Entscheidungsdatum: 15.04.2010
Die auf Verfahrensmängel und auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 und 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet.
1. a) Die Klägerin rügt als Verfahrensmangel, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, indem es nicht die von ihr benannte Zeugin Dr. V. vom Gesundheitsamt G. zu der Frage vernommen habe, ob der Beklagte auch am 6. und 7. Oktober 2003 Geldbeträge entwendet habe; dieser Zeugin gegenüber habe der Beklagte nämlich eingeräumt, "einige Male kleinere Geldbeträge entwendet" zu haben.
Die Rüge greift nicht durch. Das Berufungsgericht hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt, wie oft der Beklagte auf Gelder der Klägerin zugegriffen habe. Während der Beklagte dies nur einmal eingeräumt habe, habe die Beweisaufnahme, bei der fünf Zeugen vernommen worden sind, zur Gewissheit des Senats Zugriffshandlungen des Beklagten an drei Tagen ergeben, nicht aber, wie in der Klageschrift angeführt, an fünf Tagen. An dieser Beweiswürdigung würde sich nichts ändern, wenn man unterstellt, die Zeugin hätte die in ihr Wissen gestellte Erklärung abgegeben, der Beklagte habe ihr gegenüber "einige Male" eingeräumt. Im Übrigen hat die Klägerin die Vernehmung der Zeugin zwar schriftlich beantragt, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Antrag aber nicht mehr gestellt. Das Gericht verletzt seine Aufklärungspflicht grundsätzlich nicht, wenn sich ihm eine weitere Aufklärung nicht aufdrängt und eine sachkundig vertretene Partei die Vernehmung eines weiteren Zeugen nicht ausdrücklich beantragt (str.Rsp, vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
Im Übrigen spricht wenig für die Annahme der Beschwerde, dass die tragenden Erwägungen des Berufungsgerichts andere gewesen wären, wenn dem Kläger nicht die Entwendung von 120 € durch drei Taten, sondern von 160 € durch fünf Taten nachgewiesen worden wäre. Das Berufungsgericht hat in seine Überlegungen eingestellt, dass der Beklagte durch mehrere geplante Taten Geld der Klägerin an sich gebracht hat, dessen Wert die Bagatellgrenze von 50 € deutlich überstieg. Dass auch bei den Erwägungen des Berufungsgerichts über die Notwendigkeit einer Zurückstufung des Beklagten gerade der Anzahl der Taten und dem genauen Betrag ausschlaggebendes Gewicht zugekommen ist, ist den Gründen des angegriffenen Urteils nicht zu entnehmen.
b) Als verfahrensfehlerhaft beanstandet die Klägerin ferner, dass das Berufungsgericht auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. T. und dessen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gekommen ist, der Beklagte habe im Zeitpunkt seiner drei Taten an einer schweren depressiven Episode gelitten und sei in dessen Folge in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen. Mit diesen Ausführungen richtet sich die Beschwerde gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, die dem materiellen Recht zuzurechnen ist und grundsätzlich nicht mit Verfahrensrügen angegriffen werden kann. Soweit dies ausnahmsweise möglich ist - etwa bei Verstößen gegen die Denkgesetze (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133
c) Weiterhin rügt die Klägerin als verfahrensfehlerhaft, das angegriffene Urteil leide an einem Abwägungsmangel, weil das Berufungsgericht es unterlassen habe, generalpräventive Überlegungen, die für eine Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis sprächen, in seine Entscheidung miteinzubeziehen. Auch diese Rüge greift nicht durch. Abgesehen davon, dass zweifelhaft ist, ob generalpräventive Überlegungen im Disziplinarrecht unter der Geltung der §§ 13 und 14 BDG überhaupt noch zulässig sind (vgl. zum Meinungsstand: Hummel/Köhler/Mayer, BDG, A.IV.3 Rn. 89), betrifft die Rüge wiederum die Verletzung des materiellen Rechts - nämlich des § 13 BDG -, während als Verfahrensfehler allenfalls grobe Fehler bei der Überzeugungsbildung gerügt werden können (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
d) Dasselbe gilt für die Angriffe der Beschwerde gegen die prognostischen Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es eine Wiederholungsgefahr verneint hat. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang rügt, das Berufungsgericht habe sich zu der Frage einer möglichen Wiederholung überhaupt nicht geäußert, geht sie fehl: Wie die Beschwerde selbst nicht verkennt, hat sich das Berufungsgericht - wenn auch im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer zusätzlichen Pflichtenmahnung im Sinne des § 14 Abs. 1 Nr. 2 BDG - mit dieser Frage befasst und ausgeführt, konkrete Anhaltspunkte für eine erneute Dienstpflichtverletzung lägen nicht vor und seien auch von der Klägerin nicht geltend gemacht worden. Der Beklagte sei weder vor noch nach dem Dienstvergehen in vergleichbarer Weise auffällig geworden und habe sich, soweit ersichtlich, auch sonst nichts zuschulden kommen lassen. Auch die Art seiner Erkrankung begründe keine Wiederholungsgefahr (UA S. 30 f.). Der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, auf welcher Grundlage das Berufungsgericht bei der Anwendung des § 13 BDG zu einer anderen Einschätzung hätte kommen müssen.
2. Der Sache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Beschwerde hält für klärungsbedürftig,
"ob bei einem Mehrfachversagen des Beamten im Kernbereich seiner Amtspflichten (hier als Vorgesetzter in der Geldbearbeitung der Deutschen Bundesbank) im Rahmen von Zugriffsdelikten das Vorliegen eines Milderungsgrundes einer erheblichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit allein für ein Absehen von der disziplinaren Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sowie im Ergebnis (im Hinblick auf die Anwendung der Vorschrift des § 14 Abs. 1 BDG) auch für ein Absehen von Disziplinarmaßnahmen überhaupt ausreichen kann."
Diese Frage bedarf keiner weiteren Klärung in einem Revisionsverfahren. Wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats zutreffend ausgeführt hat, setzt erheblich verminderte Schuldfähigkeit gemäß §§ 20, 21 StGB voraus, dass die Fähigkeit, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, wegen einer Störung im Sinne von § 20 StGB bei der Tat erheblich eingeschränkt war. Für die Steuerungsfähigkeit kommt es darauf an, ob das Hemmungsvermögen so stark herabgesetzt war, dass der Betroffene den Tatanreizen erheblich weniger Widerstand als gewöhnlich entgegenzusetzen vermochte. Die daran anknüpfende Frage, ob die Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer krankhaften seelischen Störung "erheblich" war, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab. Aufgrund dessen wird sie bei Zugriffsdelikten nur in Ausnahmefällen erreicht werden (vgl. Urteil vom 3. Mai 2007 - BVerwG 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3, Rn. 31 ff. m.w.N.). Hieraus ergibt sich, dass auch bei einem Mehrfachversagen des Beamten im Kernbereich seiner Amtspflichten und auch im Rahmen von Zugriffsdelikten die Steuerungsfähigkeit (als eine der beiden in § 21 StGB genannten Alternativen) als Folge einer Störung im Sinne des § 20 StGB in erheblichem Maße eingeschränkt sein kann und dass dies bei der Bestimmung der nach § 13 BDG angemessenen Disziplinarmaßnahme zu berücksichtigen ist. Erneuter Klärungsbedarf in dem Sinne, ob in bestimmten Fällen die erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beamten ohne disziplinarische Relevanz ist, ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats nicht ersichtlich.