Entscheidungsdatum: 21.11.2013
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 66 Abs. 1 ThürDG) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
Der im Jahre 1972 geborene Beklagte ist Polizeihauptmeister (Besoldungsgruppe A 9) in Diensten des Klägers. Im Februar 2002 wurde gegen den Beklagten ein Ermittlungsverfahren wegen Verbreitens pornografischer Schriften eingeleitet. Im Folgemonat verurteilte ihn das Amtsgericht Chemnitz wegen Verbreitens kinderpornografischer Schriften durch Strafbefehl zu einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen. Der Beklagte unterrichtete seinen Dienstherrn weder vom Ermittlungsverfahren noch vom Strafbefehl. Der Kläger erhielt im Juli 2008 von dem Strafbefehl Kenntnis, leitete im März 2009 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und erhob im September 2009 Disziplinarklage.
Das Oberverwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Dienst entfernt. Es hat u.a. darauf abgestellt, dass dem Beklagten eine außerdienstliche Pflichtverletzung zur Last falle. Er habe Ende Januar/Anfang Februar 2002 von einem Bildschirm abfotografierte Bilder kinderpornografischen Inhalts zur Entwicklung in ein Fotogeschäft gegeben und dadurch gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Das Verwertungsverbot des § 51 Abs. 1 BZRG stehe der disziplinarrechtlichen Ahndung dieses Verhaltens nicht entgegen. § 51 Abs. 1 BZRG hindere lediglich die Berücksichtigung getilgter oder tilgungsreifer Eintragungen im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme wegen anderer Vergehen. Für die Frage dagegen, ab welchem Zeitpunkt nach Vollendung eines Dienstvergehens, das auch und gerade in einer Straftat liegen könne, eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden dürfe, enthalte das Disziplinarrecht eigenständige Regelungen.
Der Beklagte hält die Frage für rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO,
ob § 51 Abs.1 BZRG die Verwertung eines strafrechtlich durch Verurteilung bereits abschließend gewürdigten Sachverhalts im Disziplinarverfahren hindert, wenn die disziplinaren Ermittlungen erst nach eingetretener Tilgungsreife beziehungsweise Tilgung eingeleitet wurden.
Mit dieser Frage kann der Beklagte die Revisionszulassung nicht erreichen. Sie ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 1. März 2012 - BVerwG 2 B 120.11 - IÖD 2012, 127 <129> in einem Fall betreffend das Disziplinargesetz des Landes Berlin (im nachfolgenden Zitat: DiszG), ausgeführt:
"Für die Frage, ab welchem Zeitraum nach Vollendung eines Dienstvergehens - das auch und gerade in einer Straftat liegen kann - eine Disziplinarmaßnahme nicht mehr verhängt werden darf (sog. Disziplinarmaßnahmeverbot), treffen die Disziplinargesetze eine eigenständige, nach der Schwere der Disziplinarmaßnahme abgestufte Regelung (vgl. § 15 DiszG, § 15 BDG). Die Disziplinargesetze enthalten auch Regelungen zu Verwertungsverboten früherer Disziplinarmaßnahmen nach Ablauf bestimmter Fristen (vgl. § 16 DiszG, § 16 BDG). Das Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 Bundeszentralregistergesetz - BZRG -, wonach die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder zu tilgen ist, ist in Disziplinarverfahren daneben lediglich insoweit von Bedeutung, als im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme, bei der das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. § 13 Abs. 1 BDG), nicht zu Lasten des Beamten auf von § 51 BZRG erfasste Verurteilungen wegen anderer - nicht den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildender - Vergehen abgestellt werden darf."
Diese Ausführungen gelten nicht nur für den Fall der während eines Disziplinarverfahrens eintretenden Tilgungsreife nach § 51 Abs. 1 BZRG, sondern gleichermaßen auch für die bereits vor Einleitung des Disziplinarverfahrens eingetretene Tilgungsreife nach § 51 Abs. 1 BZRG.
§ 12 Thüringer Disziplinargesetz (ThürDG) enthält wie § 15 Bundesdisziplinargesetz (BDG) ein abgestuftes System von disziplinarrechtlichen Verhängungsverboten wegen Zeitablaufs. Bestimmte Disziplinarmaßnahmen dürfen nach einer bestimmten Zeitspanne nach Beendigung des Dienstvergehens nicht mehr verhängt werden. Je schwerer die Disziplinarmaßnahme, desto länger ist der Zeitraum, in dem diese Disziplinarmaßnahme verhängt werden darf. Für die Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst sieht § 12 ThürDG (wie § 15 BDG) kein Verhängungsverbot vor. Daneben beschränkt § 13 ThürDG ebenso wie § 14 BDG den Katalog zulässiger Disziplinarmaßnahmen nach Verurteilungen in Straf- und Bußgeldverfahren; auch hier ist bei der Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienst eine Beschränkung nicht vorgesehen.
Die eigenständige Regelung des Disziplinarrechts trägt dem besonderen Zweck des Disziplinarrechts Rechnung. Zweck der Disziplinarbefugnis ist nicht, begangenes Unrecht zu vergelten. Vielmehr geht es darum, die Integrität des Berufsbeamtentums und die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung aufrechtzuerhalten. Daher ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, ob ein Beamter, der in vorwerfbarer Weise gegen Dienstpflichten verstoßen hat, nach seiner Persönlichkeit noch im Beamtenverhältnis tragbar ist und, falls dies zu bejahen ist, durch welche Disziplinarmaßnahme auf ihn eingewirkt werden muss, um weitere Pflichtenverstöße zu verhindern (Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 ff. Rn. 34 m.w.N.). Demgegenüber ist Zweck des Verwertungsverbots des § 51 Abs. 1 BZRG, den verurteilten Straftäter nach einer gewissen Zeit vom Makel der Bestrafung zu befreien, um seine Resozialisierung zu erleichtern (Urteil vom 3. Dezember 1973 - BVerwG 1 D 62.73 - BVerwGE 46, 205 <206>). Mit dem Zweck des Disziplinarrechts wäre es nicht zu vereinbaren, wenn der Umstand, dass eine Dienstpflichtverletzung zugleich auch eine Straftat darstellt und deshalb als solche geahndet wird, privilegierende Wirkung in der Weise hätte, dass sie eine disziplinarrechtliche Ahnung bei Eintritt der Tilgungsreife nach § 51 Abs. 1 BZRG ausschließen würde.
Das Verwertungsverbot nach § 51 Abs. 1 BZRG, wonach die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder zu tilgen ist, hat deshalb in Disziplinarverfahren nur die Bedeutung, dass im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme, bei der das Persönlichkeitsbild des Beamten angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ThürDG, § 13 Abs. 1 Satz 3 BDG), nicht zu Lasten des Beamten auf von § 51 BZRG erfasste Verurteilungen wegen anderer - nicht den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildender - Vergehen abgestellt werden darf (vgl. Urteile vom 13. März 1969 - BVerwG 2 D 2.69 - BVerwGE 33, 268 <269>, vom 28. August 1973 - BVerwG 1 WD 10.73 - NJW 1974, 515, vom 25. November 1974 - BVerwG 2 D 44.74 - BVerwGE 46, 335 <336>, vom 5. Februar 1991 - BVerwG 1 D 29.90 - juris Rn. 13 und vom 25. Juli 2013 - BVerwG 2 C 63.11 - Rn. 22
Von wem die späte Einleitung des Disziplinarverfahrens zu verantworten ist, ist insoweit ebenfalls unerheblich und kann nur in den Fällen Bedeutung erlangen, in denen lediglich auf eine pflichtenmahnende Disziplinarmaßnahme zu erkennen ist. Ergibt die Gesamtwürdigung hingegen, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, so lässt sich allein aufgrund einer unangemessenen langen Verfahrensdauer nicht der Verbleib im Beamtenverhältnis rechtfertigen (vgl. Urteil vom 28. Februar 2013 - BVerwG 2 C 62.11 - NVwZ-RR 2013, 693 Rn. 59 ff. m.w.N.).