Entscheidungsdatum: 23.09.2015
1. Ausgelaufenes oder auslaufendes Recht rechtfertigt regelmäßig nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision; dass die fragliche Regelung noch für wenige Altfälle Anwendung findet, steht dem nicht entgegen (stRspr).
2. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass in einer Ausbildungs- und Prüfungs-Verordnung für Polizeivollzugsbeamte (Kommissaranwärter) im Rahmen von insgesamt 29 Prüfungsleistungen für die Teilprüfung "Berufspraktisches Training - Bereich Ausdauer" für einen 3000-Meter-Lauf nur eine einmalige Wiederholungsprüfung vorgesehen ist und dass das wiederholte Nichtbestehen dieser Teilprüfung das Nichtbestehen der Gesamtprüfung zur Folge hat.
Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Der 1987 geborene Kläger nahm im September 2008 seine Ausbildung als Kommissaranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf für den gehobenen Polizeivollzugsdienst auf. Den dafür notwendigen Bachelorstudiengang absolvierte er an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (Studiengang "Polizeivollzugsdienst"). Die damals gültige Studienordnung sah u.a. ein gegliedertes "Berufspraktisches Training" vor, das im Teilmodul 7 die körperliche Leistungsfähigkeit umfasste. Im Bereich Ausdauer konnten die Kommissaranwärter wählen, entweder einen 2000-, 3000- oder 5000-Meter-Lauf zu absolvieren. Der Kläger entschied sich für den 3000-Meter-Lauf, den er beim ersten Prüfungsversuch 2010 nicht bestand.
Von der vorgesehenen einmaligen Wiederholungsprüfung trat der Kläger in der Folge fünfmal unter Vorlage ärztlicher und polizeiärztlicher Atteste jeweils mit triftigem Grund zurück. Den von ihm sodann im Februar 2012 wahrgenommenen Wiederholungstermin bestand er erneut nicht, worauf ihm die Fachhochschule beschied, dass er das Modul "Berufspraktisches Training" insgesamt nicht bestanden habe. Der dagegen gerichtete Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat die Bescheide der Fachhochschule aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger die Möglichkeit zu geben, den 3000-Meter-Lauf im Teilmodul 7 des Berufspraktischen Trainings zu wiederholen. Das Oberverwaltungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage mit der Begründung abgewiesen, es bestünden keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass nach der einschlägigen staatlichen Studienordnung die Leistungsüberprüfung einer Leistung aus der Gruppe 5 des Deutschen Sportabzeichens (3000-Meter-Lauf) bei Misserfolg nur einmal wiederholt werden könne.
2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen.
Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine - von der Beschwerde zu bezeichnende - konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung im Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> und vom 2. Februar 2011 - 6 B 37.10 - NVwZ 2011, 507 Rn. 2). Dies ist in der Begründung der Beschwerde darzulegen (§ 133 Abs. 3 VwGO).
Die von der Beschwerde der Sache nach als grundsätzlich aufgeworfenen Fragen,
- ob es verhältnismäßig ist, wenn bei einer Vielzahl von Teilprüfungen jeweils nur eine Wiederholungsmöglichkeit vorgesehen ist, sodass bei zweimaligem Nichtbestehen einer solchen Teilprüfung die Gesamtprüfung nicht bestanden ist,
und
- ob es verhältnismäßig ist, wenn das zweimalige Nichtbestehen einer solchen Teilprüfung im letzten Drittel des Studiums dessen erfolglose Beendigung zur Folge hat,
betreffen ausgelaufenes Recht und rechtfertigen daher schon aus diesem Grund nicht die Zulassung der Grundsatzrevision (a). Davon abgesehen sind die Fragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, sodass hierfür kein Revisionsverfahren durchgeführt werden muss (b).
a) Gegenstand der Verpflichtungsklage ist ein Bescheid der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, der auf der Grundlage von § 12 Abs. 1 und 2 der Verordnung über die Ausbildung und die II. Fachprüfung für den Laufbahnabschnitt II (Bachelor) der Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Landes Nordrhein-Westfalen vom 21. August 2008 (GV. NRW. S. 554) i.d.F. der Änderungsverordnung vom 19. November 2010 (GV. NRW. S. 623) - VAPPol II Bachelor a.F. - ergangen ist. Danach konnte eine nicht bestandene Prüfung oder Studienleistung nur einmal wiederholt werden.
Bei dieser Vorschrift handelt es sich indes um ausgelaufenes Recht, für das regelmäßig kein Bedarf an revisionsgerichtlicher Klärung anzuerkennen ist. Entsprechend dem Zweck der Grundsatzrevision, eine für die Zukunft richtungs-weisende Klärung herbeizuführen, rechtfertigen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Rechtsfragen zu ausgelaufenem oder auslaufendem Recht sowie zu Übergangsrecht regelmäßig - und so auch hier - nicht die Zulassung einer Grundsatzrevision (BVerwG, Beschlüsse vom 17. Mai 2004 - 1 B 176.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 29 S. 11 und vom 7. Oktober 2004 - 1 B 139.04 - Buchholz 402.240 § 7 AuslG Nr. 12 S. 6 jeweils m.w.N. und vom 15. Mai 2008 - 2 B 78.07 - juris Rn. 2 f.). Eine Revisionszulassung wegen solcher Fragen kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Fragen sich zu den Nachfolgevorschriften offensichtlich in gleicher Weise stellen oder wenn ihre Beantwortung für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft von Bedeutung ist (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Oktober 2012 - 8 B 40.12 - juris Rn. 5 und vom 25. Oktober 2010 - 2 B 35.10 - juris Rn. 5). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich.
Nach der seit dem 1. September 2012 geltenden Nachfolgeregelung (§ 12 der Verordnung über die Ausbildung und die II. Fachprüfung für den Laufbahnabschnitt II
b) Im Übrigen genügt die angefochtene Altregelung, nach der das Nichtbestehen einer Teilprüfung auch bei nur einmaliger Wiederholungsmöglichkeit zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führen soll, den Anforderungen von Art. 12 Abs. 1 GG und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aber auch in der Sache.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 29. Mai 2013 - 6 C 18.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 418 Rn. 27) ist das nach einmaliger Wiederholung endgültige Nichtbestehen einer Teilleistung, das zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung führt, nicht zu beanstanden, wenn die Teilprüfung schon für sich genommen eine zuverlässige Grundlage für die Beurteilung der Eignung des Prüflings bietet. Eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage kann eine Teilprüfung dann bieten, wenn gerade durch sie eine Fähigkeit nachgewiesen wird, die als unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil derjenigen Qualifikation anzusehen ist, die mit der Prüfung insgesamt nachgewiesen werden soll.
Eine solche Fähigkeit kann etwa in der Beherrschung einer bestimmten Fachmaterie oder, gegebenenfalls hiermit kombiniert, einer bestimmten Bearbeitungs- oder Darstellungsmethode bestehen, die nur in der betroffenen Teilprüfung abgeprüft werden. Der Normgeber kann aber davon ausgehen, dass ein positives Befähigungsurteil überhaupt nur bei durchgängiger Erzielung mindestens ausreichender Einzelleistungen gerechtfertigt ist; dann soll jede Teilprüfung mittelbar auch dem Nachweis der Fähigkeit zur fachbezogenen Leistungskonstanz dienen. Dies obliegt regelmäßig in weitem Umfang der eigenen Einschätzung des Normgebers, die gerichtlich nur beanstandet werden darf, wenn sie offenkundig sachlich unvertretbar ist. Diesbezüglich beschränkt sich die grundrechtliche Bindung des Normgebers auf das Gebot der Wahrung eines sachlichen Zusammenhangs mit den Anforderungen des betreffenden Berufs. Die Definition beruflicher und akademischer Qualifikationsstandards sind vorwiegend Akte politisch wertender Gestaltung; sie werden durch die Verfassung im Kern nicht vorentschieden.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Rechtsprechung jüngst mit Kammerbeschluss vom 26. Juni 2015 - 1 BvR 2218/13 - (DVBl. 2015, 1192 <1193> juris Rn. 24) bestätigt, indem es zum Kongruenzerfordernis zwischen prüfungsrechtlichen Bestehensregelungen, Berufsfreiheit und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auf seine bisherige Rechtsprechung hingewiesen und daran festgehalten hat:
"Prüfungsregelungen genügen den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch nur, wenn sie für sich genommen geeignet, erforderlich und zumutbar sind (vgl. BVerfGE 80, 1 <24> m.w.N.; stRspr). Das Bestehen von Teilprüfungen kann folglich gefordert werden, wenn diese schon für sich genommen jeweils eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage für die Erreichung des Prüfungszwecks bieten (vgl. BVerfGE 80, 1 <35>; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 6. März 1995 - BVerwG 6 B 3.95 -, juris, Rn. 4 f. m.w.N.). Spezifische Anforderungen einer Kongruenz mit Staatsprüfungen sind Art. 12 Abs. 1 GG damit jedoch nicht zu entnehmen."
Soweit der Normgeber unabdingbare Teilprüfungen vorsieht, ist er also dazu befugt, die Anzahl der Teilprüfungen und ihren Inhalt festzulegen, solange dafür ein sachlicher Grund erkennbar ist und die Geprüften durch die Ausgestaltung der Prüfung nicht unzumutbar belastet werden. Dafür ist es - entgegen den Ausführungen der Beschwerde - unerheblich, ob die Gesamtprüfung in 3 Teilprüfungen (juristische Universitätsprüfung) oder 29 Teilprüfungen (Kommissaranwärter) untergliedert ist und in welchem Studienabschnitt genau die Teilprüfungen dem Geprüften abverlangt werden, solange jede einzelne Teilprüfung mit Sachgrund eine vom Normgeber als unerlässlich eingestufte Fähigkeit abprüft. Denn zum einen ist die Zulässigkeit der Abschichtung von Prüfungsleistungen beispielsweise beim juristischen Staatsexamen in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2001 - NotZ 21/00 - BGHReport 2001, 443 f. zur Bewertung der Abschlussprüfung in der einstufigen Juristenausbildung bei Notarbestellung in Bremen). Zum anderen wirkt die Abschichtung der Prüfungsleistungen für die Geprüften nicht nur belastend, sondern auch entlastend (vgl. z.B.: VGH Mannheim, Beschluss vom 27. Februar 2014 - 9 S 2275/13 - juris Rn. 27). Sie müssen die Einzelleistungen nicht im Ganzen in einem kleinen festen Zeitfenster erbringen. Vielmehr unterziehen sie sich den einzelnen Teilprüfungen über ihre gesamte Ausbildung hinweg und können sich so auf jeden Prüfungsteil einzeln und konkret vorbereiten.
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass das einmal wiederholte endgültige Nichtbestehen einer Teilprüfung - hier "Berufspraktisches Training" Bereich Ausdauer, 3000-Meter-Lauf - rechtmäßig ist, weil das Erbringen von Ausdauerleistungen nach der Gruppe 5 des Deutschen Sportabzeichens dem Nachweis der körperlichen Leistungsfähigkeit dient und diese nach den dem Dienstherrn obliegenden Anforderungen für die Wahrnehmung der Kernaufgaben polizeilichen Handelns unerlässlich ist. Einen sich hieraus ergebenden weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.