das Landgericht durch - ebenfalls mit der Verfassungsbeschwerde angefochtenen - Beschluss vom 23. Mai 2016 zurück.
Zur Begründung führte das Landgericht aus, zwar könne die Zwangsvollstreckung nach § 765a Abs. 1 ZPO in Ausnahmefällen einstweilen oder äußerstenfalls auch dauerhaft eingestellt werden, ein solcher Ausnahmefall sei hier jedoch nicht mehr erkennbar. Insbesondere sei eine Suizidalität, die sich bei Rechtskraft der Zuschlagsentscheidung aktualisiere, jedenfalls nicht mehr gegeben. Diese Annahme stützte das Landgericht unter anderem auf das vom Amtsgericht eingeholte Sachverständigengutachten vom 5. August 2015 (Dr. L.), das durch die weiteren Stellungnahmen vom 14. Januar 2016 und vom 18. März 2016 (Dr. S.-B.) ergänzt worden sei. Nachdem die von dem Sachverständigen für erforderlich gehaltene Einstellungsfrist von sechs Monaten verstrichen sei, ein Therapieerfolg in dieser Zeitspanne für plausibel erachtet worden und eine stationäre Psychotherapie ab Januar 2016 für die Dauer von drei Monaten durchgeführt und anschließend ambulant fortgesetzt worden sei, könne von einem Fortbestehen der ursprünglich für wahrscheinlich gehaltenen Suizidgefahr nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Das Landgericht habe deshalb die aktuelle - im Betreuungsverfahren veranlasste - psychiatrische Begutachtung vom 18. März 2016 herangezogen (Dr. S.-B.). Obwohl dieses Gutachten primär als Entscheidungsgrundlage über die Notwendigkeit einer Betreuung diene, könne die darin getroffene Einschätzung auch für die Frage der Suizidgefahr herangezogen werden, zumal das Betreuungsverfahren gerade als flankierende Maßnahme des Versteigerungsverfahrens geprüft worden sei. Danach lägen keine Hinweise auf eine latente oder akute Suizidalität der Beschwerdeführerin mehr vor. Die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen (Dr. S.-B.) decke sich im Übrigen mit dem Inhalt der Akten. So sei die Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 23. März 2016 in der Lage gewesen, ihre Situation substantiiert zu schildern und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Zudem habe sie sich im März 2016 aus eigener Kraft im Ambulanzzentrum vorgestellt, um sich behandeln zu lassen. Eine Suizidgefahr werde im dortigen Attest nicht beschrieben.
Gegen den Beschluss des Landgerichts hat die Beschwerdeführerin eine Anhörungsrüge erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, durch die angegriffenen Entscheidungen in ihren Rechten aus Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 13 Abs. 1 GG, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verletzt zu sein. Sie beantragt, die aus dem Zuschlagsbeschluss resultierende Räumungsvollstreckung einstweilen einzustellen. Mit dem Antrag auf einstweilige Anordnung "verfolgt die [Beschwerdeführerin…] die Abwehr der mit dem Räumungsbeschluss drohenden Gewalt und der zu erleidenden schweren Nachteile", wenn es zu der für den 25. Juli 2016 angedrohten Zwangsräumung käme.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt ohne Erfolg. Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG liegen nicht vor.
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht einen Zu-stand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.
Dabei haben die Gründe, welche die Beschwerdeführerin für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Hoheitsakte anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 7, 367 <371>; 134, 138 <140 Rn. 6>; stRspr). Nur bei einem offenen Ausgang der Verfassungsbeschwerde kommt es zu einer Folgenabwägung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 5. August 2015 - 2 BvR 2190/14 -, juris, Rn. 16 f.).
Maßgebend für die Beurteilung ist der Verfahrensstand im Zeitpunkt der Entscheidung über die einstweilige Anordnung (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2001 - 1 BvQ 35/01 -, NJW 2002, S. 356; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. Februar 2016 - 1 BvQ 8/16 -, juris, Rn. 3). Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde setzt eine hinreichende Begründung voraus (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG). Ferner gilt auch im verfassungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 90 Abs. 2 BVerfGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kommt daher nur in Betracht, wenn der Antragsteller bestehende Möglichkeiten, fachgerichtlichen Eilrechtsschutz zu erlangen, ausgeschöpft hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 16. März 2016 - 2 BvQ 16/16 -, juris, Rn. 3, m.w.N.).
2. Nach diesen Maßstäben ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht angezeigt. Die Verfassungsbeschwerde ist nach derzeitigem Stand unzulässig, weil die Beschwerdeführerin diese bislang nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise (§ 23 Abs. 1, § 92 BVerfGG) begründet hat.
Die Beschwerdeführerin hat für die Überprüfung der angegriffenen Entscheidungen notwendige Unterlagen - wie das Sachverständigengutachten vom 5. August 2015 (Dr. L.), die ergänzende Stellungnahme vom 14. Januar 2016 (Dr. L.), die im Betreuungsverfahren angefertigte psychiatrische Stellungnahme vom 18. März 2016 (Dr. S.-B.) und das dem Landgericht vorgelegte Obergutachten des Facharztes für Psychosomatik und Psychotherapie Dr. B. vom 13. Oktober 2015 - nicht oder nur auszugsweise vorgelegt.
Ferner setzt sich die Beschwerdeführerin nicht hinreichend mit den angegriffenen Entscheidungen auseinander, nach denen eine Gesundheits- oder Lebensgefahr jedenfalls aktuell nicht mehr bestehe. Wie vom Landgericht zu Recht ausgeführt, enthält insbesondere das Attest vom 21. März 2016 (Dr. P.) nur den allgemeinen Hinweis, dass der Eigentumsverlust den Erfolg der Psychotherapie gefährde, was nicht absehbare Folgen für die Gesundheit der Patientin haben könne. Diese Therapie erfolge - so das Landgericht - nach den Angaben der Beschwerdeführerin wegen somatischer Beschwerden, die die Beschwerdeführerin nach Art und Ausmaß allerdings nicht näher bezeichne. Eine aktuell bestehende suizidale Gefährdungslage werde in dem Attest nicht thematisiert. Dass und warum das Landgericht gleichwohl von dem Fortbestehen einer schwerwiegenden gesundheitlichen Gefährdung ausgehen musste, legt die Beschwerdeführerin nicht dar.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.