Entscheidungsdatum: 27.02.2018
1. Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität.
2. Die negative Bewertung einer politischen Veranstaltung durch staatliche Organe, die geeignet ist, abschreckende Wirkung zu entfalten und dadurch das Verhalten potentieller Veranstaltungsteilnehmer zu beeinflussen, greift in das Recht der betroffenen Partei auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG ein.
3. Die Befugnis der Bundesregierung zur Erläuterung von ihr getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben schließt das Recht ein, sich mit darauf bezogenen kritischen Einwänden sachlich auseinanderzusetzen. Ein "Recht auf Gegenschlag" dergestalt, dass staatliche Organe auf unsachliche oder diffamierende Angriffe in gleicher Weise reagieren dürfen, besteht nicht.
1. Die Antragsgegnerin hat durch die Veröffentlichung der Pressemitteilung 151/2015 vom 4. November 2015 auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Antragstellerin in ihrem Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Artikel 21 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzt.
2. Der Antrag der Antragstellerin auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
Die Antragstellerin sieht sich durch den Inhalt einer auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung veröffentlichten Pressemitteilung in ihren Rechten auf Chancengleichheit im Wettbewerb der politischen Parteien und auf Versammlungsfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.
Die Antragstellerin war Veranstalterin einer in Berlin für den 7. November 2015 angemeldeten Versammlung unter dem Motto "Rote Karte für Merkel! - Asyl braucht Grenzen!".
Zu dieser Veranstaltung veröffentlichte die Antragsgegnerin am 4. November 2015 auf der Homepage des von ihr zum damaligen Zeitpunkt geführten Bundesministeriums (www.bmbf.de) die mit dem Bundeswappen und der Aufschrift "Bundesministerium für Bildung und Forschung" versehene Pressemitteilung 151/2015 mit folgendem Wortlaut:
Rote Karte für die AfD
Johanna Wanka zur geplanten Demonstration der AfD in Berlin am 07.11.2015
"Die Rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden. Björn Höcke und andere Sprecher der Partei leisten der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub. Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betreiben wie der Pegida-Chef Bachmann, erhalten damit unerträgliche Unterstützung."
Durch den Zusammentritt des 19. Deutschen Bundestages am 24. Oktober 2017 endigte das Ministeramt der Antragsgegnerin gemäß Art. 69 Abs. 2 GG; sie führte die Geschäfte gemäß Art. 69 Abs. 3 GG weiter.
Auf den Antrag der Antragstellerin gab der Senat der Antragsgegnerin wegen der besonderen Dringlichkeit gemäß § 32 Abs. 7 Satz 1 BVerfGG durch drei Richter mit einstweiliger Anordnung vom 7. November 2015 (BVerfGE 140, 225) auf, die Pressemitteilung von der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung einstweilen zu entfernen. Dem trug die Antragsgegnerin Rechnung.
1. Die Antragstellerin begehrt nunmehr in der Hauptsache festzustellen, dass die Veröffentlichung der Pressemitteilung 151/2015 ihre Rechte auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb und auf Versammlungsfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt hat. Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:
a) Der Antrag sei zulässig. Insbesondere verfüge sie weiterhin über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da durch den Beschluss des Senats vom 7. November 2015 die Verfassungswidrigkeit des Verhaltens der Antragsgegnerin nicht abschließend geklärt worden sei. Nach Ablauf der Fristen der § 32 Abs. 6 Satz 1, § 64 Abs. 3 BVerfGG bestehe kein Hindernis mehr, die in Rede stehende Pressemitteilung erneut auf der Homepage des Ministeriums zu veröffentlichen. Außerdem sei zu besorgen, dass die Antragsgegnerin, insbesondere bei zukünftigen von der Antragstellerin durchgeführten Versammlungen, die Ressourcen ihres Ministeriums erneut für einen Boykottaufruf nutze und die Antragstellerin dadurch wiederholt in ihren verfassungsmäßigen Rechten verletzt werde. In diesem Zusammenhang habe die Antragstellerin vor allem ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass sie in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb nicht nur in Wahlkampfzeiten, sondern auch darüber hinaus geschützt sei.
b) Der Antrag sei auch begründet.
Die Versammlung in Berlin am 7. November 2015 sei die Abschlusskundgebung der von der Antragstellerin als Herbstoffensive ausgerufenen Öffentlichkeitskampagne gewesen, die sich gegen die Asylpolitik der Bundeskanzlerin und die Grenzöffnung nach Österreich im Herbst 2015 gerichtet habe. Die Antragstellerin sehe darin einen Verfassungsverstoß, dessen absehbare Folge eine ernsthafte Bedrohung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sein werde. Wenn sie sich bemühe, in der Öffentlichkeit vor den drohenden Gefahren eines Staatsversagens zu warnen, müsse sie hierfür den Schutz durch das staatliche Neutralitätsgebot einfordern dürfen. Die darin liegende Herausforderung der Parlamentsparteien dürfe von deren Regierungsmitgliedern nicht durch einen Boykottaufruf beantwortet werden, der auf der Homepage eines Bundesministeriums als amtliche Pressemitteilung veröffentlicht werde.
Die in Rede stehende Pressemitteilung sei von einer sachlichen Information über die Öffentlichkeit interessierende politische Vorgänge weit entfernt. Die Äußerung der Antragsgegnerin ziele darauf ab und sei dazu geeignet, die Antragstellerin zu diffamieren. Es solle der Eindruck vermittelt werden, diese fördere schwerwiegende Straftaten, die von Rechtsextremen begangen würden. Dadurch würden die Antragstellerin und ihre Mitglieder in der Öffentlichkeit kriminalisiert. Hierin liege ein schwerwiegender Eingriff in das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit der Parteien im politischen Meinungskampf. Dabei sei unerheblich, ob das Handeln der Antragsgegnerin in der "heißen Phase" eines Wahlkampfs oder außerhalb von Wahlkampfzeiten stattgefunden habe. Nur vorsorglich werde daher geltend gemacht, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Antragstellerin gerade darauf abgezielt habe, die Bürger von der Notwendigkeit vorgezogener Neuwahlen zu überzeugen.
Die Verletzung des Rechts auf Chancengleichheit der Parteien folge aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin die ihr aufgrund ihres Regierungsamts zur Verfügung stehende Homepage ihres Ministeriums, deren Verwendung politischen Wettbewerbern naturgemäß verschlossen sei, zur Veröffentlichung der in Rede stehenden Pressemitteilung genutzt habe. Dem könne die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, im Text der Presseerklärung sei eine Bezugnahme auf ihr Ministeramt unterblieben. Es komme allein darauf an, dass mit dem Ministeramt verbundene Ressourcen eingesetzt worden seien.
Die Nutzung der Homepage des Ministeriums reiche aus, um öffentlich den Rechtsschein einer Inanspruchnahme der amtlichen Autorität des Regierungsamts zu erwecken. Daher sei die Antragsgegnerin bei Verlautbarungen auf der Homepage des Ministeriums dem Neutralitätsgebot unterworfen. Hiergegen werde durch die streitgegenständliche Presseerklärung verstoßen. Diese stelle einen unzulässigen Eingriff in die vom Recht der Chancengleichheit der Parteien ebenfalls umfasste Versammlungsfreiheit dar, da sich die Bürger daran gehindert sähen, an einer von Rechtsradikalen und Kriminellen veranstalteten Versammlung teilzunehmen, schon weil sie befürchten müssten, dabei fotografiert oder gefilmt zu werden.
2. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen, da er unbegründet sei.
a) Das Recht der politischen Parteien auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb gelte zwar nicht nur für den Wahlvorgang selbst, sondern auch für die Wahlvorbereitung. Das Neutralitätsgebot sei aber wahlkampfbezogen, so dass nur die gezielte Einwirkung von Staatsorganen auf die Willensbildung des Volkes bei Wahlen und in ihrem Vorfeld hiergegen verstoße. Nicht berührt werde das Neutralitätsgebot hingegen von Äußerungen eines Mitglieds der Bundesregierung als Amtsträger außerhalb eines Wahlkampfs und der Vorwahlzeit, die erst mit der Bestimmung des Wahltags durch den Bundespräsidenten beginne.
Die Kompetenz der Bundesregierung zur Staatsleitung schließe die Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ein. Darunter falle insbesondere die Darlegung und Erläuterung der Politik der Regierung. Zulässige Öffentlichkeitsarbeit finde erst dort ihre Grenze, wo Wahlwerbung beginne. Das einzelne Regierungsmitglied sei dabei nicht darauf beschränkt, für das eigene Ressort einzutreten, sondern berechtigt, die Tätigkeit der gesamten Bundesregierung und insbesondere des Bundeskanzlers oder der Bundeskanzlerin zu erläutern und gegen Angriffe zu verteidigen. Reagiere ein Mitglied der Bundesregierung auf verbale Angriffe auf die Regierungspolitik, eröffne das Demokratieprinzip einen größeren Spielraum zur Verteidigung im öffentlichen Meinungskampf. Reaktive Äußerungen auf verbale Angriffe seien vom Neutralitätsprinzip gedeckt, soweit und solange sie sich nach Form und Inhalt in dem Rahmen hielten, der durch die kritische Äußerung vorgegeben worden sei.
Danach habe die Antragsgegnerin das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit nicht verletzt. Denn die in Rede stehende Pressemitteilung weise keinen Bezug zum Wahlkampf auf. Sie habe auch nicht der Wahlvorbereitung gedient. Vielmehr habe die Antragsgegnerin als Mitglied der Bundesregierung in Ausübung ihres Ministeramts einen öffentlichen Angriff aus dem parteipolitischen Raum auf die Politik der Bundesregierung und vor allem der Bundeskanzlerin zurückgewiesen. Da die Antragsgegnerin nicht Mitglied des Bundestages sei, habe sie die Regierungspolitik nicht mit den einer Abgeordneten zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen können. Sie sei von Verfassungs wegen auch nicht darauf zu verweisen, ihre privaten Ressourcen zu nutzen, wenn sie die Politik der Bundesregierung in Auseinandersetzung mit der parlamentarischen oder außerparlamentarischen Opposition erläutere und rechtfertige. Vielmehr habe sie auf den kommunikativen Angriff der Antragstellerin auf die Regierungspolitik mit vergleichbaren Mitteln reagieren dürfen. Dies habe sie mit der streitgegenständlichen Presseerklärung getan. Sie habe dabei durch den Gebrauch des Briefkopfs ihres Ministeriums und durch das Medium der Pressemitteilung des Ministeriums den Amtsbezug ihrer öffentlichen Äußerung deutlich gemacht. Gegen das Neutralitätsgebot verstoße eine solche kommunikative Verteidigung der Regierungspolitik nicht.
b) Soweit sich die Antragstellerin auf das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG berufe, sei dieses nicht Teil ihrer durch Art. 21 GG geschützten Rechtsstellung, deren Beeinträchtigung im Organstreit geltend gemacht werden könne. Die Pressemitteilung habe die Versammlungsfreiheit der Antragstellerin im Übrigen auch nicht berührt. Die Antragsgegnerin habe weder ausdrücklich noch implizit zum Boykott der in Rede stehenden Versammlung aufgerufen. Auch werde weder ein Verbot der Versammlung ausgesprochen noch die Teilnahme an ihr faktisch behindert oder gar unmöglich gemacht.
3. a) In ihrer Replik verweist die Antragstellerin darauf, dass regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit auch außerhalb von Wahlkampfzeiten diskriminierende Wirkung auf Parteien haben könne. Es sei daher verfehlt, den Schutz des Neutralitätsgebots auf Wahlkampfzeiten zu begrenzen. Die Mitwirkung der politischen Parteien an der politischen Willensbildung sei nicht auf Bundestagswahlen beschränkt. Sie finde ebenso bei Landtagswahlen, Kommunalwahlen und den Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Schon aus diesem Grund sei eine Diskriminierung durch regierungsamtliche Verlautbarungen eines Bundesministers für die betroffene politische Partei nicht erst dann ein schwerwiegender Nachteil, wenn diese sich gerade im Wahlkampf für den Bundestag befinde. Im Übrigen verblieben Regierungsmitgliedern außerhalb der Inanspruchnahme amtlicher Autorität oder der Ressourcen ihres Regierungsamts weitgehende Möglichkeiten der Beteiligung an der politischen Debatte ohne Bindung an die Gebote der Sachlichkeit.
b) Die Antragstellerin leite ihre Antragsbefugnis allein aus Art. 21 GG ab. Die Versammlungsfreiheit werde durch diese Vorschrift erfasst, da eine politische Partei im Wege des Versammlungsaufrufs nicht nur ihre Mitglieder mobilisieren, sondern ebenso ihre sonstigen Anhänger und darüber hinaus selbst diejenigen Bürger, die der Partei vielleicht gleichgültig oder sogar kritisch gegenüberstünden, für ihre politischen Ziele gewinnen und auf die Straße bringen könne. Versammlungen seien Orte aktiver Teilnahme der Bürger an der politischen Willensbildung. Ein regierungsamtlicher Boykottaufruf benachteilige die politische Partei, die als Veranstalterin einer solchen Versammlung auftrete, im Wettbewerb mit anderen Parteien.
c) Die in Rede stehende Pressemitteilung sei auch als Boykottaufruf zu werten, selbst wenn sie auf einen ausdrücklichen Appell, der Versammlung fernzubleiben, verzichte. Sie sei darauf gerichtet, die Versammlungsteilnehmer zu stigmatisieren und die Bürger von einer Versammlungsteilnahme abzuschrecken.
d) Der geltend gemachte Eingriff in den Schutzbereich des Art. 21 Abs. 1 GG sei nicht gerechtfertigt. Es handele sich bei der angegriffenen Pressemitteilung nicht um ein zulässiges staatliches Informationshandeln, da sich dieses im gesetzlich zugewiesenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Amtsträgers halten müsse, was vorliegend nicht der Fall sei. Der Antragsgegnerin stehe ein Recht zur Verteidigung der Regierungspolitik außerhalb ihrer Ressortzuständigkeit nicht zu. Auch liege keine Reaktion auf einen kommunikativen Angriff "mit vergleichbaren Mitteln" vor. Dem stehe bereits entgegen, dass die Antragsgegnerin regierungsamtliche Ressourcen genutzt habe. Außerdem sei das Sachlichkeitsgebot nicht gewahrt, da auf jede argumentative Auseinandersetzung mit den Forderungen der Antragstellerin verzichtet werde. Stattdessen enthalte die Presseerklärung diffamierende Wertungen und persönliche Mutmaßungen.
4. Der Senat hat den in § 65 Abs. 2 BVerfGG genannten Verfassungsorganen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, von der sie keinen Gebrauch gemacht haben.
5. In der mündlichen Verhandlung vom 24. Mai 2017 haben die Beteiligten ihren Vortrag vertieft und ergänzt. Die Antragsgegnerin hat dabei insbesondere ein durch den Angriff der Antragstellerin auf die Regierungspolitik begründetes "Recht auf Gegenschlag" geltend gemacht.
Der Senat ist mit der Gesamtheit seiner Mitglieder ordnungsgemäß besetzt.
Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Erlass der einstweiligen Anordnung vom 7. November 2015 durch den Präsidenten Voßkuhle und die Richter Huber und Müller gemäß § 32 Abs. 7 Satz 1 BVerfGG der Richter Landau aus dem Senat ausgeschieden ist und die Richterin Langenfeld als Nachfolgerin berufen wurde. Unabhängig davon, dass der Senat in dieser Zusammensetzung nicht beschlussfähig wäre, kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht als Beginn der Beratung der Hauptsache im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG angesehen werden. Da in beiden Verfahren unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe gelten, sind das Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Anordnung und das Hauptsacheverfahren als eigenständige Sachen zu qualifizieren, auf die § 15 Abs. 3 Satz 1 BVerfGG keine Anwendung findet (vgl. BVerfGE 142, 5 <8 f. Rn. 8 ff.>; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2017 - 2 BvF 1/15 -, juris, Rn. 2).
Der Antrag ist zulässig.
1. Die Antragstellerin ist eine politische Partei, die regelmäßig an Bundestags- und Landtagswahlen teilnimmt. Als solche ist sie im Organstreit parteifähig, soweit sie eine Verletzung ihres Rechts auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb geltend macht und sich damit auf ihren besonderen, in Art. 21 GG umschriebenen verfassungsrechtlichen Status beruft (vgl. BVerfGE 4, 27 <30 f.>; 11, 239 <241 f.>; 14, 121 <129>; 20, 18 <22 f.>; 24, 260 <263>; 24, 300 <329>; 44, 125 <136 f.>; 60, 53 <61>; 73, 40 <65>; stRspr).
2. Die Parteifähigkeit der Antragsgegnerin ergibt sich aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 63 BVerfGG. Bundesminister sind als Teile des obersten Staatsorgans Bundesregierung im Grundgesetz (Art. 65 Satz 2 GG) sowie in der Geschäftsordnung der Bundesregierung (§§ 9 bis 12, 14a GOBReg) mit eigenen Rechten ausgestattet und daher "andere Beteiligte" im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG (vgl. BVerfGE 45, 1 <28>; 90, 286 <338>; 138, 102 <107 Rn. 22>).
Die Antragsgegnerin hat die Parteifähigkeit im Organstreitverfahren nicht dadurch verloren, dass ihr Amt als Bundesministerin gemäß Art. 69 Abs. 2 GG mit dem Zusammentritt des 19. Deutschen Bundestages am 24. Oktober 2017 endigte. Maßgeblich für die Beurteilung der Parteifähigkeit eines Beteiligten im Organstreit ist grundsätzlich sein Status zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verfassungsstreit anhängig gemacht worden ist (vgl. BVerfGE 4, 144 <152>; 102, 224 <231>; 108, 251 <270 f.>; 136, 277 <299 f. Rn. 60>; 139, 194 <220 Rn. 96>; 140, 115 <138 Rn. 55>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 -, juris, Rn. 162).
Die Antragstellerin ist antragsbefugt, da nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die Antragsgegnerin durch die streitgegenständliche Presseerklärung vom 4. November 2015 die verfassungsrechtlichen Grenzen der Äußerungsbefugnisse von Regierungsmitgliedern überschritten und dadurch die Antragstellerin in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am Prozess der politischen Willensbildung aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt hat.
Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf eine Verletzung ihres Rechts auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) verweist, kann sie eine solche im Organstreit nicht unmittelbar rügen. Parteien können im Organstreitverfahren nur Rechte geltend machen, die sich aus ihrem besonderen verfassungsrechtlichen Status ergeben. In einem Organstreit kann die geltend gemachte Verletzung eines Grundrechts durch ein anderes Verfassungsorgan daher allenfalls insoweit erheblich sein, als die Partei damit eine die Grundsätze der Staatsfreiheit und Chancengleichheit verletzende Sonderbehandlung rügt (vgl. BVerfGE 84, 290 <299>).
Diese Möglichkeit hat die Antragstellerin aufgezeigt: Der verfassungsrechtliche Auftrag der Parteien zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG umfasst auch den Schutz der parteitypischen Betätigung im kommunikativen Bereich. Den Parteien steht es frei, innerhalb der rechtlich vorgegebenen Grenzen zu bestimmen, welcher Medien sie sich bei der Erfüllung ihres Auftrags zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung bedienen wollen (vgl. BVerfGE 121, 30 <57>). Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG schützt demgemäß auch das Recht der Parteien, im Wege einer Versammlung auf ihre politischen Ziele hinzuweisen, für diese zu werben und ihnen im öffentlichen Diskurs Beachtung zu verschaffen. Hiervon ausgehend ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Antragsgegnerin mit ihrer Presseerklärung vom 4. November 2015 auf die kommunikative Betätigung der Antragstellerin in einer Weise eingewirkt hat, die deren Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt.
Das auch im Organstreit erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfGE 62, 1 <33>; 67, 100 <127>; 68, 1 <77>; 119, 302 <307 f.>; 124, 78 <113>; 140, 115 <146 Rn. 80>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 -, juris, Rn. 178) liegt vor. Es ist weder durch den Erlass der einstweiligen Anordnung vom 7. November 2015 und die daraufhin erfolgte Entfernung der streitgegenständlichen Presseerklärung von der Homepage des Ministeriums (1.) noch dadurch entfallen, dass die in der Erklärung in Bezug genommene Demonstration der Antragstellerin zwischenzeitlich stattgefunden hat (2.). Auch die Beendigung des Ministeramts der Antragsgegnerin gemäß Art. 69 Abs. 2 GG hat das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin nicht entfallen lassen (3.).
1. Die Antragsgegnerin hat die Pressemitteilung 151/2015 zwar von der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung entfernt, nachdem ihr dies durch die einstweilige Anordnung des Senats vom 7. November 2015 (BVerfGE 140, 225) aufgegeben worden war. Dies lässt das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin jedoch nicht entfallen, da die einstweilige Anordnung gemäß § 32 Abs. 7 Satz 2 BVerfGG nach einem Monat außer Kraft getreten ist und die Antragsgegnerin ab diesem Zeitpunkt nicht gehindert gewesen wäre, sich über die Antragstellerin erneut in einer der streitgegenständlichen Presseerklärung entsprechenden Weise zu äußern.
2. Der Antragstellerin fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis auch nicht deshalb, weil die in der Presseerklärung in Bezug genommene Demonstration am 7. November 2015 stattgefunden und sich der Anlass für die Äußerung der Antragsgegnerin damit erledigt hat. Im Organstreitverfahren entfällt das Rechtsschutzinteresse nicht allein dadurch, dass die beanstandete Rechtsverletzung in der Vergangenheit liegt und bereits abgeschlossen ist (vgl. BVerfGE 10, 4 <11>; 49, 70 <77>; 121, 135 <152>; 131, 152 <193>). Selbst wenn man in diesen Fällen ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse fordern wollte, läge dieses vorliegend in der Form einer Wiederholungsgefahr und eines objektiven Klarstellungsinteresses vor (vgl. dazu BVerfGE 119, 302 <308 f.>; 121, 135 <152>; 131, 152 <193 f.>; 137, 185 <230 Rn. 127>; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 7. November 2017 - 2 BvE 2/11 -, juris, Rn. 187). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Regierungsmitglieder bei weiteren Versammlungen oder sonstigen Aktivitäten der Antragstellerin erneut in einer der Presseerklärung der Antragsgegnerin vergleichbaren Weise äußern. Für die Antragstellerin besteht daher ein erhebliches Interesse an der Klärung der Frage, welche Äußerungsbefugnisse Regierungsmitglieder in Bezug auf von ihr durchgeführte Demonstrationen haben.
3. Schließlich steht dem Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin auch die Beendigung des Ministeramts der Antragsgegnerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, ohne dass es auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Fortführung der Geschäfte gemäß Art. 69 Abs. 3 GG ankommt.
Mit dem Schriftsatz zur Einleitung des Hauptsacheverfahrens vom 27. Januar 2016 hat die Antragstellerin die Frist gemäß § 64 Abs. 3 BVerfGG gewahrt.
Der Antrag ist begründet. Die Veröffentlichung der Pressemitteilung 151/2015 auf der Homepage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung verletzt die Antragstellerin in ihrem Recht auf chancengleiche Teilnahme am politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG.
Der aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG folgende Grundsatz der Chancengleichheit umfasst das Recht der Parteien, durch Demonstrationen und Versammlungen an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken (1.). Damit ist die einseitige Einflussnahme von Staatsorganen auf die Ankündigung oder Durchführung politischer Kundgebungen grundsätzlich unvereinbar (2.). Auch soweit die Bundesregierung von ihrer Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit Gebrauch macht, hat sie das Gebot der Neutralität staatlicher Organe zu beachten (3.). Dies schließt zwar die Zurückweisung der an ihrer Politik geübten Kritik nicht aus; dabei ist sie aber darauf beschränkt, in sachlicher Weise über ihre Arbeit zu informieren und sich mit erhobenen Vorwürfen auseinanderzusetzen (4.). Nichts anderes gilt, soweit ein einzelnes Mitglied der Bundesregierung sich unter Inanspruchnahme seiner Amtsautorität an einer derartigen Auseinandersetzung beteiligt (5.).
1. a) In der freiheitlichen Demokratie des Grundgesetzes geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird von ihm in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG). Demokratische Legitimation im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG vermögen Wahlen und Abstimmungen aber nur zu vermitteln, wenn sie frei sind. Dies setzt nicht nur voraus, dass der Akt der Stimmabgabe frei von Zwang und unzulässigem Druck bleibt, sondern auch, dass die Wählerinnen und Wähler ihr Urteil in einem freien und offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können (vgl. BVerfGE 20, 56 <97>; 44, 125 <139>; 138, 102 <109 Rn. 27>).
b) In diesem Prozess kommt in der modernen parlamentarischen Demokratie politischen Parteien entscheidende Bedeutung zu (vgl. BVerfGE 44, 125 <145>; 138, 102 <110 Rn. 29>). Art. 21 GG verleiht dem dadurch Ausdruck, dass Parteien als verfassungsrechtlich notwendige Einrichtungen für die politische Willensbildung des Volkes anerkannt und in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution erhoben worden sind. Parteien sind frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen, die in den Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit hineinwirken, ohne diesem selbst anzugehören (vgl. BVerfGE 20, 56 <101>; 44, 125 <145>; 52, 63 <82 f.>; 73, 40 <85>; 104, 14 <19>). Ihnen kommt eine spezifische Vermittlungsfunktion zwischen Staat und Gesellschaft zu. Es handelt sich um politische Handlungseinheiten, derer die Demokratie bedarf, um die Wähler zu politisch aktionsfähigen Gruppen zusammenzuschließen und ihnen so einen wirksamen Einfluss auf das staatliche Geschehen zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 11, 266 <273>; 69, 92 <110>; 73, 40 <85>; 107, 339 <358 f.>; 121, 30 <53 f.>).
c) Um die verfassungsrechtlich gebotene Offenheit des Prozesses der politischen Willensbildung zu gewährleisten, ist es unerlässlich, dass die Parteien, soweit irgend möglich, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilnehmen. Von dieser Einsicht her empfängt der Verfassungsgrundsatz der gleichen Wettbewerbschancen der politischen Parteien das ihm eigene Gepräge. Die Formalisierung des Gleichheitssatzes im Bereich der politischen Willensbildung des Volkes hat zur Folge, dass auch der Verfassungsgrundsatz der Chancengleichheit der politischen Parteien in dem gleichen Sinne formal verstanden werden muss (vgl. BVerfGE 24, 300 <340 f.>; 44, 125 <146>; 138, 102 <110 Rn. 30>). Art. 21 Abs. 1 GG garantiert den politischen Parteien nicht nur die Freiheit ihrer Gründung und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, sondern auch, dass diese Mitwirkung auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgt (vgl. BVerfGE 44, 125 <139>; 138, 102 <110 Rn. 29>).
d) Im Rahmen der durch Art. 21 Abs. 1 GG gewährleisteten Handlungsfreiheit bleibt es den Parteien grundsätzlich selbst überlassen, unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben darüber zu befinden, welcher Medien oder sonstigen Kommunikationsmöglichkeiten sie sich bei der Wahrnehmung des ihnen übertragenen Verfassungsauftrages bedienen (vgl. BVerfGE 121, 30 <57>). Daher umfasst der Grundsatz der Chancengleichheit auch das Recht der Parteien, durch die Veranstaltung von Kundgebungen am politischen Wettbewerb teilzunehmen. Demonstrationen sind in der freiheitlichen Demokratie wesentliche Instrumente der Meinungskundgabe, die geeignet sind, den Prozess der politischen Willensbildung des Volkes in erheblichem Umfang zu beeinflussen. Für die Parteien stellen sie - insbesondere wenn diese sich in der Opposition befinden - ein wichtiges Mittel des politischen Meinungskampfes dar.
2. Die chancengleiche Beteiligung an der politischen Willensbildung des Volkes macht es erforderlich, dass Staatsorgane im politischen Wettbewerb der Parteien Neutralität wahren. Demgemäß wird in den Anspruch der Parteien auf Chancengleichheit gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG eingegriffen, wenn staatliche Organe auf die Ankündigung oder Durchführung politischer Kundgebungen in einseitig parteiergreifender Weise reagieren.
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass die staatliche Einwirkung in den Wahlkampf zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern dem aus Art. 21 Abs. 1 GG resultierenden Status der Parteien widerspricht. Die Staatsorgane haben als solche allen zu dienen und sich im Wahlkampf neutral zu verhalten (BVerfGE 44, 125 <144>). Einseitige Parteinahmen während des Wahlkampfs verstoßen gegen die Neutralität des Staates gegenüber politischen Parteien und verletzen die Integrität der Willensbildung des Volkes durch Wahlen und Abstimmungen (vgl. BVerfGE 44, 125 <144>; 136, 323 <333 Rn. 28>; 138, 102 <110 f. Rn. 31>).
b) Auch außerhalb von Wahlkampfzeiten erfordert der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien die Beachtung des Gebots staatlicher Neutralität (vgl. BVerfGE 140, 225 <227 Rn. 9>). Denn der Prozess der politischen Willensbildung ist nicht auf den Wahlkampf beschränkt, sondern findet fortlaufend statt. Die Willensbildung des Volkes und die Willensbildung in den Staatsorganen vollziehen sich in vielfältiger und vor allem tagtäglicher Wechselwirkung (vgl. BVerfGE 138, 102 <111 Rn. 32>). Zwar mag der politische Wettbewerb zwischen den Parteien im Wahlkampf mit erhöhter Intensität ausgetragen werden; er herrscht aber auch außerhalb von Wahlkämpfen und wirkt auf die Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler zurück. Ob in Zeiten des Wahlkampfs das Neutralitätsgebot zu verschärften Anforderungen an das Verhalten staatlicher Organe führt, kann dahinstehen (vgl. VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23. Oktober 2006 - VGH O 17/05 -, juris, Rn. 20, 25; Thüringer VerfGH, Urteil vom 3. Dezember 2014 - VerfGH 2/14 -, juris, Rn. 65 m.w.N.). Jedenfalls gilt das Gebot staatlicher Neutralität nicht nur für den Wahlvorgang und die Wahlvorbereitung (vgl. BVerfGE 14, 121 <132 f.>; 44, 125 <146>; 104, 14 <19 f.>; 138, 102 <110 Rn. 30>), sondern für sämtliche Betätigungen der Parteien, die auf die Erfüllung des ihnen durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG zugewiesenen Verfassungsauftrags gerichtet sind (vgl. für Parteispenden BVerfGE 8, 51 <64 f.>). Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG schützt das Recht der Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb in seiner Gesamtheit (vgl. BVerfGE 140, 225 <227 Rn. 9>; Thüringer VerfGH, Urteil vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris, Rn. 69; so auch Barczak, NVwZ 2015, S. 1014 <1018>; Kliegel, in: Scheffczyk/Wolter, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2017, S. 413 <436 f.>; Payandeh, Der Staat 55 <2016>, S. 519 <540>).
c) Damit ist es grundsätzlich nicht zu vereinbaren, wenn Staatsorgane die Ankündigung oder Durchführung einer politischen Kundgebung zum Anlass nehmen, sich unter Missachtung des Neutralitätsgebots einseitig mit der Kundgebung oder der diese veranstaltenden Partei auseinanderzusetzen.
aa) Dies ist der Fall, wenn das Handeln staatlicher Organe darauf gerichtet ist, die Durchführung politischer Demonstrationen oder das Verhalten potentieller Teilnehmer zu beeinflussen. Veranstaltet eine Partei eine politische Kundgebung, nimmt sie damit den ihr durch Art. 21 Abs. 1 GG zugewiesenen Verfassungsauftrag wahr. Staatliche Organe sind verpflichtet, dies im Rahmen der ihnen obliegenden Neutralitätspflicht hinzunehmen. Sie sind nicht dazu berufen, Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme oder Nichtteilnahme an von einer Partei angemeldeten Demonstrationen zu veranlassen (vgl. Thüringer VerfGH, Urteil vom 3. Dezember 2014 - VerfGH 2/14 -, juris, Rn. 72). Ein Eingriff in den Anspruch der Parteien auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb liegt dabei nicht erst vor, wenn Staatsorgane unmittelbar zum Boykott einer bestimmten politischen Kundgebung aufrufen (vgl. Thüringer VerfGH, Urteil vom 8. Juli 2016 - VerfGH 38/15 -, juris, Rn. 43) oder für den Fall der Teilnahme rechtliche oder tatsächliche Sanktionen in Aussicht stellen. Da jegliche negative Bewertung einer politischen Veranstaltung, die geeignet ist, abschreckende Wirkung zu entfalten und dadurch das Verhalten potentieller Veranstaltungsteilnehmer zu beeinflussen (vgl. BVerfGE 140, 225 <228 Rn. 11>), die gleichberechtigte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung beeinträchtigt, greift bereits ein derartiges Verhalten in das Recht der betroffenen Partei auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG ein.
bb) Darüber hinaus liegt ein Eingriff in dieses Recht auch vor, wenn staatliche Organe aus Anlass einer politischen Kundgebung negative oder positive Werturteile über die veranstaltende Partei abgeben. Auch insoweit verlangt der Grundsatz der Neutralität, dass staatliche Organe sich der offenen oder versteckten Werbung für oder gegen einzelne miteinander konkurrierende Parteien enthalten (vgl. BVerfGE 44, 125 <149>).
3. Auch wenn die Bundesregierung von ihrer Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit Gebrauch macht, entbindet sie dies nicht von der Beachtung des Neutralitätsgebots.
a) Die Bundesregierung ist das oberste Organ der vollziehenden Gewalt (vgl. BVerfGE 9, 268 <282>; 138, 102 <113 Rn. 39>). Die ihr gemeinsam mit den anderen dazu berufenen Verfassungsorganen obliegende Aufgabe der Staatsleitung (vgl. BVerfGE 11, 77 <85>; 26, 338 <395 f.>; 105, 252 <270>; 105, 279 <301>) schließt als integralen Bestandteil - und damit unabhängig von einer gesonderten gesetzlichen Ermächtigung (vgl. dazu BVerfGE 105, 252 <270>; 105, 279 <304 f.>) - die Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit ein (vgl. BVerfGE 138, 102 <114 Rn. 40>). Diese ist nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten und die Bürgerinnen und Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung an der politischen Willensbildung sowie der Bewältigung vorhandener Probleme zu befähigen (vgl. BVerfGE 44, 125 <147>; 105, 252 <269>; 105, 279 <302>). Sie umfasst die Darlegung und Erläuterung der Regierungspolitik hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit (vgl. BVerfGE 20, 56 <100>; 44, 125 <147>; 63, 230 <243>; 105, 252 <269>; 105, 279 <302>). Dabei kann die Bundesregierung auch Empfehlungen und Warnungen aussprechen (vgl. BVerfGE 105, 252 <271>; 105, 279 <306 f.>).
b) Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die der Bundesregierung zukommende Autorität und die Verfügung über staatliche Ressourcen eine nachhaltige Einwirkung auf die politische Willensbildung des Volkes ermöglichen, die das Risiko erheblicher Verzerrungen des politischen Wettbewerbs der Parteien und einer Umkehrung des Prozesses der Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen beinhaltet (vgl. BVerfGE 138, 102 <115 Rn. 45>).
Als Teil des politischen Prozesses einer freiheitlichen Demokratie, wie sie das Grundgesetz versteht, ist es daher zwar hinzunehmen, dass das Regierungshandeln sich in erheblichem Umfang auf die Wahlchancen der im politischen Wettbewerb stehenden Parteien auswirkt (vgl. BVerfGE 44, 125 <140>; 138, 102 <114 f. Rn. 44>). Davon ist aber der zielgerichtete Eingriff der Bundesregierung in den Wettbewerb der politischen Parteien zu unterscheiden. Es ist der Bundesregierung, auch wenn sie von ihrer Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit Gebrauch macht, von Verfassungs wegen versagt, sich mit einzelnen Parteien zu identifizieren und die ihr zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel und Möglichkeiten zu deren Gunsten oder Lasten einzusetzen (vgl. BVerfGE 44, 125 <141 ff.>; 138, 102 <115 Rn. 45>).
Demgemäß endet die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung dort, wo Werbung für einzelne im politischen Wettbewerb stehende Parteien beginnt. Der Grundsatz der Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG lässt es nicht zu, dass die Bundesregierung die Möglichkeiten der Öffentlichkeitsarbeit nutzt, um Regierungsparteien zu unterstützen oder Oppositionsparteien zu bekämpfen (vgl. BVerfGE 44, 125 <148 ff.>; 63, 230 <243 f.>; 138, 102 <115 Rn. 46>).
4. Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung zwar berechtigt, gegen ihre Politik gerichtete Angriffe öffentlich zurückzuweisen (a); dabei hat sie aber sowohl hinsichtlich der Darstellung des Regierungshandelns als auch hinsichtlich der Auseinandersetzung mit der hieran geübten Kritik die gebotene Sachlichkeit zu wahren (b).
a) Die Befugnis der Bundesregierung zur Erläuterung von ihr getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben schließt das Recht ein, sich mit darauf bezogenen kritischen Einwänden sachlich auseinanderzusetzen. Die Bundesregierung muss es insbesondere nicht hinnehmen, wenn ihre Arbeit auf der Grundlage unzutreffender Tatsachenbehauptungen oder in unsachlicher und diffamierender Weise angegriffen wird. Andernfalls wäre das Ziel der Öffentlichkeitsarbeit, durch die Erläuterung der Regierungspolitik den notwendigen Grundkonsens der Bürgerinnen und Bürger im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten (vgl. BVerfGE 44, 125 <147>; 138, 102 <114 Rn. 40>), nicht oder nur unter erheblich erschwerten Bedingungen erreichbar. Daher darf die Bundesregierung gegen ihre Politik erhobene Vorwürfe aufgreifen, fehlerhafte Tatsachenbehauptungen richtigstellen und unsachliche Angriffe zurückweisen.
Dies gilt auch, soweit die Regierungspolitik durch politische Parteien angegriffen wird. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Regierungshandeln ist ein zentraler Bestandteil des politischen Wettbewerbs. Der Grundsatz gleichberechtigter Teilnahme der Parteien an diesem Wettbewerb führt indes nicht dazu, dass die Bundesregierung verpflichtet wäre, parteipolitische Angriffe auf das Regierungshandeln ausnahmslos hinzunehmen. Vielmehr besteht auch insoweit das Recht der Bundesregierung, auf aus ihrer Sicht ungerechtfertigte Angriffe in angemessener Form öffentlich zu reagieren. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die politischen Parteien nicht vor einer sachlichen Auseinandersetzung der Bundesregierung mit den gegen ihr Handeln erhobenen Vorwürfen (vgl. Thüringer VerfGH, Urteil vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris, Rn. 101).
b) Das Neutralitätsgebot verpflichtet die Bundesregierung allerdings auch in diesen Fällen, einseitig parteiergreifende Stellungnahmen zugunsten oder zulasten einzelner politischer Parteien zu unterlassen. Die Erläuterung ihrer Politik und die Zurückweisung der darauf zielenden Einwände darf sie nicht zum Anlass nehmen, für Regierungsparteien zu werben oder Oppositionsparteien zu bekämpfen. Stattdessen hat sie sich darauf zu beschränken, ihre politischen Entscheidungen zu erläutern und dagegen vorgebrachte Einwände in der Sache aufzuarbeiten.
Wie jedes Staatshandeln unterliegt auch die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung dem Sachlichkeitsgebot (vgl. BVerfGE 57, 1 <8>; 105, 252 <272>). Das schließt die klare und unmissverständliche Zurückweisung fehlerhafter Sachdarstellungen oder diskriminierender Werturteile nicht aus. Darüber hinausgehende, mit der Kritik am Regierungshandeln in keinem inhaltlichen Zusammenhang stehende, verfälschende oder herabsetzende Äußerungen sind demgegenüber zu unterlassen (vgl. BVerfGE 44, 125 <149 f.>; 105, 252 <272 f.>). Derart unsachliche, diskriminierende oder diffamierende Äußerungen über Parteien stellen, auch wenn diese nur als Reaktion auf erhobene Vorwürfe erfolgen, eine unzulässige einseitige Parteinahme im politischen Wettbewerb dar, die den Grundsatz der Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt (vgl. VerfGH des Saarlandes, Urteil vom 8. Juli 2014 - Lv 5/14 -, juris, Rn. 36; Thüringer VerfGH, Urteil vom 8. Juni 2016 - VerfGH 25/15 -, juris, Rn. 101).
Ein "Recht auf Gegenschlag" dergestalt, dass staatliche Organe auf unsachliche oder diffamierende Angriffe in gleicher Weise reagieren dürfen, besteht nicht. Die Auffassung der Antragsgegnerin, reaktive Äußerungen auf verbale Angriffe seien vom Neutralitätsprinzip gedeckt, soweit und solange sie sich nach Form und Inhalt in dem Rahmen hielten, der durch die kritische Äußerung vorgegeben worden sei, geht fehl. Sie hätte zur Folge, dass die Bundesregierung bei einem auf unwahre Behauptungen gestützten Angriff auf ihre Politik ihrerseits berechtigt wäre, unwahre Tatsachen zu verbreiten. Dem steht die Verpflichtung staatlicher Organe entgegen, in Bezug genommene Tatsachen korrekt wiederzugeben (vgl. BVerfGE 57, 1 <8>). Auch der Hinweis, die gesellschaftliche Entwicklung habe dazu geführt, dass nur das "lautstark" Gesagte Gehör finde, und dass es nicht sein könne, dass eine politische Partei sich das Recht nehme, diskreditierend in der öffentlichen Debatte zu agieren und gleichzeitig von staatlichen Organen eine zurückhaltende Sprache einzufordern (vgl. VerfGH des Saarlandes, Urteil vom 8. Juli 2014 - Lv 5/14 -, juris, Rn. 42, 45), ändert nichts daran, dass der Grundsatz der Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG der abwertenden Beurteilung einzelner politischer Parteien durch staatliche Organe grundsätzlich entgegensteht. Die Bundesregierung ist darauf beschränkt, im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit über das Regierungshandeln aufzuklären, hiergegen erhobene Vorwürfe in der Sache aufzuarbeiten und diffamierende Angriffe zurückzuweisen. Darüber hinausgehender wertender Einflussnahmen auf den politischen Wettbewerb und die an diesem beteiligten Parteien hat sie sich - auch soweit es sich um bloß reaktive Äußerungen handelt - aufgrund der Gebote der Neutralität und Sachlichkeit zu enthalten.
5. a) Für die Äußerungsbefugnisse eines einzelnen Mitglieds der Bundesregierung kann nichts anderes gelten als für die Bundesregierung als Ganzes. Handelt das Regierungsmitglied in Wahrnehmung seines Ministeramts, hat es gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in gleicher Weise wie die Bundesregierung den verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien zu beachten. Es ist ihm im Rahmen seiner Regierungstätigkeit von Verfassungs wegen untersagt, einseitig im politischen Wettbewerb stehende Parteien zu bekämpfen oder zu unterstützen (vgl. BVerfGE 138, 102 <116 f. Rn. 49>).
b) Dies schließt allerdings nicht aus, dass ein Regierungsmitglied außerhalb seiner amtlichen Funktion am politischen Meinungskampf teilnimmt. Die bloße Übernahme eines Regierungsamts hat nicht zur Folge, dass dem Amtsinhaber die Möglichkeit parteipolitischen Engagements nicht mehr offensteht, da die die Regierung tragenden Parteien anderenfalls in nicht gerechtfertigter Weise benachteiligt würden (vgl. BVerfGE 44, 125 <141>; 63, 230 <243>; 138, 102 <117 Rn. 50 ff.>; VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris, Rn. 22). Es muss aber sichergestellt sein, dass ein Rückgriff auf die mit dem Regierungsamt verbundenen Mittel und Möglichkeiten, die den politischen Wettbewerbern verschlossen sind, unterbleibt.
c) Dem Neutralitätsgebot steht nicht entgegen, dass der Inhaber eines Regierungsamts regelmäßig in seiner Doppelrolle als Bundesminister und Parteipolitiker wahrgenommen wird. Zwar mögen aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger aufgrund der Verschränkung von staatlichem Amt und parteipolitischer Zugehörigkeit gegenüber dem einzelnen Regierungsmitglied nur begrenzte Neutralitätserwartungen bestehen (dazu Krüper, JZ 2015, S. 414 <416>; Payandeh, Der Staat 55 <2016>, S. 519 <532 ff.>; Putzer, DÖV 2015, S. 417 <422 f.>; Tanneberger/ Nemeczek, NVwZ 2015, S. 215 <216>), unabhängig davon bleibt es aber verfassungsrechtlich geboten, den Prozess der politischen Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen durch die chancengleiche Teilnahme der Parteien am politischen Wettbewerb im weitest möglichen Umfang zu gewährleisten (vgl. oben D. I. 1. c) Rn. 42). Deshalb führt der Umstand, dass eine strikte Trennung der Sphären des "Bundesministers", des "Parteipolitikers" und der politisch handelnden "Privatperson" nicht möglich ist, nicht zur Unanwendbarkeit des Neutralitätsgebots im ministeriellen Tätigkeitsbereich (vgl. BVerfGE 138, 102 <117 f. Rn. 53 f.>).
Vielmehr ist davon auszugehen, dass bereits die Wahrnehmung der Aufgabe der Staatsleitung durch die Bundesregierung als Ganzes ebenso wie durch ihre einzelnen Ministerinnen und Minister in vielfältiger Weise auf die politische Willensbildung des Volkes einwirkt (vgl. oben D. I. 3. b) Rn. 52 ff.). Auch wenn dies als Folge der vorgefundenen Wettbewerbslage im politischen Prozess hinzunehmen ist (vgl. BVerfGE 44, 125 <140>; 138, 102 <115 Rn. 44>), hat eine darüber hinausgehende Beeinflussung dieser Wettbewerbslage durch staatliches Handeln zu unterbleiben (vgl. BVerfGE 73, 40 <89>; 78, 350 <358>; 85, 264 <287>). Eine Beeinträchtigung der Chancengleichheit im politischen Wettbewerb liegt daher vor, wenn Regierungsmitglieder sich am politischen Meinungskampf beteiligen und dabei auf durch das Regierungsamt eröffnete Möglichkeiten und Mittel zurückgreifen, über welche die politischen Wettbewerber nicht verfügen (vgl. BVerfGE 138, 102 <118 Rn. 55>). Demgemäß verstößt eine parteiergreifende Äußerung eines Bundesministers im politischen Meinungskampf gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien und verletzt die Integrität des freien oder offenen Prozesses der Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen, wenn sie entweder unter Einsatz der mit dem Ministeramt verbundenen Ressourcen oder unter erkennbarer Bezugnahme auf das Regierungsamt erfolgt, um ihr damit eine aus der Autorität des Amts fließende besondere Glaubwürdigkeit oder Gewichtung zu verleihen (vgl. BVerfGE 138, 102 <118 Rn. 55>). Die aus dem Grundsatz der Chancengleichheit folgende Bindung der Mitglieder der Bundesregierung an das Neutralitätsgebot in ihrem dienstlichen Tätigkeitsbereich entspricht einem im Amtseid gemäß Art. 64 Abs. 2, Art. 56 GG zum Ausdruck kommenden Amtsverständnis, wonach das Ministeramt unparteiisch gegenüber jedermann und zum Wohle des (gesamten) deutschen Volkes wahrzunehmen ist. Für eine parteiergreifende Teilnahme am politischen Wettbewerb ist die spezifische Inanspruchnahme der Autorität des Regierungsamts oder der damit verbundenen Ressourcen dagegen aus Verfassungsgründen ausgeschlossen.
d) Demgegenüber kann nicht darauf verwiesen werden, die Anwendung des Neutralitätsgrundsatzes auf regierungsamtliche Äußerungen erschwere den Mitgliedern der Bundesregierung die Wahrnehmung ihrer parlamentarischen Verantwortlichkeit und führe zu einer "Entpolitisierung" des Regierungshandelns (vgl. Tanneberger/Nemeczek, NVwZ 2015, S. 215 <215 f.>). Eine solche Argumentation lässt außer Betracht, dass das Neutralitätsgebot die Bundesregierung und ihre Mitglieder nicht daran hindert, über politische Vorhaben und Maßnahmen zu informieren sowie unter Beachtung des Sachlichkeitsgebots Angriffe und Vorwürfe zurückzuweisen (siehe oben D. I. 4. Rn. 55 ff.). Die Wahrnehmung parlamentarischer Verantwortlichkeit und das Führen der politischen Sachdebatte sind daher auch bei Geltung des Neutralitätsgrundsatzes nicht infrage gestellt. Die Mitglieder der Bundesregierung sind durch das Neutralitätsgebot lediglich daran gehindert, im Rahmen der Ausübung der Regierungstätigkeit einseitig Partei zu ergreifen oder bei der Teilnahme am allgemeinen politischen Wettbewerb auf die spezifischen Möglichkeiten und Mittel des Ministeramts zurückzugreifen.
e) Der Einwand, die Abgrenzung zwischen ministeriellen Äußerungen, die dem Neutralitätsgebot unterfallen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall ist, wirke nicht nur konstruiert und lebensfremd, sondern könne auch nicht mit einem hinreichenden Maß an Rechtssicherheit erfolgen (vgl. Krüper, JZ 2015, S. 414 <417>; Putzer, DÖV 2015, S. 417 <423>; Mandelartz, DÖV 2015, S. 326 <329>), geht fehl. Ob die Äußerung eines Mitglieds der Bundesregierung in Ausübung des Ministeramts stattgefunden hat, ist nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen (vgl. BVerfGE 138, 102 <118 Rn. 56>; VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris, Rn. 25). Der Senat hat dazu Kriterien entwickelt, die die Unterscheidung zwischen einer Inanspruchnahme der Autorität des Regierungsamts und der damit verbundenen Ressourcen einerseits und der bloßen Beteiligung am politischen Meinungskampf andererseits ermöglichen (vgl. BVerfGE 138, 102 <118 ff. Rn. 57 ff.>). Dabei hat er insbesondere klargestellt, dass die Amtsautorität in Anspruch genommen wird, wenn der Amtsinhaber sich durch amtliche Verlautbarungen in Form offizieller Publikationen, Pressemitteilungen sowie auf der offiziellen Internetseite seines Geschäftsbereichs erklärt oder wenn Staatssymbole und Hoheitszeichen eingesetzt werden (vgl. BVerfGE 138, 102 <118 f. Rn. 57>; siehe auch VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. Mai 2014 - VGH A 39/14 -, juris, Rn. 25; Thüringer VerfGH, Urteil vom 3. Dezember 2014 - VerfGH 2/14 -, juris, Rn. 58, und Urteil vom 8. Juli 2016 - VerfGH 38/15 -, juris, Rn. 33; Barczak, NVwZ 2015, S. 1014 <1016>; Kliegel, in: Scheffczyk/Wolter, Linien der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 2017, S. 413 <432 f.>; Putzer, DÖV 2015, S. 417 <423>). Bei sonstigen öffentlichen Äußerungen ist es dem Amtsinhaber im Übrigen unbenommen, klarstellend darauf hinzuweisen, dass es sich um Beiträge im politischen Meinungskampf jenseits der ministeriellen Tätigkeit handelt.
Nach diesen Maßstäben hat die Antragsgegnerin mit ihrer Pressemitteilung 151/2015 vom 4. November 2015 die Antragstellerin in ihrem Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. Durch die Veröffentlichung auf der Homepage des von ihr geführten Ministeriums hat sie diese Erklärung mit der Autorität ihres Ministeramts unterlegt (1.). Der Inhalt der Erklärung missachtet das Recht der Antragstellerin auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb (2.). Dieser Eingriff ist durch das Recht der Antragsgegnerin auf öffentliche Darlegung und Verteidigung des Regierungshandelns nicht gerechtfertigt (3.).
1. a) Die Antragsgegnerin hat bei der Abgabe der Pressemitteilung 151/2015 vom 4. November 2015 in Wahrnehmung ihres Regierungsamts gehandelt. Sie hat die Erklärung unter Verwendung des Dienstwappens auf der Homepage des von ihr geführten Ministeriums veröffentlicht und damit ihr aufgrund des Ministeramts zustehende Ressourcen in Anspruch genommen. Mit der Einstellung der Pressemitteilung auf der offiziellen Internetseite des Ministeriums sowie der Verwendung des Dienstwappens hat sie in spezifischer Weise auf die Autorität dieses Amts zurückgegriffen.
b) Einem Handeln in amtlicher Funktion steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin im Text der Pressemitteilung nicht ausdrücklich auf ihr Ministeramt Bezug genommen, sondern sich nur unter ihrem bürgerlichen Namen geäußert hat. Die Homepage eines Bundesministeriums dient der Verlautbarung von Mitteilungen zu Angelegenheiten in seinem Zuständigkeitsbereich. Daher stellt sich die Pressemitteilung vom 4. November 2015 nach ihrem objektiven Erscheinungsbild als Verlautbarung der Antragsgegnerin in ihrer Eigenschaft als Bundesministerin für Bildung und Forschung dar. Der Verzicht auf die Amtsbezeichnung reicht nicht aus, um ein Handeln in nichtamtlicher Funktion zu dokumentieren. Außerdem erkennt die Antragsgegnerin selbst an, dass sie bei der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Pressemitteilung in amtlicher Funktion gehandelt hat, wenn sie darauf verweist, dass sie als Mitglied der Bundesregierung in Ausübung ihres Ministeramts einen Angriff auf die Regierungspolitik unter Einsatz ihrer Amtsressourcen zurückgewiesen habe.
2. Die Antragsgegnerin hat durch die Verbreitung ihrer Presseerklärung auf der Homepage des von ihr geführten Ministeriums den Grundsatz der Neutralität staatlicher Organe im politischen Wettbewerb missachtet und dadurch das Recht der Antragstellerin aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. Die Presseerklärung beinhaltet sowohl einseitig negative Bewertungen der Antragstellerin als auch den Versuch, das Verhalten potentieller Teilnehmer an der für den 7. November 2015 geplanten Demonstration zu beeinflussen.
a) Die Antragsgegnerin spricht sich in ihrer Erklärung dafür aus, der Antragstellerin die "Rote Karte" zu zeigen. Zur Begründung verweist sie darauf, dass Sprecher der Antragstellerin "der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub leisten". Außerdem wird der Antragstellerin ausdrücklich angelastet, dass durch das Verhalten von Björn Höcke und anderen Sprechern der Antragstellerin "Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betreiben, wie der Pegida-Chef Bachmann, unerträgliche Unterstützung erhalten". Die in diesen Aussagen enthaltene abwertende Qualifizierung der Antragstellerin als eine Partei, die den Rechtsextremismus und die Radikalisierung der Gesellschaft fördert, ist geeignet, deren Position im politischen Meinungskampf zu beeinträchtigen. Die Antragsgegnerin fordert durch die Verwendung der Metapher der "Roten Karte" erkennbar dazu auf, sich von der Antragstellerin zu distanzieren, und wirkt dadurch einseitig zu deren Lasten auf den politischen Wettbewerb ein.
b) Daneben ist die Presseerklärung darauf gerichtet, das Verhalten potentieller Teilnehmer an der von der Antragstellerin für den 7. November 2015 geplanten Demonstration zu beeinflussen.
aa) Sie enthält zwar keinen ausdrücklichen Aufruf zum Boykott der von der Antragstellerin angekündigten Demonstration. Auch werden potentiellen Versammlungsteilnehmern weder Sanktionen angedroht, noch wird ihre Teilnahme faktisch behindert oder in sonstiger Weise unmöglich gemacht.
bb) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin enthält sich die Presseerklärung aber keineswegs einer Bewertung der Teilnahme an dieser Versammlung. Vielmehr wird die geplante Demonstration ausdrücklich als Anlass für die Pressemitteilung ausgewiesen. Zugleich kommt erkennbar die Auffassung der Antragsgegnerin zum Ausdruck, dass mit der Teilnahme an dieser Versammlung eine Partei gestärkt würde, deren Sprecher der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub leisteten und Rechtsextreme unterstützten. Die Forderung, einer solchen Partei die "Rote Karte" zu zeigen, stellt sich vor diesem Hintergrund zumindest als mittelbare Aufforderung dar, der geplanten Demonstration fernzubleiben. Eine derartige Aufforderung missachtet das Gebot der Neutralität staatlicher Organe im politischen Wettbewerb.
3. Der durch die Pressemitteilung vom 4. November 2015 bewirkte Eingriff in das Recht der Antragstellerin auf Chancengleichheit ist nicht durch die Befugnis der Antragsgegnerin zur öffentlichen Erläuterung des Regierungshandelns und zur Zurückweisung hiergegen gerichteter Angriffe gerechtfertigt.
a) Dabei kann dahinstehen, ob einer Rechtfertigung des Eingriffs in das Recht der Antragstellerin aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG bereits entgegensteht, dass der streitgegenständlichen Presseerklärung vom 4. November 2015 ein inhaltlicher Bezug zu dem von der Antragsgegnerin geleiteten Geschäftsbereich fehlt.
Grundsätzlich setzt die Befugnis staatlicher Organe zur Öffentlichkeitsarbeit die Beachtung der bestehenden Kompetenzordnung voraus (vgl. BVerfGE 44, 125 <149>; 105, 252 <270>). Für die Bundesregierung ergibt sich dabei die Verteilung der Zuständigkeiten aus Art. 65 GG. Eine Berufung der Antragsgegnerin auf Art. 65 Satz 2 GG kommt hier nicht in Betracht, da die streitgegenständliche Pressemitteilung jeglichen Bezug zu dem ihr übertragenen Geschäftsbereich der Bildungs- und Forschungspolitik vermissen lässt. Ob der Antragsgegnerin auch darüber hinaus als Mitglied des Kollegialorgans Bundesregierung eine eigenständige Befugnis zukommt, Angriffe auf die Regierungspolitik und insbesondere auf das Handeln der Bundeskanzlerin zurückzuweisen, kann dem Wortlaut von Art. 65 GG nicht ohne Weiteres entnommen werden.
b) Unabhängig davon steht einer Rechtfertigung des Eingriffs der Antragsgegnerin in das Recht der Antragstellerin auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb jedenfalls entgegen, dass die Pressemitteilung 151/2015 die sich aus den Geboten der Neutralität und Sachlichkeit ergebenden Grenzen regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitet. Weder hat die Presseerklärung die Information über das Regierungshandeln zum Gegenstand, noch werden hiergegen erhobene Vorwürfe in sachlicher Form zurückgewiesen.
Zwar wird in der Pressemitteilung auf die von der Antragstellerin für den 7. November 2015 angekündigte und gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gerichtete Demonstration Bezug genommen. Zugleich sind der Pressemitteilung aber keinerlei erläuternde Informationen über das Handeln der Bundesregierung in der Flüchtlingspolitik oder in einem sonstigen Politikbereich zu entnehmen. Zudem fehlt es an jeglicher sachlicher Aufarbeitung von gegen das Handeln der Bundesregierung oder der Bundeskanzlerin gerichteten Vorwürfen. Stattdessen beschränkt sich die Pressemitteilung auf den Vorwurf an die Antragstellerin, deren Sprecher leisteten der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub und gewährten Rechtsextremen unerträgliche Unterstützung. Hinzu kommt die Aufforderung der Antragsgegnerin, der Antragstellerin die "Rote Karte" zu zeigen, und damit jedenfalls mittelbar der Aufruf, der Demonstration am 7. November 2015 fernzubleiben. Informationen über politische Maßnahmen und Vorhaben der Bundesregierung oder eine Zurückweisung hiergegen gerichteter Vorwürfe enthält die Presseerklärung der Antragsgegnerin dagegen nicht. Vielmehr stellt sie einen parteiergreifenden Angriff auf die Antragstellerin im politischen Wettbewerb aus Anlass der Ankündigung einer politischen Kundgebung dar. Damit überschreitet die Antragsgegnerin die Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung und ihrer Mitglieder.
c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand der Antragsgegnerin, die Veröffentlichung der Pressemitteilung auf der Homepage des Ministeriums sei für sie die einzige Möglichkeit gewesen, am politischen Meinungskampf teilzunehmen, da sie nicht über ein Bundestagsmandat verfügt habe. Dieses Argument verkennt Bedeutung und Funktion des aus dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien fließenden Neutralitätsgebots grundlegend. Dass die Antragsgegnerin nicht über ein Bundestagsmandat verfügt hat, rechtfertigt nicht die Beeinträchtigung eines chancengleichen Wettbewerbs zwischen den politischen Parteien durch den Rückgriff auf die Ressourcen des von ihr ausgeübten Regierungsamts. Der Antragsgegnerin ist es unbenommen, sich der den Parteien zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten im politischen Meinungskampf zu bedienen. Ein Rückgriff auf staatliche Ressourcen hat jedoch zu unterbleiben, da ansonsten einer mit Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbaren Verfälschung der vorgefundenen Wettbewerbslage Tür und Tor geöffnet wäre.
Die Auslagenentscheidung beruht auf § 34a Abs. 3 BVerfGG. Im Organstreitverfahren findet eine Erstattung von Auslagen nur ausnahmsweise statt, wenn besondere Billigkeitsgründe dies geboten erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 20, 119 <133 f.>; 96, 66 <67>; 110, 407 <409>). Solche Gründe sind hier nicht ersichtlich.