Entscheidungsdatum: 04.04.2013
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 25 212,98 € festgesetzt.
Die Beschwerde der Klägerin kann keinen Erfolg haben. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Rechtssache die geltend gemachte rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. Aufgrund des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist der Senat darauf beschränkt, über die Revisionszulassung ausschließlich aufgrund derjenigen rechtlichen Gesichtspunkte zu entscheiden, die die Klägerin in der Beschwerdebegründung geltend gemacht hat.
Die Klägerin ist seit 2002 angestellte Lehrerin im Landesdienst. Sie hat erhebliches Übergewicht (Adipositas dritten Grades; BMI-Index von mehr als 40 kg/m²). Im Hinblick darauf lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ab. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil heißt es, der Klägerin fehle die für die Übernahme erforderliche gesundheitliche Eignung. Hierfür müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können, dass ein Bewerber vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze krankheitsbedingt dienstunfähig werde. Im Fall der Klägerin habe die Beklagte zu Recht eine ungünstige Prognose getroffen, weil bei Menschen mit Adipositas dritten Grades nach gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowohl das Sterberisiko als auch das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen deutlich erhöht sei. Die Anwendung eines günstigeren Prognosemaßstabs komme nicht in Betracht, weil die Klägerin nicht behindert sei. Eine Behinderung im Rechtssinne setze voraus, dass die Teilhabe eines Menschen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sei, weil sein körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand nicht nur vorübergehend abweiche. Eine derartige Beeinträchtigung könne für Menschen mit Adipositas dritten Grades nicht festgestellt werden. Die Klägerin übe ihren Beruf ohne Einschränkungen aus. Die Versagung des Zugangs zum Beamtenverhältnis begründe keine Behinderung.
Das Oberverwaltungsgericht hat in dem Berufungsurteil zwei entscheidungserhebliche allgemeine Rechtsfragen, nämlich die Fragen nach dem Bedeutungsgehalt der Begriffe der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme als Beamter und der Behinderung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und § 1 AGG (Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG) unter Berufung auf Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Eignungsprognose für behinderte Menschen nach einem günstigeren Maßstab vorzunehmen ist. Unerheblich ist auch, ob eine Behinderung anzunehmen ist, wenn der regelwidrige Zustand ein Hindernis für die Ausübung des gewählten Berufs darstellt.
Die Klägerin macht in Bezug auf die Rechtsauffassungen, die das Oberverwaltungsgericht zu den Rechtsbegriffen der gesundheitlichen Eignung und der Behinderung vertreten hat, keine Revisionszulassungsgründe geltend. Dies gilt insbesondere für die Annahme, eine Behinderung im Rechtssinne setze voraus, dass ein regelwidriger körperlicher, geistiger oder seelischer Zustand zu einer Beeinträchtigung der Teilhabe am sozialen Leben führt. Daher hat der Senat über die Revisionszulassung auf der Grundlage dieser das Berufungsurteil tragenden Rechtsauffassungen des Oberverwaltungsgerichts zu entscheiden.
Zudem ist der Senat an die in dem Berufungsurteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, weil die Klägerin hiergegen keine Verfahrensrügen erhoben hat (§ 137 Abs. 2 VwGO). Daher hat der Senat über die Revisionszulassung auf der Grundlage des vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Sachverhalts zu entscheiden. Dieses hat zum einen festgestellt, Menschen mit Adipositas dritten Grades seien einem erheblich erhöhten Risiko von Folgeerkrankungen ausgesetzt. Zum anderen hat es festgestellt, die sozialen Teilhabemöglichkeiten dieser Menschen seien nicht nennenswert beeinträchtigt.
Die Klägerin wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO die Fragen auf,
- ob Adipositas dritten Grades als Behinderung im Sinne des § 1 AGG bzw. des Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zu qualifizieren ist;
- ob Adipositas dritten Grades zwar als Krankheit, nicht zugleich aber auch als Behinderung zu qualifizieren ist;
- ob es gerechtfertigt ist, bei der Bewertung der gesundheitlichen Eignung zwischen Bewerbern zu differenzieren, deren gesundheitliche Risiken aus ihrem Verhalten resultieren (Raucher, Betreiber von Extremsportarten), und solchen, insbesondere Übergewichtigen, bei denen Risiken körperlich manifest sind, und bei Angehörigen der zuletzt genannten Gruppe eine gesundheitliche Eignung auch dann zu verneinen, wenn das bei ihnen bestehende Risiko einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand geringer ist als bei Angehörigen der zuerst genannten Gruppe.
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die von der Beschwerde aufgeworfene Frage sowohl entscheidungserhebliche Bedeutung für den Ausgang des Rechtsstreits hat als auch allgemein klärungsbedürftig ist (vgl. Beschluss vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4). Die Grundsatzrügen der Klägerin erfüllen diese Voraussetzungen nicht:
Mit der ersten Frage wirft die Klägerin keine allgemeine, über den zu entscheidenden Fall hinausreichende Rechtsfrage auf. Vielmehr wendet sie sich in der Art einer Revisionsbegründung gegen die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Oberverwaltungsgericht. Dieses hat geprüft, ob Menschen mit Adipositas dritten Grades im Allgemeinen und die Klägerin im Besonderen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sind, wie dies für die Annahme einer Behinderung erforderlich ist. Dabei hat es seine nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden, weil nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen dahingehend gewürdigt, dass Menschen mit Adipositas dritten Grades generell keinen Beeinträchtigungen unterlägen, die bei einer Gesamtbetrachtung die Schwelle zur Behinderung überschritten. Die Klägerin könne ihren Beruf als Lehrerin gegenwärtig ohne Einschränkungen ausüben.
In der Tat bietet der vom Oberverwaltungsgericht bindend festgestellte Sachverhalt zur Teilhabe der betroffenen Menschen am sozialen Leben keine Handhabe, um Adipositas dritten Grades als Behinderung im Rechtssinne würdigen zu können. Die Berufsausübung der Klägerin im Status der Tarifbeschäftigten anstelle des Beamtenstatus kann für sich genommen keine Behinderung begründen. Den von der Klägerin angeführten Stimmen im Schrifttum, die erhebliches Übergewicht als Behinderung ansehen, kommt angesichts der bindenden tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im vorliegenden Verfahren keine Bedeutung zu.
Die zweite Frage hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung, weil sie sich auf der Grundlage der von der Klägerin nicht angegriffenen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts zum Rechtsbegriff der Behinderung ohne Weiteres beantworten lässt. Danach reicht eine nicht nur vorübergehende Krankheit nicht aus, um eine Behinderung im Rechtssinne annehmen zu können. Hinzu kommen muss, dass die Teilhabe am sozialen Leben gerade aufgrund der Krankheit beeinträchtigt ist. Dies hat das Oberverwaltungsgericht bei Menschen mit Adipositas dritten Grades im Allgemeinen und für die Klägerin im Besonderen nicht festgestellt. Das von der Klägerin angeführte Urteil des Senats vom 19. Februar 2009 - BVerwG 2 C 18.07 - (BVerwGE 133, 143 = Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 6) befasst sich mit dem Rechtsbegriff der Behinderung nicht.
Die dritte Frage hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung, weil sie im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist. Es kommt nicht darauf an, ob die Tatsachenbehauptung der Klägerin zutrifft, Raucher würden trotz erwiesener Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens bei der Beurteilung der gesundheitlichen Eignung für die Übernahme als Beamte generell nicht als Risikogruppe angesehen. Gleiches gilt für die anderen Gruppen, die die Klägerin erwähnt hat. Auch wenn die Verwaltungspraxis bei der beamtenrechtlichen Eignungsprüfung bestimmte Risiken entgegen den wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht berücksichtigen oder unterschätzen sollte, kann dies nicht dazu führen, dass auch andere Risiken außer Acht gelassen werden müssen. Die Klägerin fordert die Gleichbehandlung mit einer aus ihrer Sicht zu Unrecht bevorzugten Personengruppe. Nach allgemeiner Ansicht kann aber eine sachlich nicht gerechtfertigte Verwaltungspraxis keine Ansprüche auf Gleichheit im Unrecht begründen (BVerfG, Beschlüsse vom 17. März 1959 - 1 BvR 53/56 - BVerfGE 9, 213 <223> und vom 17. Januar 1979 - 1 BvL 25/77 - BVerfGE 50, 142 <166>; Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 BvR 1493/89 - BVerfGE 84, 239 <284>; BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1993 - BVerwG 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153 <157> = Buchholz 448.0 § 21 WPflG Nr. 47 S. 15).
Einer grundlegenden Neubewertung der gesundheitlichen Risiken bei der beamtenrechtlichen Eignungsprüfung, die die Klägerin aufgrund der behaupteten Besserstellung bestimmter Risikogruppen für geboten hält, steht bereits entgegen, dass der zeitliche Bezug der Prognoseentscheidung, das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze im aktiven Dienst, durch Lebenszeit- und Alimentationsprinzip vorgegeben ist. Diese hergebrachten Grundsätze, die nach Art. 33 Abs. 5 GG Verfassungsrang genießen, gewährleisten die lebenslange amtsangemessene Versorgung der Ruhestandsbeamten. Dies rechtfertigt Vorkehrungen, die ein ausgewogenes Verhältnis von aktiver Dienstzeit und Ruhestandszeit sicherstellen sollen (vgl. Urteil vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54, jeweils Rn. 20). Hierzu gehört die Prognose, ob ein Beamtenbewerber bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienst leisten kann. Dies gilt unabhängig davon, nach welchem Wahrscheinlichkeitsmaßstab die Prognose vorzunehmen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG.